Es gibt Hersteller, die werden durch ihr Marketing gehypt, ohne etwas geleistet zu haben. Und es gibt Team Ninja, die mit Hits wie dem Schnetzelspiel Ninja Gaiden, der ziemlich unterbewerteten Beat-em Up Reihe Dead or Alive, oder den Soulslikes mit Fernostflair Nioh und Wo Long ihre Vorschusslorbeeren redlich verdient haben. Und die kommen jetzt mit Rise of the Ronin um die Ecke. Schleichen wir mal hinterher und gucken, ob der Transfer in die Open World gelungen ist oder ob man hier zu spät auf den Genrezug aufgesprungen ist.
Story – Gezeitenwende und das Ende der Samurai?
Mitten im Abgesang der „Bakumatsu“-Ära, die zerbricht, wenn die alten Werte Japans auf den Westen treffen, beginnt die Story von Rise of the Ronin und im Gegensatz zu so ziemlich jedem Soulslike-Spiel (inklusive den studioeigenen Games Nioh und Wo Long), kann ich euch wenigstens in Grundzügen erklären, um was es geht.
Denn der selbstgebaute Spielercharakter ist anfangs noch gar kein Ronin, also ein Samurai ohne Herren, sondern Mitglied eines mysteriösen Ordens, der immer zwei Attentäter im Combopaket auf Missionen schickt. Praktisch, denn man erstellt gleich zu Beginn einen zweiten Protagonisten, den Klingenzwilling. Gemeinsam erhalten die beiden Spielercharaktere den Auftrag, in eines der schwarzen Schiffe der Amerikaner einzudringen und, wenn möglich, auch gleich den örtlichen Kapitän einen Kopf kürzer zu machen. Klingt eigentlich wie das Alltagsgeschäft jedes Videospielantihelden, aber wie so oft besteht nach dem ersten Feindkontakt kaum ein Plan. Schließlich tritt eine mysteriöse dritte Partei auf, um den im Genre obligatorischen Kampf gegen einen unbesiegbaren Gegner ins Spiel zu bringen. Dabei wählt man als Spieler dann einen der eigenen Charaktere als Bauernopfer und beginnt dann die eigentliche Story als herrenloser Ritter Japans auf der Suche nach Hinweisen über den Verbleib des eigenen Geschwisterleins. Dabei mischt man sich nicht nur unter die einfache Bevölkerung des frühindustriellen Japans, sondern trifft auch auf eine fast schon irre Menge an anderen Charakteren, die einem in unterstützender Funktion mal mehr, mal weniger Einblick in die Welt bieten. Das wird auch irgendwann unübersichtlich, aber seien wir mal ehrlich: Rise of the Ronin ist ein Rollenspiel – aber die Story ist nicht der Grund, wieso ich seit Stunden am Gamepad klebe. Immerhin kann man der Handlung diesmal überhaupt folgen, ohne sich auf Itembeschreibungen und Internetwikis verlassen zu müssen! Dazu kommen immer wieder auch mal ganz interessante Nebenmissionen, die durchaus über Genrealbträume wie das stumpfe Sammeln von 15 Stücken Rehfleisch hinausgehen und kleine Einblicke in die Welt der Samurai liefern. Dabei gibt es zwar eigentlich immer am Ende eine Klopperei, aber dank gelegentlicher Auswahlmöglichkeiten und verschiedenen Fraktionen, die auch Missionen verteilen, die die eigene Zugehörigkeit beeinflussen, bleibt man gerne am Ball.
Spielmechanik – Kämpfen mit vollen Taschen
In seinem Kern ist Rise of the Ronin ein Open World Rollenspiel, wie es sie mittlerweile so häufig gibt, dass ich grundsätzlich mit amtlicher Skepsis in die Games reinstarte. Zumal es mit Ghost of Tsushima eigentlich schon ein hervorragendes Assassin’s Creed-artiges Game in Japan gab. Und trotzdem ist Rise of the Ronin absolut spielenswert! Die Spielenden folgen ihrem Alter Ego in der 3rd Person, kämpfen gegen andere Krieger, erhalten dafür Erfahrungspunkte und verlieren die dann gegebenenfalls, wenn sie den Kampf verlieren. Klingt nach Soulslike und somit dem nächsten ausgelutschten Konzept. Aber auch hier sind Ähnlichkeiten zwar nicht von der Hand zu weisen, aber ein Soulslike ist Rise of the Ronin irgendwie trotzdem nicht so wirklich. Ich würde es da am ehesten mit den Jedi Games von Respawn Entertainment vergleichen, die gehen da einen ähnlichen Weg. Rise of the Ronin ist zwar ein forderndes Spiel, letztendlich sollt ihr aber schon in einem Rutsch durchkommen, solange ihr keine Fehler macht. Dabei helfen die großzügig verteilten Heiltränke, sich selbst regenerierende Lebensbalken und auch NPC Mitstreiter, die einem manchmal wieder auf die Beine helfen können.
Und das ist auch gut so, denn die Kämpfe stehen im Mittelpunkt des Gameplays und die sind absolut gelungen! Im Prinzip ist das Kampfsystem ziemlich einsteigerfreundlich. Es gibt eine Angriffstaste, einen Block, die Möglichkeit in Deckung zu Rollen und eine Taste für Paraden. Zumindest im Groben und am Anfang, und so geht man dann auch in die Schlacht. Hier sieht man, dass Team Ninja sich der guten Parts von Nioh bewusst war. Denn statt einfach nur den Lebensbalken auf Null zu kloppen, kann man mit den passenden Combos den Gegner aus dem Gleichgewicht bringen und verheerende kritische Treffer landen, die nicht selten mal Körperteile von Feinden durch die Luft fliegen lassen. Zusätzliche Tiefe erhält Rise of the Ronin dann aber durch seine Vielzahl an Waffentypen und Kampfstilen. Anders, als in Ghost of Tsushima hat man nämlich vollen Zugriff auf so ziemlich alle Waffenarten, die das Japan des 19. Jahrhunderts so im Angebot hat. Egal ob ein einzelnes Katana, dasselbe im Doppelpack oder in der Großschwert-Variante oder auch Zugriff auf westliche Waffen wie Zweihänder, Musketen mit Bajonett oder Kavalleriesäbel, jeder Waffentyp ist mehr als nur ein Skin für die Grundwaffe. Jede Waffenart hat dazu noch eigene Kampfstile, die gegen unterschiedliche Waffentypen und Kampfstile unterschiedlich effektiv ist. Dazu bringen diese Stile auch besondere Angriffe ins Spiel, die besonders viel Staminaschaden machen. Man kann sich aus der Vielzahl an Stilen drei aussuchen, zwischen denen man jederzeit wechseln kann. Das sorgt für eine spannende Dynamik in Kämpfen, da die Stile neben den verschiedenen Angriffen auch deutlich unterscheidbare Kampfhaltungen aufweisen. Da verzahnen sich automatisch die gelungene Optik der Kämpfe mit dem Gameplay.
Wem das noch nicht genug ist, der hat sich für das richtige Spiel entschieden. Denn neben den Kämpfen gibt es auch noch weitere Spielelemente. Fast schon obligatorisch gibt es natürlich auch Stealth-Gameplay, welches aber ziemlich simpel gehalten ist. Man kann geduckt laufen und wird so nicht so schnell entdeckt und kann so aus dem Hinterhalt größeren Schaden anrichten. Das klappt in der Regel auch ziemlich gut, denn die KI ist außerhalb der Fights ziemlich hohl. Ironischerweise trägt das aber nur dazu bei, dass man sich noch mehr wie ein kleiner Shinobi fühlt. Aus der Ferne kann man auch noch mit verschiedenen Fernkampfwaffen angreifen, was sich gerade beim Belagern von größeren Gegnergruppen bezahlt macht, aber auch mitten im Kampf genutzt werden kann. Aber auch da muss man abwägen, denn seine Muskete rauszuholen, zu zielen und nach dem Feuern nachzuladen kann einen das Leben kosten. Bequemer ist es da alle Male, wenn man den Revolver nutzt, den man sogar beim Abrollen nutzen kann. Macht halt weniger Schaden. Und gerade solche Überlegungen machen den Reiz bei Rise of the Ronin aus. Dabei macht sich das Spiel weitgehend frei von Fantasyelementen. Anders als bei Nioh etwa trifft man hier keine japanischen Oni, sondern ausschließlich weltliche Widersacher.
Ein relativ prominentes Gameplay-Element ist das Item- und Equipment-Management. Das sieht und klingt nicht nur nach viel, sondern ist es schlicht auch. Denn es gibt ja nicht nur die verschiedenen Waffenarten, alle diese Typen gibt es in schier unendlicher Vielfalt als Loot. Dabei wird man damit so zugeballert, dass man eigentlich sofort den Überblick verliert. Denn neben den Waffenarten gibt es ja auch noch Rüstungen, die aus einzelnen Elementen bestehen und die verschiedene Stat-Verbesserungen mitbringen. Die sind aber in aller Regel absolut marginal, speziell bei Waffen, die nicht dem seltensten Grad entsprechen, kann man sich das Nachschauen und Vergleichen eigentlich gleich sparen. So hat man das Inventar blitzschnell voll mit Duplikaten, die jeweils +,03% oder +0,4% Boni auf Angriffe bei Nacht geben. Und ja, das wird wirklich manchmal so spezifisch. Dafür sind die Designs cool und so kleide ich mir zumindest meinen Samurai hübsch ein. Man kann das Aussehen der Kleidung zwar später überschreiben und mit etwas netterem ersetzen, aber der Aufwand ist höher als der Ertrag, da es ziemlich wahrscheinlich ist, dass man kurz darauf etwas besseres findet. Das Chaos im Inventar gab es auch bei Nioh, wieso man das jetzt mitgenommen hat ist für mich aber nicht nachzuvollziehen.
Open World & Rollenspielelemente – (Zu) Viel zu tun, (zu) viel zu entdecken?
Team Ninja hat definitiv keine Angst sich zu überheben. Klar, das Inventar ist völlig überladen und das Spiel ist am besten, wenn man einen spannenden Kampf austrägt. Aber das ist nicht alles. Ein Blick auf die Karte zeigt ziemlich schnell, dass es eine große Welt zu besuchen gilt. Und sich die Welt stückweise zu erschließen, indem man Banner hisst. Das erinnert natürlich an die Türme aus Assassin’s Creed, aber… Ne, eigentlich nix „aber“, es ist im Prinzip genau so. Aber weil es unterwegs viel zu sehen gibt, fühlt sich das gar nicht so übel an. Denn egal ob zu Fuß, zu Pferd oder über kürzere Strecken auch mit einem Gleitflieger, es gibt viel zu sehen und zu entdecken. Denn an allen Ecken trifft man auf kleine Setpieces, wie Tempel oder Dörfchen und kann da ein wenig die Atmosphäre genießen oder eine Kiste finden, die einem schön das Inventar vollballert. Hat man nicht bereits alle Banner entdeckt, dann sind auch teilweise Nebenmissionen noch gar nicht aufgedeckt und können so spontan aufgefunden werden. Und die sind eigentlich sogar recht abwechslungsreich, auch wenn sie in 90% der Fälle im Kampf enden. Aber manchmal muss man auch nur einen Schnappschuss aus einer bestimmten Position machen, sich an streuende Kätzchen anschleichen, um sie hinterrücks zu kuscheln und zurück in ihr heimatliches Yokohama zurückzubefördern oder kleine Challenges für Flieger oder Waffen bestehen, um Erfahrungspunkte oder Items zu erhalten. Damit erinnern viele der gemählichen Nebenquests an die Sub Stories aus der Like A Dragon-Reihe. Apropos Erfahrungspunkte, nicht nur mit dem Inventar sind die Entwickler ziemlich spendabel. Es gibt einen Skilltree, der sich in die Grundattribute aufteilt und kleine Boni freischaltet, die man mit generischen Skillpunkten oder spezifischen Skillpunkten bezahlen muss. Das hilft vorzüglich dabei, die Übersicht komplett den Mt. Fuji runterzukicken. Abschließend kann man die anfangs erwähnten Charaktere besuchen und kurz mit ihnen zu schnacken oder ihnen Geschenke machen. Als Dank können sie einen dann entweder mit Loot übergießen oder im Idealfall einen verbesserten Kampfstil rausrücken. Es gibt also absolut genug Umfang für den geforderten Preis.
Grafik und Design – Ein nur halb geschliffenes Katana
Rise of the Ronin ist bestimmt kein Spiel, dass für seine Optik bekannt wird. Dabei gibt es Elemente, die wunderbar funktionieren. Allen voran natürlich wieder das Kampfsystem, denn die Animationen der einzelnen Waffen, inklusive der unterschiedlichen Stile, machen einfach Bock und sorgen durch die tolle Inszenierung für genügend Abwechslung, auch ohne Fantasiewesen. Ebenso sind die fließenden Übergänge zwischen Grappling Hook, dem Pferd oder halt dem Fußbus absolut solide umgesetzt und machen das Spiel über auch immer Spaß. Das alles gilt aber nur, solange man sich bei den Grafikmodi nicht für die Variante entscheidet, die die Optik in den Vordergrund stellt. Die kann man nämlich praktisch überhaupt nicht gebrauchen, da das Game dann auch schon außerhalb von Städten ins Stocken gerät und bei einem derart tighten Kampfsystem, wo es auf Bruchteile von Sekunden ankommt, ist eine unzuverlässige Framerate schlicht und ergreifend nicht akzeptabel. Akzeptabel, aber kein Grund für Freudenschreie ist der eigentliche Detailgrad der Modelle. Hier wird viel auf dem Rücken des einfach cool aussehenden Japans dieser Epoche ausgetragen, denn die Looks sind, so weit ich das beurteilen kann, authentisch und ästhetisch erste Sahne. Und so eine Samurairüstung ist eben auch dann noch cool, wenn in ihr eine eher weniger überzeugende Puppe steckt, deren Gesichtsanimationen gefühlt aus der Bakumatsu Zeit stammen. Dafür geben sich die Sprecher der etwas steifen Gesichter in der englischen Sprachausgabe aber alle Mühe und liefern ein vollkommen zufriedenstellendes Ergebnis ab. Im Gegensatz dazu ist aber die deutsche Lokalisierung ziemlich peinlich geraten. Vielleicht weiß das Spiel das aber auch, denn immerhin kann man mühelos zwischen den Sprachen umschalten und kann schnell zwischen Deutsch, Englisch und Japanisch wechseln und sich auch noch die passenden Untertitel zuschalten, so dass niemand den deutschen Sprechern ausgeliefert sein muss.
Fazit:
Rise of the Ronin hat zwar (beinahe naturgemäß) ein paar Elemente aus dem Soulslikes-Genre spielmechanisch verwoben, ist aber tatsächlich vom Gameplay her näher an Assassin’s Creed dran. Nur eben mit einem viel besseren Kampfsystem und deshalb für Actionfans mit Interesse an blutigen Schwertschlachten absolut empfehlenswert! Gleichzeitig muss sich der Titel aber auch ein paar Kritikpunkte auf hohem Niveau gefallen lassen: Denn obgleich der Schwierigkeitsgrad wesentlich moderater als bei den Team Ninja’s Vorgängertiteln Nioh und WO LONG ausfällt, erschlägt der Titel zunächst. Gerade angesichts der unglaublichen Vielfalt an Loot mit effektiv weitgehend egalen Wertveränderungen artet das Inventar nicht selten in ein chaotisches Wimmelbild aus Duplikaten aus. Die Übersicht zu wahren, fällt nicht nur beim Ausrüstungs-Management schwer. Auch der umfangreiche Skill-Tree und die irre Anzahl an handlungsrelevanten NPCs sind nicht immer ganz intuitiv miteinander verzahnt. Optisch und Performancetechnisch ist Rise of the Ronin auch ein zweischneidiges Katana – Verdammt coole Kampf-Animationen, und hübsche Set Pieces treffen auf anachronistische Gesichtsanimationen und unzuverlässige Framerate im Grafik-Modus. Gerade bei letzerem ist unbedingt zu hoffen, dass das schnell via Patch gefixt wird – Wenn Team Ninja-Kampfsysteme nämlich etwas verlangen, dann ist es situative Präzision. Das sind aber angesichts der tollen Spielerfahrung vergleichsweise kleine Wehwehchen.
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Rise of the Ronin [PlayStation 5]
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Grafik - 7.5
Story - 7.7
Technik - 7.3
Umfang - 8.8
Spielspass/Gameplay - 8.5
8
Rise of the Ronin hat zwar ein paar Elemente aus dem Soulslikes-Genre geborgt, ist aber tatsächlich vom Gameplay her näher an Assassins Creed. Nur eben mit einem viel besseren Kampfsystem und deshalb für Actionfans mit Interesse an blutigen Schwertschlachten absolut empfehlenswert!