In den 1990ern und 2000ern hatte es SONY irgendwie versäumt, ein PlayStation-exklusives Maskottchen zu etablieren (Polygon Man lassen wir an dieser Stelle sein Schattendasein weiter fristen). SEGA hatte mit SONIC einen coolen, blauen Igel im Angebot, Nintendo mit Mario seinen italienischen Klempner und Microsoft setzte mit der Xbox-Marke auf den eher unknuffigen Master Chief – und zwischenzeitlich auf den ebenfalls antropomorphen Blinx. Die PlayStation hingegen hatte immer eine ganze Reihe von Figuren, die man unmittelbar mit der hauseigenen Konsolen-Sparte in Verbindung brachte: Den lässigen Beuteldachs Crash Bandicoot und Spyro the Dragon assoziierte man direkt mit dem ikonischen PlayStation Boot-Sound, doch die Rechte dieser ikonischen Jump and Run-Helden lagen woanders, ironischerweise gehört Crash mittlerweile zu Microsoft. Die PlayStation 2-Ära stand wiederum ganz im Zeichen von Duos: Ratchet & Clank und Jak and Daxter brachten zwar populäre Reihen hervor, die zumindest in ersterem Fall bis heute für großartige Titel sorgen, zu Aushängeschildern wurden diese Helden aber nie. Auch der Sackboy aus der Little Big Planet-Reihe war ein erneuter Versuch, ein knuddeliges Maskottchen für das Post-PlayStation 3 Zeitalter zu schaffen, und tatsächlich: Für eine ganze Weile wurde das Strickmännchen zum offiziellen Maskottchen befördert. Doch eine andere Figur lief dem Sackboy zunächst klammheimlich, und später immer offensichtlicher den Rang ab: Der putzige Astro Bot von Team Asobi hat sich gleich mehrfach als System-Pionier ins prominente Licht gedrängt: ASTRO BOT Rescue Mission, noch unter dem SIE Japan Studio-Etikett entwickelt, zeigte, wie kreativ Gameplay mit der PlayStation VR-Brille ausschauen kann. Der Titel wurde zum regelrechten System Seller für das VR-System. Als SONY die PlayStation 5 launchte, kam jede Konsole mit dem vorinstallierten ASTRO’S PLAYROOM – das ursprünglich als Tech Demo für den DualSense Controller konzipierte Jump and Run erwies sich als kreatives und vor allem technologisch innovatives Feuerwerk, das die neuen Features des Controllers extrem clever und spielerisch gehaltvoll ausnutzte. Zugleich wurden extrem viele Cameos aus First- und Third-Party Spielen (ob Kratos aus God of War, Pyramid Head aus Silent Hill, oder Kat aus Gravity Rush) sowie Eastereggs aus der reichhaltigen PlayStation-Historie eingeflochten. ASTRO BOT hat also die Brand Identity der PlayStation zelebriert, wie kein Spiel zuvor. Es ist daher nur rechtens, dass aus dem kleinen Robo namens A5081 der Markenbotschafter der PlayStation wird und dass er mit Astro Bot ein vollwertiges großes Spiel bekommt. Spoiler: Der Meta Critic Score von 94 ist voll berechtigt – Astro Bot ist ein Meilenstein des Plattformer-Genres, das qualitativ auf einer Stufe mit Klassikern wie Mario Galaxy steht, und eine herzliche Liebeserklärung an das Medium Videospiel darstellt. Aber der Reihe nach:
Gestrandet
Das Plattformer-Genre ist eines, das sich vor allem über sein Gameplay und die Ästhetik definiert, und weniger über elaborierte Handlungen. Das ist auch bei ASTRO BOT der Fall, wo die Story eher als roter Faden durch die verspielten Galaxien herhält: Der kleine namensgebende ASTRO BOT (bzw. eben A5081) ist mit seinen Freunden unterwegs durch‘s All, als ein fieses Alien namens Nebulax, das aussieht wie ein hässlicherer, grüner Minion, das Mutterschiff attackiert. Dieser Angriff führt dazu, dass wir mit unserem, einer PlayStation 5-Konsole nachempfundenen, Schiff zwangsläufig auf einem Wüstenplaneten notlanden müssen. Nicht nur sind unsere (300 + 1) Bot-Kompagnons im Zuge des Angriffes in verschiedene Systeme geschleudert worden, nein, auch einige wichtige Ersatzteile, vor allem die CPU, wurden gestohlen.
Die 5 Systeme müssen wir also nach und nach freischalten, in dem wir die vermeintlich zerstörten Satelliten-Systeme auf dem Wüstenplaneten bergen und wieder funktionstüchtig machen. Dort gilt es unsere Crew und die fehlenden Ersatzteile wieder zurückzuholen, damit wir dem Wüstenplaneten entfliehen können…
That’s it! Die Rettungsmission ist handlungstechnisch trivial, wurde dabei aber maximal knuffig und mit viel Slapstick inszeniert. Überall gibt es kleine Albernheiten, Videogame Referenzen und Geheimnisse zu entdecken. Das macht einfach Spaß! Somit kann man ganz klar sagen, dass ASTRO BOT sein ulkiges Herz am rechten Fleck trägt.
Kreativ überbordend, Thematisch vielfältig
Schon das kostenfreie, aber bemerkenswert umfangreiche ASTRO’S PLAYROOM konnte mit einigen kreativen Levels aufwarten. Als Full-Price-Titel setzt ASTRO BOT hier natürlich noch einen drauf.
In ASTRO BOT hüpfen und kämpfen wir uns durch insgesamt 6 Galaxien und ca. 80 Levels, die neben den größeren Hauptlevels aber durchaus auch etwas kompaktere Stages enthalten, die auf spezifische Herausforderungen ausgelegt sind. Die einzelnen Galaxien – den Gorilla-Nebel, das Tentakel-System, die Schlangen-Sternstraße, den Camo-Kosmos, den Federhaufen sowie die Verlorene Galaxie – erreichen wir mit unserem DualSense-Weltraumjet (auch Dual-Speeder genannt) auf einer Oberkarte, ähnlich wie man sie aus den Mass Effect-Titeln kennt. Innerhalb der 6 Systeme schalten wir dann nach und nach weitere Planeten frei und brauchen eine spezifische Anzahl an Bots, um zum Abschluss gegen den Boss-Gegner der jeweiligen Galaxie anzutreten. Alle Galaxien kommen darüber hinaus mit ein paar versteckten Kleinstplaneten, die entweder über eine bewusste Kollision mit einem Ufo freigeschaltet werden, oder über indem man in einer zeitlich begrenzten Abfolge kleine Asteroiden zerstört.
In den meisten Levels müssen wir eine ganze Reihe an Bots, sowie meist 3 Puzzlestücke und gegebenenfalls Dimensionsstrudel finden, die als alternative Levelausgänge den Weg in die versteckte Galaxie ebnen.
Der anfangs benannte Wüsten-Planet, auf dem wir stranden, ist im Grunde eine Art Hub Welt – denn hier müssen wir in verschiedenen Abschnitten des Planeten die entsprechenden Satelliten wieder zum Laufen bringen. Erst dann schalten wir weitere Galaxien frei. Für das Erreichen der entsprechenden Abschnitte benötigen wir aber immer eine bestimmte Anzahl an Bots, die gemeinsam entweder Brücken, Schwingleinen oder begehbare Wände bilden, über welche man die Areale erreicht. Zudem befinden sich auf dem Wüstenplanet selbst auch noch allerlei Bots und Geheimnisse, die wir mithilfe unserer Crew sukzessive freischalten. Mit den gesammelten Puzzlestücken wiederum schalten nach und nach verschiedene Shops und Gebäude frei. Die meisten davon sind für kosmetische Individualisierungen gedacht. Hier können wir sowohl unseren ASTRO BOT als auch unseren Dual-Speeder mit neuen Skins versehen. Im Gacha-Automaten können wir weitere Gimmicks für die prominenteren Bots freischalten, die sich in der Hub-Welt versammeln und immer schön liebevoll animiert sind. Mikrotransaktionen gibt es aber freilich keine. Alles kann und wird über die In-Game Münzen freigeschaltet.
Die tierisch benannten Galaxien geben zudem zwar kein Oberthema vor, die einzelnen Levels unterstehen aber ganz gewiss unterschiedlichen Motiven: Vieles davon erinnert durchaus an die Leveldesigns aus bekannten Mario-Titeln, vieles ist aber auch gänzlich neu: Manche Level haben eine Geisterhaus-Thematik, andere wiederum orientieren sich an krawalligen Baustellen-, geheimnisvollen Aztekenruinen, idyllischen Insel Archipels– oder zuckersüßen Softeis-Settings. Hier durfte sich Team Asobi kreativ ziemlich austoben. Die Levels sind nicht nur liebevoll gestaltet, sondern auch vollgestopft mit witzigen und putzigen Details, die Laune machen. Recht spaßig waren etwa die Retro-Randale Bonuslevels, die optisch wie eine Minecraft-Reminiszenz ausschauen. Während also ein Mario häufig einer spezifischen visuellen und spielmechanischen Ausrichtung untersteht (z.B. ein Sunshine hat die Insel als zentrales Motiv, ein Galaxy das All), wirken die ASTRO BOT Welten zumindest visuell ziemlich eklektisch, im Sinne davon, dass sie jeweils mit stilistisch recht unterschiedlichen Elementen arbeiten.
Richtig Freude hatte ich tatsächlich mit dem Fan Service der größeren Abschlussplaneten: Nach Abschluss des jeweiligen Endbosses eines Systems, in welchem wir einen besonders prominenten First Party-Bot retten, schalten wir ein Level frei, welches sich am Helden-Vorbild orientiert. Retten wir etwa im Rahmen des Bosskampfes unseren Lieblingsspartaner Kratos mit seinem Sohn Atreus, dürfen wir danach die tolle Level „Bot of War“ spielen, die sich optisch und spielmechanisch an God of War (2018) und God of War Ragnarök anlehnt. Hier schwingen wir etwa die bekannte Leviathanaxt, die ebenfalls Gegner und Wasserströme vereisen kann und machen uns so Mechaniken aus den großen Vorbildern zunutze. An anderer Stelle retten wir die Bot-Version von Nathan Drake – Im Anschluss wird ASTRO BOT zum explosionsreichen Deckungsshooter á la Uncharted, in dem wir uns durch eine Dschungellevel kämpfen. Um hier an Puzzlestücke und Bots zu kommen, muss man an manchen Stellen, wie im Vorbild, kleine Apparaturrätsel lösen, ziemlich witzig also.
Durch die mal lose, mal etwas handfestere Anlehnung an die bunte PlayStation-Historie, ist ASTRO BOT ein unglaublich verspieltes und visuell aus allen Rohren ballerndes Kreativ-Feuerwerk, das sehr auf visuelle und spielerische Vielfalt setzt und zugleich eine tiefe Verneigung vor den PlayStation-Franchises darstellt.
Technologisch innovative Hüpferei mit vielen unterhaltsamen Mechaniken
Was ASTRO BOT nicht einfach nur zu einer 3D-Mario-Imitation macht, ist die gelungene Verzahnung des Spiels mit den technologischen Möglichkeiten der PlayStation 5. Hier hat Team Asobi schon bei den anderen Titeln gezeigt, was mit cleveren Ideen alles möglich ist. Wie schon ASTRO’S PLAYROOM nutzt ASTRO BOT den DualSense Controller der PS5 so intensiv wie vermutlich kein weiterer Titel auf der Plattform.
Ob wir uns durch hohes Gras oder auf steinigem Untergrund bewegen, ASTRO BOT nutzt das haptische Feedback des DualSense Controllers so perfekt aus, dass das wirklich einen eklatanten Unterschied macht. Gerade wenn man auf einem eingerollten Mecha-Gürteltier über stachelbesetzte Metalloberflächen rollt, dann kommt das haptische Feedback wirklich gut zur Geltung. Wenn wir mit unserem Dual-Speeder die Planetenoberfläche verlassen, und wir mit den adaptiven Triggern die Motoren starten, ruckelt der ganze Controller ordentlich mit. Das sind im Grunde kleine Details, aber sie verstärken die Immersion erheblich.
Immer wieder gibt es im Spiel Passagen, welche die Features des DualSense ganz konkret beanspruchen: Mal müssen wir in den DualSense pusten, damit wir kleine Froschapparaturen dazu bringen, Blasen zu erzeugen. An anderer Stelle müssen wir mit der Motion-Steuerung einen stationären Wasserwerfer auf eine verlebte Pflanze richten, damit sie wieder zu einem strahlenden (rappenden) Baum erblühen kann. Wieder an anderer Stelle müssen wir die Bewegungssteuerung nutzen, um uns an Plattformen entlangzuhangeln, während wir uns mit den adaptiven Triggern an den Griffen klammern. Einige der Mechanismen kennen wir bereits aus ASTRO’s PLAYROOM, andere wiederum sind neu. Zusammen mit den facettenreichen und vielfältigen Weltendesigns ergibt sich auch an dieser Stelle ein wunderbar verspieltes Gameplay-Kaleidoskop.
Viele Levels sind darüber hinaus um spezifische Fähigkeiten gestrickt, von denen es 15 an der Zahl gibt, und die wir uns in Form von meist tierischen Begleitern aneignen: Diese Fähigkeiten sind manchmal ein bisschen klassischer – z.B. können wir uns die sogenannten „Twin-Frog“-Handschuhe überstülpen, mit denen wir unsere Arme beim Boxen verlängern können, sodass wir Fernangriffe gegen Widersacher einsetzen können. Hier können wir via R2 und L2-Trigger jeweils beide Arme separat voneinander einsetzen, um gezielt wuchtige Attacken zu initiieren, oder um uns von Plattform zu Plattform zu schwingen – andere wiederum sind obskurer, aber nicht weniger spaßig: In manchen Levels zum Beispiel verwandeln wir uns mit der „Giant Sponge“-Fähigkeit in den namensgebenden Schwamm. Als solcher können wir z.B. in Teichanlagen Wasser aufnehmen, was mit starkem Wachstum unserer Spielfigur verbunden ist, und sie dann an „schwammige“ Plattformen weitergeben kann, um diese ebenfalls zu vergrößern.
Die Fähigkeiten sind unglaublich gut in den generellen Spielflow integriert: Mal ist es nur ein simples Dash-Enhancement wie beim Barkster, mal verwandeln wir uns in eine Maus, welche die Level aus einer ganz anderen Perspektive betrachtet und mal können wir auch die Zeit verlangsamen. Vielfalt ist auch hier eine zentrale Maxime von ASTRO BOT und weil die Fähigkeiten alle so nahtlos und smooth in den Spielablauf eingebettet sind, wirkt es auch technisch umso beeindruckender.
Im Kern ist das Bewegungsrepertoire des Bots aber sehr ähnlich gehalten wie bei den Plattformer-Kollegen: Wir rennen, hüpfen, schlagen und können uns mit dem Laser über kürzere Distanzen über Boden halten. Die Grundsteuerung ist dabei extrem präzise, aber auch sobald die anderen Gimmicks ins Spiel kommen, hat man als Spieler*in jederzeit die perfekte Kontrolle über unseren süßen Bot.
Ein weiterer Punkt, wo die technologische Überlegenheit der PS5 genutzt wird, um ein andersartiges Gameplay gegenüber den 3D-Marios zu schaffen, ist die Physik-Implementierung:
Viele Objekte in den Umgebungen sind kaputtbar. Das wird aber gezielt in den Gameplay-Loop mit aufgenommen: Glas zerbricht zum Beispiel nicht an allen Stellen gleichmäßig, sondern konkret da wo wir Gewicht ausgeübt haben oder mit dem Laser-Verlängerungssprung drüber hinweggesprungen sind; An anderer Stelle müssen wir Plattformen mit unserem Gewicht so ausrichten, dass von oben herabstürzendes Wasser passend abfließen kann, damit wir mit einer Teer-ähnlichen Substanz geschützte Widersacher erst reinigen und uns ihrer dann entledigen können. An anderer Stelle verwandeln wir uns auf Knopfdruck in eine feste Kugel-Form und rollen durch die Levels – auch hier wirkt die Physik, ähnlich wie in Kororinpa von Hudson auf der Nintendo Wii. Die Verspieltheit durchdringt dabei wirklich jedes Detail: Denn sobald wir das Ersatzteil für das Raumschiff haben, würde jedes andere Spiel einfach eine kleine Cut Scene abspulen, die unseren Erfolg bestätigt. ASTRO BOT hingegen zelebriert den Einbau – mit unseren Robogreifarmen schrauben wir, drücken Steckmodule fest, reinigen das Teil, und nutzen für den Prozess der Wartung einfach nochmal alle Mechanismen des DualSense wie Mikrofon, Adaptive Trigger, haptisches Feedback, Gyro. etc. etc.
Als Zwischenfazit: Das Gameplay von ASTRO BOT ist wirklich hervorragend und hochaddiktiv. Mit den DualSense- und Physik-Spielereien sowie dem Einsatz der clever konzipierten Zusatzfähigkeiten hebt es sich angenehm von den Mario-Titeln ab. Das heißt zugleich aber auch: Wir können ASTRO BOT tatsächlich qualitativ in die Nähe eines 3D Mario Titels rücken. So etwas wie einen richtigen Mario-Killer hat es im Post 16-Bit Zeitalter nicht mehr gegeben. Es gab gute Jump and Runs, und es gab Mario. Selbst das schwächste 3D Mario (viele dürften hier Super Mario Sunshine nennen) war der Konkurrenz weit voraus, und nur sich selbst das schwächste Glied. Mit ASTRO BOT verhält sich die Sache aber anders, weil hier im Grunde alles stimmt: Stimmiges Gameplay, tolle Präsentation und technologische Innovationen. ASTRO BOT könnte tatsächlich ein moderner Klassiker werden…
Vielleicht sogar einer der schönsten und wohlklingendsten Titel des Jahres
…Und das gilt insbesondere auch für die audiovisuellen Schauwerte. ASTRO BOT schaut hervorragend aus und ist trotz künstlerischer Stilisierung ein ziemliches Fest für die Augen. Die Levels strotzen vor Leben, überall haben wir animierte Details wie einzeln gerenderte Blätter, die sich physikalisch korrekt bewegen, überall gibt es aufwendige Partikeleffekte, eindrucksvolle Lichtreflexionen auf Oberflächen oder realistisches Wasserverhalten zu bestaunen, und gleichzeitig läuft alles so smooth bei butterweichen konstanten 60 FPS ab. Selbst wenn sich viele Bots im Bild tummeln, und ihre individuellen Dinge tun, bleiben die Framerates flüssig. Die Levels sind dabei farbenprächtig, mal weitläufiger, mal etwas kompakter und warten fast alle mit knuffigen Elementen und vielen kleinen und großen Geheimnissen auf – alles wirkt knackscharf, alles wirkt interaktiv. Die unterschiedlichen Biome, die klassischen Jump and Run-Settings wie etwa dichten Wäldern, Eislandschaften, lavagetränkten Einöden, aber auch skurrileren Umgebungen entsprechen, sehen alle höchst unterschiedlich aus, und warten mit ihrer ganz eigenen Farbpalette und ihrem eigenen Trademark-Stil auf. Die Animationen unseres kleinen Robos sind herzallerliebst, und gerade, wenn man ihn ruhen lässt, treibt er allerlei witzigen Schabernack. Die Übergänge zwischen Unterwasser-Welt und Oberfläche sind extrem smooth, ebenso wenn es uns in luftigere Sphären treibt. Und again, die Physik hat häufig konkreten spielerischen Gehalt, sieht aber zuweilen aber auch einfach bloß großartig aus. Wenn wir etwa im Level „Ballonkrise“ auf riesige aufgeblasene Objekte hüpfen, dann dellen die sich physikalisch korrekt ein, wenn wir über sie laufen. Das ist auch wieder so ein kleines Detail, das mächtig Eindruck macht.
Auch auditiv macht ASTRO BOT ordentlich was her. Die In-Game Sounds der Charaktere und Umgebungen sind meist putziges „Gibberish“ und sehr cute, stehen hier in bester Tradition mit anderen Plattformer-Klassikern wie Banjo Kazooie und Mario. Aber ASTRO BOT geht einen Schritt weiter: Es fühlt sich einfach immersiv an, wenn man über Wasser oder Schlamm läuft, der DualSense mir haptisch den Eindruck vermittelt, über unterschiedliche Oberflächen zu gehen, und passend dazu aus dem Controller Plätscher- oder Matschsounds dringen.
Der Soundtrack ist Geschmackssache, aber ich mag ihn sehr. Die robotischen, gepitchten Vocals zu fröhlich-eingängigen retrofuturistischen Pop-Sounds wirken als Themes oft ziemlich passend. Man muss gefühlt ein klein bisschen Affinität zu 90s Eurodance wie Eiffel 65 mitbringen, Blue (Da Ba Dee) ist so bisschen die Richtung, in die der Soundtrack einschlägt, aber gerade in Anbetracht der früher leicht technoiden Markenidentität der PlayStation passt das ziemlich gut.
Beim Sound habe ich aber auch erstmalig ein bisschen Kritik zu vermerken: Der Mix ist ein bisschen unrund, gleichzeitig gibt es für diesen nahezu keine Einstellmöglichkeiten. Der Soundtrack spult seine musikalische Begleitung recht laut ab, In-Game Soundeffekte werden teils an den DualSense ausgelagert, aber nicht alle. Und die, die nicht ausgelagert werden, gehen im Mix tatsächlich ziemlich unter. Manche Punches wirken nicht so wuchtig, wie es das Spiel eigentlich gerne umsetzen würde. Das ist aber Kritik auf hohem Niveau, und lässt sich sicherlich über einen Patch regeln.
Eine Liebeserklärung an 30 Jahre PlayStation
ASTRO BOT ist spielgewordener Fan Service in seiner besten Form. Team Asobi verneigt sich mit den implementierten Cameos und teils passenden Levels vor einer umfassenden Reihe an Franchises und Klassikern und schenkt ihnen so mehr Liebe als so manche PlayStation CEOs.
Neben First Party-Charakteren wie Kratos, Ellie aus The Last of Us, Aloy aus Horizon, Nathan Drake aus Uncharted, sowie die Duos Rachet und Clank, Jak und Daxter und diversen Nebencharakteren werden auch zahlreiche Third Party-Helden und Heldinnen gewürdigt: Leon S. Kennedy und Claire Redfield aus Resident Evil kommen ebenso vor, wie Lara Croft aus Tomb Raider, Solid Snake aus Metal Gear Solid, Joker aus Persona 5, Kazuma Kiryu aus Like A Dragon und, und, und.
Dabei wird es auch gerne mal obskur: In der Einleitung habe ich das weirde PlayStation-Maskottchen Polygon Man erwähnt. Auch dieser 3D Kopf bekommt seinen Auftritt in ASTRO BOT.
Zuweilen wird einem klar, auf was für einer reichhaltigen Fülle an IPs SONY eigentlich sitzt, die in den letzten Jahrzehnten sträflich vernachlässigt wurde.
Die Level „Loco-Fieber“ orientiert sich etwa an den PSP Spielen „Loco Roco“ und zeigt, wie man das experimentelle Gameplay Konzept unter Nutzung der PlayStation 5 Technologie so hervorragend in die Moderne hieven könnte. Also SONY, los, gebt mir ein modernes Loco Roco oder Patapon. Eine andere Level ist eine Reminizenz an die alten Ape Escape-Titel: Das letzte Hauptspiel der Reihe, Ape Escape 3, erschien vor fast 20 Jahren für die PlayStation 2 (!). Aber auch Alundra, PaRappa the Rapper, Dark Cloud, WipeOut oder Killzone werden hier und da prominent in Szene gesetzt. Und man denkt sich: SONY, c’mon, macht was mit diesen tollen Marken.
Übersichtliche Spielzeit bei moderatem Schwierigkeitsgrad – mit einigen Ausnahmen für Komplettierer
ASTRO BOT ist beileibe kein schweres Spiel, und das ist eigentlich ganz gut so: Es taugt zum Entspannen, hebt das explorative Element in den kreativen Levels hervor, und ist eigentlich perfekt geeignet für gemeinsame Eltern-Kind Zocksessions. Ähnlich wie Kurzum: Es handelt sich hier um zugängliche Feel-Good Kost. Wenn das Spiel merkt, dass man die Funktionsweise einer Mechanik nicht mehr ganz beherrscht, blendet es nochmal eine kleine Erklärungsgrafik in die obere rechte Ecke.
Auch die Platinum-Trophäe ist im Grunde ziemlich gut realisierbar, weil es keine verpassbaren Konditionen gibt. Um alle Galaxien mit allen Bots und Puzzleteilen freizuschalten, braucht man ca. 15-20 Stunden Spielzeit. ABER: Es gibt Ausnahmen, die den Schwierigkeitsgrad an vereinzelten Stellen extrem in die Höhe treiben. Die Rede ist von den „Leere“-Levels, die jeweils einen Bot zur Rettung beinhalten.
Die unterstehen motivisch jeweils einem Face Button des Dualshock/DualSense Controllers – Es gibt folglich die „Kreuzleere“, die „Dreieck-Leere“, die „Quadrat-Leere“ und die „Kreis-Leere“ – die sind weitgehend als sehr straighte Herausforderungsmodi konzipiert. Es gibt KEINE Savepoints, es gibt viel Trial & Error, aber es gibt auch definitiv einen Lerneffekt beim mehrmaligen Spielen. Diese Levels sind deutlich fordernder als die regulären Levels, und auch die freischaltbaren Extra-Stages, aber größtenteils gut schaffbar.
Zwei konkrete Levels sind hier aber außen vor: Für „Spritziger Sprint“ habe ich bestimmt 30 Anläufe gebraucht, um das Ding zu schaffen. Ähnliche Erfolgserlebnisse gibt es sonst nur bei erlegten Bossen in FROM Software Titeln (die ich wohlgemerkt nicht spiele). Noch eine Ecke schwerer ist die Meisterherausforderung. Die schaltet man frei, wenn man alle 300 Bots, und alle Puzzlestücke sein Eigen nennt. In der Meisterherausforderung befreien wir den „Goldenen Bot“. Diese beiden Levels verlangen uns spielmechanisch alles ab, was ASTRO BOT uns abzuverlangen imstande ist. Ich kann nachvollziehen, dass es hier ein bisschen Frustrationspotential gibt, wenn man sonst regelrecht durchs Spiel spaziert ist. Gleichzeitig muss ich sagen, dass diese Extra-Levels sich extrem befriedigend anfühlen, und zwar auf Trial & Error setzen, aber extrem fair sind, da man die Sprung- Angriffs- und Rennmuster nach einigen Malen solide verinnerlicht hat.
Fazit:
Ich hatte zu Beginn des Jahres in der Like A Dragon: Infinite Wealth Besprechung geschrieben, dass der SEGA Titel ein früher Goty-Anwärter ist. Nach wie vor halte ich das JRPG vom RGG Studio für ein Meisterwerk. Aber ich glaube, ASTRO BOT hat mir so viel Spaß gemacht wie kein Videospiel der letzten 5 Jahre. Ich liebe es, wie die ansprechende, aber anspruchsvolle Knuddeloptik und das tolle Jump and Run-Gameplay Hand in Hand mit technologischer Innovation gehen. Die kreativ gestalteten Welten mit ihren höchst unterschiedlichen Biomen sind der Rahmen für extrem verspielte Designideen. Ich habe im Rahmen dieser Besprechung öfter Parallelen zum Mario-Franchise gezogen. Das tut aber dem Werk von Team Asobi fast ein bisschen Unrecht, denn der kleine Robo steht auf ganz eigenen Beinen, visuell und spielmechanisch. Das Spiel ist nicht zuletzt durch die ganzen Cameos eine Liebeserklärung an 30 Jahre PlayStation-Historie, und greift als Markenbotschafter eine sehr unique Ästhetik auf. ASTRO BOT ist neben Mario Odyssey der wohl stärkste 3D-Plattformer der letzten Jahre und dürfte als moderner Klassiker in den PlayStation-Katalog. Mir scheint, als hätte SONY sein Maskottchen endlich gefunden.
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ASTRO BOT [PlayStation 5]
Grafik / Art Style - 9.3
Story / Inszenierung - 7.9
Technik - 9.7
Umfang - 8.6
Spielspass / Gameplay - 9.5
9
ASTRO BOT verzahnt flowiges Gameplay, eine charmante und hochwertige audiovisuelle Präsentation und technologische Innovation miteinander. Team Asobi hat hier einen Titel erschaffen, der das Zeug zum modernen Klassiker hat.