Xbox-Chef Phil Spencer beklagt Niederlage im Konsolenwettbewerb und den Launch von Redfall

Obgleich es der Xbox-Marke im direkten Vergleich zu den Mitkonkurrenten Sony und Nintendo nicht ganz so gut geht, wirkt der Chef der Xbox-Sparte Phil Spencer meines nach wie vor wie ein Good Guy innerhalb der Gamingbranche, dem es um die Spielerschaft geht und der auch durchaus in der Lage ist, eine ungeschöntere und reflektiertere Form von PR zu machen. So etwa in der jüngsten Folge des Kinda Funny Games Xcast Podcast:

Der Executive Vice President of Gaming bei Microsoft sagte in diesem Zuge, dass die Xbox One-Generation in die Zeit gefallen sei, in der die Spieler*innen plötzlich anfingen, verstärkt digitale Spiele-Bibliotheken aufzubauen. Auf den fortlaufenden Generationen (derzeit eben Xbox Series S|X) könnten sie diesen digitalen Backlog direkt in die jeweils neue Generation nehmen, und zugleich weiterhin die Live-Service-Titel der Marke Fortnite zocken.

Ein Vorwurf, welcher bei der Xbox häufig im Raum steht, ist jener, dass Microsoft die Marke als Konsolenplattform aus dem Blick verloren habe, weil man sich zu sehr auf den PC-Markt konzentriere. Während Sony und Nintendo ihre Hardware beständig mit hochqualitativen First Party-Exclusives bedienen, fährt Microsoft hier gerade mit dem Aboservice Game Pass eine gänzlich andere Schiene. Richtige Top-Exclusives sind auch in diesem Jahr rar gesät – viele Xbox-Titel erscheinen verspätet. Als Spencer mit Blick auf diese Frage antwortet, begründet er die „andere Strategie“ der Redmonder: Microsoft würde sich irren, sollten sie glauben, allein durch großartige Konsolenspiele die beiden Platzhirsche Nintendo und Sony im Bezug auf die Hardware-Verkäufe in irgendeiner Form übertrumpfen zu können. Deshalb verfolge man im Gegensatz zu den japanischen Konkurrenten die Strategie eines übergreifenden Ökosystems: Man wolle die Vision der Entwickler erfüllen, dass alle Spieler*innen ihre Spiele auf jedem denkbaren Bildschirm spielen können – sei es Smartphone, Fernseher, PC oder andere vergleichbare Endgeräte.

Nicht daran interessiert Sony und Nintendo zu übertreffen, stattdessen Fokus auf ganzheitliches Ökosystem

„Wir sind nicht daran interessiert, Sony oder Nintendo zu übertreffen“, so Spencer überraschend selbstkritisch, „es gibt nicht die eine großartige Lösung oder gar einen Sieg für uns. Und ich weiß, das wird eine Menge Leute verärgern, aber es ist einfach die Wahrheit: Wenn man auf dem Konsolenmarkt an dritter Stelle steht und die beiden Top-Player derart stark sind, wie sie es sind, und sie in bestimmten Fällen einen sehr, sehr speziellen Schwerpunkt auf Deals und andere Dinge haben, dann erschwert uns das als Team die Möglichkeit, Xbox zu sein – das liegt an uns, nicht an jemand anderem (…) Ich sehe Kommentare, dass sich alles zum Guten wenden würde, wenn man bloß herausragende Spiele entwickeln würde. Es ist aber einfach nicht wahr, dass, wenn wir losmarschieren und fantastische Spiele entwickeln, dass sich der Anteil der verkauften Konsolen auf dramatische Weise verändern wird.“

An der Stelle könnte man natürlich kritisieren, dass Microsoft die Zugkraft hochkarätiger Software ziemlich unterschätzt. Das Zeitalter der Systemseller ist schlicht und ergreifend nicht vorbei. Und ich denke, ein Fable in Metacritic Regionen von 90+ würde nach wie vor für ordentlich Konsolenverkäufe sorgen. Aber Microsoft müsste für einen konstanteren Fluss an Titeln sorgen und durchaus zielführender in Produktionsprozesse eingreifen  – bei Sony ist die Qualitätssicherung derart hoch, dass jeder Blockbuster Titel zündet: Uncharted, The Last of Us, Ratchet and Clank, Spider-Man, God of War, aber selbst Experimente wie Returnal sind schlicht hervorragend und zeigen die Stärken der Konsole. Selbst die „schlechtesten“ Titel sind mindestens gut, wie etwa ein Days Gone von den Bend Studios. Ein Titel, der bei Sony mit Blick auf die hohe Messlatte der restlichen Exclusives nicht mehr fortgeführt wird, würde auf der Xbox derzeit mit Kusshand aufgenommen werden. Und das ist problematisch.

Mit der Xbox One die schwerwiegendste Generation verloren

Spencer führt fort: „Wir haben mit der Xbox One-Generation die schwerwiegendste Generation verloren, in der jeder seine digitale Spielebibliothek aufgebaut hat. Wir wollen, dass sich unsere Xbox-Community großartig fühlt, aber die Vorstellung, dass wir das Konsolenrennen gewinnen würden, wenn wir uns nur auf großartige Spiele auf unserer Konsole konzentrieren würden, entspricht meines Erachtens nicht der Realität (…).“

Spencer behauptet im Kontext seiner Ausführungen, dass 90 % der Leute, die jedes Jahr eine Konsole kaufen, bereits ein Videospielsystem von Sony, Microsoft oder Nintendo besitzen und deren Library bereits auf diesem Ökosystem lebt: „Dies ist die erste Generation, in der die großen Spiele, die Menschen spielen, bereits in den letzten Generationen verfügbar waren. Denkt man etwa an Fortnite, Roblox und Minecraft, ist die Kontinuität von Generation zu Generation sehr stark ausgeprägt.“

Er verweist darauf, dass wir eben nicht mehr in einer Welt leben, in der eine neue Konsolengeneration mit Discs und Modulen eine Art Reset sei – und zwar sowohl für die Spieler*innen als auch für den Wettbewerb. Es gäbe keine Welt, in der Starfield in den Reviews mit 11 von 10 Punkten bewertet werden würde und die Leute deshalb anfangen, ihre PS5 zu verkaufen.

Allerdings ist auch diese Aussage im besten Fall kritikabel: Nintendo setzt mit der Switch weiterhin auf Cartridges – Das eshop „Ökosystem“ ist weder kompatibel mit dem Wii U-Vorgänger, noch mit der Nintendo 3DS-Infrastruktur. Es gibt buchstäblich keine technische Kontinuität zwischen den Plattformen. Eine Kontinuität gibt es aber bei einer anderen Sache, die Microsoft hier einfach zu unterschätzen scheint: Zugkräftige Marken wie Mario, The Legend of Zelda und Pokémon, die qualitativ weitgehend ziemlich polished sind (Pokémon Karmesin und Purpur mal ausgenommen). Zusammen mit der Innovation „hybrider“ Hardware, mobil und stationär, hat man hier ganz augenscheinlich einen Nerv getroffen, den man mit dem Multimedia Center Xbox One damals eben nicht zu treffen vermocht hat.

Ausführungen zum Redfall Debakel

Und technisch stabile Software ist an dieser Stelle auch ein gutes Stichwort: Auch zum Redfall Debakel äußert sich Phil Spencer im Zuge des Podcasts. Er übernehme die „volle Verantwortung“ für den desaströsen Launch des Vampir-Shooters von Arkane Studios Austin und Bethesda Softworks. Dieser fiel sowohl bei Presse, als auch bei der Spielerschaft durch. Spencer gab dahingehend an, dass das Onboarding des Studios an Microsoft nicht optimal gelaufen sei. Er wolle, unzufrieden wie er sei, die Prozesse neu evaluieren lassen. Das Spiel, das auch Teil des Game Pass ist, werde in jedem Falle beständig unterstützt und verbessert.

Das Xbox-exklusive Redfall wurde mit äußerst negativen Bewertungen bedacht

Das Xbox-exklusive Redfall wurde mit äußerst negativen Bewertungen bedacht
© Microsoft / Bethesda Softworks

Die Entwickler von Arkane sind bekannt für ihre Immersive Sims wie Dishonored, oder gerade die Austin Division für das wirklich hervorragende Prey. Insofern ist der uninspirierte und technisch desolate Shooter wirklich eine große Enttäuschung, die viele Spieler*innen an der Xbox-Marke zweifeln lässt.

Spencer wollte hier die Wogen glätten und verwies auf den großen Hoffnungsträger Starfield. Das Weltall-Rollenspiel sei ein extrem wichtiger Titel für Microsoft und die Xbox-Sparte. Man wolle hier einen „besseren Job“ in Sachen Support schaffen als noch bei Redfall.

Man wolle künftig stärker in die Entwicklungsprozesse eingreifen, anstatt den bisherigen „Laissez faire“-Kurs zu fahren. „Wir müssen uns mehr in die Spielenentwicklung einbringen, die während der Produktion Teil von Xbox werden.“

Viele der Aussagen, gerade die zum dritten Platz im Konsolenwettbewerb, lassen sich aber auch als Zeilen verstehen, die an die Kartellämter gerichtet sind. Der Activision-Blizzard Deal ist nach wie vor in der Schwebe und als (großer und finanzschwerer) Underdog der Branche versucht Spencer wohl die Acquisition des Publisherkonglomerats zu legitimieren.