Gamescom 2024: Zu Besuch bei ATARI und WayForward – Yars Rising – Kreatives Reimagining des ATARI 2600-Klassikers

Der Single Screen-Shooter Yar‘s Revenge für das ATARI 2600 dürfte einer der ikonischsten Titel für eine Plattform gewesen sein, die Konsolengaming seit den späten 1970ern maßgeblich in den heimischen Wohnzimmern etabliert haben dürfte. Im Laufe der Zeit hat es nun mehrere Versuche seitens ATARI gegeben, die Yars-Serie neu aufzulegen. 2011 etwa erschien ein modernes gleichnamiges (und tatsächlich ziemlich gutes) Remake als Xbox Live Arcade-Titel für Xbox360 und PC, vor zwei Jahren wiederum gab es den ebenfalls ziemlich hochwertigen Twin Stick-Shooter Yars: Recharged und nun haben die 2D-Action-Spezialisten WayForward (u.a. bekannt für die Shantae-Reihe und zuletzt für Contra: Operation Galuga) die Aufgabe übernommen, die Yars-Marke weiterzudenken. Yars Rising erscheint bereits am 10. September 2024, hat spielerisch mit dem Ur-Spiel für das VCS insgesamt wenig gemeinsam, ist aber trotzdem irgendwo eine spielbare Liebeserklärung an den Klassiker von Howard Scott Warshaw. Hat ATARI sich damit einen Gefallen getan, den Yars-Namen für ein exploratives Metroidvania-artiges 2D-Adventure herzugeben? Wir konnten den Titel auf der diesjährigen Gamescom im Rahmen eines Hand-Ons eine halbe Stunde lang ausprobieren und verraten euch die wichtigsten Key Features.

Inszenierung im Comic-Style als Hommage an das alte Booklet

Yars Rising spielt in einer cartoonigen Cyberpunk-Welt, welche zwar die klassischen Versatzstücke des Genres wie ausufernde Wolkenkratzer-Canyons, ethisch fragwürdige Megakonzerne, retrofuturistische Gadgets, biomechanische Erweiterungen, Hacking und viel Neon aufgreift, aber wesentlich humorvoller und fröhlicher aufgestellt ist als die Genre-Kollegen- und Kolleginnen. Der künstlerische Stil, und insbesondere die Figurendesigns, wirken wie Manga-inspirierte Cartoons á la Avatar: The Last Air Bender (also das, was man auch als AmeriManga kennt). Viel von der Handlung habe ich naturgemäß in der kurzen Zeit nicht mitnehmen können, durchaus gibt es aber einige Elemente beim Storytelling, die auffallen: Die animierten Cut Scenes sind im farbenfrohen Comicbuch-Stil gehalten, die über Panels stilecht miteinander verbunden sind. Das ist nicht bloß Gimmick, wie mir erzählt wurde, sondern vor allem eine Hommage. Dem originalen Yar’s Revenge-Modul für das VCS lag anno dazumal ein Manual bei, das die im Vergleich zum simplen Gameplay merkwürdig ambitionierte Lore des Spiels im Comic-Stil erzählte. Hier also knüpft Yars Rising an.

Die alten Yar's Revenge-Module für das ATARI 2600 wurden mit einem kleinen Comic zur Lore ausgeliefert © ATARI

Die alten Yar’s Revenge-Module für das ATARI 2600 wurden mit einem kleinen Comic zur Lore ausgeliefert © ATARI

 

 

Wir schlüpfen in die Rolle von Emi Kimura, einer jungen Hackerin, die von einem mysteriösen Auftraggeber beauftragt wird, das dubiose und omnipräsente Unternehmen QoTech zu infiltrieren. In Hacker-Kreisen ist sie unter dem Nick „Yar“ bekannt. Im Laufe des Spieles und mithilfe ihrer Kompagnons soll sich im Verlauf des Spiels eine gewaltige Verschwörung entfalten, die Emis Verbindung zu einer mysteriösen Alien-Rasse enthüllt. Dies zeigt sich vor allem, dass ihr „Yar“-Tattoo ihr offenbar zu neuen Kräften verhilft.

Hier knüpft Yars Rising dann ein bisschen an und präsentiert den Plot ebenfalls im Comic-Style © ATARI

Hier knüpft Yars Rising dann ein bisschen an und präsentiert den Plot ebenfalls im Comic-Style © ATARI

Trotz der Cyberpunk-Ausrichtung setzt WayForward stimmungsmäßig auf eine Feel-Good-Atmosphäre und leichtherzigen Humor der albernen Art, wie man ihn auch von der Shantae-Reihe kennt. Ich fand so manchen Dialog zwar ein ganz klein bisschen infantil und fremdschämig, aber könnte mir vorstellen, dass mir das nach schwererer Videospiel-Kost für ein paar Abende ganz gut tut. Und: Es ist ein Metroidvania, das familienkompatibel scheint und das man gut mit den Kids gemeinsam zocken kann, um sie ein bisschen an den ATARI-Klassiker und an cyberpunkige Sci-Fi gleichermaßen heranzuführen.

Metroidvania Light: Hüpfen – Schleichen – Hacken – Ausrüsten

Yars Rising atmet die Luft eines Metroidvania, ohne dass die Demo jetzt dezidiert in diese Richtung deutete. Im Gespräch wurde mir aber gesagt, dass Exploration durchaus zentraler Bestandteil des Titels ist. Zu Beginn laufen wir durch die internen Bereiche des QoTech Bereiche und stoßen schon auf die ersten Robo-Widersacher, die wir aber schleichend umgehen können. Ganz typisch haben diese ihre Angriffs- und Bewegungsroutinen, die wir zunächst beobachten können. Wir laufen durch die noch relativ übersichtlichen Räume, klettern im passenden Moment durch die Belüftungsschächte. Irgendwann kommen wir zum ersten Terminal, an welchem wir einen Hack durchführen können. Nachdem wir diesen vollzogen haben, sind wir im Besitz einer neuen Fähigkeit. Durch erfolgreiche Hacks schalten wir immer wieder im Laufe des Spiels Erweiterungsmodule frei, die in Verbindung mit unserem Tattoo für neue Fertigkeiten sorgen. Im ersten Schritt schalten wir etwa die Fähigkeit frei, einfache Projektile verschießen zu können. Mit denen können wir die Dalek-artigen Robos erstmal aus dem Weg räumen. Nicht immer schalten diese Terminal-Hacks neue Fähigkeiten frei, manchmal öffnen sie auch bloß einfach irgendwo Türen im Level. Die Auswahl an unterschiedlichsten Erweiterungsmodulen, die wir an uns anbringen können, ist aber derart umfangreich, dass hier durchaus ein strategisches Element zum Tragen kommt. Mal können wir höher oder doppelt springen, mal haben wir Lenkraketen in Petto, mal können wir einen Dash durchführen – das Ganze durchaus in der Luft oder im Doppelsprung.

Viele der Roboter- oder Androiden-artigen Gegner des QoTech-Konzerns müssen umschlichen werden © ATARI

Viele der Roboter- oder Androiden-artigen Gegner des QoTech-Konzerns müssen umschlichen werden © ATARI

Mein Host von WayForward hat mir dann noch einen Bosskampf in den letzten Abschnitten des Spiels gezeigt. Via Ingame-Konsole wurden hier einfach mal viele der späteren Skill-Module bereits freigeschaltet. Tatsächlich hat dieser Kampf ganz gut vermittelt, wie sich das Spiel mit einem vollen Tableau an Fähigkeiten anfühlt und wie die Lernkurve anzieht. Yars Rising wird vom bisher Gesehenen sicherlich kein extrem forderndes Spiel, aber eine komplexere Spieltiefe ist durchaus gegeben.

Etwas gewöhnungsbedürftig empfand ich während der Session, dass das Basis-Moveset (ducken, springen, kriechen, laufen) komplett auf dem linken Analog-Stick lag. Hier hatte ich mich aus irgendwelchen Gründen noch öfters beim Ducken verhaspelt. Gerade bei dem etwas hektischeren Bosskampf neigte ich dazu, mich immer wieder mal unfreiwillig zu ducken, obwohl das so gar nicht meine Intention in dem Moment war. Das wird aber vermutlich Gewöhnungssache sein. Hoffe ich zumindest, denn ansonsten fühlt sich die Steuerung dankenswerterweise recht präzise an.

Die Hack-Sequenzen sind eine Reminiszenz an die alten ATARI VCS-Tage  © ATARI

Die Hack-Sequenzen sind eine Reminiszenz an die alten ATARI VCS-Tage © ATARI

Sicherlich fragen sich Retro-Fans an dieser Stelle, ob und wie es nun Bezüge zum klassischen Yar’s Revenge gibt. Bisher klingt das Beschriebene ja so gar nicht danach. Tatsächlich ist hier auch wieder das Hacking das Stichwort. Denn in den Hack-Sequenzen spielen wir im Grunde das klassische Yar’s Revenge oder aber Variationen davon in traditioneller ATARI VCS-Optik:

Hier spielen wir, wie im Original, ein Fliegen-ähnliches Alien der Yar-Spezies, welches das gegnerische Qotile erledigen muss, welches von einer Zellbarriere geschützt wird. Die Barriere kann durch Beschuss oder durch Berührung bzw. durch Abnagen abgebaut werden. Im letzten Zug befindet sich am linken Rand die verheerende Zorlon-Rakete, die auf das Qotile gerichtet werden muss, sobald die Barriere weg ist. Zugleich müssen wir mit dem Yar im Moment der Betätigung aus der Schussbahn fliehen. Immer wieder gibt es hier auch verschiedene Variationen, mit unterschiedlichen Twists. Tatsächlich bin ich aber auch langfristig gespannt drauf, wie sich das alte und das neue Yars erzählerisch und spielmechanisch miteinander verbinden.

Cartooniger Cel Shade-Style statt detaillierter Pixel-Action

WayForward habe ich immer mit aufwendiger Pixel-Optik assoziiert – Egal, ob frühere Shantae-Einträge, Alien Infestation oder in jüngerer Zeit River City Girls 2: Fein animierte, große Sprites waren immer visuelles Markenzeichen des Studios. Yar’s Revenge mit der Retro-Lizenz im Gepäck wäre hier einerseits prädestiniert für, andererseits untergräbt WayForward hier recht gezielt die Erwartungshaltung. Stattdessen gibt es auch In-Game farbenfrohe und cartoonige Cel Shade-Grafik in einer polygonalen, 2.5D-artigen Ausrichtung. Das ist insofern eine konsequente Entwicklung, weil auch bei KONAMIs Contra: Operation Galuga schon eine ähnliche Richtung eingeschlagen wurde, wenn auch nicht ganz so sehr nach Nickelodeon-Cartoon aussehend.

Grafisch setzt Yars Rising auf einen polygonalen 2.5D Cartoon-Look. Oft wirkt der aber ein bisschen zu steril © ATARI

Grafisch setzt Yars Rising auf einen polygonalen 2.5D Cartoon-Look. Oft wirkt der aber ein bisschen zu steril © ATARI

Zugegeben, ich habe noch ein klein bisschen Probleme mit den Visuals: Obwohl das Ding grafisch recht detailliert ausfällt, und die Farbgebung stimmig anmutet, sehen viele Areale merkwürdig steril aus. Da haben gerade die Shantae-Dinger wirklich viele kleine Details auffahren lassen, um die ganze Szenerie lebendig zu machen. Wären die Animationen cartoonig-smooth, könnte man eventuell drüber hinwegsehen, aber ich empfand gerade die Kletter- und Kriechbewegungen als recht hüftsteif. Hier hätte ich mir ein bisschen mehr verspielte WayForward-DNA gewünscht. Bis Mitte September wird da nämlich vermutlich nichts mehr geändert werden.

Ganz witzig hingegen: Die Save-Points entsprechen den optisch 60s-lastigen Computer Space Automaten von der ATARI-Vorgängerfirma Syzygy Engineering.

Ziemlich stilsicherer Soundtrack, hochwertige Voice Overs

Auf auditiver Ebene hingegen überzeugt das Spiel vollkommen. Der Sound ist treibend, hat einen energetischen Vibe und liefert pumpend-luftige Synthwave-Tracks, die sich gut an das cyberpunkige Gewand schmiegen. Der aus Frankreich stammende und in Japan lebende Künstler Moe Shop hat einen erheblichen Teil des Soundtracks geschrieben. Im Rahmen des Gesprächs wurde mir gesagt, dass man auf den Soundtrack in besonderem Maße stolz sei. Berechtigt – Ansonsten ist das Spiel voll vertont. Die Synchronsprecher*innen, insbesondere jene von Emi, machen einen durchweg guten Job und verleihen dem Spiel eine schöne quirky Persönlichkeit.

Potential: Sehr gut!

Fazit:

Yars Rising könnte cool werden. Das Spiel arbeitet mit der klassischen ATARI-Marke auf einer Meta-Ebene und bringt mit Blick auf die Lore ganz viel eigene Ideen mit – wenngleich der Humor für mich nicht immer zündet. Als zugängliches, sympathisches Metroidvania-artiges Ding könnte das Ganze aber ziemlich Spaß machen. Gerade unter Nutzung der verschiedenen Fähigkeiten-Module kommt auch spielerische Tiefe in die Sache. Ich bin gespannt, ob die Yars-Referenzen spielmechanisch noch über die Minigame-Sache hinausgehen, find es aber grundsätzlich als Idee ganz witzig. Audiovisuell ist Yars Rising ein zweischneidiges Schwert: Ich mag den Art Style, bin aber nicht 100 % Fan der polygonalen Cel Shade-Grafik. Dafür war ich aber auch immer ein bisschen zu sehr Fan von WayForwards Pixelkunst. Auditiv hingegen sind Soundtrack und Voicing absolut klasse. Die finale Review zu Yars Rising werdet ihr in Kürze auch auf Dailygeek.de finden.

 

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