Vorschau: The Quarry – Cineastischer Horror-Tausendsassa

Auch mit dem neuesten Titel liefert das im englischen Guildford beheimatete Studio Supermassive Games so ziemlich genau das ab, was es am besten kann: Cineastischen Horror. Die Jungs und Mädels haben vor einigen Jahren mit Until Dawn (entwickelt für Sony Computer Entertainment) ihren Durchbruch erzielt, den interaktiven Horror dann mit der Dark Pictures Anthology für Bandai Namco ins mittlerweile 3 Episoden starke Anthologie-Format gehievt und nun steht also der nächste Titel dieser Machart in den Startlöchern: Auch The Quarry setzt auf das Zusammenspiel von mittels Motion Capturing digitalisierten Schauspieler*innen, multiplen Handlungssträngen, die durch spezifische Spielerentscheidungen getriggert werden und intensiven QTE-Sequenzen mit eventuell tödlichem Ausgang. Dabei verneigt sich The Quarry sowohl ästhetisch als auch dramaturgisch einmal mehr vor den vielen Subgenres des Horrors. Wir durften uns einen Preview-Build genauer anschauen und im Rahmen dessen die ersten drei Kapitel anzocken. Ob The Quarry in die großen Fußstapfen seiner Quasi-Vorgänger zu treten vermag oder eher hinterherhinkt, erfahrt ihr in dieser Vorschau.

Tödliches Feriencamp

Im Gegensatz zu den Dark Pictures-Spielen versteht sich The Quarry als spiritueller Nachfolger von Until Dawn, was sich vor allem im Figurentableau widerspiegelt: Wir spielen eine Riege von Teenagern, die im letzten Sommer vor dem College als Betreuer*innen des Feriencamps Hackett’s Quarry (angesiedelt in der Region Upstate New York) Haushaltskasse und Lebenslauf verbessern. Im spielbaren Prolog sind wir noch aus der Perspektive des Paares Max (Skyler Gisondo) und Laura (Siobhan Williams) mit dem Wagen unterwegs nach Hacket’s Quarry. Die Abenddämmerung ist längst hereingebrochen – die einsame Landstraße, die sich durch das weitreichende Waldareal erstreckt, ist in tiefe Schwärze gehüllt. Die Prämisse ist altbekannt: Die Netzabdeckung ist schlecht und wir haben uns verfahren.  Als uns zum allem Überfluss etwas vor den Wagen springt, müssen wir abrupt bremsen und bleiben liegen. Während Max sich um die Karre kümmert, schaut sich Laura um und wird zunehmend unruhig als sie merkt, dass etwas die beiden beobachtet. Der nicht sonderlich vertrauenserweckende Polizist Travis taucht quasi aus dem Nichts auf, hilft dem Paar in barschem Ton und gibt ihnen auf eindringliche Weise die Anweisung, für die Nacht zu einem nahegelegenen Motel zu fahren.  Doch natürlich halten sich die beiden in ihrem Leichtsinn nicht dran und nehmen wieder Kurs auf das Feriencamp, was sich als folgenschwerer Fehler entpuppen soll. Der Prolog gibt die Marschrichtung vor: Nicht nur verweist Max in salopper Manier auf den Horror-Klassiker Evil Dead (in Deutschland bekannt als Tanz der Teufel), der ominöse Cop Travis wird auch nicht ohne Grund von Ted Raimi gespielt, der nicht nur bei Evil Dead als Schauspieler mitgewirkt hat, sondern auch gleichsam jüngerer Bruder des Evil Dead-Regisseurs Sam Raimi ist. Hier zeigt sich bereits im Prolog, welche Luft The Quarry atmet und wie zitierfreudig das Ding mit dem Horror-Genre umgeht.

Der Klassiker: Der Wagen streikt immer dann, wenn man es am wenigsten gebrauchen kann. Laura ist unruhig, während Max den Schaden inspiziert
© Supermassive Games

Cut: Der letzte Tag im Camp ist angebrochen. Die Kids sind schon wieder daheim – uns wird eine Gruppe von jugendlichen Betreuer*innen (bzw. Camp Councelor wie man im Amerikanischen sagt) präsentiert, die in ihren Persönlichkeiten unterschiedlicher nicht sein könnten. Wir haben den draufgängerischen, aber etwas treudoofen Jacob, die selbstbewusste und mit ihren Reizen nicht geizende Emma, die sensible und etwas scheue Abigail, die schlagkräftige Kaitlyn, den etwas weirden, jedoch herzensguten Nerd Ryan sowie die beiden dauersarkastischen Kumpels Nick und Dylan. Wie in jedem guten Sommercamp-Horrorfilm gibt es hier komplex konstruiertes Teenie-Drama: Es gibt hypermaskulines Konkurrenzverhalten, es gibt Herzschmerz, es gibt ein bisschen Sex und ein permanentes „who with whom“. Wir haben den etwas eigenbrötlerischen, aber scheinbar doch gutmütig-väterlichen Camp Inhaber Chris Hackett (gespielt von David Arquette), der die Boys und Girls wieder in die Zivilisation bringen soll. Doch als der Kleinbus (der zuvor offenbar in irgendeiner Form manipuliert wurde) nicht anspringt, macht sich Panik in ihm breit. Er scheint vor irgendwas furchtbare Angst zu haben. Er beschwört seinen Schützling Ryan, dass die Gruppe die Nacht unbedingt in der Lodge verbringen soll und sich dabei ruhig verhalten müsse – Die Jagd-Saison habe begonnen, es sei gefährlich in den Wäldern, er selbst fahre in seinem Kleinwagen voraus und hole sie dann am nächsten Morgen ab. Natürlich kommt es wie es kommen muss: Die partywütige Meute schlägt auch hier die Warnung in den Wind und eine blutige Nacht nimmt ihren Lauf.

Der Camp Inhaber Chris Hackett mag ein seltsamer Typ sein, doch zumindest zu Beginn zeigt er sich noch von seiner väterlichen Seite
© Supermassive Games

Zwischen Backwood Horror, Creature Feature und Hexengrusel

Obwohl The Quarry in der Gegenwart verortet ist, fühlt sich alles sehr 1980er-lastig an. Das mag vor allem daran liegen, dass das Sommercamp-Setting in dieser Dekade seine goldene Ära hatte. Teenie-Filme wie „Babyspeck und Fleischklößchen“ von 1979 oder „Das total ausgeflippte Sommercamp“ von 1985 hatten Konjunktur und im Horror-Bereich hat vor allem die berühmt-berüchtigte Slasher-Reihe „Freitag der 13.“ um den unkaputtbaren Eishockeymaskenträger Jason Vorhees und dem ikonischen Camp Crystal Lake eine entsprechende Duftmarke gesetzt.

The Quarry zitiert fleißig das Horror-Genre: Bereits in den ersten drei Kapiteln haben wir durchtriebene mörderische Hinterwäldler, animalische Monster und eine mysteriöse regionale Hexen-Legende. Damit oszilliert The Quarry munter zwischen Backwood Horror á la Wrong Turn, Creature Feature der Marke Exists und Hexengrusel im Stile von Blair Witch Project. Aufgelockert wird dieses Subgenre-Hopping durch die Teenie-Dramen, die einen angenehm zarten Coming Of Age-Erzählton einschlagen und auch akustisch von warm klingenden Indie-Pop begleitet werden. Zwischen den Kapiteln durchbricht eine alte ominöse Tarot-Legerin die vierte Wand und wendet sich direkt an die Spieler. Die Atmosphäre ist die größte Stärke von The Quarry und ich wage die These aufzustellen, wäre The Quarry eine Netflix Originals-produzierte Serie, sie würde als Hit durchgehen.

Natürlicheres Writing als bei Until Dawn

Das liegt zum einen am tollen Cast: Die Figuren werden wie schon bei Until Dawn und den Dark Pictures-Titeln von namhaften und talentierten Schauspieler*innen verkörpert, die vor allem aus Serien-Formaten und jüngeren Spielfilmen bekannt sein dürften: Ariel Winter spielt etwa Abigail und dürfte vor allem als Alex in Modern Family bekannt sein, Justice Smith als Ryan hat seinen ersten größeren Auftritt in der Netflix Hip Hop-Serie von Baz Luhrmann The Get Down hingelegt, Brenda Song (Kaitlyn) hat bei The Social Network gespielt. Die älteren Schauspieler*innen sind vor allem aus dem Horror-Bereich bekannt. David Arquette als Camp Aufseher Chris Hackett hat etwa schon in vielen Scream-Einträgen mitgespielt, Ted Raimi ist eng verzweigt mit dem Evil Dead-Franchise und Ethan Suplee und auch Lance Henriksen, der den Jäger Jedediah spielt (in der Preview wurde noch viel zu seiner Rolle ersichtlich) ist gewissermaßen Horrorfilm-Veteran.

Das Writing habe ich in der Preview als angenehmer empfunden als bei Until Dawn. Das liegt daran, dass der Umgang der Figuren miteinander weniger plakativ ausfällt. Die Dialoge fühlen sich natürlicher an und es gibt keine richtigen Unsympathen innerhalb der Clique, wie es allzu oft der Fall ist. Dadurch werden die anfänglichen Archetypen recht schnell aufgeweicht und Freiräume für Ambivalenzen geschaffen, die weniger klar machen, wie sich Entscheidungen konkret auswirken werden. Bei Until Dawn hat man Vorurteile gegenüber den Charakteren weniger schnell ablegen können.

Audiovisueller Genuss

Während Until Dawn noch mit der Decima Engine von Guerilla Games (jüngst verwendet für Horizon: Forbidden West) als Unterbau entwickelt worden ist, setzt Supermassive Games seit den Dark Pictures-Episoden auf eine stark modifizierte Version der Unreal Engine 4. Auch bei The Quarry wird die UE4-Technologie eingesetzt. Grafisch ist The Quarry ein Genuss, auch wenn die Preview-Fassung noch ein paar grafische Unzulänglichkeiten (etwa Artefakte) mitbringt. Aber gerade die Sequenzen bei Tageslicht im Camp zeigen die vielen liebevollen Details, die tollen Licht/Schatten-Spiele, die Supermassive Games eingebaut hat. Aber auch die bewaldete Region rund um den namensgebenden Steinbruch wird schön vermittelt. Die Animationen und vor allem die mimischen Darstellungen der Protagonisten sind natürlich klasse, das war auch schon bei den Quasi-Vorgängern der Fall. Während ich aber z.B. bei Until Dawn noch einen Uncanny Valley-Effekt für mich beobachten konnte, ist das Phänomen hier merklich reduziert, die Gesichtsanimationen wirken also summa summarum deutlich weniger artifiziell. Der Score ist absolut passend und wirkt immer den Situationen angemessen. Hier hat Supermassive Games also tolle Arbeit geleistet.

Teenie-Dramen, Herzschmerz und das ewige „Wer mit Wem“ sind wichtiger Bestandteil von The Quarry © Supermassive Games

QTE-Sequenzen wirken zugänglicher

Die zunehmende Zugänglichkeit ist etwas, das bei den Titeln des britischen Studios zunehmend beobachtet werden kann. Arteten die Quick Time Events bei Until Dawn noch ab und an in purem Trial & Error aus, ließen sich spätestens bei Little Hope größere Zeitfenster bei der Abfrage feststellen. Und auch die QTE-Sequenzen in The Quarry wirkten im Hands-On selten fordernd, sondern eher befriedigend gemächlich. Ansonsten bleibt das Spielprinzip weitgehend unverändert: Unsere Interaktionen bedingen den Verlauf der Plotstränge und erfolgreich durchgeführte Reaktions-Passagen sorgen in der Regel für unser Überleben. Wie auch schon in den Vorgängern können wir Objekte wie Tarotkarten sammeln, die wir bei der Erzählerin gegen Voraussagen eintauschen können.

Was die Preview-Fassung bisher noch nicht enthielt

Die Vollversion von The Quarry wird noch eine Reihe von Features beinhalten, die wir noch nicht testen konnten: Dazu gehört der lokale Couch-Koop-Modus, der sogenannte Movie Mode sowie der Online-Modus (wir berichteten). Die entsprechenden Features konnten wir demnach nicht testen und können noch nicht viel zur Funktionsweise sagen. Auch waren noch nicht alle Tutorials mit an Bord. Eine Bewertung dieser Funktionalitäten erfolgt dann zu einem späteren Zeitpunkt, wenn The Quarry final erschienen ist.

Fazit:

Der Preview-Build zu The Quarry macht Lust auf mehr. Ich habe richtig Lust darauf am 10. Juni 2022 nach Hackett’s Quarry zurückzukehren und das schaurige Geheimnis des Feriencamps zu lüften. Die Atmosphäre ist stimmig und zitiert fleißig diverse Horror-Subgenres. Das Figurentableau wirkt recht sympathisch und ist vor allem m.E. besser geschrieben als bei Until Dawn. Grafisch und akustisch kann sich das Ding auch sehen lassen, hier hat Supermassive Games nochmal gegenüber den Quasi-Vorgängern ein wenig dran geschraubt. Für Horror-Fans wird The Quarry ein kurzweiliges Must Play sein.

 

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