Comic Review: Justin Jordan: Luther Strode – Ein dicker Klopper

Luther Strode ist ein dicker Klopper. Damit ist die Rezension eigentlich auch schon durch, denn der Comic vertritt dieses Konzept auf fast beispiellose Weise. Schon alleine physisch ist der Sammelband ein Schwergewicht, denn Cross Cult haben hier alle 18 Ausgaben mitsamt Bonusmaterial zu einem wuchtigen Wälzer mit über 500 Seiten zusammengebunden. Für 40€ kriegt man also ordentlichen Content. Aber auch inhaltlich ist das ganze Ding eine Gewaltorgie im Großformat.

Luther Strode ist am Anfang nämlich das komplette Gegenteil von einem Helden. Der schlaksige Typ, dem wir am Anfang des Comics begegnen ist ein klassisches Opfer. Und das sehe nicht nur ich so, denn in der Schule wird der Teenager immer wieder aufgezogen oder gleich von seinen Bullys verhauen. Da hilft auch sein dicklicher Sidekick nicht, der zwar immer Verständnis aufbringt, aber bei körperlichen Eskalationen gediegen im Hintergrund bleibt. Auch dann, wenn Luther vor seinem Schwarm Petra durch die Mangel gedreht wird. Kann so ja nicht weitergehen. Findet Luther auch und tut das einzig vernünftige: Er kauft sich ein Selbsthilfebuch über einen zufällig gefundenen Flyer. Und im Gegensatz zu Kollegahs Bosstransformation kann der Protagonist schon in kürzester Zeit Erfolge verbuchen und geht muskeltechnisch direkt auf wie ein Hefekloss. Paybacktime. Findet sogar Petra cool, aber was macht man mit dieser neuen Macht? Klar, Superheld spielen. Der Job bringt neben seinen Tücken auch viel Langeweile mit. Bis man plötzlich keine mehr hat, denn der Superhelden-Azubi trifft ziemlich schnell auf gleichwertige Gegner, die sich nicht so leicht vertrimmen lassen, wie Luthers erste Gegner. Dann wird’s übernatürlich.

Soviel zum Einstieg. Soweit haben wir die immer noch nicht lame gewordene Grundidee vom Normalo, der zum Superhelden wird. Erinnert immer wieder an Kick-Ass, leider erreicht Luther Strode aber nie die Stärken des wohl berühmtesten Vertreters des Genres und so wird die Gewalt zum tragenden Element und das Gesamtwerk leidet an einem Blutsturz. Aber laden wir den Patienten mal auf den OP-Tisch und führen einen chirurgischen Bodycheck durch, um zu sehen, ob der Patient noch zu retten ist.

Seine Stärken entfaltet Luther Strode vor allem in seiner technischen Umsetzung. Die Zeichnungen und Kolorierungen von Felipe Sobreiro und Tradd Moore tragen die eigentliche Handlung über manch eine Schwäche hinweg. Alle Szenen sind dynamisch in Szene gesetzt und bieten neben der reinen Rohheit der Gewalt auch kreative Kills, die sich vor Mortal Kombat, Crossed und Hitman nicht verstecken müssen. Comics sind aber eben nicht nur Bilderbücher, sondern sollten meiner Meinung nach auch eine Geschichte erzählen, die auf eigenen Beinen steht. Die sind aber offenbar vom Autor ähnlich erbarmungslos gebrochen worden, wie es sein Protagonist auch tun würde. Sieht also gut aus, da klatschen wir ein Pflaster mit Smilie drauf.

@Cross Cult 
Der beste Witz der Reihe

Aber führen wir die Diagnose mal weiter und schauen Luther auf Herz: Seine Handlung. Die Geschichte ist eine Art Urban Fantasy mit einer kleinen Villain Gallery, die sich vor allem aus historischen oder biblisch-mystischen Charakteren speist. Das klingt im Konzept erstmal cool, wird aber viel zu oberflächlich und klischeehaft abgewickelt. Vielleicht ist das ein persönlicher Pet Peeve, aber ich hab´ mittlerweile genug von Jack the Ripper-Auftritten in den Medien. Das ist seit Alan Moore nicht mehr innovativ und auch hier keine Ausnahme und so wird auch hier der erste medial hochgehypte Serienkiller als erster mächtiger Antagonist verwendet, der natürlich auch übernatürliche Fähigkeiten hat. Also zumindest im Rahmen der Comicreihe, denn hier kommen wir auf ein weiteres Problem: Alle Gegner sind austauschbar und zeichnen sich vor allem durch ihren, an die Realität angelehnten, Namen und ihre Unkaputtbarkeit aus. Dazu werden die Gegner kaum angekündigt und dann eben in ein paar Seiten verlascht. Achtung, jetzt gibt´s für mich eine persönliche Premiere: Das Prügelgenre ist ja nicht neu und viele haben das schon gemacht, speziell im asiatischen Raum. Und ich nehme jetzt tatsächlich mal einen Manga als Beispiel, wie man es besser macht: Dragon Ball. Gut, ist jetzt kein Geheimtipp, aber ich kenne mich mit Manga kaum aus und Dragon Ball ist nun mal auch für mich cool. Goku hat im Prinzip eine ganz ähnliche Motivation, denn er will stärker werden, um seine Ziele zu erreichen. Dazu trifft er immer wieder auf komplett hanebüchene Endbosse mit Weltzerstörungskräften. Und das wird nicht nur gesagt, sondern in einer Exposition auch mal gezeigt, da weiß man, mit wem man es zu tun hat. Und Goku rennt auch keine offenen Türen ein, sondern wird selbst erstmal vermöbelt, erkennt Schwachpunkte und trainiert dagegen an, um sich dann dem Gegner auf Augenhöhe zu stellen. Da hat man einen Charakter, der sich entwickelt. Das ist Storytelling. Luther trainiert am Anfang und wird dann zu einem völlig anderen Charakter.

Das nimmt One Punch Man (vielleicht kenne ich mich mit Manga besser aus als ich dachte…) sogar ironisch auf die Schippe. Aber die Ironie fehlt in Luther Strode und das ist schade, denn so ist die Gewalt einfach nur plump. Aber genug zu den Gegnern, widmen wir uns den beiden Helden. Zu Strode ist eigentlich schon fast alles gesagt, da er nach seinem Intro im Prinzip derselbe Kerl bleibt, der von Frieden schwafelt, aber gar keine Mätzchen macht, wenn es darum geht, gleich eine ganze Fussballmannschaft an Mooks in Stücke zu reißen. Wie inhaltsleer sein Konzept ist und wie wenig er überhaupt ein Charakter, statt nur einem Vehikel für explizite Gewalt ist, wird am Ende klar, wenn er sein Ziel einmal in Worte fasst: „Es besser machen“. Wow. Das ist nicht mysteriös oder tief, das ist einfach schwaches Handwerk, wenn es um den Ausbau der Charaktere geht. Und das hat hier Methode, denn Petra, Luthers Schwarm und Sidekick ist eine lächerliche Schablone. Eingeführt als die heiße Rebellen-Liebschaft, bei der ein Loser, wie Strode niemals landen könnte, ist sie nach ein paar Liegestützen seine Gefährten auf Ewigkeit und sabbelt ausschließlich Müll. Klar, die Idee eine sexy Punkerin als Sidekick zu haben, die flucht wie ein Rohrspatz ist eine durchaus vertretbare. Aber Petra flucht nicht lustig oder innovativ, sondern immer gleich und immer ordentlich über das Ziel hinaus und ist so kein cooler Rebell, sondern schlicht peinlich. Die anderen Charaktere sind blass und haben nichts zu melden. Ich wünschte, Petra wär‘ auch so. Wie beenden wir die Diagnose? Patient: Hirntot, aber lebt auf Grund der guten Technik.

 

@Cross Cult
So kontert der Fachmann übrigens einen Würgegriff.

Fazit: 

Luther Strode ist ein opulenter Klopper. Hinter den spektakulären Kämpfen versteckt sich eine austauschbare Geschichte mit blassen oder schrecklich nervigen Klischee-Charakteren. So schwankt man zwischen guter Optik und langweiliger Story. Schade, denn die Aufmachung ist super gelungen und gleich alle Ausgaben auf einen Schlag zu haben ist ein Konzept, dass mich direkt überzeugt. Nur für Genre-Fans.

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Luther Strode Hardcover Gesamtausgabe von Cross Cult 

Luther Strode Gesamtausgabe

Story - 3
Charaktere - 3
Illustration - 9
Umfang - 10

6.3

Opulenter Klopper mit schwacher Story und hanebüchenen Charakteren. Wird nur durch die dynamischen Zeichnungen gerettet. Luther Strode ist deshalb m.E. leider nur wirklich was für hartgesottene Genre-Fans.

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