Erinnert sich eigentlich noch jemand daran, dass Rainbow Six früher mal eine Simulation war? Und dass es neben Rainbow Six auch noch andere Polizeisimulationen gab, allen voran die altehrwürdige SWAT Reihe von Sierra Entertainment? Ich schon, den für den jungen Teenager, der ich damals war, war das eine Offenbarung. Man muss gar nicht alle abknallen und ist nicht Judge Dredd persönlich und dann muss man sich auch noch mit seinem Team überlegen, wie genau man die Tür aufbricht, um Zivilisten und nicht zuletzt auch das eigene Team zu schützen? Konnte ich damals nicht fassen und ehrlich gesagt, habe ich das vor lauter Call of Duty & Far Cry-Ballerorgien auch nicht mehr erwartet. Aber falsch gedacht, denn Void Interactive wollen meine Kindheitserinnerungen in die Gegenwart holen. Also setzen wir uns den Helm auf und fahren mit dem Martinshorn in die Rezension zu Ready or Not. Ob ihr bereit seid oder nicht!
Viva Los Suenos – Das Böse schläft nie
Wir schlüpfen in Ready or Not in die Rolle des Captains des örtlichen SWAT Teams und haben als solcher ein ziemlich unentspanntes Leben. Nicht nur, dass man in der fiktiven Großstadt Los Suenos seine Räumlichkeiten im Polizeirevier und seine Untergebenen verwalten muss, man muss auch ständig um sein Leben fürchten. Denn als SWAT Team muss man da rein, wo es der Streifenpolizei zu heiß wird und das bedeutet dann das häufig gewaltsame Aufbrechen von Geiselsituationen, Festnahmen von potentiellen Kapitalverbrechern und das Sichern von Beweisen. Zwar gibt es einen Metaplot, aber im Fokus stehen hier schon ziemlich eindeutig die einzelnen Missionen. Und deren Präsentation wird Veteranen der frühen Rainbow Six und SWAT-Teile direkt überzeugen, denn jede der 18 Missionen kommt mit einem authentisch wirkenden Briefing, bei dem man neben den eigentlichen Missionsparametern auch Dossiers über die Hauptverdächtigen, gut geschauspielerte Notrufe und potentielle Zugangswege nähergebracht bekommt. Das sorgt für die nötige Atmosphäre, denn bei keinem der beschriebenen Punkte halten sich die Entwickler zurück: In Los Suenos wird Meth gekocht, die eigene Familie als Geisel gehalten und es häufen sich auch Hinweise auf entführte Kinder.
Commander-Mode – Captain sein ist kein Geschenk
Als Hauptmann hat man viel zu tun. Nachdem man im Tutorial durch die fast schon lähmende Anzahl an Handlungsoptionen geleitet wird, merkt man schnell, dass man Ready or Not nicht so schnell mit Call of Duty verwechseln kann. Einfach los und alles umholzen, was einem vor die Flinte kommt ist nämlich kaum möglich und ganz bestimmt nicht sinnvoll. Und darum macht man alles in kleinen Schritten: Am Anfang jeder Mission startet man im Polizeirevier, dem Hub für das Spielgeschehen und kann sich hier, zugegebenermaßen ziemlich langsam, frei bewegen, Missionen im Briefingraum auswählen oder das umfassende Waffenarsenal austesten. Das ist auch bitter nötig, denn die Auswahl an Waffen und dazugehörigen Modifikationen ist groß und kann für jedes Teammitglied individuell angepasst werden und so auch maßgeblich das Vorgehen bestimmen. Da es schließlich nicht das Ziel ist möglichst viele Tote am Einsatzort zu hinterlassen, kann man sich beispielsweise mit ballistischen Schilden oder einem Hybriden aus Paintballmarkierer und Pfefferspray ausstatten. Ebenso verwaltet man hier seine Kameraden, die auch kleine Fähigkeiten freischalten können, wenn sie sich regelmäßig an Einsätzen beteiligen und dort auch wieder heile rauskommen. Der Bonus ist aber zugegebenermaßen so gering, dass er kaum ins Gewicht fällt. Gewichtiger hingegen sind die Mali, denn wenn man sich nicht gut anstellt und Kameraden gestresst sind, müssen sie zum Doc um sich psychisch oder physisch zu erholen und fallen dann auch mal für Einsätze aus. Außerdem kann man durch Erfolge auch einige neue Ausrüstungsgegenstände freischalten, die aber in der Regel kosmetischer Natur sind.
Gefahr im Verzug – Gameplay in der Kampagne
Hat man sich das umfassende Briefing reingezogen und sein Team entsprechend der Gefahrenlage ausgestattet, wird man im Mannschaftswagen zum Einsatzort gebracht und ist von hier an sich selbst überlassen und muss gleich ein paar beinharte Entscheidungen treffen! So beginnt man dieselbe Mission zwar immer an der selben Stelle, die Verteilung der Gegner und Zivilisten ist aber in einem gewissen Rahmen zufällig und somit bei jedem Playthrough individuell und überraschend. Das kann man übrigens ziemlich schnell selbst rausfinden, denn wenn man sich spontan für eine rambomäßige Einmannstrategie entscheidet, endet man ziemlich schnell als Sieb am Boden. Um das zu verhindern gibt einem das Spiel ziemlich viele Fähigkeiten mit an die Hand und überlädt die Tastatur fast. Das reicht von total essentiellen Fertigkeiten bis zu reinem Flavour-Kram, der die Atmosphäre steigert. Essentiell ist dabei beispielsweise das individuelle Handling der Waffe, denn man kann jederzeit auswählen ob man im Einzelfeuer oder Dauerfeuer schießen möchte, kann optional eine Taschenlampe oder einen Laserpointer hinzufügen und nachladen. Dabei trackt das System übrigens den aktuellen Munitionsstand für die einzelnen Magazine; Lädt man wie ein Videospielveteran nach jedem kurzen Feuerkampf nach und tauscht dann sein Magazin, kann man gerne mal das alte Magazin heranziehen in dem nur noch zwei, drei Schuss übrig waren. Dabei ist die Detailtreue ziemlich beeindruckend, denn man kann auch die Ladetaste halten, um dem Spiel zu zeigen, dass man es eilig hat und lässt so das aktuelle Magazin auf den Boden fallen, statt es wieder einzupacken. Außerdem kann man aussuchen, ob man die Waffe im Anschlag haben will oder eben nicht. Ob sich das auf das Geschehen auswirkt, ist mir persönlich nicht aufgefallen, aber wenn man sich richtig in der Rolle des Elitepolizisten verlieren will, dann steht einem Ready or Not nicht im Weg. Aber man hat nicht nur super viele Möglichkeiten für sich selbst, sondern auch für das Team, man startet nämlich immer als Fünferteam, dass sich jederzeit splitten lässt, so dass man gemeinsam oder als Kommandeure von zwei Zweierteams agieren kann. Und damit das auch sinnvoll ist, kann man kontextsensitive Befehle geben und per Mausrad bestimmen, wer die Befehle verfolgen soll. Dabei hängt es davon ab, was man letztendlich machen will: Die Kameraden können sich vor einer Tür aufstellen und dann einfach in den Raum springen und für Ruhe sorgen, alternativ können sie aber auch vorher eine Blendgranate in den Raum werfen oder gleich die Tür sprengen. Dabei stellen sich die Kollegen übrigens ziemlich patent an und sind durchaus zuverlässig. Sie folgen nämlich automatisch den Rules of Engagement, versuchen erst per Ansprache für Frieden zu sorgen, bevor sie auf die Bleispritze umsteigen. Und das kann man sich natürlich auch über eine zuschaltbare Helmkamera beobachten. Die Kollegen nehmen übrigens auch nach einem kurzen Moment selbstständig Verdächtige und Zivilisten fest und sichern Beweise und Waffen. Zwischenspeichern gibt es übrigens nicht, daher ist jede Fehlentscheidung ziemlich bitter! Zumal man bei einem Neustart mit einer angeschlagenen Crew rechnen muss!
„Pixel-Verkehrskontrolle – Technik auf dem Prüfstand
Die Detailverliebtheit ist in Ready or Not aber nicht unbedingt gleichmäßig verteilt. Klar, die Waffen und Ausrüstung sind fast fotorealistisch und auch die Beiträge in den Briefings sind ziemlich immersiv, aber im eigentlichen Spiel bleibt das ganze etwas auf der Strecke. So stellen sich die KI-Gegner bei jedem Spieldurchlauf ein bisschen anders auf, gleichzeitig wirken sie dadurch aber auch etwas beliebig platziert. Auch die Schauplätze selber sind gelegentlich so leblos, dass sie selbst einen Notruf rechtfertigen. Neben den Gegnern und vereinzelten Zivilisten ist nämlich nix los, keine Polizeiwagen, Passanten oder Medien, die man ja sonst fast mit Gewalt von Tatorten fernhalten muss. Das steht im starken Kontrast zu den überaus detaillierten Tatorten selbst, denn die Regale in der Tankstelle sind gut gefüllt, es finden sich auch Hinweise auf andere Straftaten. Ebenso ambivalent sind die Charaktermodelle. Klar, die eigenen Cops haben detailierte Kleidung und die Nichtspielercharaktere tragen passende Outfits, aber die Animationen sind irgendwie unspektakulär. Die eigene Crew hat keine einzigartigen Animationen, klaubt man Beweismittel auf, wird aus dem Nichts aus der Waffe ein gepolsterter Briefumschlag und alle Modelle gehen auf dieselbe Art in die Knie. Das tut dem Spiel keinen Abbruch, aber da geht halt noch einiges. Außerdem ist das Spiel in der Release Version auch nicht besonders flüssig. Die gute, aber nicht spektakuläre Grafik gerät bei meinem Rechner mehr als nur manchmal ins Stocken, obwohl meine Specs locker ausreichen.
Fazit:
Ready or Not ist ein Spiel in einem Genre, auf das ich lange gewartet habe. Ehrlich gesagt, weiß ich jetzt aber auch nicht mehr wieso eigentlich. Auf dem Papier ist alles ziemlich gut: Die Grafik ist ordentlich, die Einsätze sind authentisch und im Polizeirevier kann man sich nach Herzenslust austoben. Aber häng ich bei dem Spiel jetzt richtig am Haken? Irgendwie nicht. Als Solospieler ist mir vieles zu hektisch, aber gleichzeitig auch zu langsam, die Steuerung empfinde ich als überladen und vielleicht bin ich auch nur langsam weich geworden, aber ich würd ja schon gerne speichern! Taktikfans, die gerne mit ihren Freunden im Coop zocken, könnten hier aber bedeutend glücklicher werden, denn nur weil ich persönlich nicht wirklich Fan von Ready or Not geworden bin, würde ich es dennoch empfehlen!
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Fazit
Story - 7
Grafik - 7.5
Technik - 8
Umfang - 9
Spielspaß - 7.5
7.8
Ready or Not ist ein auf Realismus getrimmter Taktikshooter, der vor allem im Koop überzeugen kann. Das behäbige Gameplay, dass wenige Fehler verzeiht ist aber nicht für jeden Geschmack geeignet.