Game Review: Yakuza Kiwami für Nintendo Switch – Das Erstlings-Remake gibt es nun auch für die Switch

Die grandiose Yakuza/Like A Dragon-Reihe von SEGA und dem RGG Studio ist nicht gerade eine, die man vordergründig mit Nintendo-Plattformen assoziiert. Der bis dato einzige Ausflug des Franchise waren die eher obskuren HD-Remasters von Yakuza 1 und 2, die 2013 als direkte PlayStation 2-Ports auf der gefloppten Nintendo Wii U gelandet sind. Nun aber ist das Erstlings-Remake Yakuza Kiwami, das hierzulande ursprünglich 2017 für PlayStation 4 erschien, dann 2019 für PC und 2020 für Xbox umgesetzt  wurde, auch endlich für die Nintendo Switch erhältlich und damit der offizielle westliche Nintendo-Einstand der mittlerweile recht langlebigen Crime-Drama Serie. Der Release-Zeitpunkt ist nicht willkürlich gesetzt: Vor kurzem erst ist auf Amazon Prime Video die Like A Dragon: Yakuza-Serie angelaufen (voraussichtlich wird es auch eine Review hierzu geben), die sich erzählerisch ganz lose am Yakuza-Debüt orientiert. Tatsächlich dürfte SEGA langfristig nun auch weitere Portierungen für die Switch ins Auge fassen: Denn offenbar hat sich Yakuza Kiwami in den Tagen seit dem Switch-Release offenbar deutlich besser verkauft, als es SEGA und das Ryu Ga Gotoku Studio prognostiziert haben. Wir haben uns also nochmal an die Kiwami-Version des Serienerstlings ran gewagt und schauen konkret auf die Portierungsqualitäten von Yakuza-Kiwami, aber auch wie sich der Titel im Vergleich zu modernen Like A Dragon-Titeln schlägt.

Ein herzliches Dankeschön geht raus an Cosmocover für die Bereitstellung des Review Keys.

Ein alter Vertrauter…

Yakuza Kiwami bedeutet auch ein Wiedersehen mit alten Bekannten wie Makoto Date und Reina © SEGA

Yakuza Kiwami bedeutet auch ein Wiedersehen mit alten Bekannten wie Makoto Date und Reina © SEGA

Yakuza Kiwami ist wie ein enger Vertrauter, den man länger nicht mehr gesehen hat – Nach all den neuen Schauplätzen (Isezaki Ijincho in Yokohama, Honolulu City auf Hawaii), den Spin-Offs (Judgment, Gaiden, Pirate Yakuza in Hawaii, Ishin!)  und einem erzählerischen und spielmechanischen Soft Reboot in Form des 7. Teils fühlt es sich ziemlich nostalgisch an, ins Kamurocho des Jahres 1995 und 2005  zurückzukehren. Bei damaligem Erscheinen war die zeitliche Nähe zwischen dem Prequel Yakuza 0 und dem Kiwami-Remake sehr dicht. Das sorgte seinerzeit dafür, dass sich trotz der In-Game Zeitspanne von sieben bzw. siebzehn Jahren zwischen dem 0-Prequel und Kiwami die grafische Darstellung und auch das Spielfeeling sehr ähnlich anfühlten. Anno 2024 fehlt natürlich dieser direkte Bezugspunkt zwischen den beiden Serieneinträgen – deshalb neigt mein Kopf dazu, eher wieder Rückbezuge zum PlayStation 2-Original herzustellen. Und hier kickt die Nostalgie dann doppelt: Denn Animationen, Bildeinstellungen und Kamerafahrten sind dem PlayStation 2-Spätwerk fast 1:1 nachempfunden, wurden aber seinerzeit an die Gegebenheiten jener Engine angepasst, die bei Yakuza 5, 0 und Kiwami  zum Tragen kam. Vor allem die anatomischen Modelle wurden seinerzeit an die neu gestalteten Areale angepasst, es gab neue Zwischensequenzen und auch einige Charakter-Reimaginationen wurden mit dem Serien-Kanon in Einklang gebracht. Dazu aber später mehr. Das Homecoming-Gefühlt stellt sich aber vor allem ein, wenn wir wieder Orte besuchen, die schon lange keine prominente Stellung mehr in den Spielen genießen durften: Unsere alte Stammkneipe, das Serena, war in den alten Spielen lange Zeit die Ruheoase für Kiryu. Das Stardust war ein Hostess-Club mit den befreundeten Hosts Kazuki und Yuya, die uns halfen, wieder Fuß zu fassen. Der „Spielplatz für Erwachsene“, das von Kage verwaltete Purgatory, war die Blaupause für die Casino-Bereiche in anderen Spielen der Reihe, etwa die Casino-Insel in Like A Dragon: Gaiden. Kurzum: Die Rückkehr macht Spaß. Ebenso treffen wir wieder auf alte Gesichter wie eben Yuya und Kazuki, auf Makoto Date, auf Reina und auf den Informationsbroker Kage den Floristen, die seit vielen Serienteilen keine wirklich eklatante Rolle mehr gespielt haben. Da wird man beinahe ein bisschen wehmütig.

Nach 10 Jahren Gefängnis erwartet Kazuma Kiryu die Freiheit wieder - Die nächtlichen Straßen von Kamurocho haben ihn wieder und sehen auch auf der Nintendo Switch gewohnt prachtvoll aus © SEGA

Nach 10 Jahren Gefängnis erwartet Kazuma Kiryu die Freiheit wieder – Die nächtlichen Straßen von Kamurocho haben ihn wieder und sehen auch auf der Nintendo Switch gewohnt prachtvoll aus © SEGA

Die Geburt eines Drachen

Ansonsten ist Yakuza Kiwami zusammen mit dem Nachfolger immer noch eine der geradlinigsten Yakuza-Stories in der Franchise-Historie. Sowohl die späteren Einträge in der Kazuma Kiryu-Saga (Yakuza 0 – Yakuza 6: Song of Life), als auch die Ichiban-Stories von Yakuza: Like A Dragon und Infinite Wealth neigten dazu sehr ausufernd zu sein, mit unendlich vielen Charakteren auf dem Handlungstableau und sehr verschachtelten Handlungssträngen. Die überbordende Lore gibt mir was, keine Frage. Aber für Einsteiger sind Yakuza 0 und Yakuza Kiwami erzählerisch immer noch die geeignetsten Einstiegspunkte in diesen komplexen Story-Kosmos namens Like A Dragon.

In Kiwami treffen wir erstmals auf unsere spätere Ziehtochter Haruka, die ebenso wie wir auf der Suche nach der vermissten Yumi ist  © SEGA

In Kiwami treffen wir erstmals auf unsere spätere Ziehtochter Haruka, die ebenso wie wir auf der Suche nach der vermissten Yumi ist © SEGA

Das stilbildende erste Kapitel „Fate of a Traitor“ spielt rund sieben Jahren nach den Geschehnissen aus Yakuza 0: Wir haben das Jahr 1995 – Der prinzipienstarke Kazuma Kiryu steht kurz vor dem Durchbruch auf der Karriereleiter innerhalb der Dojima-Familie. Umgeben von seiner Sandkastenfreundin Yumi Sawamura sowie seinem Blutsbruder und besten Freund Akira Nishikiyama, scheint das Leben eine positive Wendung für das eingeschworene Trio zu nehmen, die einst von Shintaro Kazama im Sunflower Waisenhaus zusammen aufgezogen worden sind. Alles ändert sich, als Kiryu’s Patriarch Sohei Dojima eines schicksalhaften Tages Yumi entführen lässt und sie im Zuge dessen vergewaltigt. Der sonst äußerst loyale Nishiki verfolgt Dojima unmittelbar, als er von der Entführung mitbekommt und auch Kiryu macht sie direkt auf, als er davon erfährt.

Unser alter Blutsbruder Nishiki ist indes zum machthungrigen Opportunisten geworden © SEGA

Unser alter Blutsbruder Nishiki ist indes zum machthungrigen Opportunisten geworden © SEGA

Am Tatort wird Kazuma Kiryu Zeuge davon, wie Nishiki den Patriarchen erschossen hat. Die traumatisierte Yumi scheint nicht ansprechbar. Weil sein Blutsbruder Nishiki eine krebskranke Schwester zu versorgen hat, die kurz vor ihrer finalen OP steht, nimmt der loyale Kazuma Kiryu die Schuld auf sich und wandert angesichts des vermeintliches Mordes für zehn Jahre hinter schwedische Gardinen. In der Zwischenzeit wird Kazuma aus dem Tojo-Clan verbannt, seine Angebetete Yumi verschwindet auf mysteriöse Art und Weise von der Erdoberfläche und der einstige Verbündete Akira Nishikiyama klettert die Ränge innerhalb der Organisation hoch und erfindet sich neu. Als Kazuma Kiryu schließlich im neuen Millenium aus der Haft entlassen wird, muss er schnell feststellen, dass sich die Welt um ihr herum deutlich verändert hat – Das Japan der 00er Jahre ist schnelllebig und hochtechnisiert geworden – Der Drache von Dojima ist greis geworden.

Doch nicht nur das: Die Haftentlassung ist ein ziemlich bitterer Reality Check für unseren Helden. Beim Tojo-Clan ist Kiryu naturgemäß nicht mehr willkommen. Doch muss er auch feststellen, dass die altehrwürdige Organisation innerlich bis ins tiefste Mark korrumpiert ist. Von der einstigen Blutsbruderschaft zu Akira Nishiki ist auch nicht mehr allzu viel übrig. Dieser ist ein machiavellistischer Opportunist sondergleichen, der sich mit den in Kansai beheimateten Omi zusammengetan hat, um durch Intrigen weiter aufzusteigen und seine Macht zu festigen – Dankbarkeit für Kiryus schweres Opfer gibt es hier natürlich nicht. Zudem wurden der Institution innerhalb der japanischen Unterwelt 10 Milliarden Yen gestohlen – der Diebstahl hängt unmittelbar mit der verschwundenen Yumi zusammen. Wir haben also gleich mehrere Missionen: Es gilt unseren Namen reinzuwaschen und unsere verschwundene Herzensdame wiederzufinden. Auf unserem Pfad treffen wir auf den moralisch integren Detektiv Makoto Date, das vermeintliche Waisenmädchen Haruka sowie den Informationsbroker Kage, den sogenannten Floristen. Gemeinsam mit unseren Begleitern decken wir schließlich eine Verschwörung auf, die bis in tiefste politische Zirkel greift.

Die Geschichte von Yakuza (Kiwami), die in der Amazon Prime Serie (leider nur) in Versatzstücken aufgegriffen wird, ist nach wie vor ziemlich stark. Yakuza Kiwami atmet die Luft eines großen Hardboiled-Epos – mit monolithischen Tropen wie Liebe, Opferbereitschaft, Schuld, Freundschaft und Verrat. Man muss natürlich ein bisschen japan-affin sein, um das entsprechend würdigen und zelebrieren zu können. Immerhin ist die Yakuza/Like A Dragon-Reihe wohl so sehr im japanischen Wertesystem und dessen Philosophie verhaftet wie kaum ein anderes Franchise auf dem Videospiel-Markt. Dazu gehört auch, dass neben dem Pathos, neben dem Drama, in dem es um die ganz großen Prinzipien geht, auch das Skurrile, das Absurde und das Alberne seinen Platz findet.

Intakte Sub Story-Struktur aus dem Original, die u.a. auch klamaukige Referenzen an Yakuza 0 enthalten

Die herrlich verrückten humoristischen Elemente finden sich vor allem in den bekannten Sub Stories, die in Kiwami oft Rückbezüge zu Yakuza 0 aufwiesen: Da müssen wir für den alternden Pocket Circuit Fighter Fujisawa einen Nachfolger für dessen in Y0 eingeführtes schienenbetriebenes Autorennen finden. An anderer Stelle versucht uns ein Talent Scout als „exotischen Tänzer“ für die sogenannte Banana Bar zu rekrutieren. Beim Job Interview stellt sich der Gesprächsführende als Tachibana vor, was  Kiryu in Anlehnung an eine prominente Rolle in Yakuza 0 so kommentiert, dass das ein Name ist, den er nicht vergessen könne. Und die wohl ulkigste Sub Story ist wohl „Bad Dads“, in der Kage, Date und Kiryu darüber diskutieren, wer wohl der beste schlechte Vater sei. Der emotional mitnehmende Crime Drama-Part ist die Seele, die ulkigen Nebenquests aber definitiv das Herz eines jeden Yakuza-Spiels.

Die Skilltrees für die verschiedenen Kampfstile sind aus Yakuza 0 entlehnt © SEGA

Die Skilltrees für die verschiedenen Kampfstile sind aus Yakuza 0 entlehnt © SEGA

Die 78 mal mehr, mal weniger ausformulierten Sub Stories aus dem PlayStation 2-Original finden sich so auch in Kiwami wieder, teilweise sehr ähnlich, teilweise leicht abgeändert. Ansonsten gibt es nur wenig beschnittene Inhalte gegenüber der Ur-Fassung: Es gibt keine Pachinko-Automaten im Volcano, und statt den ursprünglich 6 Hostess-Girls gibt es in Kiwami lediglich 2. Im Grunde ist Kiwami aber schon seinerzeit ein sehr originalgetreues Remake gewesen. Das hat sich bei der Switch-Fassung nicht geändert.

Komplett neu eingeführt in Kiwami wurde seinerzeit das Majima-Anywhere-Feature: Im Ur-Yakuza war die neben Kiryu wohl kultigste Franchise-Konstante, Goro Majima, noch eher ein weirder, sadistischer Nebencharakter mit wenig Screen Time. Seit dem ersten Yakuza von 2005 wurde dessen Rolle sukzessive ausgebaut. In Yakuza 0 bekam der sonst so anarchische Charakter sogar ziemlich viel emotionales Fundament, sodass er mit der Zeit klarer Fanliebling geworden ist. Nicht umsonst kommt im Februar ein Spin-Off, das ihn ins spielbare Zentrum rückt. Mit dem Majima-Anywhere-Element rückt man die spielerisch-liebevolle Rivalität zwischen Kiryu und Majima in den Vordergrund: Immer wieder taucht Majima in verschiedenen Kostümierungen, mal als Polizist, mal als Krankenschwester, auf und fordert uns zum blutigen Duell – häufig konditionengebunden –  damit vertiefen wir nicht nur unsere Bindung zu dem kampferprobten Yakuza, sondern schalten auch neue Moves im Dragon Style frei, die exklusiv über diese Scharmützel freizuschalten sind.

Wenig Quality-of-Life Verbesserungen bei der Sub Story-Findung

Serienliebling Goro Majima taucht in allerlei skurrilen Kostümierungen auf und fordert uns zum Duell - damit schalten wir nach und nach die Moves im Dragon of Dojima-Stil frei © SEGA

Serienliebling Goro Majima taucht in allerlei skurrilen Kostümierungen auf und fordert uns zum Duell – damit schalten wir nach und nach die Moves im Dragon of Dojima-Stil frei © SEGA

Die „neueren“ Yakuza-Teile (ab Yakuza 6 / Yakuza Kiwami 2) hatten ihre Zugeständnisse an modernes Spieldesign geleistet, als sie Nebenquests mit entsprechenden Markern auf der Map eingeführt haben. So konnte man in jedem Kapitel bequem die Sub Stories „abarbeiten“, bevor man das nächste Kapitel startete. Hier ist Yakuza Kiwami noch ziemlich old school – Es gibt KEINE entsprechenden Markierungen auf der Map: Man rennt in die Sub Stories förmlich herein. Sie werden getriggert, in dem wir bestimmte NPCs ansprechen oder spezifische Orte aufsuchen. Das verstärkt zwar die Immersion und das Moment der Willkür, forciert zugleich die Erkundung von Kamurocho, Komplettist*innen werden aber vermutlich einen Guide für die 100 % zu Rate ziehen.

An Yakuza 0 orientiertes Kampfsystem, das immer noch solide, aber mittlerweile leicht angestaubt wirkt

Das Kampfsystem des Ur-Spiels war ziemlich klobig. Und hier hatte Yakuza Kiwami angesetzt, indem man die vier aus Yakuza 0 bekannten Kampfstile auch im Remake untergebracht hat. Das hat den Kampf seinerzeit wesentlich dynamischer und variantenreicher gemacht. Auch die Skill-Bäume sind weitgehend an 0 orientiert. Erzählerisch ließ sich der Verlust der Fähigkeiten durch die 10-Jahres-Spanne im Gefängnis auch ganz gut erklären.

Wir haben den Beast-Style, der auf Kiryus physische Stärke setzt, mehr Schaden verursacht, dafür aber recht schwerfällig daherkommt. Der Rush-Modus ist das Gegenteil: Hier setzt Kiryu auf schnelle Combos und schnelle Ausweich- und Kontermanöver, die weniger punktuellen Schaden haben, aber die Bewegungsschemata der Gegner durchbrechen können. Der Brawler-Modus ist der Mittelweg zwischen Tempo und Wucht. Der Dragon of Dojima-Kampfstil ist wiederum ein Style, der mit dem Majima Anywhere-System einen separaten Levelmechanismus mitbringt.

Yakuza Kiwami bringt viele willkürliche Kämpfe mit - Das Kampfsystem ist dynamischer als im Ur-Spiel, aber im Vergleich zu moderneren Titeln des Franchises ein bisschen inkonsistent im Schwierigkeitsgrad   © SEGA

Yakuza Kiwami bringt viele willkürliche Kämpfe mit – Das Kampfsystem ist dynamischer als im Ur-Spiel, aber im Vergleich zu moderneren Titeln des Franchises ein bisschen inkonsistent im Schwierigkeitsgrad © SEGA

Beim Dragon-Stil hatte ich bei einer ursprünglichen Review (auf animenachrichten.de) bemängelt, dass er vom Balancing-Aspekt her zu unsauber konzipiert sei und wie ein Gimmick zur Streckung des Endgames wirke.

Tatsächlich ist das Balancing etwas, was ich mittlerweile deutlich stärker kritisieren würde als vor einigen Jahren: Denn Yakuza Kiwami wirkt retrospektiv wesentlich angestaubter und schwieriger als ein Yakuza 0 und auch sonstige Vertreter der Serie.

Unsere Angriffe können deutlich einfacher von Gegnern unterbrochen werden als bei anderen Titeln der Reihe. Man wird deutlich einfacher umgeknockt, muss sich dann via schnell betätigter B-Taste aufrichten, um dann im Zweifelsfall wieder direkt zu Boden geworfen zu werden. In der Zwischenzeit können Gegnergruppen den am Boden liegenden Kiryu weiterhin mit Tritten bearbeiten. Zugleich ist es deutlich schwieriger die Defensive blockender Gegner zu durchbrechen. Bei späteren Majima-Kämpfen ist es teils so, dass man wie ein plumper Boxsack für den auf uns eindreschenden Goro wirkt, und in den Momenten quasi hilflos handlungsunfähig ist. Der Kampf in Yakuza Kiwami ist deutlich stärker auf einen Loop aus Blocken, Ausweichen, strategischen Wechseln der Kampfstile und ebenso gezielter Nutzung der Heat-Moves ausgelegt und da unbarmherziger als die meisten anderen Yakuza und Like A Dragon-Teile mit deutlich heftigeren Schwierigkeitsgrad-Spitzen. Es ist beileibe kein allzu schweres Spiel, dazu hat man letztlich zu viel Zugriff auf Staminan- und Tauriner-Getränke, welche die Gesundheits- und Heat-Balken jederzeit anheben. Kämpfe können aber durchaus zu zähen Unterfangen werden. Hier gibt es einige Momente, die besonders frustrieren könnten.

Die Essenz eines Yakuza: Prokrastination im Japanischen Nachtleben

Auch bei den Aktivitäten muss ein Yakuza Kiwami gegenüber anderen Serienteilen etwas Federn lassen: Wir haben die ikonischen Klassiker – ob wir uns in den Karaoke-Stuben bei Bakamitai! die Seele aus dem Leib singen, oder in den Batting Cages ein paar Bälle schlagen – die Evergreens sind mit dabei. In den CLUB SEGA-Arcades können wir an den UFO Catchern via Greifarm kleine Sammelfiguren und Plüschis  rausfischen, die Pocket Circuit Rennen mit RC Autos sind ebenso mit dabei und machen wieder enorm Laune und ansonsten gibt es etliche japanische Brettspiele wie Shogi und Mahjong, oder Glück- und Würfelspiele á la Blackjack, Roulette, Poker und Bacarra. Auch Darten und Billiard ist wieder möglich.

In den CLUB SEGA Arcades gibt es leider keine klassischen Arcade-Games wie in 0 und Konsorten - Der UFO Catcher ist aber weiterhin mit präsent © SEGA

In den CLUB SEGA Arcades gibt es leider keine klassischen Arcade-Games wie in 0 und Konsorten – Der UFO Catcher ist aber weiterhin mit präsent © SEGA

Klassische Arcade-Games in den Spielhallen sind in Kiwami leider nicht mit dabei gewesen. Dem trauere ich nach wie vor ein bisschen hinterher, weil die meisten Yakuza-Teile mit voll umfänglichen Spielhallen-Versionen aufwarten und auch ein Yakuza 0 da mit OutRun, Super Hang On, Space Harrier und Fantasy Zone punktete.

Stattdessen gibt es lediglich eine Variation der bekannten Cat Fight-Minigames: In MesuKing: Battle Bug Beauties treten wir mit humanoiden leicht bekleideten Käfer-Schönheiten in Schere-Stein-Papier Manier gegeneinander an. Die Attribute können wir über Sammelkarten zusammenstellen. Ist das Mini Game ziemlich sexistisch? Ja, definitiv. Ist das Ding so merkwürdig, dass man trotz großem „Wtf“ im Hinterstübchen dennoch irgendwie schmunzeln muss? Auch hier, klares Ja. Der NSFW-Part der Reihe ist beinahe ein bisschen zu sehr Teil der Serien-Identität.

Öhm ja... das MesuKing Mini Game ist Schere Stein Papier mit leicht bekleideten, humanoiden ... Insekten... © SEGA

Öhm ja… das MesuKing Mini Game ist Schere Stein Papier mit leicht bekleideten, humanoiden … Insekten… © SEGA

Damit wären wir auch bei einem weiteren zentralen, dezent anrüchigen und nicht minder unsexistischem Mini Game-Element: Die Hostess-Clubs dürfen natürlich nicht fehlen. In gerenderten „Live Action“-Sequenzen muss man auf die individuellen Bedürfnisse der Mädels eingehen, um diese schließlich zu einem Date zu bewegen. Während man aber in den moderneren Yakuza-Teilen im Grunde immer nur den „Gold Champagner“ und exklusive, teure Präsente rausholen musste, um in der Gunst aufzusteigen, ist die Reaktion der Hostess Girls in Kiwami schwerer einzukalkulieren. Durch die Unvorhersehbarkeit wird tatsächlich ein wenig mehr Realismus erzeugt. Bei „Yui“ und „Rina“ muss deutlich individueller auf die vermittelten Trademarks und das Gesagte eingegangen werden, um die Bindung zu vertiefen. Das wirkt zwar manchmal frustrierend, weil zäh, verstärkt aber den Eindruck einer tatsächlichen Persönlichkeit.

Grafik und Performance auf der Nintendo Switch

Der Port von Yakuza Kiwami ist meines Erachtens extrem gut gelungen. Dazu trägt durchaus der Umstand bei, dass das Spiel in Japan als damaliger Cross Gen Titel auch auf der PlayStation 3 erschien. Die Charaktermodelle sind in ihren teils lebensnahen Details, gerade bei Close-Ups der ausdrucksstarken Gesichter, nicht von ihren PS4-Pendants zu unterscheiden. Bei Weitsicht und Details muss man ebenfalls mit der Lupe suchen, um konkretere Unterschiede zur PS4/PC/Xbox Fassung erkennen. Gefühlt ist die Farbpalette etwas heller auf der Switch, die Kontrastwerte wiederum sind nicht ganz so hoch wie bei den „großen“ Fassungen. Zudem habe ich das Gefühl, dass die Straßen und Gassen Kamurochos von etwas weniger NPCs als im Original bevölkert werden. Im Wesentlichen sieht das Spiel für Switch-Verhältnisse aber extrem gut aus und vermittelt die urbane Dichte des Originals gekonnt. Man bekommt hier eine Portierung, die keine nennenswerten Abstriche gegenüber den originären stationären Fassungen aufweist.

Karaoke darf natürlich nicht fehlen. Bakamitai zu trällern gehört zur Serien-DNA © SEGA

Karaoke darf natürlich nicht fehlen. Aus tiefster Kehle Bakamitai zu trällern gehört unmittelbar zur Serien-DNA © SEGA

Auch die Framerate ist weitgehend stabil. Lediglich bei vielen NPCs gleichzeitig und bei vereinzelten Heat-Moves gibt es ganz kurze, relativ unmerkliche Slowdowns. Insofern hat man hier grandiose Portierungsarbeit geleistet, zumal die Ladezeiten gegenüber dem Original schmaler ausfallen.

Verschenktes Potential: Keine deutsche Text-Lokalisierung

Wo ich sehr konkret verschenktes Potential sehe, ist die Lokalisierung. Mittlerweile ist das Yakuza und Like A Dragon-Franchise derart groß, dass deutsche Bildschirmtexte und englisches Voicing Standard in den jüngeren Serienablegern sind. Umso unerfreulicher ist es, dass man bei Yakuza Kiwami bei der originären Lokalisierung aus japanischem Voicing und englischen Bildschirmtexten geblieben ist. Hier hätte man durchaus neue Käuferkreise  erschließen können, indem man mehrere Sprachen angeboten hätte. Vielleicht dann bei einer Portierung von 0 oder Kiwami 2 – bei letzterem bleibt die Frage offen, wie fordernd es ist, die Dragon Engine auf die Switch zu hieven.

Fazit:

Yakuza Kiwami passt hervorragend auf die Nintendo Switch. Das Wiedersehen mit Kamurocho und mit all den alten Gesichtern hat mir enorm viel Freude bereitet. Nicht zuletzt liegt das daran, dass die technische Umsetzung vonseiten SEGA und RGG Studio hervorragend gelungen ist. Die urbane Dichte des guten alten Vergnügungsviertels Kamurocho wurde kongenial auf Nintendos Hybrid-Konsole umgesetzt. Auch die Geschichte ist nach wie vor eine der pointiertesten und tragischsten der Franchise-Historie. Und der Zeitpunkt hätte mit dem Serienstart der Amazon Prime-Serie nicht besser gewählt werden können. Zugleich muss man sich aber bewusst machen, dass Yakuza 0 summa summarum der einsteigerfreundlichere Einstiegspunkt in das Franchise ist. Yakuza Kiwami hat sich einige sperrige Eigenheiten des PlayStation 2-Originals bewahrt: Das Kampfsystem hat einige herbe Spitzen beim Schwierigkeitsgrad, die zahlreichen Sub Stories sind nicht auf der Karte markiert, der Aktivitäten-Katalog ist etwas weniger expansiv als bei anderen Vertretern der Reihe und die Lokalisierung ist weiterhin auf japanische Sprachausgabe und englische Bildschirmtexte beschränkt. Zugleich ist aber auch nur ein Budget-Preis von 19,99 EUR im eshop fällig – und dafür bietet das Spiel nach wie vor verdammt viel

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Yakuza Kiwami [Nintendo Switch]

Grafik / Art Style - 8.1
Story - 7.9
Technik - 8.1
Umfang - 7.8
Spielspass / Gameplay - 7.6

7.9

Technisch herausragender Switch-Port des Yakuza-Remakes von 2017. Narrativ nach wie vor ziemlich stark, fällt Yakuza Kiwami spielmechanisch und umfangtechnisch etwas roher und unpolierter aus als andere Serienvertreter der Reihe. Nichtsdestotrotz markiert der trotz allem gute Teil einen soliden Einstand auf Nintendo-Plattformen und macht hoffentlich Raum für weitere Teile.

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