Mit Until Dawn haben Supermassive Games vor fast 10 Jahren einen exklusiven Überraschungshit auf der PlayStation 4 gelandet – der irgendwie auch die Blaupause für die Outputs der nächsten Jahre sein sollte und zugleich wie eine Art eigenes filmisches Subgenre anmutete, ohne das jetzt dafür nennenswerte Innovationen erdacht werden mussten. Aber seien wir ehrlich: Auch wenn Quantic Dreams mit Fahrenheit, Heavy Rain, Beyond: Two Souls und Detroit: Become Human etwas sehr ähnliches gemacht haben – nämlich interaktive Filme mit entscheidungsbasierten multiplen Handlungsverläufen – bei all den The Quarrys, den Dark Pictures und Frank Stones der letzten Jahre konnte man immer auf einen Blick erkennen, dass die Horrorspezialisten aus dem beschaulichen, britischen Guildford am Werk waren.
Nachdem die erste Staffel der Dark Pictures Anthology-Reihe mit The Devil in Me ihren vorläufigen Abschluss gefunden hat und Supermassive Games am hauseigenen Sci-Fi-Horror Directive 8020 sowie Tarsier für den dritten Teil von Little Nightmares abgelöst haben, dachte sich SONY wohl, dass es an der Zeit sei, den OG unter den interaktiven Horrorfilmen (Phantasmagoria und Harvester zählen nicht) aus dem Schrank rauszuholen – und nicht nur zu remastern, sondern analog zum The Last of Us-Remake einer kompletten Generalüberholung zu unterziehen. Vermutlich will SONY damit das Bewusstsein für die Until Dawn-Marke schärfen, da für April 2025 ein passender Film geplant ist.
Verantwortlich für das Remake waren dieses Mal nicht Supermassive Games, sondern das ebenfalls britische Studio Ballistic Moon aus Woking, das unmittelbar nach Release von Until Dawn mit einer vermeintlich notwendigen Entlassungswelle auf sich aufmerksam machte. In der Regel kein gutes Zeichen. Und auch die Zahlen von Anfang Oktober sprachen dafür, dass das Until Dawn Remake für SONY zumindest auf dem PC eventuell ein Fehler war. Der User-Peak lag bislang laut SteamDB bei 2607 Spieler*innen gleichzeitig. Zum Vergleich: Titel wie zuletzt die Complete Edition von Horizon: Forbidden West (Review hier) konnten 40.462 Spieler*innen zeitgleich verbuchen. Vergleichbar sind die Zahlen von Until Dawn daher eher mit den enttäuschenden Zahlen vom massiven Flop Concorde und Sackboy: A Big Adventure.
Die Frage, die man sich also nun angesichts des möglichen kommerziellen Flops stellen muss, ist dieselbe wie vor einiger Zeit bei The Last of Us Part 1 (Review hier) – nämlich ob man zwangsläufig ein Remake eines vergleichsweise jungen Titels zum Vollpreis benötigt, ob das Remake dem Ur-Titel neue Qualitäten abringt, welche Potentiale liegen geblieben sind und ob es derzeit nicht eventuell eine Übersättigung an cineastischen Horror-Titeln gibt?
Until Dawn als Kaleidoskop zwischen Teenie Slasher, Creature Feature, Spukhaus-Grusel, Torture Porn und Psychologischem Horror
Die Story von Until Dawn bleibt im Großen und Ganzen unangetastet. Das Spiel beginnt mit einem Prolog, der leichte Carrie-Züge aufweist: Eine Gruppe von Freunden im Tween/College-Alter verbringt ein Wochenende in der abgelegenen, aber luxuriösen Berghütte der wohlhabenden Washington-Familie – mitten am Fuße des Blackwood Mountain im kanadischen Teil der Rockys. Der alljährliche Winterausflug ist offenbar eine langjährige Tradition unter den Freunden. Auf der Agenda der hormongesteuerten Freundesgruppe stehen Party, Alkohol, Sex, Beziehungsarbeit und allgemeine eine gute Zeit.
Wir lernen die zehn Freunde Sam (Hayden Panettiere), Josh (Rami Malek), Mike (Brett Dalton), Jessica (Meaghan Martin), Emily (Nichole Bloom), Matt (Jordan Fisher), Ashley (Galadriel Stineman), Chris (Noah Fleiss) sowie Josh’s Zwillingsschwestern Hannah und Beth (beide verkörpert von Ella Lentini) kennen. Das Schicksal der beiden Zwillingsschwestern ist es auch, dass die weiteren Ereignisse von Until Dawn in Gang setzt. Die introvertierte Hannah fühlt sich zum attraktiven, draufgängerischen Mike hingezogen, der ihre Avancen zu erwidern scheint, zugleich aber mit der durchaus intelligenten, aber auch selbsteingenommenen Emily zusammen ist. Doch seine erwiderte Zuneigung entpuppt sich als Teil eines ziemlich gemeinen Streiches durch die Gruppe, dessen Pointe eine gedemütigte Hannah ist. Die rennt verheult in den verschneiten Wald, Beth läuft ihr nach, um sie wieder zu beruhigen. Als die beiden einen animalischen Schrei vernehmen, und merken, dass sie verfolgt werden, rennen sie vor den unbekannten Verfolgern weg. Am Rande einer Klippe, die ziemlich tief in den Abgrund führt, kommt es zur Tragödie: Die beiden fallen durch einen Ausrutscher, können sich gerade noch an einem aus dem Felsen ragenden Ast festhalten. Zwar eilt ein mysteriöser Mann zur Hilfe (?), doch der Rettungsversuch scheitert. Die beiden stürzen gänzlich in die Tiefe. Da die lokalen Polizeibehörden bei ihren Ermittlungen keine Leichname bergen können, gelten die Schwestern fortan als vermisst.
Schnitt. Ein Jahr später – Trotz des Verschwindens seiner Schwestern Hannah und Beth, lädt Josh die Freundesgruppe erneut zur Zusammenkunft in den Blackwood Pines ein. Die Gruppe ist zwar skeptisch, ob das Wochenende in dieser Form nur ein Jahr nach dem Verschwinden der Schwestern angebracht sei, hält das Ganze aber für eine Strategie von Josh, das Ganze zu verarbeiten. In diesem Jahr ist innerhalb des Gruppes viel passiert: Der Schönling Mike bändelt nach dem Scheitern seiner Beziehung mit Emily mit der „freizügigeren“ Jessica an, Emily hingegen ist nun mit dem recht ruhigen, besonnenen Matt zusammen. Auch zwischen dem Sympathen Chris und der quirligen Ashley sind romantische Spannungen zu verzeichnen.
Die pragmatische und bodenständige Sam(antha) und Josh hingegen sind vor allem durch die Ereignisse des vergangenen Jahres gezeichnet: Hannah war Sams beste Freundin, und sie hat sich äußerst schuldbewusst gezeigt, dass sie den Streich nicht verhindern konnte, der letztlich zu ihrem Verschwinden beigetragen hat. Josh hingegen wirkt erleichtert, dass er sich mit der traditionellen Zusammenkunft seiner Freunde ein bisschen von dem Schmerz ablenken kann.
Doch dieses Jahr soll alles anders werden: Der anfangs idyllisch wirkende Ausflug wird, einigen zwischenmenschlichen Intermezzi zum Trotz, recht bald zu einer alptraumhaften Tour de Force, die in der isolierten Finsternis der verschneiten Rocky Mountains zu einem Überlebenskampf für alle Beteiligten wird – denn nicht nur scheint ein ominöser Psychopath sein Unwesen zu treiben, auch scheinen übernatürliche Phänomene am Werk zu sein.
Das Writing von Until Dawn funktioniert immer noch ganz gut: Until Dawn arbeitet ähnlich wie ein Cabin in the Woods (ohne die umfassende Meta-Ebene), indem es das umfassende Figurenensemble mit unterschiedlichen Horror-Tropes konfrontiert, während zu Beginn alle als stereotype Archetypen gezeichnet sind. Mike und Jessica, als typischer Jock- und typisches Bimbo Girl, wirken wie Abziehbilder des 90s Teenie-Slasher-Genres. Die laszive, extrovertierte Jessica ist im Grunde ein typisches Slasher-Opfer, die eher resolute Sam hingegen wie das typische Final Girl in einem Survival Horror. Die Storyline um Josh, Chris und Ashley driftet in Richtung SAW-ähnlichen Torture Porn, mit Tendenzen hin zu anfänglichem Spukhaus- und Psychological Horror. Die Storylines von Emily und Matt hingegen setzen den Schwerpunkt auf kreaturlastige Creature Feature-Elemente und klaustrophobischen Horror der Marke The Descent. All diese Subgenres werden von den isolierten Bergen der kanadischen Rocky Mountains umrahmt.
Zwischen den Kapiteln übernimmt der schwedische Schauspieler Peter Stormare erneut die Rolle des ominösen Psychologen Dr. Hill. Mit fortschreitender Handlung vermischt sich in diesen Sitzungen immer mehr Wahn und „Wirklichkeit“. Dr. Hill ist quasi der OG unter den Erzähler*innen der Supermassive Spiele, später abgelöst vom Kurator in den Dark Pictures-Spielen, und von der Wahrsagerin in The Quarry.
Die Figuren sind irgendwo ein bisschen zweischneidig, sie sind als Archetypen ganz klar als Genre-Hommage konzipiert, mitsamt allen unsympathischen, dümmlichen Charaktertrademarks, die damit einhergehen. Man ertappt sich dabei, wie so oft beim Konsum von Horrorfilmen, dass man die Dummheit der vorgescripteten oder auch selbstgewählten Entscheidungen hinterfragt – und das Spiel legt uns auch an die Hand, wem unsere Sympathien gelten sollen: Sam (und gewissermaßen auch Chris) sind hier klar als moralische Ankerpunkte gezeichnet, während die anderen manchmal eher fragwürdig handeln. Aber das ist eben auch zentraler Reiz von Until Dawn, von den Dark Pictures-Spielen, The Quarry und demnächst Directive 8020. Es sind spielbare B-Movie Horrorfilme mit entsprechenden Charakteren und mit entsprechend käsigen Dialogen, deshalb bin ich auch gespannt, ob die Until Dawn-Verfilmung ausreichend selbstreferentiell sein wird, um diesen Umstand zur Geltung zu bringen.
Das Remake von Ballistic Moon hat marginale Änderungen am Plot vorgenommen. Ich hatte die Einleitung des PS4-Originals und des PlayStation 5-Remakes nebeneinander abgespult. Das Remake gibt im erweiterten Prolog mehr Kontext zum Verschwinden der Washington-Schwestern, Szenen werden mehr ausformuliert, u.a. spielen wir Hannah zu Beginn, und wirken im Vergleich zum Original weniger „abgehackt“ und besser montiert. Zudem ist die Wald-Sequenz nun interaktiver und nicht mehr bloß eine Abfolge von QTEs. Auch die Beziehung zwischen Emily und Matt, die im Original noch maximal toxisch gewesen ist, wirkt zwar nun immer noch angespannt, aber man kann als Außenstehender besser nachvollziehen, was sie in ihren zärtlicheren Momenten aneinander haben. Darüber hinaus erzählt Until Dawn über die Collectibles und die Locations mehrere Storylines auf verschiedenen zeitlichen Linien – neben alten, naturreligiösen Ureinwohner-Legenden wird auch ein Minen-Unglück Anfang der 1950er Jahre thematisiert. Hier geht Until Dawn mit seinem Subgenre-Hopping in die Breite, vermag die einzelnen Linien aber gut miteinander zu verknüpfen.
Die visuelle Inszenierung setzt dieses Mal, ähnlich wie etwa das Silent Hill 2 Remake, auf Komfort über visuelles Storytelling. Die fixierten Kamerawinkel im Original waren sehr stark von cinematischen Einstellungen aus Horrorfilmen geprägt, und trugen viel zum Suspense bei. Hier wird zwar auch mit unterschiedlichen Perspektiven gearbeitet, den Charakteren folgen wir aber in der Regel via klassischer Over-the-Shoulder Ansicht, ähnlich wie auch in den jüngeren Supermassive-Titeln. Es spielt sich bequemer, da das Original noch auf Tank Control-lastige Steueroptionen setzte, aber büßt atmosphärisch ein klein wenig ein, da das Gefühl der Paranoia und des Beobachtet-werdens mit den dynamischen Kameraperspektiven nicht mehr so stark ausgeprägt ist.
Zudem führt das Spiel ein neues (recht positives) Ende ein, und eine Post Credit-Szene, die darauf hindeutet, dass es möglicherweise einen zweiten Teil geben könnte. Das ist ja quasi das Standard-Prozedere bei Remakes, auch hier sei zuletzt das Silent Hill 2 Remake genannt, und das ist man Fans des Originals auch irgendwo schuldig. Zudem passt die Post-Credit-Scene zu Gerüchten, wonach das Studio Firesprite an einem Nachfolger werkeln soll. Nachdem die Verkaufszahlen von Until Dawn (2024) aber, vorsichtig gesagt, eher mau ausfallen werden, bleibt abzuwarten, ob da wirklich was realisiert werden wird.
Veränderte Schwerpunkte beim Gameplay und verschenkte Potentiale
Im Kern bleiben Ballistic Moon der Supermassive-Formel treu: Until Dawn ist auch mit seiner Iteration als Remake ein interaktiver Horror-Film, der sich auf die spielerischen Säulen der Entscheidungsfreiheit und auf Reaktionsspiel-Sequenzen im Quick Time Event-Format stützt. So weit, so gut.
Die Quick Time Events wurden im Vergleich zum Original aber a) deutlich vereinfacht und b) deutlich in der Anzahl reduziert, und sind nun eher auf dem Niveau von The Quarry und Devil Inside – d.h. das Zeitfenster für die Zeiteingabe ist vergleichsweise hoch. Einen individuellen Schwierigkeitsgrad wie bei den genannten Titeln gibt es aber nicht. Ich würde demnach sagen, dass die meisten Flucht- und Kampf-Sequenzen von den meisten Spieler*innen ganz gut bewältigt werden können.
Die „Beweg dich nicht“-Mechanik ist ebenfalls mit an Bord – Die gibt es in ähnlicher Form auch in den Dark Pictures-Spielen, nur dass man da rhythmisch den Herzschlag „nachdrücken“ muss, um ihn ruhig zu halten – Im Until Dawn Remake wird die Gyro-Funktion des Dual Sense genutzt. Hier muss man den Controller, wie im Original, still halten, um einen angezeigten Bereich nicht zu verlassen. Bereits die PS4 Version hatte sich den Dual Shock 4 Controller zunutze gemacht, um das zu realisieren. Hier zeigt sich das Remake aber auch deutlich wohlwollender den Spieler*innen gegenüber. Das Streifen der Bereichsgrenze bedeutet nun keinesfalls, dass man in der Gefahrensituation direkt scheitert.
Bei den Totems ist nun ein weiterer Typus hinzugekommen: Zu den bisherigen fünf Totems („Todestotem“, „Gefahrentotem“, „Verlusttotem“, „Führungstotem“, „Glückstotem“) gesellen sich nun auch noch die „Hungertotems“, die auf das Schicksal der Schwestern hindeuten. Einige der abgespielten Totem-Visionen sind nun im Remake auch etwas anders arrangiert als im Original.
Mit der Reduktion und Vereinfachung der Quick Time-Elemente setzt das Remake einen etwas anderen Schwerpunkt: Die Areale sind nun dezent größer geworden und erfordern mehr Exploration. Dabei finden wir als Spieler*innen nun ein paar mehr Collectibles wie Fotos, Dokumente etc., welche die Lore um den Blackwood Mountain deutlich vertiefen. Das finde ich per se erstmal ganz gut, auch wenn ich den Panik- und Stresslevel, den das Original hervorrief, etwas wohltemperierter empfand.
Nun zum massiv verschenkten Potential: Ich mochte die (vor allem lokalen) Mehrspieler-Optionen der jüngeren Supermassive Spiele – gerade House of Ashes und Devil in Me haben trotz ihrer Schwächen ziemlich viel Spaß gemacht, weil ich sie mit meiner Partnerin zusammen lokal im Koop zocken konnte, und weil sich der Schwierigkeitsgrad für die Mitstreiter*innen individuell einstellen ließ. Until Dawn wurde mangels Mehrspieler-Support eher verschmäht. Das Remake wäre hier eine passende Gelegenheit vonseiten SONY gewesen, solche kooperativen, lokalen Modi einzubauen. DAS wäre ECHTER MEHRWERT gegenüber dem Original gewesen. So fühlt es sich für mich hingegen eher wie ein Downgrade gegenüber den Dark Pictures-Titeln und The Quarry an. Sollte ein solcher Modus per Patch nachgereicht werden, werde ich aber nochmal einen Durchgang wagen.
Optische Verbesserungen, schwächerer Soundtrack
Das originäre Until Dawn sieht für einen Titel von 2015 nach wie vor bemerkenswert gut aus, keine Frage. Insofern wäre eine visuelle Frischzellenkur, von Grund auf, meines Erachtens nicht zwingend notwendig gewesen.
Dennoch sieht das Remake, das auf einem Unreal Engine 5 Fundament läuft, natürlich spürbar besser aus: Vor allem Reflektionen auf Ray Tracing-Basis, Licht- und Schatteneffekte sehen im direkten Vergleich deutlich beeindruckender aus, die Charaktermodelle und ihre Kleidungsstücke sind wesentlich detaillierter gestaltet, die Außenbereiche sehen atmosphärisch dichter aus, und die den realen Schauspieler*innen nachempfundenen Gesichtsanimationen sind nicht mehr ganz so uncanny wie im Original. Dort wirkten die per Motion Capturing aufgenommenen Facial Animations ähnlich gruselig wie seinerzeit bei L.A. Noir – So ganz fotorealistisch animiert sehen die Gesichter im Remake zwar immer noch nicht aus, aber das Resultat ist doch arg besser geworden als im 2015er Machwerk.
Leider ziehen sich die Verbesserungen bei den Animationen nicht durch alle Bereiche: Die Charaktermodelle sind zwar detaillierter, die darunterliegende Körper-Animationsstruktur ist aber weitgehend unverändert vom PlayStation 4-Original übernommen worden. Dadurch wirkt das Spiel an vielen Stellen wie ein besseres Puppenspiel, wenn hochgradig verbesserte, realitätsnahe Charaktermodelle mit den eher steifen, leblosen Animationen aus dem Jahr 2015 vorlieb nehmen müssen. Hier hätte man deutlich nachbessern können, weil es schlicht ein bisschen faul wirkt.
Ursprünglich hätte ich bemängelt, dass das PS5 Remake einen 30 FPS-Cap mitbringt, das wurde kürzlich aber via Patch behoben, sodass es nunmehr einen Performance-Modus mit stabilen 60 FPS gibt. Allgemein sind die Einstellungsmöglichkeiten gegenüber der PC Fassung aber recht limitiert.
Einige künstlerische Änderungen missfallen mir aber auch, weil sie die Essenz des Originals verändern: So wirkt die Farbgebung im Remake knalliger, wärmer und herbstlicher als im Original. Dieses setzte damals auf eine bläuliche Farbpalette, die dem Ganzen einen deutlich gespenstischeren, bitterkalten, vor allem aber uniquen Look verlieh. Auch die klaustrophobe Natur des Settings wird so etwas geschmälert. Auf die nun eher dynamischen Kameraperspektiven bin ich bereits eingegangen, die etwas weniger cinematische Kameraführung ist der Preis für spielerischen Komfort.
Spürbare Verschlechterungen sehe ich beim Soundtrack und beim Sounddesign: Das Original wurde ursprünglich mit dem grandiosen „O, Death“ eingeleitet, einer Interpretation des gleichnamigen amerikanischen Folk Songs, der den Vibes des Spiels ziemlich kongenial getroffen hatte. Der neue Intro Song „Out of the Shadows“ hinterlässt deutlich weniger Eindruck, und das ist etwas, was sich durch den gesamten Soundtrack zieht. Ich würde nicht grundlegend sagen, dass der neue Soundtrack schlecht ist, aber er wirkt glattgebügelter. Dasselbe gilt für das Sounddesign im Allgemeinen: Das Original wartete immer wieder mit knarzigen, ungewöhnlichen und beklemmenden Soundbits auf, hier wirkt alles auf billige Weise „poliert“.
Dasselbe gilt nicht zwangsläufig für die Sprecherleistungen, aber auch hier habe ich ein paar Dinge zu beanstanden: Die deutschen Sprecher*innen sind stimmlich in der Regel gut gewählt, vor allem die weiblichen Figuren sind gut besetzt – speziell Emilys „Bitchiness“ wird durch Daniela Bette-Koch (bekannt aus der Lindenstraße) super gut vermittelt. Ich würde sogar behaupten, dass die Figuren auf Deutsch besser vertont wurden als im Englischen. ABER: Egal in welcher Sprache, die Abmischung ist nicht immer ganz stimmig, und die Voice Over-Audios wirken teilweise seltsam komprimiert. Ich habe mir an der Stelle nicht den direkten Vergleich zum Original gegeben, aber gerade, wenn man jüngst das hervorragend abgemischte, wuchtige Silent Hill 2 als Maßstab heranzieht, wirkt das Until Dawn Remake an auditiver Front nicht ganz taufrisch. Das ist schade.
Fazit:
Until Dawn ist immer noch ein gutes Spiel. Ich kann auch partiell nachvollziehen, warum SONY hier Remake-Bedarf sah. Gleichzeitig denke ich mir, dass es dieses Remake nicht zwingend gebraucht hätte. Until Dawn von 2015 sieht immer noch schick genug aus – das Remake nutzt die potente Unreal Engine 5 natürlich für beeindruckendere Licht-,Schatten-Effekte und realitätsnähere Charaktermodelle, gleichzeitig hat man aber die Animationen aus dem Original in der Regel ganz stumpf übernommen, was irgendwie faul anmutet. Die etwas ausformuliertere Story, zusammen mit dem neuen Ende und der zusätzlichen Post-Credit-Szene, hat grundsätzlich Mehrwert. Aber gerne hätte ich das Ganze als Kenner des Originals im lokalen Controller-Rumreich-Koop mit Freunden gezockt. Warum man einen solchen Mehrspieler-Modus, ähnlich wie bei den Supermassive-Titeln der jüngeren Vergangenheit, nicht eingebaut hat, ist mir unbegreiflich. Das wäre nämlich mein hauptsächliches Kaufargument. Beim Sounddesign und Soundtrack hat man eher verschlimmbessert: Den in amerikanischer Folkmusik verhafteten Soundtrack hat man eher gegen düstere Popmusik ausgetauscht, die Soundbits und Sprecher*innenleistungen klingen teils merkwürdig verflacht, obwohl sie qualitativ nicht schlecht sind. Auf der Haben-Seite haben wir neben den visuellen Verbesserungen vor allem ein zugänglicheres Gameplay: Die Exploration mit vertiefter Lore macht Spaß, die Quick Time Events und „Ruhe“-Mechaniken sind deutlich barmherziger als im Original und die Over-the-Shoulder-Perspektive schmälert zwar den Grusel, ist aber spielmechanisch deutlich bequemer als die Panzersteuerung aus dem Original. Insofern ist das Until Dawn-Remake ein zweischneidiges Schwert – sofern man das Original nicht gespielt hat, sollte man tendenziell eher hier zugreifen. Mochte man hingegen das Ur-Ding und hat es auch noch im Regel rumstehen, ist man nicht unbedingt auf das Remake angewiesen. Der ganz große Unique Selling Point fehlt hier schlicht und ergreifend.
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Until Dawn Remake [PlayStation 5]
Grafik / Art Style - 7.5
Story / Inszenierung - 8
Technik - 8
Umfang - 6.7
Gameplay / Spielspass - 7.2
7.5
Ob es das Until Dawn Remake zwingend gebraucht hätte? Ich weiß es letztlich nicht. Es sieht natürlich optisch besser aus, und es ist immer noch ein gutes Spiel. Es gibt aber auch keine wesentlichen spielmechanischen Neuerungen, die den Vollpreis meines Erachtens rechtfertigen.