Game Review: Steelrising für Playstation 5 – Soulslike, Metroidvania und andere Komposita im Test

Es gibt gefühlt nur noch drei Genres im Videospielsektor: Auf Platz 1 stehen Battle Royale Shooter. Damit habe ich nichts am Hut, auch wenn mich täglich Schüler fragen, ob ich Fortnite kenne. Ich kenne das und ich find das kacke, aber wenn es unbedingt sein müsste, dann würd ich Apex Legends nehmen. An nächster Stelle stehen Open World Spiele, die in letzter Zeit wild vor sich hinfloppen, wie zuletzt schon der mediale Aufschrei gegen Saints Row zeigte. Und dann sind da noch Soulslike Spiele, die komplett fantastisch sind, wenn sie von From Software sind, ganz gut, wenn sie eine Star Wars Lizenz haben und ansonsten komplett am Boden liegen. Ausnahmen mag es geben, aber die heißen Elden Ring und perfektionieren zwei der drei Genres. Ganz schön hartes Publikum also für Steelrising.

Anders als so ziemlich jeder andere Genrevertreter ist Steelrising, zwar wirklich nur sehr grob, aber doch an unsere Realität angelehnt. In einer Art Steampunk Version der Französischen Revolution schlüpfen die Spielenden in die künstliche Haut von Aegis. Der puppenartig aussehende Roboter dient in dieser Welt als Leibwächter der Königin, die sich vor einem Komplott des Königs verbirgt. Im Laufe der Geschichte versucht Aegis nicht nur ihrem Auftrag als Beschützer nachzugehen sondern erforscht auch ihre eigene Herkunft und trifft dabei auf zahlreiche historische Persönlichkeiten, die einen etwas übernatürlicheren Anstrich erhielten. Geschichtsnerds trifft das direkt ins Geschichtsunterrichtsherz, aber auch Leute ohne Geschichts-LK treffen hier auf interessante Gestalten, die mehr sind als bloße Questgeber. Und dank vertonter Dialoge und verschiedenen Briefen kann man der Handlung sogar folgen, ohne das Spiel mit stundenlangen Youtube-Interpretationen nacharbeiten zu müssen. Dabei sind die Motive der handelnden Personen nachvollziehbar und vielschichtig und auch Aegis ist für ein Kunstobjekt recht tiefgängig, zumal man als Spieler auch ein wenig Einfluss auf das Geschehen nehmen kann.

Steelrising Screen 1

Aegis ist unsere puppenhafte Protagonistin in Steelrising @Nacon

Aber was muss man tun, um in den Genuss der Geschichte zu kommen? Na, Gegner verhauen natürlich! Und das funktioniert in Steelrising ungefähr so, wie bei der Konkurrenz. Man läuft durch halboffene Level, tötet seine Feinde und sichert seinen Fortschritt am Gegenstück zu den klassischen Bonfires. Klingt erstmal beinahe generisch, offenbart sich dann aber im Detail als Spiel mit ziemlich smarten Unterschieden, die Steelrising vom Vorwurf des einfachen Abklatsches befreien. Das beginnt bei Aegis selbst. Der Spielerroboter ist nämlich für das Genre verhältnismäßig behände und bringt etwas mit, was tatsächlich schon einen Unterschied macht: Sie kann nämlich springen. Das erlaubt so ein deutlich vertikaleres Leveldesign, als der Durchschnitt und auch ein erweitertes Repertoire an Angriffen. Klar, das Prinzip aus leichtem, schwerem und Spezialangriff ist grundsätzlich auch hier vorhanden, wird aber durch das Spieldesign angenehm erweitert. Das geschieht zum einen durch die Waffen, die für mich ein Highlight des Spiels sind. Die Steuerung ist zugegebenermaßen manchmal etwas hakelig, aber wenn man die richtige Waffencombo für sich entdeckt, fallen die kleinen Zipperlein bedeutend weniger ins Gewicht. Und dabei sind die Waffen schön abwechlungsreich, denn Aegis ist kein Ritter in eiserner Rüstung und auch kein Samurai. Dafür verwendet sie interessante Waffen, wie eine Combo aus Degen und Dolch oder ein Räucherfass an einer Kette mit der man fast ninjamäßig herumwirbeln kann und so die Gegner auf Abstand hält. Sollten sie sich davon wenig beeindrucken lassen, kann man per Spezialangriff das Fass entzünden und so zusätzlichen Schaden anrichten oder gleich zur Muskete greifen. Und dann gibt es natürlich noch Waffen, die sich zu Schilden erweitern lassen oder gleich eine Paradefunktion haben. Dem Steampunk-Fan wird hier jeder Wunsch erfüllt, zumal die Designs der Waffen ziemlich kreativ sind und sich nahtlos in die Welt einfügen. Da man schnell zwischen zwei Waffensets wechseln kann, entsteht so ein flexibles Kampfsystem, das mich schon früh überzeugen und das ganze Spiel über bei der Stange halten konnte!

Darüber hinaus erwirbt Aegis weitere Special Moves, wie einen Doppelsprung oder einen kurzen Dash, die man als Spielende nicht nur nahtlos in die Kämpfe einbinden kann, sondern auch nutzen muss um die Umgebung zu erkunden. So erhält Steelrising neben seiner Soulslike Basis auch Elemente aus dem Metroidvania Genre. Das führt zwar zu ein wenig Backtracking, durch die neuen Moves und die durchaus interessante Handlung fühlt sich das ganze aber auch nicht wie ein langweiliger Lückenfüller, sondern wie geschicktes Leveldesign an.

@Nacon

Für ein Spiel, in dessen Welt die Technik der unsrigen voraus ist, ist die tatsächliche Technik von Steelrising vermutlich mein größter Kritikpunkt.

Die Grafik ist weitgehend okay bis durchschnittlich. Das heißt, dass vor allem Aegis und ihre Animationen ziemlich gelungen sind. Steht man etwa kurz herum, verschieben sich an dem Roboter Teile, ähnlich wie bei einer mechanischen Uhr und auch im Kampf bewegt sich die Heldin gleichzeitig behände, als auch absichtlich leicht staksig. Das überzeugt auf ganzer Linie. Das gleiche gilt im Großen und Ganzen auch für die Gegner. Die sind durch die Bank verschiedene Roboter mit verschiedenen Taktiken, mit eigenen Schwachstellen und Überraschungen. Die sehen auch alle gut sind, könnten aber auch noch vielfältiger sein, da man doch recht häufig auf die selben paar Maschinen trifft. Macht in einer Welt, in der Gegner in Fabriken hergestellt werden aber auch Sinn. Zumal die Bosse immer einzigartig sind und auch durchaus mit innovativen Designs aufwarten können, auch wenn sie immer etwas bodenständiger sind als beim japanischen Genreprimus.

Weniger gelungen sind die Level an sich. Ich kann nicht genau benennen, was mir dabei so sauer aufstößt, aber irgendwie fühlt sich die Welt von den Proportionen her einfach falsch an, so als wäre Aegis viel kleiner als ein Mensch, was sie offensichtlich nicht ist. Und wo wir schon bei Menschen sind: Die sind den Entwicklern nicht genauso gut gelungen, wie die Robos. Zwar trifft man fast nur in Videosequenzen auf echte Menschen, die wirken aber immer etwas wächsern. Ebenso könnten die Locations an sich möglicherweise etwas abwechslungsreicher sein. Da man sich innerhalb der Handlung stets in Paris befindet reihen sich hier urbane Level aneinander, die gelegentlich durch zeitgenössische Garten-Labyrinthe oder Kanalisationen unterbrochen werden. Mich persönlich stört das nicht, aber besonders abwechslungsreich sind die Orte der Handlung nicht unbedingt. Dafür spart man sich so auch die klassischen Gift- und Wasserlevel und das ist für mich ja eher ein Bonus. Im Gegensatz zu den unsichtbaren Wänden, die bei einem mobilen Spielercharakter wie Aegis besonders tragisch sind. Die sind zwar nie in der offenen Welt platziert, trotzdem gibt es die ein oder andere Hecke, die man nicht überspringen kann, obwohl die Heldin offenbar locker in der Lage dazu wäre.

Die Musik und Soundeffekte sind völlig in Ordnung, da sie sich angenehm im Hintergrund verlieren, nie fällt groß etwas auf.  Ebenso wie die Bugs. In rund 20 Stunden Spielzeit ist mir das Spiel nur einmal abgestürzt und einmal wurde scheinbar vergessen eine Tonspur abzupielen. Da kann man wirklich nicht meckern.

@Nacon

@Nacon

Fazit:

Ich hatte keine großen Erwartungen bei Steelrising und ehrlich gesagt, hatte ich das Spiel kaum auf dem Schirm, da es ein bisschen im Schatten von Lies of P untergegangen ist. Völlig zu unrecht! Das Abenteuer rund um Aegis ist meiner Meinung nach einer der stärksten Vertreter des Soulslike-Genres und erhält von mir eine unbedingte Empfehlung für alle Genrefans! Steelrising ist dabei besonders für Anfänger und Spieler geeignet, denen die üblichen Vertreter sonst zu schwierig oder gruselig sind, denn Steelrising verzeiht bedeutend mehr Fehler und ist trotzdem fordernd genug. Gebt Aegis eine Chance!

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Story - 8
Setting - 9
Technik - 7
Gameplay - 9
Umfang - 8.5
Spielspaß - 8.5

8.3

Steelrising ist ein Überraschungshit! Ein Soulslike, das mit unverbrauchtem Setting und spielmechanischer Finesse viele Dinge richtig macht und sich seine eigene Identität bewahrt. Gebt Aegis eine Chance!

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