Weird ist so ziemlich das perfekte Schlagwort um mein Erlebnis rund um Weird West zusammenzufassen.
Aber gehen wir das ganze mal von vorne an:
Ein neues Entwicklungsstudio aus ehemaligen Dishonored Machern? Nice.
Ein Setting rund um übernatürliches im Wilden Westen? Schönes Ding!
Ein Fokus auf ´ne gute Handlung? Count me in!
Day 1 Release im Gamepass? Ja, reicht ja schon, ich bin überzeugt und gespannt wie´n Flitzebogen. Klasse, die Vergleiche für ein Weird West Setting können also auch schonmal aufgewärmt werden.
Fängt doch schonmal prima an und mit diesen Vorabinfos habe ich mich umgehend in die Haut der fünf spielbaren Charaktere begeben und rund 30 Stunden lang eine weirde Zeit im Weird West erlebt.
Aber was macht die ganze Sache denn so weird?
Fangen wir von vorne an, nämlich mit dem tollen Zeug: In dem Topdown Shooter von Wolfeye Studios geht es um nicht weniger, als um das Verhindern des Weltuntergangs. Oder des Westuntergangs, irgendwie scheinen mir die Probleme da ja schon eher auf dem neuesten Kontinent begrenzt zu sein, aber man hilft wo man kann. Zumal die 5 Spielercharaktere nicht nur dem Metaplot folgen, sondern auch eigene Probleme mitbringen, die als Anreiz taugen um sich in die staubige Wüste des Wilden Westens zu begeben. Und das klappt soweit prima, denn die Dialoge sind klasse, wenn auch selten vertont und ziemlich dröge präsentiert. Und da sind wir schon beim ersten negativ-weirden Aspekt. Die (seltenen) Sprecher machen einen hervorragenden Job und ziehen einen sofort in die Welt, der Soundtrack tut sein übriges und die ziemlich stylischen Standbilder im Comicstil sind hammer. Das beißt sich dann aber sofort mit dem simsartigen Gebrabbel, dass man bei weniger wichtigen Charakteren verwendet. Ebenso schade: Die Grafik ists vom Artstyle an den Comiclook der Standbilder orientiert, erreicht den Charme aber nie. Personen bewegen die Lippen nicht, Animationen sind starr und die Kamera ist möglicherweise der eigentliche Endgegner des Spielers. Die ist dabei nicht nur hakelig, sondern kann auch so gedreht werden, dass man durch Mauern und Hindernisse durchschauen kann. Praktisch, aber sicher nicht vom Spiel intendiert, aber verschmerzbar. Klar, hier handelt es sich mit Sicherheit um eine Sparmaßnahme, aber durch den Bruch mit dem restlichen Style ist das ganze schlicht weird und nicht auf die angenehm gruselige Art, die das Setting verspricht.
Richtig komisch wird´s dann aber wenn es ums Gameplay geht. Weird West ist nämlich ein Top-Down Shooter mit Rollenspielelementen. Dass das auch bei modernen Spielen funktionieren kann, zeigte The Ascent erst vor kurzem auf ziemlich eindrucksvolle Weise. Weird West kann sich dabei aber nicht so richtig entscheiden, was es eigentlich sein will. Man läuft also mit beiden Sticks durch die Gegend und ballert auf Gegner. Soweit so gut, das macht die Konkurrenz auch. Was die Konkurrenz aber besser macht ist die Steuereung. Das Genre ist hektisch, da kann man 2022 nicht mehr mit so einem hakeligen Gezuckel um die Ecke kommen. Das Problem ist etwas schwer zu beschreiben und müsste eigentlich von jedem einmal ausprobiert werden. Man zielt häufig sonstwohin, ringt auf zwei Fronten gegen die Feinde und die Kamera und muss sich dann noch mit den unnötig mehrfach belegten Buttons herumschlagen, um siegreich aus den manchmal recht kniffeligen Gefechten herauszukommen. Das Grundgameplay fühlt sich dabei die meiste Zeit über ziemlich schlimm an, dabei gibt es eigentlich so viele gute Ideen. Man kann aus irgendeinem Grund fast alles einstecken, auch wenn die ganzen Zahnräder, Kerzenstummel und Hämmer gar keine Funktion haben. Gelegentlich findet man dann aber doch coole Dinge und kann sich dann beispielsweise mit einem Seil über den Kamin abseilen, statt sich durch die Haustür zu ballern oder kann mit Ölflaschen entzündbare Oberflächen schaffen. Das ist aber, wie gesagt, so hakelig, dass es sich kaum lohnt. Die RPG Elemente werden so also eher angedeutet. Deutlicher werden diese dann, wenn man die zwei Währungen entdeckt, die neue Fähigkeiten für den aktuellen Helden oder gleich für alle auf einmal freischaltet. Die liegen meistens gut versteckt in den Karten herum und müssen manchmal sogar über Schalterrätsel oder Schleicheinlagen ergaunert werden. In der Theorie super, aber auch hier schaffen es die Entwickler erneut das Game weird zu machen. In Weird West ists man nämlich selten alleine unterwegs, da man sich „Hilfe“ von KI-gesteuerten NPCs & Ex-PCs holen kann. Die Anführungszeichen sind übrigens absicht, denn die eigene Posse ist genauso dumm wie die komplett blöde KI der Gegner. Da passiert es nicht selten, dass die sich selbst anzünden, indem sie sich völlig ohne Not in Lagerfeuer stellen oder indem sie irgendwie vergessen, dass man mit der aufgemotzten Waffe vielleicht und unter Umständen auch mal zurückballern könnte. Dafür geben sie aber immer mal wieder ein paar gute Sprüche zum Besten und beleben so die Spielwelt merklich. Das Problem mit der KI muss den Entwicklern aber früh aufgefallen sein, denn immerhin werden die eigenen Mitstreiter bei Schleicheinlagen von den Gegnern ignoriert. Sieht blöd aus, aber ist besser als die Alternative. Also wieder: Fast toll.
Tja, und da stehen wir jetzt: Eine tolle Geschichte, übernatürliche Kreaturen, spielbare Werwölfe, reichlich blaue Bohnen und Gameplay, bei dem man sich etwas an den Kopf fasst.
Fazit
Grafik - 5
Technik - 3.5
Umfang - 9
Handlung - 10
Gameplay - 5
6.5
Weird. Es sieht doof aus und das Gameplay ist auch nicht zeitgemäß. Die Story ist aber richtig gut und die Entscheidungen des Spielers wirken sich auf die Handlung aus. Das ist tatsächlich genug, um sich durch das eigentliche Spiel durchzubeißen. Weird halt. Generell hab´ ich bei dem Spiel eine kleine Verschwörungstheorie: Das ganze Gameplay sieht aus, als wäre es im Anfangsstadium als rundenbasiertes RPG geplant gewesen, nur um dann kurz vor Release auf Echtzeit-Action umgenudelt zu werden. Find ich echt Schade, denn als X-Com-Variante wäre das Weird West ein echter GOTY Kandidat. Zumindest in jedem Jahr, in dem nicht auch Elden Ring erschienen ist...