Ein Haufen von Ex-Witcher Entwicklern tut sich mit Team17 zusammen und bringt ein neues Echtzeitstrategiespiel mit Rollenspielelementen in einer düsteren Fantasywelt, inspiriert von slawischen Sagen heraus!? Das klingt ja wie eine Buzzwordkette, die extra verfasst wurde um mich anzulocken! Klappt das? Auf jeden Fall klappt das. Ob es sich aber auch lohnt, oder ob ich umsonst beschworen wurde, erfahren wir in dieser Rezension.
Ein finsterer Gord
Die Welt ist irgendwie im Eimer. Vor einiger Zeit gab es einen etwas aus dem Ruder gelaufenen Kampf zwischen dem Gott des Lichts und dem Gott der Dunkelheit und den Sieger erkennt man ziemlich sicher daran, dass die Sonne seit einer ganzen Weile nicht mehr aufgegangen ist. Die Situation wäre an sich schon ziemlich mau, nicht zuletzt, weil es nun auch Ungeheuer gibt, die sich in der Finsternis pudelwohl fühlen. Und in dieser Welt seid auch ihr unterwegs. Nicht als Held in strahlender Rüstung oder im Gewand eines Magiers, sondern als ziemlich mondäner Anführer eines kleinen Stamms. Dieser setzt sich zusammen aus einer Handvoll ziemlich mickriger Gestalten, die mit den Helden der Märchengeschichten kaum weniger gemein haben könnten. Und als ihr munterer Anführer wird man von einem in Ungnade gefallenen Gesandten des Königs in den Dienst gezwungen und muss sich von seiner eigenen, verhältnismäßig sicheren Ecke der Gruselwelt direkt ins Herz der Finsternis begeben, um so irgendwie einer feindlichen Streitmacht zu schaden. Es ist halt viel los…
Und das ist auch echt gut so, denn das Setting und die Erzählung der Geschichte ist ehrlich gesagt das Highlight des Spiels der polnischen Entwickler mit Witcher-Erfahrung. Die Geschichte sieht über weite Teile aus, als hätte man die ein oder andere Storyline aus dem Witcher-Blackbook geklaut und das meine ich als absolutes Lob. Egal ob durch düstere Standbilder, die an Comics auf Pergament erinnern, oder Ingame-Grafik, die Geschichten werden gut erzählt und die Dilemmata, denen man scheinbar in polnischen Spielen immer wieder begegnen muss, sind angemessen hart und wirken sich auch tatsächlich auf das Gameplay aus. Der windige Gesandte und auch weitere Charaktere, wie die wilde Hexe, sind dabei überzeugend vertont und stehen in Sachen Design den Protagonisten aus Riva & Co in nur wenigen Belangen nach; Sie sind bloß weniger hübsch anzusehen.
Gord ist Mord – Basenbau für Basenbaumuffel?
Vielleicht liest es sich nach dem Intro ein wenig so, aber Gord ist überhaupt kein Textadventure oder Rollenspiel im klassischen Sinne, sondern viel mehr ein Strategiespiel mit Fokus auf die wenigen Einheiten, die einem eben zur Verfügung stehen und einer Prise Basenbau. Ehrlich gesagt ist das bei dem Namen etwas erstaunlich, denn Gord ist nicht nur eine 1A Vorlage für sau schlechte Wortwitze, sondern auch ein Begriff für kleine Siedlungen unserer östlichen Nachbarn und so liegt der Verdacht recht nah, dass eben das Erstellen der Forts einen größeren Fokus spielen sollte. Und das ist auch der Fall, denn die Level folgen meistens dem selben Prinzip: Aus verschiedenen Gründen erreicht man mit seiner kleinen Gruppe einen neuen Bereich und erschließt die Karte dann mit Hilfe des selbstgebauten Gords. Dazu zieht man einen Holzwall in einem passenden Bereich und steckt so sein neues Heim ab. Dieses neue Reich weist eine ziemlich überschaubare Größe auf und so wird man gezwungen abzuwägen, welche Gebäude man in der jeweiligen Mission am besten gebrauchen kann, denn Platz für alle ist nicht vorhanden und auch die Ressourcen sind nicht unbegrenzt. Das führt dazu, dass die Basen eigentlich immer relativ ähnlich sind, auch wenn man sie durch die Positionierung und freies Drehen etwas an den eigenen Geschmack anpassen kann. Wie und wo die Gebäude stehen ist am Ende aber fast egal, weil die Arbeit unabhängig vom Bauort innerhalb des Gords erledigt wird und der Aufbauteil an sich nicht besonders komplex ist. Und der Ablauf ist dabei meistens auch gleich, denn der Start muss mehr oder zwangsläufig über die Ressourcenlager beginnen. Gord hat mit Holz, Schilf, Nahrung und später auch Gold und Metall recht viele Ressourcen, die von den Bewohnern eingesammelt werden wollen. Das geht häufig sogar auf unterschiedliche Weise, so kann man zum Beispiel Nahrung in Form von Beeren aus Büschen klamüsern oder seine Dorfgemeinschaft auf die Jagd schicken. Verschiedene Faktoren beeinflussen übrigens die Wahl, denn die eigenen Leute haben Werte, die sie für bestimmte Tätigkeiten effizienter machen. So gibt es Pazifisten, die bei Kämpfen ziemlich hilflos werden und Ackergäule, die durch Erfahrung besser Holz hacken können als blutige Anfänger. So werden die eigenen Bewohner im Prinzip auch zu einer Ressource, da jeder Job nur von einer eingeschränkten Zahl an Arbeitern ausgeführt werden kann und die Truppe normalerweise nicht planbar erweitert wird. Klar, man kann immer mal wieder potentielle Neuankömmlinge in der Wildnis finden oder es werden Kinder gezeugt, die zwar nicht kämpfen, doch aber bei der Arbeit mit anpacken können. Aber einfach mehr Arbeiter bauen ist halt nicht. So richtig flexibel ist man andererseits aber auch nicht, denn den Startort muss man mehr oder weniger zwangsweise im Startgebiet des Levels bauen, weil man die Sicherheit der Palisade dringend braucht und so baut man jedes Level aufs Neue ungefähr den gleichen Gord nochmal. Das ist irgendwie Schade, weil man sich so emotional gar nicht an die eigene Festung bindet, weil sie im Prinzip nur ein Absprungpunkt für die aktuelle Mission darstellt und man dann wieder bei Null anfängt.
Oh mein Gord, sie haben Kenny getötet! – Rollenspielelemente und Strategie in homöopathischen Mengen
Aber machen wir mal weiter mit den Elementen, zu denen man eine Bindung eingehen können sollte: Den Siedlern. Diese sind ein zusammengewürfelter Haufen Leute, die eben das sind: Einfach irgendwer. Zumindest am Anfang, denn es gibt zwar Aussehen und Namen, die man anpassen kann, sowie ein paar der eingangs genannten Eigenschaften, der Rest ist aber noch ein unbeschriebenes Blatt. Ähnlich wie bei Skyrim verbessert die ungefähr ein Dutzend Personen starke Crew ihre Fähigkeiten und wird so effizienter im Ressourcenabbau oder wird in Kämpfen stärker. Zumindest auf dem Papier, denn im Spielgefühl schlägt sich das kaum wieder, denn fast jeder kann alle Aufgaben erfüllen, wenn man ihn dem passenden Gebäude zuordnet.
Hat man zu Hause die Ökonomie erstmal ans Laufen gebracht, kommt man zum spannenderen Teil des Spiel: Die Gegend gilt es zu erkunden. Und da sollte man auf keinen Fall blind in die Heide rennen, denn schon einzelne Wölfe können eine echte Bedrohung sein, denn unsere Wald-und Wiesen Dörfler sind keine strahlenden Helden. Zumindest am Anfang, denn behält man sorgfältig die Lebensleiste im Auge, gewinnen die Krieger an Erfahrung und können sich auch mit Ausrüstungsgegenständen ausstatten. Aber die körperliche Gesundheit ist nicht alles, man muss auch aufpassen, dass es den tapferen Recken auch psychisch gut geht, denn die Horrorelemente, die ewige Dunkelheit und der mögliche Verlust von Freunden und Bekannten können die Bewohner runterziehen. Da kann man dann nur Hilfe schaffen, indem man die Betroffenen im Licht entspannen lässt oder sie in die Kneipe schickt. Währenddessen können sie dann aber auch nichts anderes machen. In seinen besten Momenten erinnert Gord ein wenig an die Levels ohne Basenbau in Warcraft 3 oder Starcraft. Und die mochte ich irgendwie immer am liebsten. Und so ist die Erkundung auch der beste Teil des Spiels, dem aber immer mal wieder ein paar eigenartige Probleme im Weg stehen. Das beginnt bei dem eigenartigen Bloom, der über dem ganzen Spiel liegt und durch die Weichzeichner dem ganzen Spiel vermutlich einen traumartigen Look verpassen soll, aber für mich irgendwie nicht richtig stimmig mit der düsteren Stimmung zusammenpasst. Dazu ist die Steuerung irgendwie unintuitiv, oft passen eigentlich genretypische Hotkeys nicht und alles ist ungewohnt hakelig. Dazu kommt, dass Gord schnell unübersichtlich wird, so sind Kämpfe beispielsweise ein großes Hauen und Stechen, bei dem man eigentlich nur zuschauen kann, aber zumindest in der Testversion haben Gegner und eigene Einheiten so ähnliche Lebensbalken, die sich gegenseitig überlagern. Darunter leidet dann die Kontrolle. Und die sollte man in einem so ernsten Spiel haben, da Fehler schnell zum Tod führen.
Auf der anderen Seite stehen tolle Ideen, denn man trifft während der Abenteuer nicht nur auf einfache Bauern, sondern trifft auch eine Magierin, die einem der primitiveren Stämme angehört und einem dann auch etwas Zauberei ermöglicht, die ähnlich wie bei Game of Thrones auch einen hohen Preis zu haben scheint. Außerdem ist ein weiteres Hauptfeature, mit dem sich Gord von ähnlichen Spielen absetzen will die Begegnung mit großen Bossgegnern. Die stellen den Spielenden dann vor (vermeintlich) schwierige Entscheidungen. Der erste Gegner dieser Sorte ist beispielsweise ein fetter Blob, der die Bewohner des Gords vor eine Entscheidung stellt: Stellt man sich einem harten Kampf, bei dem die Bewohner ihr Leben verlieren könnten oder bringt man dem Bösewicht eines der Dorfkinder als Opfer dar und umgeht so den Kampf. Klingt cool und atmosphärisch, in der Praxis kann man den Blob aber auch mit etwas Glück und soliden zwei Dodges auch einfach kaputtkloppen.
Fazit:
Ach Mann. Irgendwie find ich alle Einzelteile von Gord ziemlich gut, aber für mich springt der Funke nicht über. Man bindet sich nicht wie bei X-COM an die Charaktere, die Kämpfe sind eher simpel und der Basenbau jedes Mal aufs Neue ist auch nicht immer superspannend. Gord macht eigentlich nicht viel falsch, aber würde ich Gord dazwischenschieben, wenn es gerade Baldurs Gate gibt? Leider nein.
Bei Steam kaufen:
Beim Microsoft Store kaufen:
Beim PlayStation Store kaufen:
Fazit
Grafik - 6.5
Story - 8
Technik - 5.5
Umfang - 6.5
Spielspass - 6
6.5
Gord ist Strategiekost mit vielen guten Einzelideen, aber durchwachsenen Designentscheidungen, die das Ganze zu einer vergleichsweisen zähen Geschichte machen. Schade, denn die düstere Welt und ihre Lore können was.