Vorschusslorbeeren sind ein ziemlich zweischneidiges Schwert. Ziemlich oft haben sich in letzter Zeit auch renommierte Studios an ihnen verschluckt. Doch No Rest For The Wicked zeigt sich da mit ziemlich breiter Brust und möchte gar nicht weniger als einen Paradigmenwechsel im Action-Rollenspiel Genre lostreten. Ob sich die Entwickler von Ori an ihrem eigenen Vorsatz überheben oder ob sie tatsächlich Recht haben, zeigt sich in einer Previewversion, die uns vom Publisher zur Verfügung gestellt wurde.
A Link to the Past trifft auf Witcher 1 trifft auf Diablo – Ein kurzer Blick auf die die Story
Der selbstgestaltete Charakter startet seine Reise auf einem Schiff, weil irgendein König gestorben ist und daraus eigenartigerweise eine Seuche entstand, die nur von euch gestoppt werden kann. Ohne große persönliche Vorgeschichte, und wie das bei Bootsreisen in Videospielen nun mal so ist, folgt ziemlich schnell die Katastrophe und das Schiff wird angegriffen und folgerichtig in Brand gesteckt. Dabei geht die Crew natürlich flöten und man landet ohne Ausrüstung an einem einsamen Strand. Revolutionen starten scheinbar nicht gleich beim Storytelling. Aber das ist okay und strenggenommen irgendwie Genrestandard und wird von den Großen auch nicht besser gemacht. Dafür sind die Gespräche gut vertont und werden auch von Charakterskizzen begleitet, die einen ziemlich interessanten, wenn auch weirden Style haben.
Darksouls von Oben – Das Gameplay auf dem Prüfstand
No Rest for the Wicked sieht auf den ersten Blick aus, wie Path of Exile oder Last Epoch, ist in Wahrheit aber gar kein Spiel bei dem die Spielenden ganze Gegnerscharen auf einen Haufen wegklicken. Vielmehr spielt man den Charakter direkt, wie in einem gewöhnlichen Soulslike und so erinnert mich das ganze viel mehr an den ersten Teil von Witcher. Passt auch zum eigenen Helden ohne Backstory. So wird auch sofort klar, dass hier erfahrene Entwickler am Werk sind, denn die Steuerung fühlt sich total tight an, was Moon Studios auch schon bei ihren Ori Games hervorragend gelungen ist. Alleine latscht man also durch die Welt und stellt sich den Gegnern der Welt zum Kampf. Dabei sind das selten mehr als eine Handvoll Gegner. Reicht auch, denn obwohl das Spiel einem mit seinen Angriffen, Blocks und Paraden oder der Ausweichrolle alles bietet, was man in einem Soulslike erwarten würde, ist jeder Kampf sack schwer! Selbst die simpelsten Gegner hauen den Helden aus den Latschen, wenn er nicht aufpasst. Entspannt zocken gibt es hier nicht, aber irgendwie verspricht der Name des Spiels ja auch nichts anderes. Ich hoffe übrigens, dass man mir im Laufe des Early Access noch ein wenig entgegenkommt, denn ich finde es extrem schwer das passende Timingfenster für eine gelungene Parade zu finden, wenn mir das gelingt, dann meistens aus schierem Glück. Da blutet mir als Sekiro-Fan ein bisschen das Herz, aber vielleicht werde ich auch nur alt. Und wo wir schon bei Wünschen sind: Die Gegner haben ein irre gutes Tracking bei Angriffen. Ich wurde schon aus völlig frechen Winkeln zielgenau mit Molotowcocktails beworfen und auch eigentlich ziemlich gelungene Dodges wurden durch sich plötzlich heranziehende Gegner zunichte gemacht.
Neben den überzeugenden, wenn auch schrecklich schweren Kämpfen bietet das Spiel auch ein paar Plattforming-Elemente, die den Spielenden einladen die freie Welt zu erkunden. Das gelingt den Entwicklern überraschend gut (und nach Ori sollte das eigentlich keine Überraschung sein!), auch weil die Spielwelt sich als erstaunlich vertikal herausstellt und man auch ein wenig klettern kann. Ab und an steht einem da aber die Kamera im Weg, da man häufig auch quasi in die Kamera hineinläuft und nicht absehen kann, was genau demnächst passiert. Dazu gesellen sich leichte Survival- und Sammelelemente und später auch ein wenig Hausbauelemente. Die Grundlage ist also da und lässt auf mehr hoffen!
Lange Arme und Ruckeleinlagen – Die Technik als Hauptgegner?
Die Optik habe ich ja bereits positiv hervorgehoben. Das geschieht vor allem durch den Art Style, der aussieht wie eine Mischung aus Dishonored und Diablo 4, was der düsteren Stimmung eine eigene groteske Optik verpasst, die sich vom Gothiklook der Konkurrenz gut abhebt und einen ziemlich einzigartigen Stil vorweist. Auch wenn ich mich erstmal an die langen Affenarme meines Protagonisten gewöhnen musste. Immerhin stimmt so die Reichweite für mich immer. Und durch den Stil wirkt die Magie auch wirklich magisch. Wenn man sich beispielsweise in einer Nebenquest unter Drogeneinfluss auf halbdurchsichtigen, vorher gar nicht vorhandenen, Treppen bewegt, dann macht die Zauberei einen irre bedrohlichen und andersweltlichen Eindruck. Stark!
Ebenso löblich ist die Implementation des Gamepads, ich spiele am PC mit meinem Playstation 5 Gamepad und das Feedback der Treffer ist so richtig schön satt. Satt ist übrigens auch mein PC. Der entspricht den Anforderungen und kommt in der Regel auch total gut mit dem Spiel aus. Aber andererseits gibt’s auch immer wieder technische Stottereien. Mal ruckelt die Welt völlig ohne erkennbaren Grund, zum Beispiel in nun menschenleeren Open World Passagen, in denen ich vorher noch mit Feinden gekämpft habe. Ebenso sind die Ladezeiten, wenn es einen denn mal wieder dahinrafft, manchmal irre lang. Das wirkt sich zum Glück nicht auf das Gameplay aus, aber wirkt noch unpoliert. Was es zugegebenermaßen ja auch ist, wir reden hier schließlich von einem Early Access Game und ehrlich gesagt bin ich ziemlich optimistisch, dass die Leute von Moon Studios das noch in den Griff kriegen.
Vorläufiges Fazit:
Fassen wir zusammen: Spielmechanisch zeigt der Early Access von No Rest for the Wicked bereits, wohin die Reise geht. (Wirklich!) bockschwere Soulslike-Kämpfe im isometrischen Action-RPG Look, ein bisschen Plattforming in einer erstaunlich vertikal angelegten Spielwelt, ein sehr eigenständiger, düster-grotesker Look und inhaltliche Design-Spielereien, die das Ganze angenehm andersweltlich erscheinen lassen. Die Moon Studios, die bereits die grandiosen Ori-Spiele hervorgebracht haben, haben hier ein heißes Eisen im Feuer. Stolpersteine gibt es bedingt durch den Early Access natürlich beim Balacing und vor allem bei der Technik. Performance-Probleme scheinen aktuell noch willkürlich aufzutreten. Aber ich bin sicher, die Moon Studios kriegen das peu a peu in den Griff.
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