Die Veröffentlichungsgeschichte von El Shaddai: Ascension of the Metatron ist nicht ganz unspannend: Vor etwa 13 Jahren durfte ich das künstlerisch ambitionierte Werk bereits einmal für die Xbox 360 besprechen, damals noch auf meinem alten Blog Couchheroes.de. Den Vertrieb in Europa hatte seinerzeit KONAMI übernommen, Entwicklung und Publishing lag damals aber bei dem Medienkonglomerat UTV Ignition Games, die mit Ignition Florida und Ignition Tokyo zwei interne Studios im firmeneigenen Kosmos unterhielten. Während die Firmenmutter vor allem für den Vertrieb von SNK-Titeln und anderen meist japanischen Third Party-Veröffentlichungen zuständig war, Ignition Florida gefühlt eher die Shovelware-Schiene bediente, schien das 2007 gegründete Ignition Tokyo wesentlich spannender: Denn das Studio bestand aus alten CAPCOM-Veteranen aus dem Umfeld des kreativ spannenden Clover Studios, die mit Viewtiful Joe, Okami und God Hand sehr eigenwillige Evergreens schufen. Letztlich haben Ignition Tokyo im Laufe der Jahre nur einen Titel entwickelt: Das besagte El Shaddai, bei dem der Visual Artist Sawaki Takeyasu, der vor allem den Stil des grandiosen Okami prägte, als Game Director federführend war. Das Spiel war damals trotz des grandiosen Looks ein gewaltiger Flop und wurde nach nur kurzer Zeit als Budget-Titel verhökert, im Grunde eine ziemlich traurige Story.
Es sollte aber auch nicht zuletzt deshalb der letzte Titel von Ignition Tokyo sein, weil UTV einige Skandale und Missmanagement-Folgen später ohnehin die Pforten schließen musste. Teile der UTV Zweige wurden nach einer Übernahme in The Walt Disney Company India integriert.
Sawaki indes hat mit Crim unmittelbar nach dem Ende von Ignition Tokyo sein neues und aktuelles Studio gegründet, die Rechte an der IP um El Shaddai: Ascension of the Metatron offenbar noch 2013 zurück erworben und nun elf Jahre später endlich das HD Remaster des eigenwilligen Hack and Slay-Titels für Nintendo Switch (und PC) veröffentlicht. Ein Glück, denn sonst wäre das spielbare Kunstwerk vermutlich irgendwo in der Lizenzhölle verödet. Dass Sawaki mit Starnaut im Februar diesen Jahres einen weiteren spannenden Titel veröffentlicht hat, wollen wir an dieser Stelle aber nicht unterschlagen.
Die Review dreht sich traditionsbewusst um die altbekannten Fragen: Ist El Shaddai: Ascension of the Metatron gut gealtert? Wie schaut die Frischzellenkur konkret aus? Und nicht zuletzt auch, gibt es Potential für Nachfolger (abseits des bereits erschienenen The Lost Child)?
Der Aufstieg der Stimme Gottes
Gott (aka El Shaddai, jüd. „der eine Gott“) ist mächtig sauer – Die Clique der Grigori, der Wächterengel um Anführer Samyaza wurde eigentlich auf die Erde niedergeschickt, um über die Menschen zu wachen. Stattdessen aber verliebten die lüsternen Draufgänger sich nicht bloß in irdische Frauen, sondern zeugten auch noch Kinder mit diesen – Die an sich knuffigen Nephilim sind unheimlich verfressen, mampfen sich gegenseitig auf und werden zu gefährlichen, riesengroßen feuerspeienden Wesen, die ganze Welten zu verschlingen drohen. In der Annahme, Gutes zu tun und das Potential der Menschheit auszuschöpfen, errichten die sieben abtrünnigen Bad Boys (Armaros, Azazel, Arakiel, Baraquel, Sariel, Ezekiel und last but not least Samyaza himself) den (zunächst verschleierten) Turm zu Babel, ein blasphemisches Monument zu ihren eigenen Ehren. Jedes Stockwerk ist jeweils einem der Wächter untertan und entspricht einer in sich geschlossenen Welt. Die Herrscher über das Chaos geben ihren Jüngern himmlisches Wissen in Form der „Früchte der Weisheit“, halten diese aber indes in einer falschen Evolution gefangen, die es ihnen unmöglich macht, zur ewigen Erlösung zu finden.
Um diesem gottlosen Treiben Einheit zu gebieten, beschließt der himmlische Rat eine (zweite) Springflut über die Erde zu schicken, welche sowohl die gefallenen Engel als auch die Menschheit auszulöschen droht. Doch eine Stimme erhebt sich dagegen: Der wortkarge Mensch Enoch, der bislang als Schriftgelehrter im Himmel seinen Dienst verrichtet hat, erwirkt einen Handel: Gelingt es ihm, die vom Himmel abgewandten, Engel einzufangen, so verzichtet Gott auf die Bestrafung der Menschheit.
Wer religiös bewandert ist, erkennt eine lose inhaltliche Anlehnung an die äthiopischen Apokryphen des Buches Hennochs um den Sturz der sieben Wächterengel. Hier setzt das zwölf Kapitel umfassende „Ascension of the Metatron“ an. Die durchaus komplexe, wenngleich erzählerisch sehr beiläufig gehaltene Story wird durch Lucifels Monologe und eine Erzählerstimme vorangetrieben, die scheinbar Gott zuzuordnen ist. Durch viele Zeit- und Szenenwechsel wirken die einzelnen Schlüsselmomente auf eine trandenszentrale Art und Weise entkontextualisiert – Im Grunde genommen passt es zwar irgendwie zur verrätselten Machart des Spiels, als Spieler*in hat man aber oft genug das Gefühl, als hätte man elementare Bestandteile der Geschichte schlicht und ergreifend verpasst, weil sich alles so vage anfühlt. Ich erinnere mich, dieses Gefühl schon beim ersten Spieldurchgang vor über 10 Jahren gehabt zu haben; Ich muss aber gestehen, mit dem Alter ist nicht die Erkenntnis gekommen: Die fragmentierte Narration aus dem Off fühlt sich beinahe genauso traumartig-vernebelt an wie damals. Allenfalls deute ich aus der heutigen Perspektive ein stärkere queere Komponente in der biblischen Erzählung heraus.
Um die Mission, die ihm obliegt, zu erfüllen muss Enoch, von Sawaki als androgyn anmutender Blondschopf in tighten Blue Jeans dargestellt, den Turm von Babel bis zum obersten Stockwerk erklimmen. Durch elf grafisch abstrakte, aber nicht minder eindrucksvolle Welten führt ihn seine Reise. Immer mit dabei ist Erzengel Lucifel, der als smarter Schönling dem Schöpfer via Smartphone von Enochs Fortschritten berichtet und den Spieler mit wohlgemeinten Worten unterstützt und wie erwähnt die Handlung vorantreibt.
Enochs Weg ist dabei gepflastert mit Kämpfen gegen die gottlose Dämonenbrut – Umgeben von einer heiligen Rüstung prügelt sich der stille Krieger mittels drei verfügbarer göttlicher Waffen, welche er den Gegnern entwenden muss, durch die Gegnerhorden. Und auch ein junges Mädchen, welches stets einen jungen Nephilim an ihrer Seite hat, spielt im Laufe der Geschichte eine tragende Rolle, auf die ich hier allerdings nicht näher eingehen werde.
Spielerischer Kern zwischen Hack & Slay und Plattformer
Spielmechanisch hat El Shaddai schon damals nicht auf große Innovationen gesetzt, hat dafür in all den Jahren aber auch nicht sonderlich viel Staub angesetzt. In meiner damaligen Review schrieb ich, dass das Hack & Slay eines El Shaddai recht konventionell, irgendwo zwischen Bayonetta und Devil May Cry anzusiedeln sei, dabei aber weder die Coolness eines DmC, noch die abgedrehte Eleganz von Platinum Games‘ Umbra-Hexe erreiche. Das kann ich ohne Umschweife nach wie vor so stehen lassen:
In der Regel läuft Enoch durch extrem lineare Schlauchlevels und kloppt sich in instanziierten Arealen durch eine recht überschaubare Anzahl von Gegnern. Der spielerische Tiefgang wird mitunter auch dadurch geschmälert, dass zum Ausführen einzelner Aktionen lediglich eine Taste nötig ist – Um etwa die Verteidigung der Gegner zu durchbrechen („Parade brechen“) müssen wir bloß das Timing des Angriffs leicht verzögern. Ausufernde Combos, die es zu lernen gilt, gibt es hier schlicht nicht. Fähigkeiten-Bäume, in die man seine hart erarbeitete In-Game Währung investieren kann? Fehlanzeige. Selbst richtige Ausweichmoves sind quasi non-existent – man springt tatsächlich einfach manuell zur Seite, um auszuweichen. Das klappt in der Regel auch ganz gut, weil die Angriffsmuster der wenigen Gegnertypen recht behäbig ausfallen.
So muss man zwar ein klein bisschen aufs Timing schielen, besonders anspruchsvoll ist das allerdings nicht – Generell ist El Shaddai, was den Schwierigkeitsgrad anbetrifft, eher zu leicht als zu schwer, nicht zuletzt aufgrund der mehr als fair gesetzten Checkpoints und der (anzahlmäßig begrenzten) Möglichkeit, durch die Eingabe entsprechender Tastenkombinationen dem Delirium zu entschlüpfen. Die richtige Wahl der Waffe ist in den meisten Fällen ohnehin die halbe Miete, denn insgesamt gibt es etwa 4-5 Gegnertypen, die je für einen Waffentyp besonders anfällig sind.
Ab und an kann es natürlich auch sein, dass Enoch gar keine Waffen zur Verfügung stehen und er sich mit bloßen Fäusten durchschlagen muss. Dann gilt es rasch einem Gegner die Waffe zu entwenden, das kann der Spieler nämlich, indem er sie dem bewusstlosen Gegner entreißt, in der Switch-Fassung geschieht das über den L-Button. Drei göttliche Waffen stehen Enoch zur Verfügung – Während der „Arch“ ein kristallines, heiliges Schwert in Bogenform ist, können mit dem „Gail“ spitze Projektile verschossen werden. Die letzte Waffe im Bunde ist der „Veil“ – Massive, an den Armen angebrachte Schilde, mit welchen man zugleich ordentlich austeilen kann. Allerdings muss bedacht werden, dass sich mit der Zeit die „Widerwärtigkeit“ der Gegner an der Ausrüstung ablagert, wenn der gleißende Schimmer schwindet und in ein tiefes Rostrot übergeht, trübt das die Effektivität der Waffe nicht unerheblich. Enoch hat jedoch die Möglichkeit die verschiedenen Dämonenmeuchler mithilfe göttlicher Kraft zu reinigen, wenngleich er sich in diesen Momenten auch ungeschützt gegnerischen Angriffen aussetzt.
Ganz allein ist der menschliche Himmels-Botschafter dann aber doch nicht auf sich gestellt – Abhängig von der Zahl ausgeteilter Hiebe könnt ihr nämlich Erzengel Uriel zur Unterstützung herbeirufen, der euch mit feuriger Kampfkraft unter die Arme greift – Dann hat Enoch mehr Standkraft und Schläge werden wuchtiger ausgeführt – Auf Knopfdruck gibt es mit dem „Overboost“-Modus einen brachialen Finisher, der selbst Bosse in die Knie zwingt, mal ganz abgesehen davon, dass Enochs Rüstung sich nebenbei regeneriert. Der Bildschirm kommt im Übrigen ganz ohne On Screen-Anzeigen aus – Auch so etwas wie eine Lebensanzeige wird man beim ersten Durchgang nicht entdecken können, stattdessen muss man Enochs gesundheitliche Verfassung am Zerstörungsgrad seiner Rüstung ablesen, das gleiche betrifft auch die Gegner. Das mag zunächst gewöhnungsbedürftig sein, als Spieler stellt man sich jedoch schnell auf diese Tatsache ein. Die Bosskämpfe sind weder besonders anspruchsvoll noch in irgendeiner Weise dynamisch – Trotzdem hatte ich bei den durchaus langwierigen Kämpfen meinen Spaß, da das Ausloten der Schwachpunkte gegenüber den einzelnen Waffen mich erstaunlicherweise in nicht unerheblichem Maße motiviert hat.
So richtig Frust kommt allerhöchstens bei den manchmal kniffligen Sprungpassagen auf – Das liegt weniger an dem Umstand mangelnden Könnens als vielmehr der Tatsache, dass die abstrakten Flächen manchmal schlicht und ergreifend nicht vom Hintergrund unterscheidbar sind, zumal die statischen Kameraperspektiven nicht unbedingt förderlich sind. Zu den optischen Hindernissen kommt tatsächlich hinzu, dass die Bewegungen von Enoch nicht supersauber und präzise sind. Es kann also durchaus vorkommen, dass man die Plattform mit Ah und Krach noch erreicht hat, Enoch dann aber einfach hinunterrutscht. Das ist aufgrund der oben genannten Erleichterungen (inflationäre Checkpoints, recht hoher imaginärer Gesundheitsbalken und Regenerationsfähigkeit) ohnehin schon nicht schlimm, tatsächlich bleibt das Runterfallen aber weitgehend vollständig konsequenzlos. Denn erst nach dem dritten Absturz in Folge verliert Enoch EIN Rüstungsteil. Da müsste man sich schon eher gezielt doof anstellen, um da ein Ableben hinzukriegen.
Neben den Third Person-Hack & Slay Parts wechselt El Shaddai auch öfters in wunderschön gezeichnete 2D-Plattformer Passagen, die spielerisch zwar banal und wenig fordernd sind, vor allem aber durch ihre sakrale Bleiglasfensteroptik überzeugen oder auch beispielsweise in Scherenschnitt-Ästhetik daherkommen. Auch über das Visuelle hinaus leistet sich El Shaddai immer wieder kreativ-verspielte Spieldesign-Elemente. So rast man in der organisch pulsierenden Techno-Welt auf einem Cyberbike monströsen Mechs davon – Ich glaube, ich bin nicht der Einzige, der in diesen Momenten unweigerlich an Tron denken musste. Ab und zu gibt es versteckte Passagen, zu denen uns die Geister führen: Dann müssen wir etwa in einer 2.5D Umgebung der Unterwelt entkommen, die ausschaut, als hätte man die Plattformen aggressiv mit dem Bleistift niedergescribbelt. In diesen Labyrinth-artig aufgebauten Sequenzen müssen wir verstreute Ishtar-Knochenfragmente suchen, während wir aufpassen müssen, das von unten aufbrodelnd die „Widerwärtigkeit“, eine zähe Masse, nicht nach uns greift. Ich war ein klein wenig irritiert, als mein erster Versuch gescheitert ist und direkt ein interaktiver „Game Over“-Screen mit ablaufenden Credits über den Bildschirm flimmerte. Solche kleinen Meta-Twists gibt übrigens immer wieder. Sowieso ist die visuelle Bandbreite nahezu unerschöpflich und zeugt von schier überbordender Kreativität – Ob nun eine futuristische Metropole á la Midgard aus Final Fantasy 7 oder ein plakatives Wüstenszenario mit krassem Tag-Nacht Bruch – El Shaddai ist schlicht ein trippiger Augenschmaus, an dem man sich nicht satt sehen kann.
Modern Art Gaming
Im letzten Abschnitt dieser Review hat man es vermutlich gemerkt: El Shaddai: Ascension of the Metatron setzt seine Schwerpunkte beinahe gänzlich auf die visuell-expressive Komponente und ist im besten Sinne Style over Substance: Auch im HD Remaster überzeugt das Spiel vor allem durch das grandiose Art Design, das es ziemlich in sich hat. Die stimmungsvollen, zumeist in großflächigen Pastellfarben gehaltenen Kulissen wirken mitunter als stammten sie aus einem Aquarell-Gemälde. Sich ins Nichts windende Treppenstufen, liquid anmutende Blätterregen, skizzenhaft-comiceske Pfützen. El Shaddai’s meditative Aura wirkt stellenweise immer noch wie wie ein harter LSD-Rausch, daran hat sich auch beim Remaster nichts geändert. Ich habe es damals getan, und tue es auch heute noch: Man kann den Titel klar in die Ecke von Tetsuya Mizugichi mit seinen rauschhaften Werken REZ und Child of Eden stellen, aber auch in Takeyasu Sawaki’s eigene Beiträge zu dem visuell ebenfalls malerischen Okami. Man merkt, dass Sawaki ein Konzeptionist und mehr Künstler als Game Director ist: Er stellt eine visuelle, eigentlich schon poetische Vision klar über das vergleichsweise reduzierte Gameplay. Er treibt es nicht ganz auf die Spitze wie ein Fumito Ueda mit seinen Team Ico-Produktionen, aber der Ansatz ist da. El Shaddai hat optisch durch seinen Stil nichts an Strahlkraft in all den Jahren verloren: Die zelebrierte Bildgewalt ist immer noch markant und beeindruckend. Gleichzeitig fühlt sich das Gameplay aber mittlerweile wie eine Art Zugeständnis an: Sawaki schert sich einen feuchten Kehricht um erzählerische oder audiovisuelle Konvention, da wirkt die zwar reduzierte, aber immer noch sehr zugängliche Hack and Slay-Spielmechanik beinahe wie ein falscher Kompromiss. Für einen potentiellen Nachfolger würde ich mir fast schon wünschen, dass experimentelles Storytelling auf experimentelles Game Design trifft.
Solide Technik und zusätzliche Inhalte des Remasters
Grafisch wirkt El Shaddai: Ascension of the Metatron durch seinen sehr eigenen Stil auch heute noch weitgehend sehr gut, für Switch-Verhältnisse eigentlich beinahe exzellent; Vor allem auflösungstechnisch wurden für das Remaster Anpassungen vorgenommen: Das UI wurde natürlich neu gezeichnet und die Texturen höher aufgelöst, nun auf 1080p. Auf der Switch werden zwar 60 FPS angepeilt, die werden aber letztlich nicht immer gehalten. Es gibt durchaus den einen oder anderen Framedrop. Fairerweise muss man dazu sagen, dass das Ur-Spiel ebenfalls mit Inkonsistenzen diesbezüglich zu kämpfen hatte. Auf dem PC werden 4K-Renderings unterstützt. Was mir sehr gut gefallen hat: Die Ladezeiten wurden gegenüber dem Original merklich reduziert. Insofern reißt die technische Portierungsarbeit zwar keine Bäume aus, ist aber grundsolide geraten.
Eine erwähnenswerte Sache ist zudem noch der Bonuscontent: Nach Beendigung des Spiels schaltet man die Novel „Cetas Chroniken von Lucifers Fall“ frei, die an das Ende von El Shaddai anschließt sowie das obligatorische digitale El Shaddai Art Book, was ich tatsächlich ziemlich cool finde. Angesichts des Budget-Preises von rund 20 EUR finde ich die Boni eigentlich ziemlich nett.
Grandioser Soundtrack
Ebenso wie die Visuals ist auch das ganze auditive Drumherum über alle Maßen erhaben und stilsicher: Sowohl das enigmatische, oft verhallte Voice Acting der Protagonisten ist im Englischen sauber gelungen und qualitativ hochwertig und spiegelt den ätherischen, verkopften Flair hervorragend wieder, als auch das grundsätzliche Sounddesign pendelt zwischen bedrohlich und entrückt. In einem Beitrag habe ich gelesen, dass Co-Komponist und Arrangeur Masato Kouda sich beim Sounddesign von der visuellen Komponente des Spiels hat inspirieren lassen: Er hat die dominante Farbe aufgegriffen, in dem Fall „Blau“, hat sie auditiv in ein C-Dur übersetzt und die ganze Musik in dieser Tonart geschrieben. Das Religiöse wird durch Chöre und durch Orgel-Klänge in Kombination mit luftigen Ambient-Sounds vermittelt. Gleichzeitig hat man bewusst darauf verzichtet, gregorianische Chöre einzusetzen, die oftmals mit spirituell bis religiös motiviertem Storytelling verbunden werden. Stattdessen gibt es viele Momente wo eher Weltmusik und afrikanische Rhythmen verwendet werden. Partiell hat mich der Soundtrack an jenen von den neuen Dune Filmen von Denis Villeneuve erinnert, irgendwie arabesque, teilweise afrikanisch, teilweise wird aber auch mit loungigen Jazz-Elementen gearbeitet. Kurzum: Der Soundtrack ist super und steht dem Ding gut zu Gesicht. Käme der OST als Platte, ich würde sie mir anschaffen.
Fazit:
Ich bin froh, dass El Shaddai: Ascension of the Metatron nicht in der Lizenzhölle gelandet ist, sondern mit dem Remaster eine zweite Chance bekommen hat. Das Ding ist ein optisch immer noch überragender Titel – Die auf jüdisch-christlichen Versatzstücken basierende Versoftung biblischen Stoffes hat optisch und akustisch damals wie heute die adäquate Portion „Extravaganz“ bekommen, welche diese Thematik verdient. Dass Sawaki vor allem ein Kreativer ist, wusste man bereits seit Okami – Mit El Shaddai hat er sich selbst allerdings die artdesigntechnische Krone aufgesetzt, die er bis zum heutigen Tage auf dem Haupte trägt. Er hat eine Welt geschaffen, bei der es Vergnügen bereitet, sie zu beschreiten und in ihrem meditativen Sog zu versinken. Spielerisch wirkt das reduktionistische Hack and Slay-Korsett allerdings beinahe einengend – Der Gameplay Loop wirkt eine Spur zu repetitiv, ist für die paar Stunden aber (noch) in Ordnung, trotz Kinderkrankheiten hinsichtlich der Kameraführung und der verzwickten, ungenauen Try&Error Sprungpassagen – Zu kritisieren ist vermutlich die Art der Narration, bei der es zuweilen schwer ist, der Erzählung um den Engelsturz zu folgen. Hier hält sich das Spiel bewusst enigmatisch und ein bisschen zu verkopft. El Shaddai ist nach wie vor ein Feuerwerk kreativer Schöpfungswut, welches wie so oft nicht für jedermann geeignet ist, dafür aber ein wunderbares Beispiel ist, wie in den 2000ern und 2010ern das Medium Videospiel immer wieder am Kunstbegriff kratzte. Ich hoffe, Sawaki besinnt sich mit seinem Studio Crim auf diese Wurzeln und bringt nochmal ein Spiel ähnlichen Kalibers. Gleichzeitig verweise ich auf den niedrigen Preis von 19,99 EUR im eshop und empfehle das Spiel all denen, die Spaß an abseitiger Videospiel-Kunst haben.
Im Nintendo eshop kaufen:
El Shaddai: Ascension of the Metatron für Nintendo Switch
Bei Steam kaufen:
El Shaddai: Ascension of the Metatron für PC
El Shaddai: Ascension of the Metatron HD Remaster [Nintendo Switch]
Grafik / Art Style - 9.2
Story - 7.1
Technik - 6.9
Umfang - 6.6
Spielspass - 7.5
7.5
Ein vor allem visuell wahnsinnig überbordendes Kreativ-Feuerwerk, das ordentlich remastered wurde. Das rudimentäre Hack and Slay-Gameplay hinkt da ordentlich hinterher. Nichtsdestotrotz, ein solides Spiel für Connoisseure von andersartiger Videospiel-Kunst.