Die 1990er und frühen 2000er Jahre waren eine Zeit, in der tierische Helden in Plattformern eine große Rolle spielten und regelmäßig System Seller-Qualitäten bewiesen. SEGA begründete den Trend mit Sonic the Hedgehog, und fand zahlreiche Nachahmer wie Aero the Acrobat, Sparkster, Rolo the Rescue und diverse Konsorten. Nintendo hatte mit dem ungleichen Duo Banjo und Kazooie sowie Donkey Kong ebenfalls animalische Helden im Katalog und auch die PlayStation hatte ihre Vertreter:innen aus dem Tierreich im Gepäck: Die meisten werden vermutlich an Crash Bandicoot oder Spyro the Dragon denken, wenn sie die 3D-Jump and Runs der PSX-Ära Revue passieren lassen. Auch das anthropomorphe Hund-/Hasen-artige Wesen Klonoa feierte in dieser Zeit sein Debüt und erforschte damals verschiedene traumartige, verspielte Welten. 1997 veröffentlichte Namco den ersten Teil Klonoa: Door to Phantomile, danach brachte es die Reihe vier Jahre später auf das PlayStation 2-Sequel Klonoa 2: Lunatea’s Veil und eine Reihe von Handheld-Games, die es zwischen 1999 und 2002 auf Bandais Wonderswan-System sowie den Game Boy Advance geschafft haben. Das letzte Lebenszeichen der Reihe gab es 2008 auf den Nintendo Wii mit dem Remake des ersten Teils, danach wurde es lange Zeit still um das süße Maskottchen. Bis jetzt: Am 8. Juli 2022 veröffentlichte Bandai Namco im Zuge des 25-jährigen Jubiläums ein Bundle aus den ersten beiden Main-Titeln und veröffentlichte diese aufpolierten Fassungen für alle aktuellen Systeme. Das ist insofern eine tolle Sache, weil gerade der zweite Teil aufgrund seiner PlayStation 2-Exklusivität und dem frühen Erscheinungsdatum im Lebenszyklus der Konsole doch lange Zeit recht deftige Preise auf dem Markt erzielte – die Klonoa Phantom Reverie Series sind also eine niedrigschwellige Gelegenheit nochmal in die beiden Titel reinzuschauen. Wir haben uns die PlayStation 5-Fassung genauer angesehen und sagen euch, ob die beiden Spiele auch heute noch taugen oder ob der Zahn der Zeit zu sehr an der Substanz genagt hat.
STORY ALS HINTERGRUNDRAUSCHEN, VERTRÄUMTE STIMMUNG
Im ersten Teil geht es storywise darum, dass wir in der Haut des titelgebenden Wesens Klonoa zusammen mit unserem Kumpel, dem Ringgeist Huepow, Prinz des Königreiches Cress die Traumwelt von Phantomile von einem bösen Geist namens Ghadius und seinem diabolischen kleinen Gehilfen Joka befreien, der die verschiedenen Reiche der traumgespeisten Welt in bösartige Alpträume verwandeln will. Dazu benötigt er die Sängerin Lephise von Cress und einen Mond-Anhänger. Huepow ist ein merkwürdiger Zeitgenossen – als blaue Sphäre bleibt er meistens in seinem Windring verborgen und stattet er uns mit der Fähigkeit aus, die Kräfte des Rings zu nutzen. Es gibt eine Art Geschichte, die alles zusammenhält; da aber sowohl innerhalb der jeweiligen Spiele als auch zwischen den Spielen Lore und Storytelling eher zweckmäßig ausfallen, nimmt man diese eher als obligatorisches Hintergrundrauschen wahr. Das im Reich spielende Lunatea spielende Sequel führt zwar einen neuen Cast und bietet eine wesentliche komplexere Story und modernere Erzählweise als der Erstling, eine richtig einnehmende Geschichte gibt es aber auch hier nicht.
Das ist aber nur ein retrospektiver Kritikpunkt, denn viele frühe Plattformer haben im Grundsatz dasselbe Problem, dass die hanebüchenen Stories letztlich nur einen groben Rahmen für die Artdesigns des Spiels liefern sollten. Das atmosphärisch ähnlich gelagerte Nights into Dreams hatte anno dazumal auch eine ähnlich wirre Story. Richtig erzählerisch wurden die Jump and Runs erst mit den Jak & Daxters, Ratchet and Clanks und Sly Coopers dieser Welt.
MELANCHOLISCHER VIBE
Aber Stichwort „Artdesign“: Das ist nämlich immer noch die Kernkompetenz der Reihe. Ähnlich wie das zuvor erwähnte „Nights into Dreams“ von Sonic-Schöpfer Yuji Naka nimmt die Klonoa-Reihe die Traum-Prämisse als Grundlage für charmante und traumhafte Weltendesigns. Die farbenfrohen Levels bieten abwechslungsreiche Themes und Farbpaletten und wurden gut in die Moderne gehievt. Und ich kann mir nicht helfen, trotz der kindlichen Aufmachung versprühen die beiden Klonoa-Abenteuer einen merkwürdig uniquen, melancholischen Vibe. Während bei Klonoa 2: Lunatea’s Veil gar nicht so furchtbar viel nachgeholfen werden musste, da das Original mit seinem Grafikstil recht gut gealtert ist, hat man sich beim Erstling auf eine Mischung aus dem Original-PSX Design und dem Wii-Remake gestützt. Gerade die Cutscenes hat man beinahe 1:1 aus der Wii-Neuauflage übernommen, da diese im PSX-Original noch in zweidimensionalen Sequenzen präsentiert werden. Allerdings hatten die 2,5D Passagen des Originals noch einen Look, der generell irgendwie Cel Shadiger- aber auch stärker von der 16-Bit Ära geprägt war – dadurch war der Stil des 97er Originals ziemlich einzigartig. Auch hat man die Charakterdesigns kohärenter gestaltet. Im Original war Klonoa ja noch ein bisschen klobiger (ähnlich wie der Ur-Sonic) und wurde dann mit dem Zweitling Anime-artiger und drahtiger gestaltet. Hier hat man sich dann dann für die jeweiligen Original Designs entschieden. Die einzigartige Optik des Originals hat man zugunsten einer cleaneren und höher Auflösung geopfert. Ich glaube, die beigefügten Vergleichsvideos des polnischen YouTube-Kanals Cycu1 zeigen ganz gut, was ich meine. Die Persönlichkeit geht da vielleicht ein bisschen flöten, hübsch bis knuffig sehen die beiden Titel trotzdem aus, auch wenn man die Zeichen der Zeit natürlich an allen Ecken und Enden sieht.
KLASSISCHES 2,5D GAMEPLAY MIT KREATIVEM LEVELDESIGN
Die beiden Klonoa-Teile spielen sich ähnlich wie andere 2,5D Plattformer aus der Zeit – hier seien Pandemonium, Wild 9, Disney’s Tarzan oder Tomba genannt – das heißt, in einer 3D-Umgebung kann sich Klonoa demnach seitlich scrollend auf 2 Achsen bewegen. Die Leveldesigns sind dabei direkt von den Originalen übernommen, Neuinterpretationen klassischer Abschnitte gibt es nicht. Die Leveldesigns haben dabei schöne Übergänge zwischen farbenfrohen und düster-geheimnisvollen Passagen. An einigen Stellen gibt es mehrere Wege, die in der Regel zu sammelbaren Collectibles führen. Ansonsten haben wir Gegnertypen mit verschiedenen Verhaltensweisen, die auch für das Erreichen bestimmter Passagen notwendig sind. Widersacher wie die häufig auftretenden Moo, die als Hindernis auftretenden stacheligen Spiker, oder die knuffigen Tepon sind eher passiv und treten nicht als Aggressoren auf. Andere Gegner sind zwar passiv, aber sondern Angriffe ab, wenn sich die Spielfigur in unmittelbarer Nähe befindet. Und dann gibt es noch jene Gegner, die Klonoa aktiv hinterherjagen. Statt einen Dash wie bei Sonic, oder einen Hüpfer wie bei Mario, nutzen wir die Kraft des Windrings, um die Widersacher in eine Art Windhose einzusaugen, mit der wir sie dann wegschleudern können. Den eingesaugten Gegner, die als Blase über uns schweben, können wir dann auch als Absprungsplattform für einen Doppelsprung nutzen, mit dem wir dann höhere Ebenen erlangen können. Manche Widersacher haben einen Schild, sodass wir diese nur von hinten mit dem Windring angreifen können. Das Tempo der Hüpf- und Kampf-Passagen ist relativ behäbig, das wirkt manchmal wie eine technische Limitation, manchmal wie bewusst meditatives Pacing. Dabei sind die Levels zu Beginn relativ kompakt und übersichtlich, werden aber gerade im späteren Verlauf dann doch zunehmend ausufernd. Das erreicht natürlich zu keinem Zeitpunkt wirklich krasse Dimensionen wie bei Metroidvania-artigen Hüpfern, sorgt aber mit dem langsamen Tempo für simple, aber entspannende Umgebungsrätsel, die mit kreativen Designs und optisch ansprechenden Spielereien mit den Kameraperspektiven, vor allem beim zweiten Teil, einhergehen.
Ein kleines Highlight sind die Bosskämpfe, welche designtechnisch auch sehr Kinder ihrer Zeit sind, aber kreativ umgesetzt sind und dabei gut ausbalanciert sind. Auch hier zeigt sich der inklusive Charakter von Klonoa: Zu Beginn werden zumindest auf dem einfachen Schwierigkeitsgrad Tipps und Hinweise geliefert, wie der Bosskampf zu meistern ist. Auch hier gilt wieder, Klonoa 2 setzt das Konzept ein bisschen smoother um, aber unter’m Strich besteht das Gameplay auch 2022 noch.
AUDITIV DURCHWACHSEN
Auditiv wirkt bei Klonoa Phantom Reverie Series vor allem der Erstling wieder höchst durchwachsen, bei Klonoa 2: Lunatea’s Veil gilt dasselbe prinzipiell auch, ist aber weniger stark ausgeprägt. Der grundsätzliche Score kann auch heute noch was – Die ordentlich aufpolierten Klänge sind manchmal beschwingt, manchmal geheimnisvoll und verträumt und manchmal bedrohlich und passen immer zum jeweiligen Szenario. Die Kompositionen von Sawako Natori, Hideyuki Ishida, Eriko Imura, Hiroshi Okubo, Junko Ozawa, Kanako Kakino, Kohta Takahashi, Takaki Horigome, Tetsukazu Nakanishi sowie Tomoko Tatsuda greifen mit ihren orchestralen und teils synthielastigen Arrangements den melancholisch-verträumten Stil des Spiels gut auf. Was aber hingegen richtig katastrophal ist, ist die Sprachausgabe: Die Tonspuren hätte man hier auch ordentlich remastern sollen – Während die Tierchen und Wesen ein meist schrilles, pseudosüßes Fantasiegebrabbel sprechen, ist z.B. Ghadius tatsächlich „richtig“ vertont – allerdings mit derartig niedriger Kompressionsrate und derart schäbigem Sprecher, dass die englische Shenmue-Synchro wie die reinste Meisterleistung wirkt. Ich kapiere nicht, warum man hier nicht alles komplett neu aufgenommen und inkludiert hat, um eine kohärente Neuauflage zu haben. Das aktuelle Ergebnis wirkt einfach nur faul und ist an dieser Stelle unglaublich schade.
SOLIDE REMASTERLEISTUNG, MÄßIGER FEATURE-UMFANG
Faul bis durchwachsen wirkt auch teilweise der Feature-Umfang, denn die Klonoa Phantasy Reverie Series zu bieten hat. Klares Highlight ist die Koop-Funktion, die bei Klonoa 2 standardmäßig dabei ist, und dann auch im ersten Teil implementiert worden ist. Hier hat der zweite Spieler dann aber auch vor allem Support-Funktion – Das ist z.B. ganz nett, wenn man als Elternteil mit den Jüngsten zockt. Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, die Buttons „frei“ zu konfigurieren, allerdings sind die Trigger und Schultertasten davon ausgenommen. Es gibt Scanline-Filter, die richtig mies aussehen und mit dem dezent modernisierten Artstyle so ziemlich gar nicht kompatibel sind. Und manches unpraktische Detail aus den Original-Teilen wurde nicht verändert – Es gibt eine Stage in Klonoa 2, bei der man die Juwelen kaum richtig erkennen kann, weil sie sich farblich nicht wirklich vom Hintergrund absetzen. Das wurde auch beim Remaster nicht geändert. Bei der PlayStation 5-Fassung hätte ich mir mehr Dual Sense-Spielereien gewünscht, die fehlen beinahe vollständig.
Ansonsten ist die Phantasy Reverie Series aber ordentlich geworden: Die Grafik in 4K und mit HDR-Unterstützung läuft butterweich in 60 FPS und sieht für diese Dekaden-alten Titel vollkommen okay aus. Framerate-Einbrüche konnte ich auf der PlayStation 5 nicht wahrnehmen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass die konstante Bildwiederholrate auf der Nintendo Switch deutlich weniger gehalten wird, auf Next Gen Plattformen ist die Performance aber eine runde Sache. Vor allem aber die Ladezeiten sind derart rasant, dass man in der Regel nicht mal dazu kommt, die Hinweise zu lesen, die zwischendurch eingeblendet werden.
Neu hinzugekommen ist die Möglichkeit, die Schwierigkeitsgrade anzupassen. Zu dem klassischen Schwierigkeitsgrad (der wohlgemerkt auch nicht super anspruchsvoll ist) kommt ein einfacher hinzu, bei dem man mehr Herzen zur Verfügung hat und bei dem verstärkt Hinweise aufploppen. Für Speedrunner dürfte der Zeitstopp-Modus von Interesse sein.
Ich muss gestehen, als Teil der Collection hätte ich mir mehr als nur die Main-Title der Klonoa-Reihe gewünscht – Gerade die Wonderswan- und Game Boy Advance-Titel wären als freischaltbare Boni eine nette Dreingabe. Und auch das Spin-Off Klonoa Beach Volleyball, das 2002 als später PlayStation 1-Titel erschien und ebenfalls gute Bewertungen von der Fachpresse einheimste hätte mit der von der Partie sein können. Ich kann allerdings die wirtschaftlichen Gründe vonseiten Bandai Namco verstehen, warum man nur den beiden Haupttiteln eine Frischzellenkur spendierte.
Fazit:
Die Klonoa Phantasy Reverie Series ist eine schöne Compilation, die auf jeden Fall ihre Daseinsberechtigung schon aus dem Grunde hat, weil der zweite Teil der Plattformer-Reihe nie eine Auswertung abseits der PlayStation 2-Fassung erhalten hat. Damit bekommen Fans der Reihe, die sich nicht die alte Konsole an den Fernseher klemmen wollen, erstmalig die Möglichkeit, diesen Teil auf einem modernen System zu spielen. Die Spiele haben auch heute noch ihren Charme und wenngleich die remasterten Fassungen grafisch keine Bäume ausreißen, putzig sind sie allemal – das Spielprinzip und die Leveldesigns sind bis heute unverbraucht. Mit der Traum-Grundlage wird außerdem eine melancholisch-verträumte Atmosphäre heraufbeschworen, die ziemlich unique ist, wenn man vom künstlerisch ähnlich gelagerten Nights into Dreams absieht. Soundtechnisch bemängele ich, dass man die Sprachausgabe nicht aufpoliert hat. Die hört sich bei beiden Teilen furchtbar an und gerade im Vergleich zum sonst tollen Soundtrack fühlt sich dieses Feld merkwürdig vernachlässigt an. Außerdem sind die Konfigurationsoptionen eher mäßíg – Die Schultertasten lassen sich nicht frei belegen und die Bildschirmfilter sind wirklich, wirklich unnötig. Die neuen Modi, etwa ein Easy Mode und ein Timestop-Modus, sind zweckmäßig, aber vollkommen in Ordnung und technisch läuft das Ding auf der PlayStation 5 ziemlich rund. Ich hätte mir gewünscht, dass man auch die Wonderswan und Game Boy Advance-Titel mit beigefügt hätte, zumindest als Unlockables; Ich kann allerdings verstehen, warum man sich auf die Hauptitel gestützt hat. Die Klonoa-Reihe wurde seit 2008 ein bisschen stiefmütterlich behandelt – man darf hoffen, dass die Neuauflage vielleicht neue „große“ Teile begünstigt.
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Klonoa Phantasy Reverie Series [PlayStation 5]
Grafik - 7
Story - 4.5
Technik - 7.5
Umfang - 7
Spielspaß - 7.5
6.7
Klonoa Phantasy Reverie Series ist eine Remaster-Collection, die auf jeden Fall ihre Daseinsberechtigung hat und weitgehend kompetent umgesetzt wurde. Kleinere Schlampigkeiten sorgen für Abzüge, im Wesentlichen können die beiden Klonoa Hauptspiele auch heute noch was. Schön wäre es, wenn die Collection die Serie revitalisieren würde.