Game Review: Like a Dragon Gaiden – The Man Who Erased His Name für PlayStation 5 – Rückblick und Ausblick mit Urgestein Kazuma Kiryu

Ich glaube, zum Zeitpunkt der Yakuza 3-Veröffentlichung anno 2010 hätte wirklich kein Fan von SEGAs langlebiger Reihe je geglaubt, was für einen Franchise-Überfluss es rund eine Dekade später geben würde. Zu nischig schienen die epischen Gangster-Epen um den stoischen Kazuma Kiryu damals für das westliche Publikum – und offenbar sah das auch SEGA so, denn immer wieder versuchte man, die Reihe an den westlichen Markt anzupassen: Der Yakuza-Erstling brachte eine wirklich merkwürdige englische Lokalisierung mit, bei Yakuza 3 wurden für die Europa-Releases Glücksspiele und die Hostess-Club-Minigames entfernt und Yakuza 5 erschien ganze drei Jahre nach der Japan-Version als Digital Only für die PlayStation 3: Kurzum, es waren dunkle Zeiten für die Fans. Deshalb bin ich sehr froh, dass gerade das Prequel Yakuza 0 als Achtungserfolg der Reihe eine Renaissance beschert hat und zur heutigen luxuriös anmutenden Situation der mittlerweile als Like A Dragon betitelten Marke beigetragen hat: Die Hauptreihe tummelt sich seit dem siebten Teil in rundenbasierten JRPG-Gefilden, die inhaltlich verwandte Judgment-Reihe arbeitet mit Detektiv-Mechanismen und immer wieder gibt es auch kleinere und größere Spin-Offs: Zwischen Februar 2023 (Like A Dragon Ishin! – ein Remake des feudalen PS4-Abenteuers) und Ende Januar 2024 (Like A Dragon: Infinite Wealth aka LaD 8) bringt es das Ryu Ga Gotoku Studio auf ganze drei Releases – Wir kümmern uns um den Mittelteil dieses Dreigespanns: Das Anfang November erschienene Like A Dragon Gaiden: The Man Who Erased His Name. Dieser kleiner konzipierte Titel, der auch nur digital erhältlich ist, ist eine Rückbesinnung auf die Wurzeln der Marke: Wir schlüpfen erstmalig seit Yakuza 6: Song of Life in die Rolle des Serien-Veteranen Kazuma Kiryu und kloppen uns in altbewährter Brawler-Manier durch Sotenbori, die Nachbildung des Osaka-Distriktes Dotonbori. Es gibt zwar auch spielmechanische Neuerungen, aber gleichermaßen viele Reminiszenzen. Wie fühlt sich das so an? Schmälert der geringere Umfang die klassische Like A Dragon/Yakuza-Erfahrung? Das gilt es im Rahmen dieser Besprechung zu ergründen.

Funktioniert Like A Dragon Gaiden für Neueinsteiger?

Like a Dragon Gaiden spielt vor allem im Jahre 2019, greift im selben Zug aber auch Geschehnisse auf, die sich 2020 und 2023 zutragen. Damit verläuft die Handlung in erster Linie parallel zu den Geschehnissen aus Yakuza: Like A Dragon (aka Yakuza 7), in welchem wir mit Ichiban Kasuga bekanntlich einen neuen Protagonisten spielen durften. Dessen Wege haben sich, kleiner Spoiler an dieser Stelle, bereits zum Finale hin mit Kiryu gekreuzt – Die Ausblicke auf das Jahr 2023 in Gaiden ebnen dann auch die Grundlage für den nächsten Hauptteil Infinite Wealth, in welchem bekanntermaßen die Beziehung zwischen Ichiban Kasuga und Kazuma Kiryu im Vordergrund steht.

Insofern ist Like A Dragon Gaiden: The Man Who Erased His Name vor allem ein Missing Link, das die erzählerische Brücke zwischen Yakuza 6, dem Soft Reboot Yakuza: Like A Dragon und dem kommenden Like A Dragon: Infinite Wealth schlägt. Die Erzählung in Gaiden kann zwar auch auf eigenen Füßen stehen, Neuankömmlinge können das Ganze also durchaus als eigenständiges Spiel genießen, letztlich würde ich aber definitiv sagen, dass der Titel für die großen Aha-Momente in vielerlei Hinsicht auf Vorwissen zu den genannten Spielen angewiesen ist. Bleibt also vorwegzusagen: Funktioniert im Grundsatz, aber die großen Überraschungen, die eben auch eine entsprechende Anteilnahme am Plot bedingen, bleiben dann aus.

A Dead Man Walking

Aber nun zur eigentlichen Handlung: Zu Beginn wird man als Spieler recht unvermittelt in die Handlung hineingeworfen Kazuma Kiryu hat nach den Geschehnissen aus Yakuza 6: Song of Life im Jahre 2016 seinen Tod vorgetäuscht und seinen respekteinflößenden Namen aufgegeben, um das Leben als Yakuza ad acta zu legen und jene zu schützen, die ihm lieb und teuer sind.

Als "Agent Joryu" untersteht Kiryu der geheimniskrämerischen Daidoji Fraktion, die bereits in Yakuza 6 Prominenz erfuhr. Hier sein Vorgesetzter "Hanawa" © SEGA

Als „Agent Joryu“ untersteht Kiryu der geheimniskrämerischen Daidoji Fraktion, die bereits in Yakuza 6 Prominenz erfuhr. Hier sein Vorgesetzter „Hanawa“ © SEGA

Dazu ist er einen unnachgiebigen Pakt mit der Daidoji Fraktion eingegangen, für die er fortan als Agent „Joryu“ tätig ist. Der Name der Organisation dürfte bei Fans der Reihe klingeln: In Yakuza 6 war der namensgebende, greise Minoru Daidoji eine der zentralen Figuren hinter dem Geheimnis der Küstenstadt Onomichi und dem illegal konstruierten Schlachtschiff aus dem zweiten Weltkrieg, welches ein komplexer, staatspolitischer Skandal für Japan war. Die Daidoji-Fraktion ist in diesem Zusammenhang eine Yakuza-ähnliche Organisation, die in den Diensten hochrangiger Amtsträger*innen der japanischen Staatspolitik steht und ihre ultranationalistischen Wurzeln in der Zeit des zweiten Weltkriegs und des Japanischen Imperialismus hat. Nach dem Ableben von Minoru Daidoji nimmt ein namenloser Nachfolger Kontakt zum schwer gezeichneten Kiryu auf und bittet um Verschwiegenheit in der Verbindung zwischen der Onomichi-Affäre und den Daidoji. Kiryu sichert diese wider Erwarten zu, im Austausch gegen einen vermeintlichen Tod und eine neue Identität. Dafür sollen die Daidoji das Waisenhaus Morning Glory mit ihren Zahlungen unterhalten. Fortan ist er seinem Vorgesetzten Hanawa untergeben, zu dem er eine ambivalente Beziehung pflegt.

Zugleich sind Captain Tsuruno und Kosei Shishido von der Watase-Familie des Omi-Clans auf der Suche nach Kiryu. Es geht um die Existenz sowohl der in Kansei beheimateten Omi-Allianz als auch der Tojo in Kanto. Die Auflösung der beiden großen Yakuza-Organisationen birgt das Risiko einer großen Zersplitterung des Organisierten Verbrechens und bürgerkriegsähnlicher Zustände innerhalb der Unterwelt. Kiryu soll hier der offiziellen Ankündigung der beiden Vorsitzenden beiwohnen, um sowohl Daigo Dojima als auch Masaru Watase im gewaltsamen Zweifelsfall zu schützen. Die Omi-Vertreter bieten Kiryu an, ihn aus den Fesseln der Daidoji zu befreien, was diese verständlicherweise weniger gutheißt. Beide Organisationen versuchen sich gegenseitig auszubooten, was mit vielen existenziellen Opfern verbunden ist.

In Gaiden verschlägt es uns nach Sotenbori, das Vergnügungsviertel von Osaka. Es ist eine von drei Maps in dem Spin-Off. © SEGA

In Gaiden verschlägt es uns nach Sotenbori, das Vergnügungsviertel von Osaka. Es ist eine von drei Maps in dem Spin-Off. © SEGA

Eine Sache, die aber beide Gruppierungen eint: Beide Fraktionen versuchen Kazuma Kiryu bzw. Joryu für ihre Interessen zu gewinnen, in dem sie ihn um das Leben der Kinder des Morning Glory-Waisenhauses auf Okinawa erpressen – der bekannte emotionale Schwachpunkt des stoischen Übermenschen. Mit der Omi-Familie Kijin tritt in dieser Gemengelage gleichzeitig eine weitere Gruppierung auf, die den Auflösungsplänen der Omi kritisch gegenübersteht und in diesem Zug versucht, die Macht an sich zu reißen. Diese betreiben auf offenem Gewässer einen sündhaft-schillernden Erwachsenen-Vergnügungspark, welcher der Burg Osaka nachempfunden ist, und neben prunkvollen Casino- und Glückspiel-Etablissements, einem vornehmen Hostess-Club und exklusiven Boutiquen auch blutige Kolosseums-Kämpfe bietet, bei denen Gutbetuchte Wetten auf ihre favorisierten Kämpfer abschließen können. Somit ist das halbseidene Vergnügungs-Schiff klar von den „Fegefeuern“ der Vorgänger inspiriert.

Die schwimmende "Burg" erinnert frappierend an das "Fegefeuer" aus Kamurocho, den Untergrund-Unterhaltungsdistrikt © SEGA

Die schwimmende „Burg“ erinnert frappierend an das „Fegefeuer“ aus Kamurocho, den Untergrund-Unterhaltungsdistrikt © SEGA

Hierhin verschlägt es uns auf Geheiß der in Sotenbori aktiven Informationsbrokerin Akame, deren Interessen und Verbindungen zur Omi Allianz zwar noch etwas vage und zwielichtig anmuten, die aber das Herz am rechten Fleck zu tragen scheint, und zu der wir nach und nach eine tiefere Bindung aufbauen.

So muss sich Kazuma Kiryu als Toter Mann durch die Verstrickungen einer regierungsnahen Geheimgesellschaft, zwei traditionsreichen Yakuza-Familien im Sterben, einer Politik mit stärkeren Anti-Yakuza Gesetzen, und seinen Verpflichtungen gegenüber den Kindern des Waisenhauses manövrieren. Diese Geschehnisse lassen sein Schicksal schlussendlich mit jenem von Ichiban Kasuga zusammenlaufen.

Die Geschichte von Like A Dragon Gaiden: The Man Who Erased His Name ist mit vergleichsweise wenigen Figuren auf dem dramaturgischen Spielfeld deutlich kompakter als die mitunter ziemlich ausufernden Hauptspiele. Während ein Yakuza: Like A Dragon zuletzt mit 15 Kapiteln aufwartete, ist Gaiden nur rund 5 Kapitel stark und damit nur ein Drittel so umfangreich im direkten Vergleich. Das hat Vorteile und Nachteile, die bizarrerweise eng miteinander verzahnt sind: Die Erzählung wirkt nämlich sehr dicht und nicht ganz so zerfahren wie bei den Titeln Yakuza 7 oder Yakuza 5, die inhaltlich regelrechte Kolosse mit multiplen Handlungssträngen sind. Doch trotz kleinerem Cast, ist die Erzählung bei Gaiden nicht wesentlich weniger komplex, was die Zusammenhänge angeht: Gerade durch die Anbindung an Yakuza 6, Yakuza: Like A Dragon (7) und das kommende Infinite Wealth (8) setzt der Teil inhaltlich von Haus aus viel voraus. Das macht Gaiden zu einem kleinen Fest für die Fans der Yakuza/LaD-Reihe, ist aber nicht gerade einsteigerfreundlich.

Viele Verweise auf die Vergangenheit

Es gibt viele Verweise auf die Vergangenheit, meist über die Substories, die in Gaiden eine etwas andere Struktur haben als in den Haupttiteln. Da tauchen in einer Substory plötzlich Nachahmer des „Geistes von Sotenbori“ auf, Kiryus alten Erzrivalen Ryuji Goda, den „Drachen von Kansai“, bekannt aus Yakuza (Kiwami) 2. An einer anderen Stelle überschneidet sich Gaiden gar mit der Judgment-Reihe: So gibt uns Akame einen Auftrag, einen Fall zu untersuchen, auf den auch ein Detektivbüro aus Kamurocho angesetzt ist: Und so kreuzen sich hier die Wege Kiryus mit denen von Yagamis Assistent Masaharu Kaito, den wir auch als Rekrut für’s Kolosseum gewinnen können. Yakuza/Like A Dragon-Fans werden hier also viel Freude haben.

Popkulturelle Referenzen

Like A Dragon Gaiden geizt aber auch nicht mit aktuellen popkulturellen Referenzen: In einer Substory etwa müssen wir dem Liebesleben eines jungen Mannes namens Kusano auf die Sprünge helfen. Dieser benötigt unsere Dienste allerdings bei Ankunft nicht mehr, weil er sich erfolgreich Hilfe bei einer KI-basierten App namens ChotDDT (ein Schelm, wer hier an ChatGPT denkt) eingeholt hat – Die KI-Hilfe fordert von ihrem obsessiven Schützling aber immer seltsamere Aufgaben – klar, dass das kein gutes Ende nehmen kann. An einer anderen Stelle versucht ein stagnierender Streamer seine Zuschauerzahlen in die Höhe zu treiben, in dem er eine Nacht in einem vermeintlich spukenden Mordhaus verbringt – doch dieser Fall bekommt noch einen wesentlich morbideren Twist als nur ein bisschen Supernatural Horror.

Die mal albernen, mal ernsteren Nebenquests sind Serien-typisch wieder hervorragend geschrieben und nehmen Zeitgeist und Popkultur aufs Korn – da gibt es auch immer wieder mal kleinere Referenzen zu bekannten Anime (wir müssen 7 goldene Kugeln finden, die Wünsche erfüllen können) oder Filmen wie Star Wars (teilweise mit direkten Zitaten). Leider gibt es in Gaiden signifikant weniger Nebengeschichten mit Substanz als in den Hauptteilen – ein recht großer Teil der Aufgaben, welche wir von Akame erhalten, besteht nämlich aus dem Vermöbeln von unterschiedlichen Gangs, die in Sotenbori ihr Unwesen treiben. Diese enden meist damit, dass wir die Störenfriede für unsere Kolosseums-Squad gewinnen können.

Ein Wiedersehen mit Sotenbori und Ijincho

Insgesamt drei Maps sind in Like A Dragon Gaiden: The Man Who Erased His Name verfügbar – Sotenbori ist bekannterweise am realen Dotonbori-Distrikt in Osaka angelehnt und ist neben Kamurocho (bzw. Kabukicho) der vermutlich am häufigsten gefeaturte Schauplatz der Yakuza/Like A Dragon-Reihe. Die mit Abstand besten Versionen fanden sich bisher m.E. in Yakuza 0 und Yakuza 5. Erzählerisch am bedeutsamsten war der Unterhaltungsdistrikt vermutlich in Yakuza (Kiwami) 2 – Die Version aus dem siebten Teil hingegen war eine eher verwässerte Fassung des bunten und pulsierenden Viertels, hatte aber eben neben dem neu eingeführten Hauptschauplatz Izesaki Ijincho, Yokohama auch nur einen geringeren Stellenwert für die Handlung. Bei Gaiden verhält es sich nun andersrum: Das klein, aber fein gestaltete Sotenbori ist hier zentrales Setting, Izesaki Ijincho besuchen wir zwar auch, das ist aber eher narratives Beiwerk und beileibe nicht mit den Versionen aus 7 und Lost Judgment zu vergleichen. An Sotenbori gefällt mir die warme Farbgebung der zahlreichen gastronomischen Betriebe und die schöne Flusspromenade. Es ist zwar alles ein wenig kompakter geraten als in den Hauptspielen, aber dennoch empfinde ich die Map gerade für einen Titel, der nicht als Vollpreis auf den Markt kommt, als ziemlich dicht.

Überall gibt es Querverweise auf die Serien-Vergangenheit. Irgendwelche Halbstarken etwa ahmen Kiryus alten Erzrivalen "Ryuji Goda" nach © SEGA

Überall gibt es Querverweise auf die Serien-Vergangenheit. Irgendwelche Halbstarken etwa ahmen Kiryus alten Erzrivalen „Ryuji Goda“ nach © SEGA

Als dritter Spielplatz ist zudem noch „Die Burg“ implementiert – also das Schiff auf offener See, das als anrüchiger Erwachsenen-Spielplatz funktioniert. Das Ganze erinnert stark an eine ausgeweitete Form des Untergrund-Vergnügungsviertels „Fegefeuer“ (bzw. Purgatory) in Kamurocho und beheimatet Casino/Glücksspiel-Optionen, einen Hostess-Club mit drei weiteren Frauen, und als Hauptattraktion das Kolosseum, zu dem wir später noch kommen werden.

Schauplätze voller Möglichkeiten

Like A Dragon Gaiden: The Man Who Erased His Name ist vielleicht kleiner als die anderen Titel der Reihe – die Minispiele waren aber seit jeher Kern der Yakuza/LaD-DNA – und so gibt es auch bei Gaiden wieder zahlreiche Minispiele und Aktivitäten, bei denen wir nach Herzenslust prokrastinieren dürfen:

In den CLUB SEGA-Arcade Hallen dürfen wir dieses Mal ein paar komplette Neuzugänge anspielen: Erstmalig seit 2001 (da erschien die Dreamcast-Adaption des 1998er Automaten) dürfen wir das Fighting Game Striking Vipers 2 auf einem modernen System spielen. Auch Sonic: The Fighters ist ein eher obskures Stück Software, das seinen Weg in Gaiden gefunden hat – dessen Portierungsgeschichte war aber ein bisschen dankbarer als bei erstgenanntem Spiel – immerhin wurde 1996 veröffentlichte Arcade-Game als Teil der Sonic Gems Reihe für PS2 und Gamecube portiert, und erhielt dann nochmal 2012 Umsetzungen für XBLA und PSN. Weiterhin gibt es Virtua Fighter 2.1, Motor Raid, welches es bereits bei Judgment gab, und mit SEGA Racing Classic 2 sogar einen vergleichsweise jungen Spielhallen-Titel von 2010, der allerdings ein Remake von Daytona USA 2 von 1998 ist. Die UFO-Catcher sind natürlich obligatorisch.

Die Live Action Sequenzen bei den Hostess Clubs sind einfach irgendwie weird - ganz ehrlich :D © SEGA

Die Live Action Sequenzen bei den Hostess Clubs sind einfach irgendwie weird – ganz ehrlich 😀 © SEGA

Im Laufe des Spiels finden wir zudem ein klassisches 8 Bit SEGA Master System, für welches wir 12 Cartridges finden können, u.a. Klassiker wie Fantasy Zone II, Alex Kidd in Miracle World, Flicky oder Alien Syndrome.

In den Casinos- und Glücksspielparlours finden wir die üblichen Verdächtigen: Koi-Koi, Oicho-Kabu, Blackjack und Poker.

Ganz große Freude hat mir die Rückkehr der Pocket Circuit Fighter Rennen bereitet, die Umsetzung von spurgebundenen Spielzeug-Autorennbahnen, war schon immer eines der besten und tiefgehenden Minigames in der Serien-Geschichte. Auch hier macht die Mischung aus Gegnersuche, Modifikation und Ausbau der eigenen Gefährte und Reaktionsspielchen enorm Laune.

Ebenfalls ein Comeback, nachdem abstinent in Yakuza: Like A Dragon, feiern die Darting- und Pool-Minispiele in Gaiden. In diesen Reigen fügt sich dann auch das Golf Center in Sotenbori, wo wir uns an verschiedenen Modi probieren dürfen.

Die Cabaret-Clubs (Club Heavenly in Sotenbori, Castle Cabaret in der Burg) featuren dieses Mal jeweils drei Hostess-Girls – anders als in den Vorgängern als Live Action Sequenzen mit echten Schauspielerinnen aus dem Gravur Idol Bereich. Mit Gesprächen und Geschenken können wir die Balken füllen, drei Herzchen braucht es, bis wir auf ein Date mit den Damen gehen können. Am ehesten vergleichbar ist das Ganze mit den Webcam-Sequenzen aus Yakuza 5, wo auch schon echte Schauspielerinnen für die Soft Erotic-artigen Filmschnipsel zum Einsatz kamen. Die Cabaret Clubs waren vermutlich schon immer das sexistischste Element in der Serien-Tradition – aber die Management-Sims boten immerhin genug Spieltiefe, um darüber hinwegzusehen, und die Dating-Stories aus den Vorgängern boten meist die ein oder andere gut geschriebene Damsel in Distress-Story, die irgendeinen Mehrwert hatte. Die Live Action-Sequenzen hier wirken allerdings eher fremdschämig und sind nur für Komplettisten und Trophy Hunter wirklich sinn- oder reizvoll.

Ansonsten ist das ganze Kolosseum abseits der Pflicht-Kämpfe so konzipiert, dass wir über die Akame-Aufträge neue, mitunter reichlich weirde, Kämpfer sammeln, die wir auch in Team Brawls einsetzen können. Diese lassen sich leveln, wir können die Bindung zu ihnen stärken und müssen auf den gesundheitlichen Zustand achten. Das erinnert an das Clan Creator Baustellen-Minigame aus Yakuza Kiwami 2, bloß dass da eben Tower Defense- statt Brawling angesagt war.

Letzteres ist aber tatsächlich ein gutes Stichwort:

Kämpfen wie in alten Tagen

Mehr noch als Judgment- oder Ishin! ist das Kampfsystem von Like A Dragon Gaiden eine Rückbesinnung auf die alten Tage (also Y0 – Y6): Gaiden spielt sich wie ein gewohnt brachialer Yakuza-Brawler der alten Schule – In zufälligen Begegnungen vermöbeln wir haufenweise Möchtegern-Gangster, die uns ans Leder wollen. Das passiert immer wieder, da diese gefühlt noch regelmäßiger respawnen als in anderen Titeln: Aber auch hier können wir Schläge- und Tritte, Ausweichschritte sowie Defensiv-Mechanismen anwenden. Zu Boden gegangene Widersacher droppen gerne mal ein paar Yen, die wir dann in den Ausbau unserer Fähigkeiten investieren können. Wie immer gilt zudem: Ist die Heat-Leiste gefüllt, können wir via Quick Time Event besonders verheerende Manöver starten.

Der neue Agenten-Kampfstil ist wesentlich Gadget-lastiger. Mit der "Spinne" können wir Kabel auswerfen, um unsere Gegner zu stunnen oder durch das Areal zu schleudern © SEGA

Der neue Agenten-Kampfstil ist wesentlich Gadget-lastiger. Mit der „Spinne“ können wir Kabel auswerfen, um unsere Gegner zu stunnen oder durch das Areal zu schleudern © SEGA

Neben dem bekannten Drachenstil können wir auf dem Fundament unserer Daidoji-Tätigkeit den Agenten-Stil im Kampf verwenden: Dieser ist einerseits deutlich schneller und filigraner als der Drachenstil, aber auch Gadget-lastiger: Mit der „Spinne“ können wir unsere Widersacher mit auswerfbaren Kabeln einerseits temporär bewegungsunfähig machen, andererseits Lasso-artig gezielt in bestimmte Richtungen werfen. Mit der „Hornissen“-Fähigkeit können wir unterstützende Drohnen herbeirufen, die sich analog zu unseren Kampfmanövern aggressiv oder defensiv verhalten. Die „Glühwürmchen“ sind explodierende Zigaretten und mit der „Schlange“ haben wir Raketenbooster-betriebene Schuhe, mit denen wir in Gegner hineindashen können. Gerade wenn man die Gadgets ausbaut, ist der Agenten-Stil eine äußerst spaßige Angelegenheit, die sich sehr befriedigend anfühlen kann. Ansonsten können wir erneut unsere Umgebung nutzen und allerlei Objekte wie Fahrräder, Werbeschilder und dergleichen nutzen, um unsere Widersacher brachial auszuknocken.

Neu ist hier, dass man Heat-Moves der Gegner via Quick Time Event parieren kann. Das macht die Kämpfe teilweise weniger fordernd, passt aber grundsätzlich zum Flow der Auseinandersetzungen und darf gerne in weiteren klassischeren Like A Dragon Titeln ausgebaut werden.

Das Level-System ist weniger komplex als in den Mainline-Spielen: Das liegt zum einen daran, dass man die Kampfstile auf zwei reduziert hat: Während Yakuza Kiwami und Y0 mit gleich vier Stilen mit jeweils eigenen Fähigkeitenbäumen daherkommen („Brawler“, „Rush“, „Beast“ und „Dragon“) und Yakuza 4 und 5 mehrere spielbare Charaktere mitbringen, die ebenfalls mit eigenen Upgrade-Systemen daherkommen, und bei denen man teilweise mit unterschiedlich kategorisierten Erfahrungspunkten arbeiten muss, ist selbiges in Gaiden recht simpel gehalten: Wir können mit den erwirtschafteten Yen (und zusätzlich nötigen Akame-Punkten) schlicht vier Punkte beackern: Passive Fähigkeiten, die unsere Stats in die Höhe schrauben (mehr Schaden, mehr Stamina, etc.), neue Moves und Fähigkeiten im Kampf wie etwa mehr Ausrüstungs-Slot, neue Heat-Moves oder Möglichkeit, Gegner zu verspotten und dann jeweils den Drachen- und Agenten-Stil, deren Eigenheiten wir naturgemäß auch ausbauen können. Für einen Zwischentitel wie Gaiden find ich das entschlackte Upgrade-System vollkommen legitim und macht angesichts der insgesamt kürzeren Spielzeit auch Sinn.

Das Akame-Netzwerk: Wir bauen eine Informanten-Infrastruktur aus

Die Informationsbrokerin Akame ist eine unserer wichtigsten Vertrauten in Sotenbori – Die Figur ist dem ebenfalls aus Osaka stammenden Idol First Summer Uika nachempfunden. Akame ist allerdings nicht nur inhaltlich eine wichtige Figur in Like A Dragon Gaiden, ihr Akame-Netzwerk ist auch eine wichtige spielmechanische Säule:

Das aufstrebende Informanten-Netzwerk kann beständig aufgelevelt werden: Über das Abschließen von Substories, und sogenannten Stroll ‚n‘ Patrol Aktivitäten nehmen wir nicht nur Geld ein, sondern sammeln auch die bereits erwähnten Akame-Punkte. Diese lassen sich, neben dem Investment in die eigenen Fähigkeiten, für den Ausbau des Netzwerkes beanspruchen, womit verschiedene Boni freigeschaltet werden können: Höhere Droprate bei ausgeknockten Gegnern, oder mehr Prozente beim Erhalt von Punkten etwa. Zudem hat das Akame-Netzwerk einen Shop, mit dem sich exklusive Items mit den genannten Punkten erwerben lassen: Die bekannten Cheat-Items (Triple Yokan für Oichu-Kabu oder ein Item, mit dem wir permanent beim Blackjack gewinnen) für die Glücksspiele etwa. Zudem können wir unsere Bindung zu Akame vertiefen und so weitere Perks freischalten.

Die Informationsbrokerin Akame ist unsere wichtigste Vertraute und eine ziemliche Draufgängerin. Der Charakter ist dem japanischen Idol First Summer Uika nachempfunden © SEGA

Die Informationsbrokerin Akame ist unsere wichtigste Vertraute und eine ziemliche Draufgängerin. Der Charakter ist dem japanischen Idol First Summer Uika nachempfunden © SEGA

Tendenziell bin ich Fan davon, dass Substories wieder situativer in die Exploration eingebunden werden, d.h. dass Substories einfach so bei der Stadterkundung getriggert werden können – ich kann allerdings verstehen, dass man bei einem kleineren Titel wie Gaiden als Kompromiss eine listenartige Bearbeitung von Nebengeschichten integriert hat, ohne das beliebte Substory-System komplett ad acta zu legen.

Übrigens interessant für alle Trophy Hunter: Die Platin bei Yakuza/Like A Dragon-Titeln zu holen war immer eine Farce, weil man eine 100 % Komplettierungsquote benötigte. Das umfasste alle S-Ränge, alle Minigames, alle Restaurantbesuche und wirklich alle optionalen Tätigkeiten – Das fällt hier weg und damit ist die Platin deutlich einfacher zu holen.

Rückkehr zur Dragon Engine

Grafisch reißt Like A Dragon Gaiden: The Man Who Erased His Name keine Bäume aus – es ist solider Standard, den Fans der Reihe gewohnt sind: Sotenbori und Izesaki Ijincho sind sorgfältige Nachbildungen ihrer realen Pendants, die Charaktermodelle sind ähnlich detailliert wie in den Vorgängern und auch Licht- und Schatten-Effekte wirken gewohnt wertig.

Ich bin mir nicht 100 % sicher, aber bei Gaiden scheint das RGG Studio zur Dragon-Engine zurückgekehrt zu sein, nachdem das Like A Dragon Ishin! Remake aus demselben Jahr mit der Unreal Engine 5 realisiert hat. Über die Gründe kann man spekulieren, möglicherweise wollte man, ähnlich wie CD Projekt RED beim kommenden Witcher, langfristig weg von einer proprietären Engine, hat sich bei Gaiden und Infinite Wealth aber noch zugunsten der Haus-Engine entschieden.

Ich bin da ganz froh drum – denn Ishin! fühlte sich, was den Kampf und die Umgebungen angeht, merkwürdig steril und clunky an. Bei Gaiden hingegen wirkt es, als hätte man die Basis von Lost Judgment genommen, und nochmal ein bisschen verfeinert. Optisch merkt man mittlerweile Alterungserscheinungen, spielmechanisch funktioniert die Dragon Engine allerdings noch. Sollte ab Like A Dragon 9 zur UE5 gewechselt werden, dann muss da noch viel Arbeit reingesteckt werden.

Auditiv bietet Gaiden gewohnte Kost: Die Karaoke-Songs mit ihren Klassikern (Baka Mitai (!!), Butterfly) sind weiterhin über allen Maßen erhaben – Ansonsten haben wir einen breitgefächerten Score, der zwischen orchestralen Passagen in den dramatischen Szenen, dem breitbeinigen Gitarren-Rock in den Fighting Szenen und jazzig-loungigen Sequenzen bei der Stadterkundung pendelt. Das war immer Teil der Yakuza-DNA und wird auch weiterhin so funktionieren.

Fazit:

Like A Dragon Gaiden: The Man Who Erased His Name ist ein schöner Zwischentitel, der eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft der Franchise schlägt. Die 5-Kapitel starke Handlung ist wesentlich kompakter und weniger dringlich als in den Haupttiteln, setzt aber Kenntnisse von Yakuza 6: Song of Life und Yakuza: Like A Dragon voraus, um den Fanservice des Titels voll ausschöpfen zu können. Damit ist Gaiden nicht sonderlich einsteigerfreundlich, aber ein Fest für alle Yakuza/LaD-Fans, die mehr klassische Brawler-Action mit Serien-Urgestein Kazuma Kiryu haben wollen. Mit dem Agenten-Stil ist ein spaßiger neuer gadget-lastiger Kampfstil eingeführt worden, der inhaltlich entsprechend begründet ist und Sotenbori wirkt weniger verwässert als im siebten Teil, sondern ist die gewohnt lebhafte Kulisse. Spielzeittechnisch ist Gaiden weit weniger großes Ungetüm als die üblichen Haupttitel, die Hauptkampagne hat man in unter 20 Stunden durch, mit allen Substories und Aktivitäten endet man bei etwa 40-50 Stunden. Für 40 EUR Launch-Preis ist das aber ein verdammt guter Deal für ein narratives Spiel. Ich würde mich freuen, wenn SEGA und RGG Studio weitere Spin-Offs dieser Art rausbringen.

Übrigens: Like A Dragon Gaiden enthält eine „Spezial-Testversion“ zu Like A Dragon: Infinite Wealth. Hierzu folgen in Kürze ebenfalls die ersten Eindrücke.

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Like A Dragon Gaiden: The Man Who Erased His Name [PlayStation 5]

Grafik - 7.4
Story - 7
Technik - 7.4
Umfang - 8
Spielspass - 8.2

7.6

Like A Dragon Gaiden [...] ist ein schönes Zwischenspiel, das vor allem für die alten Fans der Reihe konzipiert wurde, die nochmal mit Urgestein Kazuma Kiryu in bester Brawler-Manier reihenweise Widersacher brachial verkloppen wollen. Erzählerisch schlägt Gaiden die Brücke zwischen Yakuza 6, dem Soft Reboot 7 und dem kommenden Infinite Wealth, ist dabei aber wesentlich kompakter geraten als die Haupttitel.

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