Wir bei Dailygeek.de lieben Comics. Das dürfte wenige Leute überraschen, immerhin bilden die bunten Bildhefte eine der Grundsäulen des angemessenen Nerdtums und mit Horde haben wir vor nicht allzu langer Zeit die perfekte Schnittmenge aus Comic, Popkultur und Videospielen rezensiert und für gut befunden. So gut, dass wir die Gelegenheit beim Schopfe packen mussten, um uns (digital) mit dem Zeichner des Werks Marvin Clifford zu treffen und zu schnacken. Und das hat auch wunderbar geklappt, denn Marvin hat sich die notwendige Zeit genommen und gemeinsam mit mir den vereinbarten Zeitrahmen gekonnt beiseite geschoben, um uns sehr detailliert zu zeigen, dass Comics zwar heutzutage digital entstehen, aber ohne das nötige Herzblut farblos bleiben. Und da ändert auch die beste App nichts dran.
Aber Comics zeichnen muss am Ende dann doch jemand und so beginnt das Interview mit der zwar unspektakulären, aber umso wichtigeren Bitte sich selbst vorzustellen, schließlich ist die Szene in Deutschland zwar recht überschaubar, steht aber nicht unbedingt im Rampenlicht. Marvin Clifford bezeichnet sich selbst als Comiczeichner, der wohl einiges machen kann, was Leute gerne lesen und stellt damit, ziemlich sympathisch, sein Licht etwas unter den Scheffel. Dem Erfolg von Shakes & Fidget in der Vergangenheit folgt nun der erfolgreiche Einstieg in die Comicvariante des Actual Play Podcasts mit YouToube-Phänomen Erik „Gronkh“ Range.
Die Anfänge eines Zeichenkünstlers
Marvin Clifford, der Mann hinter den Comics, wurde gefragt, wie er zum Comiczeichnen kam. Seine Antwort war ebenso bodenständig wie seine Zeichnungen selbst. Schon seit seiner Kindheit hatte er eine Leidenschaft für Comics und Zeichentrickfiguren. Als die Fernsehzeit vorbei war, griff er zu einem Stift und begann, seine eigenen Fantasien aufs Papier zu bringen. So begann er in die Welt des Comiczeichnens einzutauchen, ohne wirklich zu wissen, was es bedeutet, ein Comiczeichner zu sein und übte sich früh an Superhelden Cartoons, bei denen es zunächst immer nur um Gekloppe ging. Aber immerhin stimmte auch schon damals der Protagonist, den als Einsteiger in der Branche entschied sich der junge Zeichner für Super-Marvin, ein Hybrid aus Superman, Batman, ein bisschen Marshal Bravestar und He-Man.
Eine interessante Anekdote aus dem Interview war seine Wahl des Lieblings-Ninja Turtles. Für Marvin war Raphael, der impulsivste der Gruppe, immer der Coolste. Er identifizierte sich nicht mit Anführer Leonardo oder dem verfressenen Michelangelo. Die Inspiration für diese Wahl kam aus alten Kung-Fu-Filmen der 70er und 80er Jahre, in denen Charaktere mit roten Stirnbändern als furchtlos galten. Ideale Vorbilder also, um Super-Marvin in Zukunft abzulösen.
Die Faszination für Fantasy
Die Frage, warum er sich hauptsächlich dem Genre Fantasy widmet, führte zu einer tiefgründigen Antwort. Marvins Vater war ein Fan des Rollenspiels „Das Schwarze Auge“, und diese Einflüsse prägten Marvins Vorlieben. Er hatte Bilder im Kopf, die er aufzeichnen wollte, und ließ sich auch von epischen Fantasy-Geschichten wie „Herr der Ringe“ inspirieren. Selber spielte er Anfangs anfangs auch, zählte Pen & Paper-Rollenspiele aber nicht zu seinen Kern Hobbies. Dazu gehörten nämlich, neben dem Zeichnen, auch Videospiele. So war er stolzer Besitzer zahlreicher Konsolen, fand sich aber nie in der Welt des kompetitiven Multiplayer zurecht und wollte die Vielfalt der Spielewelten erleben. Dazu gehörten in erster Linie Point and Click-Adventure Spiele, allen voran die Monkey Island Serie, deren klamaukiger Humor mit dem Fantasy-Cartoon Look der Piratenwelt für den Berliner Zeichner eine perfekte Kombination ergaben.
In der Zeit seines Grafikdesignstudiums hatte Marvin Clifford einen Kommilitonen, der nicht nur Comic-affin war, sondern auch ein Experte in Computerspielen. Obwohl er selbst nicht viel Zeit fürs Zocken hatte, faszinierte ihn das Beobachten von Videospielen. Er liebte es, die Figurenentwicklung, die Hintergrundgeschichte und die aufkommenden Level zu beobachten.
Ein Blick auf Marvins Schöpfungen
Wenn man Marvin Clifford nach seinem eigenen Lieblings-Charakter fragt, den er erschaffen hat, taucht eine faszinierende Dimension seines kreativen Prozesses auf. Marvin gestand, dass er sich oft unabsichtlich selbst zeichnet, und so entwickelte sich Super-Marv weiter und es begann seine Arbeit an „Shakes & Fidget“, mit dem ihm der Einstieg in die Branche gelang.
Ein Mitstudent, der von World of Warcraft begeistert war, inspirierte Marvin zu diesem Webcomic-Projekt. Als die beiden beschlossen, gemeinsam einen Comic zu erstellen, stellten sie fest, dass ihre Charaktere eine gewisse Ähnlichkeit mit ihnen selbst hatten. So wurde Marvin in den Comic als zaubernder Gnom integriert, was Raum für humorvolle Interaktionen zwischen dem namensgebenden Zauberer und Krieger bot. Da bei der Serie aber Humor in Vordergrund stand, dauerte es eine Weile, bis die Leser erkannten, dass die Schöpfer gewisse Ähnlichkeiten mit den Charakteren hatten. Nachdem sich der Fokus aber von dem Webcomic hin zum Browsergame verlegte, trennten sich dann auch die Wege der beiden Schöpfer und Marvin erhielt Raum für neue Ideen.
Die digitale Evolution
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Interviews war Marvins Übergang zur digitalen Kunst. Er gestand, dass er sich anfangs auf traditionelle Methoden wie Tuschzeichnungen und Aquarellmalerei verlassen hatte. Er hatte sogar einen Mentor aus Frankreich, der viel mit Federzeichnungen arbeitete. Doch der hohe Materialaufwand und die Unannehmlichkeiten beim Arbeiten mit traditionellen Medien führten schließlich zu einem Wechsel zur digitalen Kunst mit der schlichten Begründung, dass zum einen die Materialkosten erstaunlich hoch seien, als auch die Tatsache, dass man Unmengen an Stauraum brauche. Ein Problem, dass Marvin selbst mit seinem Berliner Atelier, das er sich mit seinem Freund und Mentor Flix [u.a. bekannt für Werke wie Spirou in Berlin oder Das Humboldt-Tier, Anmerkung der Redaktion] teilt, kaum in den Griff bekommen hätte. Wäre er nicht auf digitales Zeichnen umgesattelt, denn mit der Entwicklung von Wacom-Tablets, auf denen er direkt zeichnen konnte, entdeckte Marvin eine neue Dimension der kreativen Freiheit. Er konnte jeden gewünschten Stift simulieren und dennoch seinen eigenen unverwechselbaren Strich beibehalten. Dies ermöglichte ihm eine wirtschaftlichere Arbeitsweise und eine effizientere Nutzung seiner Ressourcen und erlaubt so seinen eigenen, farbprächtigen Stil, den man so eigentlich nur digital erreichen kann. Augenzwinkernd fügte er aber hinzu, dass er sofort auf eine 24 Zoll Ipad-Variante umsteigen würde, sollte der Markt jemals eine hergeben.
Die Herausforderungen des Comic-Schaffens
Marvin Clifford gewährte auch Einblicke in die Herausforderungen des Comic-Schaffens. Er erklärte, dass er Comics nicht nur als Künstler, sondern auch als Geschäftsmann betrachte müsse. Die Zusammenarbeit mit Verlagen brachte sowohl kreative als auch finanzielle Herausforderungen mit sich. Die langen Arbeitszeiten an einem einzigen Comicband und die ungewisse Bezahlung waren nur einige der Hürden, mit denen man konfrontiert werden könne. So nannte er beispielhaft seine Arbeit am ersten Band von Horde, der rund ein halbes Jahr an Arbeitszeit in Anspruch nahm und den Künstler und den Verlag so unter Druck setzte, schließlich sei es fast unmöglich vom Verlag eine angemessene Bezahlung für einen derartig langen Zeitraum zu erhalten und eine Familie zu ernähren. Zumal Verlage auch ein wenig Pokern müssen, da sie keine Erfolgsgarantie für ihre Projekte haben und so beispielsweise versuchen, Autoren und Zeichner gleich für mehrere Werke zu verpflichten. um eventuelle Ausfälle wieder einzuholen.
Er betonte auch, wie wichtig es ist, die richtige Balance zwischen kreativer Freiheit und den Anforderungen eines Verlags zu finden. Dies kann oft kompliziert sein, insbesondere wenn es darum geht, die Erwartungen der Fans zu erfüllen und gleichzeitig künstlerische Integrität zu bewahren, zumal Verlage deutlich wirtschaftlicher denken müssen, als es die Kunstschaffenden häufig machen. Das zeige sich auch in der Wahl des Mediums. Obwohl man bei der Gestaltung von Webcomics fast völlig freie Hand hat, sind Formatvorlagen für Comics meist völlig anders und entsprechen auch nicht den Din A4 Formaten vieler Zeichenoberflächen.
Die Welt des Comics heute
Marvin Clifford sprach auch über die Entwicklung der Comic-Kultur und ihre Bedeutung heute. Er glaubt, dass Comics und Graphic Novels in der heutigen Zeit eine breitere Anerkennung und Wertschätzung erfahren als je zuvor. Sie sind nicht mehr nur auf Superhelden beschränkt, sondern decken eine Vielzahl von Genres und Themen ab, von Horror bis hin zu gesellschaftlichen Fragen. Interessanterweise stellte er fest, dass es gleichzeitig in Deutschland bisher an einer spürbaren Comickultur mangele. Während es in Europa, speziell im frankophonen Raum und in Großbritannien seit jeher Comics für alle Altersstufen gibt, scheint das in Deutschland zu fehlen. „Mein Kind, das liebt ja Comics“ sei die typische Reaktion von Menschen die auf seinen Beruf als Comiczeichner käme und internationale Namen wie Tim & Struppi oder Batman gibt es gar nicht.
Mit dem Aufstieg des Internets und der sozialen Medien haben auch Webcomics und selbstveröffentlichte Comics an Bedeutung gewonnen. Diese Plattformen bieten aufstrebenden Künstlern die Möglichkeit, ihre Werke einem globalen Publikum zugänglich zu machen, ohne auf die traditionellen Verlagsstrukturen angewiesen zu sein und so wurde auch Marvin mit Shakes & Fidget und Schisslaweng bekannt, zwei Formaten die es vor allem digital gibt.
Die Zusammenarbeit mit Gronkh und „Horde“
Eine der faszinierendsten Geschichten in Marvins Karriere ist sicherlich seine Zusammenarbeit mit Gronkh, einem der bekanntesten deutschen YouTuber und Streamer. Marvin erzählte, wie er auf der Suche nach Unterhaltung beim Zeichnen über Musik, zu Podcasts hin zu Let’s Plays gekommen sei, da er so sein Interesse für Videospiele mit der Möglichkeit, parallel arbeiten zu können, gut in Einklang bringen konnte. Dabei ist ihm schon recht früh Gronkh ins Auge gefallen und so wurde dessen Content für den Zeichner zu einem ständigen Begleiter und Marvin somit zu einem echten Fan.
In seinem Fantum war er so überzeugt, dass er sich eines Tages dazu entschied, dem Youtuber ein Paket mit eigenen Werken zuzusenden, die beim Konsum des Contents entstanden sei. Und wie es der Zufall so wollte, kam es dann auch dazu, dass Erik das Paket in einer Sendung öffnete und sich dann seinerseits als Fan outete. Später kam es dann zu einem zufälligen Treffen nach einer Convention und so begann eine echte Freundschaft und schließlich eine kreative Zusammenarbeit. Marvin stieg in das gemeinsame Pen & Paper Projekt von Gronkh, PhunkRoyal, Pandorya und der Autorin Liza Grimm mit ein. Anfangs, verriet er, sollte sein Charakter eigentlich ein Gestaltwandler sein, der je nach Gastspieler ein völlig anderes Erscheinungsbild an den Tag legen sollte. Wegen der hervorragenden Chemie innerhalb der Gruppe wurde Marvin aber schnell zu einem Stammmitglied und sein Schurke blieb er selbst. Immer noch starstruck wollte Marvin einen persönlichen Beitrag zum Projekt beitragen und da er zufällig schon einen Verlag an der Strippe hatte, rannte er beim Team offene Türen ein und setzte sich mit Liza an den Schreibtisch. Anfangs sollten die Abenteuer nämlich eins zu eins übernommen werden, schnell stießen die beiden Autoren aber auf Probleme, die das Medium Comic mitbringt. Die Herausforderung bestand darin, die Vielfalt und Tiefe der Spielwelt in einen Comic umzuwandeln, der für Fans und Neueinsteiger gleichermaßen zugänglich ist und zur selben Zeit Format und Seitenvorgaben durch den Verlag und das Medium zu berücksichtigen, der sich nicht gut mit dem Impro-Comedy-Flair des gestreamten Rollenspiels vereinen lässt und so musste man die Handlung ein wenig anpassen. Und das ist den beiden auch ziemlich gut gelungen, wie unsere Rezensionen schon zeigten.
An dieser Stelle möchten wir uns bei Marvin Clifford für das ebenso spannende wie freundliche Interview bedanken, und auch beim Riva Verlag für die Herstellung des Kontaktes.
Die Rezensionen zu den beiden verfügbaren Horde-Bänden findet ihr hier:
COMIC REVIEW: HORDE – DAS ERSTE ZEITALTER: QUESTE VOR DEM FESTE
COMIC REVIEW: HORDE – DAS ERSTE ZEITALTER: WAS HELDEN TUN FÜRS HELDENTUM
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