Game Review: Persona 3: Reload für Xbox Series S|X – Wo die dunkle Stunde schlägt, da naht das Ende der Welt…

ATLUS hat anno 2006 mit Shin Megami Tensei: Persona 3 für die PlayStation 2 nicht nur gezeigt, wie stylish und stilsicher japanische Rollenspiele ausschauen und klingen können, sondern lieferte zugleich die spielmechanische Blaupause für die Fortsetzungen. Die Reihe, die in den 00er Jahren bei japanophilen Spieler*innen lange Zeit als innovativer, aber obskurer Geheimtipp gehandelt wurde, entwickelte sich spätestens mit Persona 5 und den diversen Ablegern zu einem echten Achtungserfolg. Mittlerweile kann die Persona-Serie auf über 18 Mio. weltweit verkaufte Einheiten blicken. Kein Wunder also, dass ATLUS darauf schielt, auch ältere Einträge des Franchises aufzupolieren und verfügbar zu machen. Anfang 2023 brachte man im Zuge dieser Anstrengungen die remasterten Fassungen von Persona 4: Golden (ursprünglich die PlayStation Vita-exklusive Erweiterung von P4) und Persona 3 Portable auf die aktuelle Konsolengeneration. Während ein Persona 4: Golden bis heute hervorragend funktioniert, sah es beim letzteren Titel leider eher meh aus. Persona 3 Portable war nämlich nicht etwa die vollwertige Persona 3-Fassung der PlayStation 2, oder gar das inhaltliche FES-Update, sondern es handelte sich hierbei um den äußerst abgespeckten PSP-Port von 2011. Der wartete zwar mit einer optional weiblichen Hauptfigur auf, spielte sich aber im Vergleich zum Original grundlegend anders, nämlich als Point and Click-basierte Visual Novel. Doch schon recht bald kamen erstmalig Gerüchte zu einem vollwertigen Remake von Persona 3 auf. Jenes ist nun als Persona 3: Reload Anfang Februar erschienen. Wir haben uns nach Like a Dragon: Infinite Wealth den zweiten großen Zeitfresser des Jahresbeginns 2024 angeschaut, und verraten euch, was erneuert worden ist und wo der Titel der Ur-Version treu bleibt.

Gedenke oh Mensch, dass du sterblich bist

Serientypisch schlüpfen wir in die Rolle eines schweigsamen, aber charismatischen Schulwechslers, der das Schuljahr an einer typisch japanischen High School als unbeschriebenes Blatt beginnt – Doch bereits die einleitende Sequenz gibt einen guten Ausblick darauf, dass die menschengemachte Insel Tatsumi Port Island, unsere fortan neue Heimat, ein Geheimnis beherbergt. Wir spielen einen Waisen, dessen Eltern zehn Jahre zuvor bei einem vermeintlichen Unfall ums Leben gekommen sind. Als frischgebackener Schüler der Gekkoukan High School haben wir deshalb Anspruch auf einen Platz im Iwatodai Wohnheim. Doch auf dem erstmaligen Weg dorthin, wir kommen spät am Abend an, bemerken wir etwas Ungewöhnliches: Die nächtlichen Lichtverhältnisse wirken surreal grünstichig, der Vollmond leuchtet hell über der Stadt und als Spieler*innen nehmen wir bereits die schwebenden Särge wahr, welche zahlreich die verlassenen Straßenzüge säumen. Im nächtlichen Wohnheim angekommen, begegnen wir einem gruseligen Jungen, der uns einen seltsamen Vertrag vorlegt. Dieser besagt, dass wir die volle Verantwortung für unsere eigenen Handlungen übernehmen – Wir unterzeichnen diesen merkwürdig existenziellen Vertrag.

In den Folgetagen werden wir schrittweise in das WG-Leben und in den Schullalltag an der Gekkoukan eingeführt. Gerade die resolute Schülersprecherin Mitsuru Kirijo und der Präsident des Verwaltungsrates der High School, Shuji Ikutsuki, scheinen ein besonderes Interesse an uns zu hegen. Offensichtlich besitzen wir nämlich die ungewöhnliche Befähigung, die Dark Hour, die verborgene Stunde zur Mitternacht, zwischen dem Ende des alten, und dem Beginn des neuen Tages bewusst wahrzunehmen – ganz im Gegensatz zu gewöhnlichen Menschen, welche die dunkle Stunde unbewusst im Schlummer verbringen, eingepfercht in den eingangs erwähnten ominösen Särgen. Diese verborgene Stunde ist indes nicht ganz ungefährlich, denn sogenannte „Schatten“ bevölkern dann die Welt. Unselig sind jene, die von den Schatten aufgegriffen werden. Ihnen droht das Apathie-Syndrom, ein anhaltender, wachkomatöser Zustand. Glücklicherweise verfügen wir über Kräfte, um uns gegen die Schatten zur Wehr zu setzen. Wir sind in der Lage sogenannte Persona zu beschwören, Manifestationen unserer Selbst, die uns im Kampf unterstützen. Zwar sind wir nicht die einzigen, die über derlei Kräfte verfügen, wir sind aber insofern besonders, als dass wir mehrere Persona in uns vereinen können.

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Persona 3 Reload geizt nicht mit religiös-mythologischen Versatzstücken © SEGA / ATLUS

Unsere älteren Mitschüler*innen Mitsuru Kirijo und Akihiro Sanada und der Ratsvorsitzende Shuji Ikutsuki haben eine als Schul-AG getarnte Organisation namens S.E.E.S. (kurz für  Specialized Extracurricular Execution Squad) ins Leben gerufen, die sich dem Kampfe gegen die Schatten widmet. In dieser Funktion kümmern sie sich auch um die Rekrutierung von neuen Mitglieder, die das Potential zur Persona-Nutzung haben. Neben Makoto Yuki sind auch dessen Klassenkameradin Yukari Takeba und der großmäulige Junpei Iori Teil der neuen Starter-Squad. Im Laufe des Spiels trommeln wir aber ein reichlich diverses Team zusammen, nicht zuletzt werden auch tierische Persona-Nutzer Teil der Crew. Die Kernfrage lautet aber: Wo kommen die Schatten her? Was ist ihr Ursprung? Ist die zunehmende Ausbreitung der Apathie ein Indiz für das nahende Ende der Welt?

Ausgerechnet die High School scheint ein Schlüssel zu sein: In der dunklen Stunde wird aus der Gekkoukan Schule der sogenannte Tartarus, ein gewaltiger Turm, der schier unendlich in die Höhe zu wachsen scheint und offenbar das Nest der Schatten ist. Die Erforschung des Tartarus ist ebenfalls ein Ziel der S.E.E.S.-Gruppe – denn nicht nur könnte in diesem Gebilde die Antwort auf die obigen Fragen liegen, der Turm scheint auch an den Mondzyklus gekoppelt zu sein – denn jeweils bei Vollmond tauchen besonders starke Schatten auf, die sich auch außerhalb des Turms bewegen.

Doch während wir das Geheimnis um die Dark Hour nach und nach offenbaren, tritt auch eine andere Gruppierung von Persona-Nutzer*innen auf, die der S.E.E.S. tendenziell feindlich gesonnen zu sein scheint: Die Strega sind ein Trio, die sich selbst mit ihrer Befähigung als Auserwählte wahrnehmen und denen es daher gar nicht in den Kram passt, dass unsere Crew gegen die Ursprünge der Dunklen Stunde und somit ihre Existenz vorgehen.

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Manche Dinge ändern sich nie: In Persona 3 Reload ist Elizabeth die Assistentin von Igor und Bewohnerin des Velvet Room © SEGA / ATLUS

Wie in jedem Persona und teils auch in anderen ATLUS-Titeln treffen wir zudem erneut auf Igor, den Hüter des Velvet Room und seine Assistentin Elizabeth. Diese geben uns hier die Rüstmittel, um zunehmend stärker zu werden. Denn nicht nur ermöglicht Igor uns das Fusionieren und Beschwören von Personas, er klärt uns außerdem auch über den wichtigen Stellenwert von Sozialen Bindungen und Freundschaften auf, die wir schließen. Die Social Links sind nicht nur ein fundamentales narratives Element der Reihe, sondern haben in jedem Falle auch spielmechanische Auswirkungen.

Hoffnungslosere Atmosphäre als bei Persona 5

Der Erzählton eines Persona 3 wirkt gefühlt wesentlich abgründiger und fatalistischer als bei Persona 5 oder gar Persona 4: Zwar sparte auch Persona 5 nicht mit erwachsenen, düsteren Themen wie dem sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen und den entsprechenden Kosequenzen, oder dem Machtmissbrauch hochrangiger Politiker und Großindustrieller in einem gnadenlosen Friss oder Stirb-Kapitalismus – die Robin Hood-artige Charakterisierung der Phantomdiebe hatte aber stets was hoffnungsvoll-optimistisches an sich. Persona 4 wirkte im Vergleich mit seinem geruhsamen Schauplatz Inaba wie eine gemütliche Feel Good-Murder Mystery. Persona 3 hatte hingegen immer die Unausweichlichkeit des Todes als zentrales Motiv. Die Charaktere sind moralisch ambivalenter geschrieben und haben mitunter tragischere Backstories und viele der Episoden und Nebenhandlungsstränge mit unseren Sozialen Kontakten bleiben entweder Happy End-frei oder enden wenigstens bittersüß. Beispiele gefällig?  Auf dem Spielplatz beim Schrein treffen wir auf das Grundschulmädchen Maiko, deren Eltern offenbar schwerwiegende Beziehungsprobleme haben, kurz vor einer Scheidung stehen und ihre Streitigkeiten auf das junge Mädchen projizieren. Im Laufe der Geschichte schließt das junge Mädchen Frieden mit dem Gedanken, dass sich zwei Menschen manchmal eben nicht mehr lieben, dass aber sie nicht die Schuld für die gegenseitige Entfremdung ihrer Eltern trägt. Nicht gerade der ideale Abschluss, den man sich für die junge Maiko wünschen würde, das Finale bleibt aber in der Form relativ geerdet und pragmatisch. An selber Stelle treffen wir auf den depressiven, aber intelligenten Jungen Akinari Kamiki, der mit einer erblich bedingten, weit fortgeschrittenen Lungen-Erkrankung nicht mehr lange zu leben hat. Im Laufe der Episoden beschließt er seine Medikamente abzusetzen, um vor seinem Tod noch einen allegorischen Roman abzuschließen. Während die maximierten Social Links in P5 noch meist mit einem befriedigenden und positiven Ende für alle Beteiligten abschlossen, sind die finalen Nebenepisoden in Persona 3 Reload häufig mit dem Gefühl von Abschied, Verlust und einer (merkwürdig positiv gestimmten) Resignation behaftet. Nicht nur die Nebengeschichten stimmen diesen spezifischen Erzählton an, auch die Haupthandlung gestaltet sich deutlich verlust- und entbehrungsreicher als in späteren Ablegern und wirkt damit direkt düsterer und hoffnungsloser.

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Akinari Kamiki, Repräsentant der Sonnen-Arkana, ist ein junger Mann mit einem schweren Los: Wegen einer erblich bedingten chronischen Lungenerkrankung hat er nicht mehr lange zu leben. Viele der Nebengeschichten kreisen um Tod, Abschied und Verlust.
© SEGA / ATLUS

Auch die Kampf-Sequenzen gehen mit dem Motiv des unausweichlichen Todes einher: Die Beschwörung einer Persona ist im dritten Teil unmittelbar an die Angst vor dem Tod gekoppelt. Die sogenannten „Evoker“, die das Beschwören einer Persona vereinfachen, haben die Form einer Schusswaffe. Diese wird an den Kopf gehalten – Das Betätigen des Abzugs setzt die Angst frei, die das Beschwören der Persona triggert. Leider versäumt es die Story, die Funktionsweise der Evoker inhaltlich zu vertiefen, sodass die Edgyness des Kopfschusses ein bisschen zum Selbstzweck verkommt.

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Die Haupthandlung ist wesentlich verlust- und entbehrungsreicher als in späteren Persona-Titeln © SEGA / ATLUS

Inhaltlich nicht die Definitive Edition von Persona 3, trotzdem die rundeste Fassung aller P3-Titel  

Inhaltlich und erzählerisch ist Persona 3 Reload nicht zwangsläufig die Definitive Edition des dritten Teils – Das finde ich insofern schade, weil die Remake-Kur es durchaus hergeben würde: Ich kann noch verstehen, warum man die weibliche FemMC-Option aus Persona 3 Portable gestrichen hat, das wäre vermutlich für ein Remake dieser Art schlicht zu aufwendig. Immerhin hätte man die Assets der reduzierten Visual Novel-Form vollumfänglich und from the scratch neugestalten müssen, inklusive der entsprechenden Animations- und Voice Acting-Arbeit. Hingegen vermisse ich tatsächlich die zusätzlichen Inhalte der FES-Fassung: Das damalige FES-Update brachte seinerzeit den rund 30-stündigen Epilog „The Answer“ mit, der zwar ziemlich Kampf-zentriert war, aber alle offenen Fragen von Vanilla P3 beantwortete. „The Answer“ fehlt bei Reload leider gänzlich.

Andere inhaltliche Updates aus der FES-Fassung haben es indes auch in Reload geschafft: Die Androidin Aigis etwa bleibt als Äonen-Social Link und auch weiterhin kann man Dates mit Igors Velvet Room-Assistentin Elizabeth arrangieren.

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Es gibt aber trotz aller inhaltlichen Schwere immer wieder auch lichte Momente – Hier im Onsen während einer Klassenfahrt © SEGA / ATLUS

Alle anderen Charaktere mitsamt den entsprechenden Social Links und Nebenhandlungen sind verfügbar – Reload bringt aber darüber hinaus noch eine schöne Ergänzung gegenüber Vanilla P3, FES und Portable mit: Denn unser Wohnheim-Leben wird um Momente ergänzt, in denen wir mit unseren Mitstreiter*innen gemeinsam kochen, lesen, DVDs gucken oder Pflanzenpflege betreiben können. Auch können wir mit unserem tierischen Begleiter Koromaru regelmäßig Gassi gehen, und dabei entweder unsere Mitbewohner*innen mitnehmen, oder unterwegs Bekannte treffen. Diese erzählerische Ergänzung vertieft das Gefühl eines funktionierenden WG-Lebens merklich gegenüber den Ur-Versionen.

Noch ein bisschen weiter gehen die „Linked Episodes“, die Nebenhandlungen des S.E.E.S.-Teams vertiefen. Nicht nur lernen wir unsere Gesamt-Party, also Yukari, Junpei, Akihiko, Mitsuru, Fuuka, Koromaru, Ken, Shinjiro und eben last but not least Aigis, auf diese Weise besser kennen, sondern schalten auch schrittweise weitere Fähigkeiten, etwa neue Theurgie-Skills frei.

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Im Velvet Room können wir unsere Persona fusionieren und so stärkere Mitstreiter*innen manifestieren © SEGA / ATLUS

Ansonsten setzt Persona erzählerisch auf den serientypischen Mix aus gesellschaftlichen, japanzentrierten Themen, einer Coming of Age-Storyline mit stark ausgeprägter Social Sim-Komponente, einem ordentlichen Schuss Mystery und religiös-mythologisch-philosophischen Versatzstücken. Letzteres zeigt sich vor allem in der Terminologie: Der Tartarus, der hier die allnächtliche Form eines gewaltigen Turms annimmt, stammt aus der griechischen Mythologie und ist das genaue Gegenteil eines Turms: Der personifizierte Teil der Unterwelt, ein gewaltiger Abgrund in den tiefsten Tiefen des Hades. Die einzelnen Abschnitte des Tartarus, exemplarisch etwa der Yabbashah-Block, entstammen der jüdischen Kabbala. Die Theurgie, in Persona 3 Reload besondere Spezialfähigkeiten, die über eine Anzeige ausgelöst werden, bezeichnet im (antiken) Ursprung religiöse Riten, die eine Verbindung zu göttlichen Wesen herstellen. Und natürlich beruhen die Persona selbst auch auf Göttern und Wesen aus dem christlichen, jüdischen, hinduistischen, buddhistischen und querbeet-mythologischen Gemengelage. Die Nutzung dieser Elemente wirkt hier im Vergleich zu Persona 5 noch relativ willkürlich, dort wurde das ganze relativ clever mit konstruktivistischer Theorie verknüpft, ist aber nach wie vor cool genug, um bei der Stange zu halten.

Zwischen Dungeon Crawler, Pokémon-Sammelwut und Social Sim

Spielmechanisch war Persona 3 seinerzeit die Blaupause für die Nachfolger: Erstmalig wurde hier klassisch japanische Rollenspiel-Mechanik mit dem sozialen Aspekt verknüpft: Konkret gibt es in den jüngeren Persona-Teilen immer eine sehr spezifische Zweiteilung des Gameplays: Einerseits spielen wir in bester Slice-of-Life Manier den mehr oder weniger gewöhnlichen Alltag eines japanischen Schülers, nehmen an schulischen und außerschulischen Aktivitäten teil, betreiben möglichst effiziente Selbstoptimierung und pflegen unsere sozialen Bindungen. Für jede Aktivität gibt es fixe Slots pro Tag, sodass wir da ein bisschen managen müssen. Die Bindungen, die an die Arkana aus dem Tarot angelehnt sind, beeinflussen die Erschaffung und Beschwörung der Persona, über die wir verfügen können. Die Persona wiederum sind unsere mythologisch-religiösen Streiter*innen, mit denen wir uns durch die Dungeons und Massen an Schatten kämpfen.

Der Tartarus ist nur nachts, während der Dark Hour, zugänglich und umfasst insgesamt 264 Etagen. Neue Persona und andere Boni sammeln wir über Karten in der Shuffle Time, die wir nach erfolgreichen Kämpfen gegen die Schatten erhalten. Diese lassen sich später im Velvet Room zu stärkeren Wesen fusionieren, welche an die jeweiligen Arkana gebunden sind und Boni durch stärkere Social Links erhalten. Auch das Vererben von Skills und passiven Fähigkeiten ist bei den Fusionierungen nach wie vor gegeben.

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Die Social Sim-Elemente sind immer wieder sehr Slice-of-Life-artig. Manchmal müssen wir halt auch einfach nur den Schulalltag hinter uns bringen. © SEGA / ATLUS

Nicht nur hat das Befüllen des Kompendiums denselben Reiz wie ein voller Pokédex, auch das Kampfsystem entspricht, vereinfacht ausgedrückt, dem Schere-Stein-Papier-System eines Pokémon. Unsere Persona bringen Angriffe und Buff/Debuff-Fähigkeiten unterschiedlicher Kategorien mit: Elektroangriffe (Zio + Aufwertungen), Feuerangriffe (Agi + Aufwertungen), Wind-Magie (Garu + Aufwertungen), dunkle Flüche (Eiha + Aufwertungen), helle Segensangriffe (Kouha + Aufwertungen) sowie unblockbare „allmächtige“ Offensiv-Skills – Neben diesen magischen Fähigkeiten können wir auch körperliche Angriffe vollziehen, die nicht etwa auf unseren SP-Balken drücken, sondern direkt auf unsere Lebenspunkte. Auch die körperlichen Angriffe sind unterschiedlich kategorisiert: Es gibt Hieb- Stech- und Schlag-Manöver. Wie auch bei Persona 4 und 5 tarieren wir hier die Schwächen, Resistenzen und Aufhebungen der Schatten aus, um die Widersacher gezielt auseinanderzunehmen. Zu den spezifischen Neuerungen im Kampfsystem kommen wir im nächsten Abschnitt.

Bei Persona 3 Reload merkt man trotz aller Modernisierungsmaßnahmen vor allem in einem Punkt, dass es das Remake eines früheren  Vertreters der Serie ist: Denn während die kognitiven Paläste in Persona 5 komplett händisch gestaltet sind, und die acht Persona 4-Dungeons in der TV World zwar prozedural generiert, aber inhaltlich jeweils ein klares Thema haben, ist Persona 3 mit seinem Tartarus ein sehr reinrassiger Dungeon Crawler: Wir kämpfen uns durch die jeweiligen Blöcke des Tartarus, die optisch zwar unterschiedlich ausschauen, bei denen aber jede Ebene zufallsgeneriert ist. Alle paar Ebenen erfolgt ein Kampf gegen einen Zwischenboss. Auch die Location der Schatztruhen, die verschlossenen können mit sogenannten Zwielichtfragmenten geöffnet werden, ändert sich ständig. Ebenfalls alle paar Ebenen gibt es Teleporter, die uns entweder als One-Way-Ticket zum Tartarus-Eingang befördern, oder aber als wechselseitige Markierung herhalten und dann ähnlich funktionieren, wie die Sicherungspunkte in den kognitiven Palästen von Persona 5.

Trotz dieser oldschooligeren Ausrichtung werden sich Persona 5-Spieler*innen insofern heimisch fühlen, weil der Tartarus erhebliche Parallelen zu dem ebenfalls prozedural generierten „kollektiven Palast“ Mementos aufweist und sich extrem ähnlich verhält. Und ähnlich wie im Mementos gibt es auch im Tartarus immer wieder Events, die das Ganze auflockern sollen: Mal gilt es vermisste Personen und streunende Tiere aus der Dark Hour zu retten, mal tauchen seltene Gegner wie die unterschiedlich gearteten goldenen Händchen auf, mal sind die Schatten mit besonderen Statuseffekten belegt und manchmal taucht auch der berühmt-berüchtigte Reaper auf, der Sensenmann, der einen verfolgt, wenn man zu lange auf einer Etage verharrt. Dieser ist im Gegensatz zu den Vorgängern noch furchteinflößender, weil er nun in der Lage ist, die Party über mehrere Etagen hinweg zu verfolgen. So richtig besiegbar ist er serientypisch erst im Late Game.

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Alle paar Ebenen tauchen sogenannte „Monad“-Tore im Tartarus auf, die Zugang zu einem verzerrten Bereich gewähren, in dem besonders starke Schatten lauern © SEGA / ATLUS

Außerdem tauchen immer wieder auch sogenannte Monad-Tore auf, die Zugang zu einem verzerrten Bereich ermöglichen, in dem besonders starke Schatten lauern, deren Bezwingen aber meist mit seltenen Truhen einhergeht.

Ebenfalls relevant für den Progress im Tartarus ist der Mondzyklus: Denn immer, wenn Vollmond ist, tritt man gegen die großen Schatten an. Gegen diese kämpft man dann aber auch storybedingt meistens außerhalb des Turms. Der Mondzyklus ist ein cooles Element, das aber bei weitem nicht so viel Tragweite hat wie etwa die Witterungsbedingungen in Persona 5. Tatsächlich habe ich außerhalb der Bossfights keine spürbaren Änderungen im Turm vernommen.

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Immer zu Vollmond kämpfen wir gegen die 12 großen Schatten – Hier der „Hierophant“, den wir in einem gespenstischen Lovel Hotel bekämpfen © SEGA / ATLUS

Trotz aller Repetition ist der Loop von Persona 3 Reload ziemlich befriedigend, wenngleich ich hier ganz klar sagen muss, dass ich Fan der herrlich kreativen Dungeons von Persona 5 bin. Selbiges gilt für die Bosskämpfe, deren Strategien und Inszenierungen in P5 inhaltlich deutlich stärker begründet wurden.

Zum Thema Schwierigkeitsgrad: Hier ist Persona 3 Reload deutlich, deutlich moderater als Vanilla Persona 3 oder Persona 3 FES für die PlayStation 2. Damit orientiert man sich wesentlich mehr an den gut machbaren Schwierigkeitsgraden von Persona 4 und 5. Ich erinnere mich, dass ich back in the day ziemliche Probleme hatte, die Checkpoints innerhalb einer Nacht zu erreichen und dass der Weg dahin und zu den Zwischenbossen jeweils mit einer Menge Toden gesäumt war. Grund dafür war das „Fatigue“-System, das für das Remake komplett gestrichen worden ist. Wurde die Party in der Ur-Version müde oder krank, wurde sie anfälliger für Statusveränderungen, reduzierte Werte und potentielle One-Hits von den gegnerischen Schatten. Kurzum: Persona 3 war ursprünglich ein verdammt harter Titel. Persona 3 Reload hingegen erfordert immer noch das ein oder andere Management-Hickhack, spielt sich aber deutlich weniger sperrig. Wer mit P4 und 5 klar, wird hier auch die einzelnen Blöcke innerhalb einer Nacht durchrushen. Puristen dürften damit vielleicht ein Problem haben, ich empfand diese Änderung als klare Quality-of-Life-Verbesserung.

Die oben erwähnte Social Sim-Komponente ist stärker ausgeprägt als im Ur-Persona 3, aber basaler als etwa in Persona 5: Wir haben verschiedene Charaktere, die den entsprechenden Arkana des Tarot zugeordnet sind, und gewissermaßen auch serientypische Archetypen abbilden. Zwischen einem Yuuki Mishima aus P5 und einem Kenji Tomochika aus P3, beide an die Magier-Arkana gekoppelt, gibt es in der Persönlichkeit unverkennbare Parallelen. Ansonsten haben wir in Persona 3 Reload ein buntes Sammelsurium an skurrilen Charakteren: Wir haben einerseits unsere Mitschüler*innen, die wir aus den Schul-Clubs (Kunst, Sport, Schülerrat) kennen, andererseits aber komische Weirdos wie einen zynischen Mönch, der sich allnächtlich in der lokalen Disco, dem Club Escapade, besäuft oder einen dicken Jungen, der sich als Gourmet König bezeichnet, aber Teil einer Weltuntergangssekte ist. Die Sozialen Bindungen können bis Rang 10 ausgebaut werden. Nicht nur ermöglicht die Maximierung die Fusion der stärksten Persona des jeweiligen Arkanas, auch schalten die weiteren Ränge weitgehende Nebenhandlungsstränge, Boni und Fähigkeiten frei. Die interessanten Nebenhandlungen sind hier aber nicht nur irgendwie deprimierender im Erzählton, sondern die Charaktere sind auch bei weitem nicht so ausformuliert geschrieben wie in einem Persona 5. In letzterem hat man eine tiefgehende Verbindung zu den Nebenfiguren aufgebaut und war deutlich investierter. Hier bleibt immer eine gewisse Leere zum Schluss, was aber mitunter auch zur melancholischeren Ausrichtung von P3 passt. Während man bei Persona 4 und 5 vor allem auch die Social Links zu den Crewmitglieder*innen sehr früh ausgebaut hat, spart sich Persona 3 (Reload) die Teamkameraden für den Schluss auf. Hier hätte ich mir tatsächlich gewünscht, dass man die Social Links der Teamkameraden enger mit dem stetigen Fortschritt im Spiel verknüpft hätte.

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Die Sozialen Statuswerte spielen bei unseren Sozialen Bindungen erneut eine wichtige Rolle, wurden aber gegenüber Persona 5 ein bisschen runterreduziert © SEGA / ATLUS

Im Gegensatz zu Persona 5 gibt es zwar auch in Persona 3 Reload wieder die sozialen Statuswerte mit an Bord, die wurden aber ein wenig runterreduziert: In P5 gab es noch Wissen, Mumm, Fertigkeit, Güte und Charme, in Persona 3 Reload haben wir lediglich Mut, Wissen und Charme. Die Werte, die wir über verschiedene Aktivitäten erhöhen, sind wichtig für bestimmte Social Link-Ränge. Hier hat ATLUS ein paar Dinge umgeworfen und umarrangiert, um das System des ursprünglichen Persona 3 in die Moderne zu hieven. Man merkt aber auch hier, dass das Ganze etwas basaler gestaltet ist als in dem ausufernden Persona 5.

Ich will Reload letztlich gar nicht vorwerfen, dass die Social Sim-Komponenten auf diese Weise umgesetzt werden. Gewissermaßen will man ja dem Vorbild Rechnung tragen, und kein P5-Add On auf den Markt werfen.  Die Figuren sind immer noch cool, die Atmosphäre im positiven Sinne trübe, aber man merkt eben ganz klar an vielen Stellen, dass Persona 3 im Kern immer noch ein früherer Serieneintrag ist.

Das modernisierte Kampfsystem ist stärker an Persona 5 angelehnt

Das Kampfsystem ist wie ein „komplexeres“ Pokémon aufgebaut:  Mit den eigenen Persona versucht man, die Schwächen- Widerstände- und Resistenzen der gegnerischen Kreaturen auszuloten. Es gibt körperliche und magische Angriffe, verschiedene Heil- und Buff/Debuff-Fähigkeiten sowie passive Fähigkeiten. Sowohl die eigenen Persona wie auch die gegnerischen Schatten bringen unterschiedliche Stärken und Schwächen mit.

Neu hinzugekommen sind aber Mechaniken, die in abgewandelter Form in Persona 5 eingeführt wurden und welche den Kämpfen wesentlich mehr Flow verleihen: Zum einen gibt es erneut die verheerenden All-In Attacken: Sobald alle Gegner innerhalb eines Mobs durch ihre Schwächen handlungsunfähig gemacht wurden, können wir einen zusätzlichen gruppenbasierten Angriff starten. Durch das Ausnutzen von Schwächen gibt es die bekannte „One More“-Zusatzaktion. Hier wurde in Persona 3 Reload die „Shift“-Funktion ergänzt, die dem Baton Pass aus Persona 5 nachempfunden ist: Haben wir die Schwäche ausgenutzt, können wir die zusätzliche Aktion an ein anderes Partymitglied weiterreichen und so weitere Schwachpunkte innerhalb eines Gegnermobs ausnutzen. Im Gegensatz zum Baton Pass aus P5 gibt es hier aber keine Buffs beim Weiterreichen.

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Mit gefüllter Theurgie-Anzeige können wir unblockbaren Elementarschaden anrichten, hier der Zyklonpfeil von Yukari © SEGA / ATLUS

Gänzlich neu in einem Persona-Titel ist die „Theurgie“: Führen wir Aktionen aus, die der Persönlichkeit eines Gruppenmitglieds entsprechen, füllt sich dessen Theurgie-Anzeige. Ist der Balken gefüllt, können wir eine Elemental-Attacke starten, die Resistenzen ignoriert. Mit den Linked Episodes schalten wir hier zudem weitere Theurgie-Fähigkeiten frei.

Geblieben ist indes das Shuffle Time-System: Nach Abschluss jedes Kampfes bekommen wir ein Set an Karten vorgelegt: Die Karten können dabei Boni umfassen wie „Mehr Geld“, „Mehr Erfahrungspunkte“ oder „Regenerierung von TP“, aber auch Arkana-Karten und Persona sind dabei. Dabei weicht das System erheblich von dem ab, was man aus Persona 5 kennt. Dort konnten wir Persona fangen, indem wir mit ihnen verhandelt haben und dabei ihre Persönlichkeiten mitberücksichtigten – das war eine Rückbesinnung auf die Persona 2-Fangmechanik. Spieler*innen, die Persona 4 Golden gezockt haben, kennen das Shuffle Time-Prinzip aus P3 aber ebenfalls.

Last but not least: Der erhöhte Schwierigkeitsgrad von Persona 3 FES und Vanilla Persona 3 entstand auch dadurch, dass man die Partymitglieder NICHT selbst kontrollieren, sondern nur strategische Befehle an die Mitstreiter*innen verteilen konnte. Hier musste man sich also ein bisschen auf die KI verlassen, dass die passenden Schwächen der Schatten ausgenutzt werden. Mit Persona 3 Portable wurde dieses System ad acta gelegt und man konnte die Partymember aktiv selbst steuern: Das wurde in Persona 3 Reload beibehalten, sodass es sich auch in der Hinsicht eher an den modernen Ablegern orientiert und sich wesentlich komfortabler und einfacher spielt.

Style over Technique

Persona 3 Reload ist grafisch natürlich nicht das Maß aller Dinge – Das Spiel ist mit seinem Unreal Engine 4-Unterbau noch ganz klar als Last Gen-Titel zu verorten. ABER: Die Frischzellenkur, die ATLUS dem Titel spendiert hat, ist phänomenal und hievt das Spiel auf Persona 5-Niveau. Die Persona-Spiele waren schon immer die stylishsten Vertreter des JRPG-Genres, das 2016 erschienene Persona 5 war da auch der ganz klare Peak. Der Cel Shading-basierte Anime-Look, die angenehm erwachsenen, filigranen ATLUS-typischen Figurendesigns aus der Feder von Shigenori Soejima, die gleichsam künstlerische, wie durchdachte UI und die stilisierten Farbakzentuierungen machen Persona 3 Reload zu einem Augenschmaus. Ins Auge fallen immer wieder die dominierenden, symbolisch aufgeladenen Farbgebungen bei den Spielen der Reihe: Persona 5 hatte vor allem die Rot-Schwarz Dualität als zentrales Motiv, Persona 4 wurde stark von unterschiedlichen Gelb-Tönen dominiert, Persona 3 und eben auch Reload setzen auf Blau/Weiß-Kontraste. Diese im direkten Vergleich eher unterkühlte Farbgebung korrespondiert ganz gut mit dem Thema des unausweichlichen Todes.

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Der Tartarus ist optisch etwas abwechslungsreicher gestaltet als in den PS2/PSP-Originalen © SEGA / ATLUS

Wenngleich die 3D-Charaktermodelle der menschlichen und nicht-menschlichen Protagonisten auf zeitgemäßes Persona 5-Niveau angepasst wurden, merkt man aber auch hier den Remake-Charakter des Spiels: Die Größen der Areale sind deutlich weniger expansiv und weitflächig als beim aktuellen Teil: Nicht nur das P5 Tokyo war naturgemäß wesentlich größer und komplexer verzweigt, auch die einzelnen Abschnitte, etwa die Shibuya Central Street, gingen deutlich mehr in die Tiefe und vermittelten das Leben in einer pulsierenden Metropole. Das maritime Setting von Tatsumi Port Island und Iwatodai ist an Kobe mit den künstlichen Inseln Rokko Island und Port Island angelehnt. Sowohl im ursprünglichen P3 wie auch im Reload-Remake sind die Locations, die über eine Map angewählt werden können, relativ kompakt: Es gibt die Port Island-Station, die selten relevant ist, im Süden und oberhalb die Gekkoukan High School. Die Paulownia Mall umfasst mehrere Locations wie einen Nachtclub, ein Café, wo wir einen Teilzeit-Job annehmen können, eine Apotheke, die Polizeistation, eine Karaoke-Bar sowie den Zugang zum Velvet Room. Alles ist über einen kreisförmigen Platz direkt erreichbar, ohne dass man großartig ausschweifen kann. Selbiges gilt für die Einkaufsstraße in der Iwatodai Station, die vertikal aufgebaut ist und verschiedene Gastro- und Shop-Angebote auf mehreren Etage anbietet. Ansonsten haben wir noch den Naganaki Schrein, wo wir Opfergaben und Segnungen tätigen können, und eben das Schul-Wohnheim: Summa Summarum ist Persona 3 Reload also im direkten Vergleich zu Persona 5 wesentlich kleiner dimensioniert, was ich ein klein bisschen schade finde, was aber eben nicht zuletzt dem Remake-Status geschuldet ist. Gleichzeitig hat Persona 3 Reload etwas merkwürdig Nostalgisches an sich: Die Klapp-Handys und die Kommunikation via SMS, die klobigen Tower PCs, die DVD-Abende, die emoesquen Frisuren und die angesprochenen Themen sind wie ein kleiner Throwback in die 00er Jahre. Bloß etwas wie MySpace oder ICQ hätte hier noch gefehlt, um das Videoverse-Feeling aufkommen zu lassen.

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Die Areale sind kleiner dimensioniert als etwa in Persona 5 © SEGA / ATLUS

Der Tartarus hat in den einzelnen Blöcken zudem deutlich mehr optische Varianz bekommen, es gibt industrielle Parts, psychedelische Abschnitte oder irgendwie barock anmutende Passagen: Damit gestaltet sich das Bezwingen der 264 Etagen deutlich facettenreicher und weniger dröge als noch im Original.

Technisch läuft Persona 3 Reload auf der Xbox Series X weitgehend ziemlich sauber. Zwei kleine Dinge, die mich während des Spieldurchgangs aber gestört haben: Der Wechsel zwischen den Locations ist länger als bei Persona 5, weil auf der Karte immer erst noch eine kleine Zuganimation abläuft, bevor der Wechsel vorgenommen wird. Ich habe in den Optionen aber keine Möglichkeit gefunden, die Animation wegzulassen, gehe also davon aus, dass der Locationwechsel den entsprechenden Nachladepuffer benötigt. Angesichts der kompakten Areal-Größen finde ich das aber auf einer potenten Current Gen-Konsole ein bisschen befremdlich. Zudem gibt es immer wieder einen kleinen Nachlade Ruckler, wenn man in der Paulownia Mall in den hinteren Gang zum Velvet Room wechselt. Nennt mich penibel, aber ich würde mich freuen, wenn ATLUS diese zwei Problemfelder patcht.

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Stylewise ist Persona 3 Reload komplett durchkomponiert – schaut euch die toll gestaltete Menüführung an. © SEGA / ATLUS

Auditiv ist Persona 3 Reload grandios: Der Persona-typische Soundtrack umfasst auch dieses Mal wieder den eklektischen Mix aus loungigen Jazz-Tunes mit Hip-Hop-artigen Samples, vorwärtspreschenden, luftigen J-Pop-Nummern und düsteren, Klavierlastigen Ambient-Sounds. Dabei besteht der Soundtrack aus neu arrangierten Tracks des originalen OST, aber auch neuen Stücken. Gerade die mal düsteren, mal schwermütigen Klavier-Stücke tragen viel zur melancholischen Atmosphäre von Persona 3 (Reload) bei.

Die englischen Synchronsprecher*innen beim Remake wurden weitgehend neu gecastet und machen allesamt einen guten bis hervorragenden Job: Aleks Le, der unseren ungesprächigen Makoto spricht, aber auch den später relevanten Charakter Ryoji hat zuletzt etwa bei Like A Dragon: Infinite Wealth (Review hier) Eiji gesprochen und liefert eine solide Leistung.  Die Sprecherinnen von Yukari und Mitsuru machen m.E. einen exzellenten Job und bringen die Gefühle der Charaktere gut zur Geltung. Allegra Clark, die Voice Actress von Mitsuru, ist dabei keine ATLAS-Unbekannte, hat sie doch in Shin Megami Tensei V Artemis vertont. Und Junpei Iori, hier nun gesprochen von Zeno Robinson (bekannt aus My Hero Academia, Pokémon), wurde mit seinen lüsternen Sprüchen aus dem Original ordentlich gezähmt, was den Sympathiewerten des Charakters guttut und Raum für die spätere emotionale Entwicklung lässt.

Die japanische Synchro habe ich während meines Spieldurchgangs nicht getestet, hier entsprechen die japanischen Sprecher*innen laut den offiziellen Angaben aber weitgehend den Original-Titeln.

Bleibt abschließend zu sagen: Wenngleich technisch nicht ganz State of the art, hievt die Frischzellenkur von ATLUS Persona 3 Reload gekonnt in die Moderne. Die stilsichere Gestaltung des Spiels und das gewohnt schöne ATLUS-Figurendesign lehnen sich nun stärker an Persona 5 an, wirken aber analog zum Thema deutlich kühler und trostloser. Die Locations hingegen sind (leider) ähnlich klein und abstrahiert geblieben wie in den ursprünglichen Titeln. Hier wird zu keinem Zeitpunkt die urbane Tiefe eines Tokyos wie in P5 erreicht. Der Tartarus ist nun optisch facettenreicher als in den Originalen, Soundtrack und Voice Acting-Qualitäten sind serientypisch über alle Maße erhaben. Bei den zwei angesprochenen kleinen Mankos hoffe ich, dass ein Patch Abhilfe schaffen könnte.

Fazit:

Persona 3 Reload ist grundsätzlich ein tolles Remake des PlayStation 2 Titels, der die Blaupause für die nachfolgenden JRPG-Meisterwerke lieferte. Sowohl audiovisuell als auch spielmechanisch hat das stylishe Rollenspiel eine Frischzellenkur im Persona 5-Stil erfahren, ist nun wesentlich zugänglicher für Neuankömmlinge und macht das Persona 3 Portable-Remaster beinahe gänzlich obsolet. Beinahe aber deshalb, weil Persona 3 Reload leider inhaltlich nicht die „Definitive Edition“ des dritten Teils darstellt. Die weibliche Option aus Persona 3 Portable wurde ebenso gestrichen wie der dreißigstündige „The Answer“-Epilog aus FES. Ersteres finde ich verschmerzbar, letzteres tatsächlich schade. Vielleicht wird „The Answer“ ja noch als DLC nachgeliefert. Neu hinzugekommen sind hingegen die „Linked Episodes“, welche die Bindungen zu unseren S.E.E.S.-Mitstreiter*innen vertieft. Obgleich sich Persona 5-Fans in P3 Reload sofort heimisch fühlen werden, ist aber an jeder Ecke spürbar, dass es sich um das Remake eines früheren Franchise-Eintrags handelt. Die Sozialen Werte sind von fünf auf drei runterreduziert worden, die Locations sind kleiner dimensioniert, Tatsumi Port Island ist bei weitem nicht so weit verzweigt wie Tokyo, und auch das Writing bei den Nebenhandlungen unserer Social Links mutet noch irgendwie … lakonischer als bei Persona 4 und 5 an. Gleichzeitig ist der Erzählton eines Persona 3 Reload aber auch wesentlich erwachsener und düsterer und schöpft aus diesem Gefühl seinen unmittelbaren Reiz. Die mysteriöse Haupthandlung um die Dark Hour und auch die Nebenstories tragen eine fatalistisch-wehmütige Schwere in sich, die schwerpunktmäßig um Themen wie Abschied, Verlust und die Unumkehrbarkeit des Todes kreist. Da wirken Persona 5 und erst recht Persona 4 spürbar heiterer. Spielmechanisch hat man viele Verbesserungen implementiert, sodass man nicht ganz so frustresistent sein muss wie beim Original: Das unsägliche Fatigue-System, wonach man müde oder krank wird, wenn man sich zu lange im Tartarus aufhält, wurde glücklicherweise gestrichen. Dadurch lassen sich die Abschnitte schneller am Stück „bearbeiten“. Im Kern bleibt Persona 3 Reload aber wie im Original ein Dungeon Crawler: Die 264 Etagen des allnächtlichen Tartarus-Turms erinnern ganz wesentlich an die Mementos-Passagen aus P5, viele Elemente sind ebenfalls präsent: Der übermächtige Reaper, der auftauchen kann, wenn man zu lange auf einer Etage bleibt; die seltenen goldenen Händchen, die besonders wertvolle Beute und viele Erfahrungspunkte hinterlassen; situative Statusveränderungen bei den Schatten; vermisste Personen, die gefunden werden können; Truhen mit unterschiedlich wertvollen Items  – und das alles in prozedural generierten Ebenen, die autogemappt werden. Außerdem gibt es noch die Monad-Passagen, verzerrte Bereiche, die besonders starke Schatten beherbergen. Kurzum: Der Flow ist repetitiv, und trotzdem ist immer was los. Das Kampfsystem entspricht im Wesentlichen P5 und P4, einige Angriffstypen wie die nuklearen Angriffe sind aber nicht enthalten. Baton Pass ist in abgewandelter Form, ohne die entsprechenden Buffs, wieder mit präsent, ebenso die All-In Attacken. Gänzlich neu in einem Persona-Spiel sind die Theurgie-Skills, die man initiieren kann, wenn man die Partymember gemäß ihrer Persönlichkeit spielt. Auf diese Weise füllt man einen Balken, der in besonders effektiven und unblockbaren Spezialangriffen kulminiert. Das Kampfsystem ist flowig und macht Spaß. Klar, die handgemachten Dungeons eines Persona 5 waren grandios, aber schöner als in P3 Reload kann man klassisches Dungeon Crawling eigentlich nicht gestalten. Bleibt also zu sagen: Wenn man sich darauf einlässt, dass man hier kein zweites Persona 5 bekommt, dann wird man sowohl als Fan- als auch als klassischer JRPG-Fan ziemlich glücklich. Persona 3 Reload kommt qualitativ nicht ganz an Infinite Wealth ran, aber es ist ein ziemlich frühes Highlight im Spieljahr 2024.  

Übrigens: Trotz unterschiedlicher Spielmechaniken würde ich mich über ein ähnliches Treatment beim Ur-Persona (US-Version: Revelations: Persona) sowie bei Persona 2: Innocent Sin und Eternal Punishment freuen. Insbesondere eine Wiederkehr des Gerüchte-Systems aus dem zweiten Teil würde mir in moderner Form außerordentlich gut gefallen. Please ATLUS!

 

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Grafik - 7.9
Story - 8.2
Technik - 7.7
Umfang - 9.5
Spielspass - 9.1

8.5

Tolles Remake des stylishen PlayStation 2 JRPG-Klassikers und ein Highlight im frühen Spieljahr 2024. Man merkt aber trotz aller Modernisierungsmaßnahmen oftmals, dass es sich um die aufpolierte Fassung eines frühen Franchise-Eintrags handelt.

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