Game Review: The Quarry für PC – Rustikale Schlachtplatte mit starken 80er Jahre Vibes

Für Fans des Horror-Genres dürfte das britische Studio Supermassive Games mittlerweile eine sichere Bank sein. Den Durchbruch haben die Jungs und Mädels unbestritten mit dem PlayStation 4-exklusiven Until Dawn geschafft und auch die Dark Pictures Anthology mit ihren mittlerweile drei Episoden findet sowohl bei den Spieler*Innen als auch bei der Presse Anklang. Kurzum: Mit filmisch inszeniertem und zitatfreudigem Horror haben die Briten ihre Nische gefunden. In Zusammenarbeit mit 2K Games kommt in wenigen Tagen The Quarry raus, welches als spiritueller Nachfolger zu Until Dawn gehandelt wird und auf ähnliche Zutaten setzt wie die Supermassive Blaupause: Eine Gruppe von Jugendlichen mit ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten, ein naturnahes Setting in den weitläufigen Wäldern Amerikas und ein fröhliches Subgenre-Hopping zwischen Slasher, Backwood-Horror, Mystery und Creatureflick mit einer Vielzahl an Referenzen auf klassische Horrorfilme. Bereits in der Preview wagten wir die Prognose, dass „The Quarry ein kurzweiliges Must Play“ für Horror-Fans sein wird. Nun durften wir uns die finale Fassung für den PC anschauen und schauen in diesem Zusammenhang, ob sich dieser erste Eindruck auch nach dem vollen Durchgang bestätigt.

Von Monstern, mörderischen Hinterwäldlern und Teenie-Dramen

Teenie-Dramen, Herzschmerz und das ewige „Wer mit Wem“ sind wichtiger Bestandteil von The Quarry © Supermassive Games

Zentraler Schauplatz von The Quarry (übersetzt: „Der Steinbruch“) ist das Ferienlager „Hackett’s Quarry“ in den bewaldeten Gebieten von Upside New York, welches nach dem Betreiber Chris Hackett und dessen alteingesessener Familie benannt ist. Nach einem intensiven Prolog, bei dem wir in der Haut von Laura (Siobhan Williams) und Max (Skyler Gisondo) nach einem Autounfall im Wald auf den dubiosen Polizisten Travis (Ted Raimi) treffen, schlüpfen wir nach einem Schnitt in die Rolle(n) einer Gruppe von sieben Camp-Betreuern, die kurz vor dem College stehen. Es ist das Ende des Sommers und eigentlich naht der unweigerliche Abschied voneinander. Doch die Wege des Herrn sind genauso unergründlich wie die Wege hormongesteuerter Heranwachsender und nachdem der Kleinbus manipuliert worden ist, der uns zurück in die Zivilisation bringen sollte, müssen wir gemeinsam eine weitere Nacht zusammen bringen. Dass die recht blutig bis tödlich ausfällt, ahnt zu diesem Zeitpunkt noch niemand. Dass aber etwas nicht zu stimmen scheint, wird spätestens dann klar, als Chris Hackett angesichts der defekten Karre in unverhältnismäßig Panik ausbricht. Etwas scheint ihm furchtbar Angst zu machen. Er kündigt an, dass er vorausfährt, und die Gruppe am nächsten Morgen abholt, beschwört aber vorher noch seinen Lieblingsschützling Ryan, dass die Gruppe unbedingt in der Lodge verharren soll. Eine Warnung, die naturgemäß in den Wind geschlagen wird. Und so gilt die Einführung der klassischen Frage: Who with whom? Das ewige „wer mit wem“ – Die schüchterne Abigail (Ariel Winter) wird oft von der selbstbewussten Wannebe-Influencerin Emma (Halston Sage) unter ihre Fittiche genommen und hat ansonsten Augen für den lässigen und oft dauersarkastischen Nick (Evan Evagora), der irgendwie gleichzeitig cool und unnahbar, aber auch nerdy und verletzlich wirkt. Nicht umsonst hängt er zu Beginn oft mit dem ähnlich gepolten Dylan (Miles Robbins) ab, der im Camp üblicherweise für das Radioprogramm sorgt. Dann haben wir noch den irgendwie treudoofen Jacob (Zach Tinker) im Bunde, der nach einer Sommerromanze mit Emma, die Beziehung fortführen will, was aber durch die Entfernung der Colleges wenig Perspektiven hat. Und dann haben wir da noch die schlagkräftige asiatisch-amerikanische Kaitlyn, die mit ihrer Zupackmentalität sowohl Eindruck bei dem gutherzigen, aber eigenbrötlerischem Ryan (Justice Smith), als auch bei dem technikaffinen Dylan schindet. Somit hat jeder bereits von Anfang an basale Dynamiken am Laufen, die sich im Laufe der Geschichte(n) entfalten können. Die Charaktere sind dabei gut geschrieben und bringen genügend Ambivalenz mit, dass man trotz der ein oder anderen Marotte um ihr Schicksal bangt. UND: Nachdem bereits Until Dawn eine merkwürdig große Fanbase in der LGBTQ+ Community verbuchen konnte, bringt Supermassive Games je nach Spielweise in The Quarry die erste bi-queere Romanze in deren bisherigem Oeuvre unter. Mir hat das Figurenroster bei The Quarry eine ganze Ecke besser gefallen als noch bei Until Dawn, weil ich die Stereotype beim Quasi Vorgänger irgendwie teilweise ein bisschen „entmenschlichend“ fand. Die Dialoge hier wirken an machen Stellen zwar doch ein bisschen cringy im Sinne von merkwürdig hölzern, aber weitgehend fühlen sich die Interaktionen dann doch ausreichend natürlich an.

Der Camp Inhaber Chris Hackett mag ein seltsamer Typ sein, doch zumindest zu Beginn zeigt er sich noch von seiner väterlichen Seite
© Supermassive Games

Die Dramaturgie nimmt mächtig an Fahrt auf, als das erste Mal ein animalisch wirkendes Ungetüm auftaucht und die Gruppe angreift. Zeitgleich scheint Jagdsaison begonnen zu haben, denn eine gruselige einheimische Jägersfamilie scheint nicht nur Jagd auf die Kreaturen zu machen, sondern auch auf die ahnungslosen Teenies. An dieser Stelle wollen wir nicht zu viel vorweg nehmen, es gibt viele Twists und viele alternative Handlungsstränge und was es mit dem Geheimnis um Hackett’s Quarry auf sich hat, müsst ihr schon selbst erspielen.

Bobby ist der unterbelichtete Hüne der lokalen Jägersfamilie © Supermassive Games

Tonal pendelt The Quarry zwischen Südstaaten-Backwood-Horror á la Wrong Turn und Texas Chainsaw Massacre, Creature Horror der Marke The Howling und ganz leichten Anleihen von Blair Witch Project. Das klappt in der Regel ganz gut und Supermassive Games kennen ihr Genre fachmännisch genug, als dass man die einzelnen Subgenres solide unter einen Hut bekommt. Es gibt zwar zum Schluss tempomäßig ein paar kantige Ecken, wo der Drive der Handlung kurz zu verpuffen droht, aber letztlich bekommt der Plot m.E. gut die Kurve, als das alles auf ein befriedigendes Finale hinführt. Zwischen den Episoden gibt es eine alte Wahrsagerin als Erzählerin, die mit süffisanten und manchmal gehässigen Bemerkungen das Spielgeschehen kommentiert. Diese Form der Erzählung ist auch klassisches und charmantes Supermassive Games-Trademark, gab es doch bereits den Psychiater Dr. Hill bei Until Dawn und den Kurator bei den Dark Pictures Spielen.

Multiple Wege, Tarot und moderate QTE’s

Ansonsten bleibt sich auch die grundlegende Spielmechanik weitgehend treu. Wir spielen jeweils eine der neun Hauptfiguren pro Sequenz, die dann meistens in einer Szene kulminiert, die Auswirkungen auf den Gesamtplot hat. Bei manchen Entscheidungen spüren wir die Konsequenzen unmittelbar, bei anderen eingeschlagenen Pfaden dauert es eine Weile, bis man die Rechnung dafür tragen muss. Die Wahl der Handlungsoptionen ergibt sich aus eingeschlagenen Laufwegen, bestandenen oder nicht bestandenen Quick Time Events und der Interaktion und ggf. Nutzung von und mit Objekten in der Spielwelt. Es gibt exakt ein Rätsel im Spielverlauf, welches den Handlungsverlauf stark beeinflussen kann, spielmechanisch aber nicht der Rede wert ist. Tatsächlich würde ich mir bei kommenden Ablegern mehr und vor allem cleverere Rätseldesigns wünschen, weil es den interaktiven Film doch nochmal ein bisschen „spielerischer“ macht. Ansonsten lassen sich die Abzweigungen der Handlung aber auf die oben genannte Weise triggern.

Hammer oder Schraubschlüssel – Auch vermeintlich kleine Entscheidungen haben Konsequenzen © Supermassive Games

Sollte es zum Ableben einer Hauptfigur kommen, pausiert das Spiel und wir können ein „Leben“ investieren, um zum Moment zurückzuspulen, an dem wir den spezifischen Charaktertod noch abwenden können („Death Rewind“). Das kann im Umfang ebenfalls variieren – manchmal spult das Spiel nur kurz zum Moment vor dem digitalen Exitus, manchmal muss aber auch ein komplettes Kapitel „nachgeholt“ werden. Es gibt tatsächlich einen spezifischen Tod, der sehr viel erneutes Replay erfordert. Das soll aber laut Supermassive Games in naher Zukunft gepatcht werden. Ansonsten können wir das ganze bis zu drei Mal wiederholen. Hier ist es ein wenig problematisch, dass die Dialoge sich beim erneuten Durchgang nicht ohne weiteres skippen lassen.

Die QTE-Abfolgen sind übrigens gefühlt deutlich wohlwollender als bei Until Dawn – Sie sind leichter zu antizipieren und umfassen nur die direktionalen Stick-Eingaben. Zusätzliche Buttons werden in der Regel nicht benötigt. Zudem ist das Zeitfenster für die Eingabe sehr großzügig bemessen, sodass es wohl selten zu gescheiterten QTE-Sequenzen kommen dürfte. Da waren Trial & Error-basierte Passagen bei Until Dawn und Man of Medan noch deutlich gängiger. Aber schon beim Zweitlingswerk der Dark Pictures („Little Hope“) war der ganze Spaß merklich inklusiver (oder weniger fordernd, je nachdem wie man es sehen möchte). Ich würde fast sagen, dass es aufgrund der moderaten Reaktionstests den Movie-Mode des Spiels gar nicht gebraucht hätte.

Grafisch-ästhetischer Augenschmaus, facettenreiche Klangkulisse und solide Synchronleistung

The Quarry ist vor allem visuell ungemein stilsicher: Das fängt bei den Menüs an – Zu jedem eröffneten Handlungsstrang gibt es etwa eine Betitelung, die visuell mit einem fiktiven Retro-Horrorfilm-Artwork im VHS-Style repräsentiert wird und wo die einzelnen Entscheidungen mit den Auswirkungen in einer Kurzsynopsis stehen. Ansonsten können die Supermassive Games grafisch vor allem zwei Dinge richtig gut: Charaktermodelle und deren mimisches Spiel, und die grafische Umsetzung von Licht und Schatten. Erstere sind wie bei den anderen Titeln wieder mit Motion Capturing realisiert worden, für die reale Schauspieler*innen Pate standen. Der Cast kann sich dabei sehen lassen: Wir haben alte Horrorfilm-Veteranen wie David Arquette als Chris Hackett, der bei nahezu allen Scream-Filmen mitgespielt hat, Sam Raimis Bruder Ted ist schon bei dessen Evil Dead bzw. Tanz der Teufel-Reihe in Erscheinung getreten, die auch in The Quarry zitiert wird und Lin Shaye spielt Redneck-Matriarchin Constance und hatte Auftritte in Genre-Filmen wie The Grudge oder Insidous. Doch auch die ganzen Jungdarsteller*innen wurden gut ausgewählt. Da haben wir die aus Modern Family bekannte Ariel Winter als schüchterne Abi, der Loner Ryan wird von Justice Smith verkörpert, den man aus Meisterdetektiv Pikachu kennt und Jacob aka Zach Tinker spielte beim kontroversen Coming-of-age-Drama Tote Mädchen Lügen Nicht mit. Vor allem die Gesichter und das Minenspiel bei The Quarry sehen bei The Quarry atemberaubend gut aus. Beim „Zähne zeigen“ gibt’s selten, aber manchmal einen kleinen Uncanny Valley-Effekt, aber ansonsten wurde dieser Aspekt erheblich verbessert. Auch die Animationen sind gewohnt hochwertig und werden von unterschiedlichen, teils recht künstlerisch anmutenden Kameraperspektiven begleitet. Weitgehend spielt The Quarry zwar in den Abend- und Nachtstunden, aber die waldigen Umgebungen sehen auch im Finstern wirklich hübsch aus und durch die imposanten Licht- und Schatteneffekte kommt ordentlich Atmosphäre auf. Kleines grafisches Highlight sind auch die Tagsequenzen zu Beginn, davon darf es beim nächsten Supermassive Spiel ruhig mehr geben.

So idyllisch wie hier geht es in Hackett’s Quarry selten zu © Supermassive Games

Hervorragend gelungen ist auch der Score: Gerade mit Kopfhörern oder guter Anlage ist The Quarry ein Genuss und sorgt für einige kurzweilig intensive Momente. Die Einbindung von Indie- und Popsongs passt an sich gut in den Kontext – Zu Beginn wird etwa zu bedrohlicher Waldkulisse mit einem Ariana Grande Song eingeleitet, nicht immer sind die Songs aber passgenau in die Szenen reingeschnitten.

Die deutsche Synchro ist bei The Quarry aber deutlich besser als noch bei Until Dawn, das damals arg hölzern wirkte. Sie ist nicht grandios, aber solides Netflix-Niveau, wenn man das als Referenz nutzen möchte.

Und vielleicht wichtig für die Gorehounds unter uns: The Quarry ist angenehm blutig, ohne es zu übertreiben (es sei denn man wählt den entsprechenden Modus an). Es gibt Gewaltspitzen und Splatter-Momente, die es in sich haben und die kleinere und größere „WTF“-Momente generieren, aber das ganze verkommt selten zum Selbstzweck.

Was wir noch NICHT getestet haben:

Es gibt bekanntlich sowohl einen Online- als auch einen Couch Coop-Modus in The Quarry. Während der lokale Modus von Haus aus nutzbar ist, wird der Online-Modus am 8. Juli per Update nachgeliefert. Wir haben aktuell noch keinen der beiden Modi genutzt und dementsprechend fließt diese Nutzererfahrung auch noch nicht in die Gesamtwertung mit hinein. Sobald der Online-Modus verfügbar ist, wird es an dieser Stelle ein Update geben. Stay tuned!

Fazit:

The Quarry ist ein schöner, kurzweiliger Spaß für Horror-Fans, aber auch für alle anderen, welche die filmischen Spiele von Supermassive Games und Quantic Dream mögen. Die Story ist trotz der 186 verschiedenen Enden stringenter als bei den Quasi-Vorgängern, die Charaktere sind charmant und gut geschrieben, die Dialoge wesentlich natürlicher, auch wenn die cheesige B-Movie Note immer noch durchscheint. Beim Cast haben Supermassive Games ein gutes Händchen gehabt und einen illustren Reigen aus alteingesessenen Horrorfilm-Veteran*innen und Jungschauspieler*innen etabliert. Und auch audiovisuell ist The Quarry ziemlich stark geraten, gerade die Charaktermodelle und die detaillierten Areale haben mir außerordentlich gut gefallen. Die Gesichter wirken in Momenten beinahe fotoreal, wenn jede Sommersprosse und jedes Fältchen sich deutlich abzeichnen. Abzüge gibt es allerdings für zu wenig Spiel: Die Quick Time-Events sind dieses Mal superbanal geworden, sodass es für den rein für die filmische Wiedergabe konzipierten Movie Mode im Prinzip keine Daseinsberechtigung gibt. Es gibt auch nur EIN Rätsel, das Konsequenzen hat – Solche Elemente könnte man aber durchaus mit dem cineastischen Aspekt verknüpfen. Zudem überschlägt sich das Pacing zum Ende hin ein wenig, fängt sich dramaturgisch wieder. Trotz der vielen Enden halte ich den Wiederspielwert von The Quarry für mittelmäßig hoch, allerdings sind die 10-12 Stunden Spielzeit eine durchweg unterhaltsame Sache, und für Genre-Fans halte ich den Titel angesichts des Settings ohnehin für ein Must Play.

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The Quarry für PC 

 

The Quarry [PC]

GRAFIK - 9
TECHNIK - 8
UMFANG - 7.5
HANDLUNG - 7
GAMEPLAY - 6.5

7.6

Kurzweiliger cineastischer Horror-Trip, der zwischen Backwood-Horror und Creature Flick pendelt und vor allem durch die audiovisuelle Präsentation begeistert. Abzüge gibt es für eine Ecke zu wenig Spiel, was sich in wenig fordernden QTE's und Rätseln niederschlägt.

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