Kingdom Come Deliverance 2 – Das realistischste Mittelalter-RPG kehrt zurück
Einführung: Wenn Red Dead im Mittelalter wäre…
Seit Kingdom Come Deliverance 2018 erschien, hat es sich einen besonderen Platz in der Gaming-Welt erkämpft. Kein anderes Spiel hat das Mittelalter so authentisch dargestellt – ohne Magie, ohne Drachen, nur mit Schwert, Schweiß und blutigen Nasen. Es war ein Rollenspiel, das sich mehr an historischen Fakten als an Fantasy-Tropes orientierte, was es einzigartig machte. Aber es war auch sperrig, verbuggt und stellenweise frustrierend. Trotzdem liebten es viele – oder gerade deshalb. Nicht zuletzt auch ich, denn das eher gemächliche Tempo, das um Authentizität bemühte Kampfsystem und der irgendwie charmante Eurojank haben mich zu einem beinharten Fan gemacht. Auch wenn ich erst Monate nach Release auf das Game gestoßen bin!
Jetzt ist Kingdom Come Deliverance 2 da, und die große Frage lautet: Haben die tschechischen Warhorse Studios die Stärken des Vorgängers weiter ausgebaut und die Schwächen beseitigt? Und wie schlägt es sich im Vergleich zu anderen Open-World-Giganten wie Red Dead Redemption 2?

Die Entwickler haben sich bei den stimmungsvollen Videosequenzen nicht lumpen lassen! © Deep Silver
Die Story: Ein Schmied auf Abwegen
Die Geschichte von Kingdom Come Deliverance 2 setzt dort an, wo der Vorgänger aufhörte: Heinrich, einst der Sohn eines einfachen Schmieds, ist nun tief in den Konflikt um das mittelalterliche Böhmen verwickelt. Während er im ersten Teil noch von einem Niemand zum Krieger wurde, muss er sich nun mit komplexeren politischen Intrigen, Loyalitäten und moralischen Dilemmata auseinandersetzen und ist dabei noch nicht einmal ein richtiger Ritter!
Die Story ist größer, ambitionierter und besser inszeniert. Es gibt mehr Zwischensequenzen, detailliertere Charakterinteraktionen und eine größere Entscheidungsfreiheit als im ersten Teil. Während Red Dead Redemption 2 mit seinen filmreifen Cutscenes und lebendigen Charakteren punktet, setzt KCD2 weiterhin auf historische Detailverliebtheit, muss sich für seine guten Dialoge aber auch wirklich nicht verstecken, auch wenn die Entscheidungsfreiheit bei genauerer Betrachtung gar nicht so ausgeprägt ist, wie sie zunächst erscheint. Aber das nimmt der Story nichts von ihrer Spannung.
Was im Vergleich zum Vorgänger auffällt, ist die bessere Charakterzeichnung. Während Heinrich im ersten Teil oft wie ein passiver Zuschauer in einem großen Machtspiel wirkte, hat er nun mehr Einfluss. Er kann sich stärker in die politischen Ereignisse einmischen, Entscheidungen treffen, die tatsächlich Konsequenzen haben, und sogar verschiedene Fraktionen gegeneinander ausspielen. Das gleiche gilt auch für seine Mitstreiter, allen voran Hans von Capon, der zwar ein Großmaul, aber irgend wie auch ein feiner Kerl ist und was soll man von einem Adeligen auch groß anderes erwarten? Er ist ja per Geburt schon zu fein für ehrliche Arbeit und ist sich dem auch bewusst. Aber dafür hat er ja Heinrich…
Während RDR2 eine Geschichte erzählt, die vor allem auf emotionale Tiefe und Charakterentwicklung setzt, bleibt KCD2 in seiner Darstellung etwas trockener. Man wird weniger mit cineastischen Dramen konfrontiert, sondern eher mit den kalten Realitäten des Mittelalters: Verrat, Kriege und die harten Konsequenzen politischer Entscheidungen. Die Spannung entsteht aus den Wendungen und Ereignissen, die eben genau so aus einem Geschichtsbuch stammen könnten. Aber einem zugegebenermaßen überraschend guten, erstaunlich spannenden Geschichtsbuch.

Ein bisschen haben die beiden es ja auch verdient… © Deep Silver
Gameplay: Mittelalter-Simulator 2.0
Das Gameplay von Kingdom Come 2 bleibt sich treu – mit all seinen Stärken und Herausforderungen. Das Kampfsystem ist weiterhin eine Mischung aus Schwertkampf-Simulation und taktischem Positionieren. Wer KCD1 gespielt hat, erinnert sich: Es ist kein Button-Mashing à la Assassin’s Creed. Angriffe müssen präzise gesetzt werden, Ausdauer ist entscheidend, und wenn du unvorbereitet in einen Kampf gehst, endet das oft mit einer blutigen Lektion in Demut. Dabei gibt es allerlei Waffenarten und Combos, ganz wie im ersten Teil. Und ähnlich kniffelig sind die an For Honor erinnernden Fights auch, nicht zuletzt weil sie auch relativ selten vorkommen und immer eine tödliche Gefahr darstellen. Dadurch ist man auch verleitet Kämpfe zu vermeiden und sich verbal herauszuwinden, zur Not auch während eines Kampfes!
Neu sind verbesserte Reitkämpfe, die jetzt viel flüssiger funktionieren als im Vorgänger. Es gibt auch mehr Interaktionsmöglichkeiten mit der Welt – von detaillierterem Handwerk bis hin zu politischen Manövern, die tatsächlich Einfluss auf die Story haben. Dabei ist aber, zumindest auf der Konsole, die Steuerung ganz schön hakelig. Man muss nämlich ziemlich genau auf die relativ kleinen Gegenstände zielen, um sie aufzuheben. Es kommt außerdem regelmäßig vor, dass man sich nicht so richtig sicher sein kann welche Gegenstände überhaupt interaktiv sind. Das kann speziell beim Sammeln von Kräutern echt ein bisschen nerven!
Dazu kommt der ständige Kampf mit dem Inventar. Mal eben die Waffe wechseln erfordert mehrere Tastendrücke und ist durch die Farbgebung gefühlt mehr ein Simulator für Farbenblindheit, als eine echte Unterstützung. Und auch nach über 30 Stunden verlaufe ich mich im Inventar und weiß bei einem unangenehm großen Teil der Werte überhaupt nicht, welchen Einfluss sie haben. Ich vermute, dass man am PC einfach mit der Maus über den jeweiligen Stat hovern kann, um Hilfe zu bekommen, auf den Konsolen ist man aber auf sich alleine gestellt!
Aber wenn es läuft, dann läuft es wunderbar und erinnert mittlerweile manchmal sogar an das Missionsdesign und die Dialogqualität von Cyberpunk! Denn der Kampf ist der spaßige Teil des Gameplays, aber die meiste Zeit über ist man auch ein bisschen Detektiv, kann sich die Zeit mit Minispielen vertreiben, sich in teilweise wirklich witzigen Dialogen Wortgefechte liefern und einfach den Alltag als mittelalterlicher Krieger genießen. Oder man weicht von den ritterlichen Idealen ab und wird zu einem kleinen Räuber, der sich alles unter den Nagel reißt, was nicht niet- und nagelfest ist.

Jeder Kampf ist sau gefährlich und sieht auch genau so aus! © Deep Silver
Technik: Meisterwerk oder Katastrophe?
Warhorse Studios sind für ihre Ambitionen bekannt – aber auch für technische Probleme. Der erste Teil war beim Release berüchtigt für Bugs, Glitches und Performance-Probleme. Und KCD2? Es ist definitiv besser, aber nicht ganz perfekt.
Optisch ist es eine deutliche Verbesserung zum Vorgänger. Lichtstimmungen, Wettereffekte und Texturen sind beeindruckend und lassen Spielende absolut immersiv in das mittelalterliche Böhmen versinken. Auch die Charaktermodelle sind detaillierter und sehen teilweise einfach klasse aus! Gerade in Verbindung mit dem dynamischen Blut- und Wundeffekten, die im Kampf auftauchen und auch nach einem Kampf erhalten bleiben sehen düster aus und zeigen, dass der Kampf im Mittelalter absolut erbarmungslos war. So kann die Stimmung dann auch mal so ein bisschen an Dragon Age Origins erinnern, auch wenn alle Fantasyelemente fehlen. Auch die Animationen wirken weniger steif als im Vorgänger, aber gerade in Kämpfen wird ein wenig zu viel herumgewackelt.
Aber: Es gibt immer noch Bugs. Manche sind irgendwie ja noch ganz lustig, wie NPCs, die plötzlich auf Dächer teleportiert werden oder freischwebende Vogelnester, andere sind frustrierend. Es ist zum Glück wirklich recht selten, aber es gibt gelegentlich Quest-Bugs, die einen Neustart erzwingen, was gerade in Verbindung mit dem Speichersystem nervig sein kann. Das Speichersystem ist nämlich mein größtes Manko an dem Spiel: Die Intention der Entwickler war, dass man mit manuellem Speichern der Quicksave-Mogelei ein Schnippchen schlagen könne. In der Praxis heißt das aber nur, dass ich in regelmäßigen Abständen über das Hauptmenü aus dem Spiel raus muss, um zu speichern. Im Endeffekt savescumme ich genau so viel, wie immer, aber wenn ich es nicht tue, dann kann es passieren, dass ich ungelogen schon wieder 10 Minuten durch die Pampa rennen muss, um wieder dort zu sein, wo ich vorher war. Aber diesmal krieg ich zusätzlich auch noch einen auf der Xbox zunehmend länger werdenden Ladebildschirm

Mit der Hilfe des umständlichen Speichersystems kann man minutenlange Ausflüge durch die komplette Dunkelheit auch gerne nochmal erneut machen. Aber stimmig ist´s trotzdem, denn die Bewohner verhalten sich nachts völlig anders! © Deep Silver
Fazit:
Kingdom Come Deliverance 2 ist ein absolut gelungener Nachfolger und der Beweis dafür, dass nicht jedes Open World-Spiel zum Release ein Wrack sein muss. Rollenspiel-Afficionados müssen unbedingt zuschlagen – Der Nachfolger ist in allen Belangen stärker: Visuell, Inszenatorisch und Spielmechanisch. Das Gameplay ist immer noch fordernd, aber ein klein wenig barmherziger als im Vorgänger. Dennoch ist weiterhin jeder Kampf ein Risiko. Vergleichsweise leichte Abzüge gibt es für den ein oder anderen signifikanteren Bug, das umständliche Speichersystem, das partiell etwas vertrackte Steuerschema auf Konsole sowie die eine oder andere unbeholfene Animation. Die Kritikpunkte sind aber zum Einen patchbar, zum anderen fallen sie angesichts der Stärken nicht so sehr ins Gewicht. Kingdom Come Deliverance 2 ist ein absolutes Schwergewicht und potentiell ein früher Award-Kandidat für das Spieljahr 2025.
Bei Amazon bestellen:
Kingdom Come Deliverance 2 [PlayStation 5]
Kingdom Come Deliverance 2 [Xbox Series S|X]
Kingdom Come Deliverance 2 [PC]
Bei Steam kaufen:
Kingdom Come Deliverance 2 [PC]
Kingdom Come Deliverance 2 [Xbox Series S|X]
Grafik / Art Style - 8.9
Story / Inszenierung - 9.4
Technik - 7.8
Umfang / Abwechslung - 9.3
Gameplay / Spielspass - 9
8.9
Kingdom Come Deliverance 2 ist ein absolut gelungener Nachfolger und der Beweis dafür, dass nicht jedes Openworld-Spiel zum Release ein Wrack sein muss. Genrefans müssen unbedingt zuschlagen!