Game Review: Simon the Sorcerer Origins für Nintendo Switch – Ebenso cleveres wie sympathisches Prequel zum Point and Click-Adventure-Urgestein

Point & Click-Adventure Veteranen werden aufhorchen: Das von der britischen Softwareschmiede Adventure Soft entwickelte Simon the Sorcerer mag seinerzeit innerhalb des  Genres zwar nie ganz die Prominenz eines Monkey Island, Zak McKracken oder Day of the Tentacle erreicht haben, aber viele Kinder der 80er und frühen 90er werden sich dennoch mit Wohlwollen an den großmäuligen Jungzauberers zurück erinnern. Nach dem 1994 erschienenen Debüt erschien zwei Jahre später ein ebenso gelungener, technisch weitgehend ähnlicher Nachfolger und dann passierte etwas, was vielen Adventure-Reihen der damaligen Zeit das Genick brach: Man versuchte sich an qualitativ semiguten 3D-Iterationen. Zwischen 2002 und 2009 erschienen insgesamt noch drei weitere Simon the Sorcerer-Spiele bei unterschiedlichen Entwicklerstudios. Keiner der Titel konnte an die Erfolge der ersten beiden Werke anknüpfen und so verschwand die humorige Reihe in der Versenkung.

Als der rebellische Teenager Simon von der alten Schule fliegt, beschließt seine Familie einen Neuanfang. Das Spiel beginnt just mit dem Einzug ins neue Heim, doch das "Glück" währt nicht lange.... © ININ Games

Als der rebellische Teenager Simon von der alten Schule fliegt, beschließt seine Familie einen Neuanfang. Das Spiel beginnt just mit dem Einzug ins neue Heim, doch das „Glück“ währt nicht lange…. © ININ Games

Bis jetzt: Der deutsche Publisher ININ Games und das italienische Studio Smallthing Studios haben mit Simon the Sorcerer Origins jüngst ein waschechtes Prequel rausgebracht, das kurz vor den Geschehnissen des Erstlings angesiedelt ist. Wir haben uns die Nintendo Switch-Fassung näher angeschaut und klären im Rahmen dieser Review, ob das Ding humor- und rätseltechnisch an das sympathische Frühwerk heranreicht.

Quirlige Coming-of-Age Story voller charmanter Referenzen für Potterheads

Der Origins-Zusatz im Namen ist hier Programm: Das Spiel ist chronologisch ein unmittelbares Prequel zum 1994er Titel, versucht aber zugleich den Spagat, ein neues Publikum ins Franchise einzuführen. Der ebenso chaotische wie rebellische Teenager Simon zieht zusammen mit seinen Eltern in ein neues Heim in einer neuen Stadt, nachdem er von der Schule geflogen ist. Getrieben von Langeweile und Neugierde durchstöbert er sein neues Zuhause und öffnet dabei versehentlich das Portal zu einer magischen Fantasy-Welt, von der er just verschluckt wird.

Wir werden durch ein magisches Portal in eine Fantasy-Welt gezogen. Dort treffen wir einen alten Bekannten, den Magiermeister Calypso, der uns mit einer uralten Prophezeiung konfrontiert, für deren Erfüllung wir zwei magische Folianten benötigen... © ININ Games

Wir werden durch ein magisches Portal in eine Fantasy-Welt gezogen. Dort treffen wir einen alten Bekannten, den Magiermeister Calypso, der uns mit einer uralten Prophezeiung konfrontiert, für deren Erfüllung wir zwei magische Folianten benötigen… © ININ Games

Nach ersten Schritten durch ein ominöses Höhlensystem stoßen wir auf das Haus des greisen Zauberers Calypso, der Simon einerseits kundtut, wo er sich grad befindet, andererseits den Umstand, dass dieser Teil einer uralten Prophezeiung des geheimnisumwitterten ersten Zauberers zu sein scheint. Konkret soll Simon zwei magische Folianten auftreiben – klar, nichts leichter als das. Diese Folianten gelten dann auch als unser wesentliches McGuffin, um die Handlung voranzutreiben. Denn nicht nur bewahren sie das Gleichgewicht der magischen Welt, für Simon sind sie auch ein Instrument, um wieder zurück in sein altes Leben zu finden.

Und wo findet man in der Regel Hinweise zu uralten Schriftstücken? Richtig, in altehrwürdigen Akademien. Und so müssen wir uns als Zaubererschüler ausweisen, um Zugang zu den Hallen der Magierakademie zu erlangen. Doch der Erfüllung der Prophezeiung steht ein alter Bekannter entgegen. Fans des ersten Teil erinnern sich sicherlich noch an den bösen Zauberer Sordid. Auch im Prequel ist der spätere Schwarzmagier die zentrale Nemesis, wenngleich er hier noch ein festes Mitglied der Magierzunft ist, der unter mangelndem Selbstbewusstsein leidet und von seinen Zaubererkollegen regelrecht gemobbt wird.

Die mit popkulturellen angereicherte Fantasy-Welt erinnert in ihrer bonbonbunten Optik ein klein wenig an die Märchenwelt aus den Shrek-Filmen © ININ Games

Die mit popkulturellen angereicherte Fantasy-Welt erinnert in ihrer bonbonbunten Optik ein klein wenig an die Märchenwelt aus den Shrek-Filmen © ININ Games

Die Geschichte von Simon Origins wird natürlich vor allem über den Humor und die zahlreichen skurrilen Charaktere getragen – und hier gibt gegenüber den beiden Ur-Spielen kleinere Updates für die Neueinsteiger*innen. Haben die alten Spiele vor allem noch die High Fantasy Welten von Dungeons & Dragons und Herr der Ringe veralbert, ist Simon the Sorcerer Origins ebenfalls vollgestopft mit popkulturellen Referenzen – hier wird vor allem das Harry Potter-Universum durch den Kakao gezogen, aber auch Anspielungen auf D&D finden sich weiterhin. Das Setting der Magierakademie mit den sprechenden Portraits in Gemälden,  und dem herrlich desinteressierten Lehrpersonal eignet sich hier aber auch vorzüglich, um eine quirlig-schwarzhumorige Coming-of-Age-Story auf die Bildschirme zu hieven. In einer  englischsprachigen Review heißt es sinngemäß „Stellt euch Hogwarts vor, aber niemand interessiert sich für irgendwas und jeder wäre gerne woanders.“ – Das trifft es ziemlich.

Die Magierakademie mutet ein bisschen wie ein Hogwarts an, in dem allen Beteiligten alles herzlich egal ist. Auch die sprechenden Gemäldenportraits sind natürlich eine witzige Referenz © ININ Games

Die Magierakademie mutet ein bisschen wie ein Hogwarts an, in dem allen Beteiligten alles herzlich egal ist. Auch die sprechenden Gemäldenportraits sind natürlich eine witzige Referenz © ININ Games

Natürlich ist auch hier, gleichsam wie in den Vorgängern, ein ordentlicher Schuss Terry Pratchett/Scheibenwelt-DNA mit drin und gerne wird auch auf höchste amüsante die vierte Wand durchbrochen, wenn sich der großmäulige Simon mit seinen Erkenntnissen direkt an die Spielerschaft wendet.

Der Plot ist nicht sonderlich komplex, aber er spannt gekonnt die Brücke zum ersten Simon the Sorcerer-Teil und liefert gleichzeitig Neues und mit wieder auftauchenden Charakteren wie dem Sumpfling auch ein bisschen Fanservice für die Veteranen. Die Autoren des italienischen Studios schaffen es einen Humor zu zelebrieren, der sich perfekt an das Writing der alten Adventure Soft schmiegt und „very british“ daherkommt. Allein an dieser Front ist Simon the Sorcerer Origins also schon eine schöne Liebeserklärung an die Fans des Originals und kommt stimmungstechnisch näher an das Vorbild ran als alles, was in den 00er Jahren fabriziert worden ist.

Out of the Box Thinking ist angesagt

Wisst ihr, ab wann ein Spiel tatsächlich fordernde Rätsel mitbringt? Wenn Entwicklerstudio und Publisher eine Mailadresse für Pressevertreter*innen einrichten müssen, damit diese auch vor dem offiziellen Release nach Hinweisen für den Spielfortschritt fragen können.

Simon the Sorcerer Origins bleibt zunächst den Genre-Wurzeln treu: Man navigiert Simon durch die überschaubare Fantasy-Welt, quatscht mit allerlei seltsamen Zeitgenossen, sammelt nützliche Objekte zusammen, die man bei entsprechender Voraussetzung auch kombinieren und/oder auf die Umgebung anwenden kann.

Nicht immer sind die Rätsel logisch aufgebaut. Wer etwa hätte gedacht, dass wir das Wörterbuch erst auf uns selbst anwenden müssen, um die von der Apparatur projezierten Schriftzeichen lesen zu können?  © ININ Games

Nicht immer sind die Rätsel logisch aufgebaut. Wer etwa hätte gedacht, dass wir das Wörterbuch erst auf uns selbst anwenden müssen, um die von der Apparatur projezierten Schriftzeichen lesen zu können? © ININ Games

Anders als das ziemlich non-linear aufgebaute Erstwerk, ist Simon the Sorcerer in klassische Kapitel unterteilt – 11 bzw. 12 an der Zahl – die uns durch eine kompakte Anzahl an Locations führen – etwa das Dörfchen mit mehreren prominenten Gebäuden wie den makabren Kuriositätenshop von Mundus, einer heruntergerockten Spelunke oder der Kirche des ersten Zauberers; Die Magier-Akademie und der verbotene Sumpf sind weitere größere Areale, die in kleine Einzelbereiche unterteilt sind. Durch die vergleichsweise fixe Abfolge der Rätsel und die überschaubare Menge an interagierbaren NPCs ergeben sich ein insgesamt gutes Pacing, das wenige Langatmigkeiten bereithält. Insgesamt unterhält der Titel für ca. 10 Stunden – was angesichts des Preises von ca. 25 EUR ein meines Erachtens ziemlich guter Deal ist.

Eine deutliche Neuerung in Origins sind die erlernbaren Zaubersprüche, die wir nach und nach erlernen. Mit Elementarkräften wie dem Eis-Zauber lässt sich etwa ein Abwasser-Rinnsal („Biogefahr“) später gefrieren, um daran hochzuklettern und so einen Pfosten für einen provisorischen Fahnenmast zu erlangen. Neben dem genannten Zauber, können wir auch noch den Feuer- sowie Wind-Zauber erlernen. Zudem erlangen wir später einen Hut der schwarzen bzw. weißen Magie, mit dem wir spezifische Objekte im Inventar mit positiven oder negativen Effekten belegen können.

Mit den erlernbaren Zaubern können wir endlich an Gegenstände oder in Areale gelangen, die uns vorher nicht zugänglich waren. Mit dem Eiszauber können wir etwa das Abwasser-Rinnsal gefrieren lassen © ININ Games

Mit den erlernbaren Zaubern können wir endlich an Gegenstände oder in Areale gelangen, die uns vorher nicht zugänglich waren. Mit dem Eiszauber können wir etwa das Abwasser-Rinnsal gefrieren lassen © ININ Games

Nun aber zur Schwierigkeit: Nicht selten sind die Lösungswege ein wenig krude geraten und erfordern eine sehr konkrete Vorgehensweise, welche die Entwickler*innen hier vorgesehen haben: Ein Beispiel gefällig? Kurz bevor wir den Feuerzauber erlernen, aktivieren wir eine ominöse Apparatur, die ominöse Schriftzeichen an die Wände wirft. „Aha!“ denkt sich der oder die findige Abenteurer*in – es ist doch sonnenklar, dass wir hier das Wörterbuch im Inventar auf die Schriftzeichen anwenden müssen. Das bekommen wir aber mit dem Kommentar quittiert, dass das so nicht funktioniere. Die Lösung ist nun also, dass wir das Wörterbuch erst auf Simon selbst anwenden, der das Lesen der Zauberrunen erlernt und fortan das Geschriebene entziffern kann. Das Spiel nimmt aber kaum an die Hand, zeigt sich wenig flexibel und liefert keine Hinweise, in welche Richtung die Spieler*innenstrategie gehen könnte. Mit der Anwendung schwarzer bzw. weißer Magie kommen noch ein paar vertracktere Kopfnüsse hinzu, die nicht immer ganz logisch aufgebaut sind.

Das Spiel fordert zeitweilig unbarmherzig eine „out of the box”-Denkstrategie ein, und kann diesbezüglich manchmal ein wenig frusten. Auf der anderen Seite bekommen Point and Click-Veteranen so ein Spielerlebnis, das an die guten, alten Tage zurückerinnert.

Und ganz ohne moderne Annehmlichkeiten kommt dann auch ein Simon Origins nicht aus: So muss man natürlich nicht mehr pixelgenau nach den Interactibles suchen – stattdessen gibt es komfortable Item- und Interactible-Marker.

Schöner Cartoon-Artstyle, der über die etwas hölzernen Animationen hinweghilft

Der Cartoon-Look von Simon the Sorcerer Origins mag für viele Fans ein zweischneidiges Schwert zu sein. Mir hingegen hat der künstlerische Stil, der an Zeichentrickserien der 90er erinnert, ziemlich gut gefallen. Simon wirkt wie ein frecher Teenager, der mit entsprechenden Mimiken und Gestiken daherkommt. Die Locations wirken liebevoll gezeichnet und kommen in märchenhaften, bonbonbunten Farbpaletten, die ein wenig an die Popkultur-angereicherte Märchenwelt der Animationsfilmreihe „Shrek – Der Tollkühne Held“ erinnern.

Auch in Origins ist der böse Zauberer Sordid die zentrale Nemesis. Anders als im chronologischen Nachfolger ist er hier aber noch ein klein wenig ambivalenter charakterisiert © ININ Games

Auch in Origins ist der böse Zauberer Sordid die zentrale Nemesis. Anders als im chronologischen Nachfolger ist er hier aber noch ein klein wenig ambivalenter charakterisiert © ININ Games

Klar, die Spielwelt von Simon the Sorcerer 1 und 2 wirkte in ihrer Pixelpracht anno dazumal noch eine Spur verdichteter und „voller“, aber Origins ist auf der anderen Seite ein niedriger budgetierter Indie-Titel. Allenfalls die Animationen hätte ich mir ein stückweit flüssiger gewünscht, um den Zeichentrick-Style konsequenter umzusetzen. Die meisten NPCs und Interactibles kommen mit relativ wenig Animationsphasen, was das Ganze in Bewegung ein klein bisschen hölzern anmuten lässt. Dafür läuft das Spiel auf allen Plattformen, in meinem Fall die Nintendo Switch, gänzlich ohne Probleme.

Es gibt mehrere Momente, in denen Origins selbstreferenziell in den alten Pixel-Look zurückfällt... © ININ Games

Es gibt mehrere Momente, in denen Origins selbstreferenziell in den alten Pixel-Look zurückfällt… © ININ Games

Originale Sprecher, stilsicherer Soundtrack

Beim Intro habe ich zunächst gedacht, das Spiel versucht mich zu rick rollen – und nein, der Song ist zwar nicht das berühmt-berüchtigte „Never Gonna Give You Up“, aber immerhin ein anderer ikonischer Evergreen von Rick Astley – das 1987 veröffentlichte „Together Forever“ – das sorgt direkt für die passende Einstimmung auf eine nostalgische Coming-of-Age Story. Eine ziemlich stilsichere Wahl!

Und auch seltsame Zeitgenossen wie der Sumpfling feiern in Origins ihr kleines Comeback © ININ Games

Und auch seltsame Zeitgenossen wie der Sumpfling feiern in Origins ihr kleines Comeback © ININ Games

Ganz so prominent bleibt es zwar nicht – das Spiel setzt auf stimmige, aber gerne auch leicht dudelige Hintergrundmusik – aber vor allem in einem auditiven Bereich trumpft Simon the Sorcerer Origins ziemlich auf:

Fans der originären Serieneinträge (höhö) werden sich nämlich darüber freuen, dass die originalen Sprecher des Zaubererjünglings zurückkehren: Im Englischen ist das der Schauspieler Chris Barrie, im Deutschen der Synchron- und Hörspielsprecher Erik Borner. Und der macht einen außerordentlich guten Job – ich habe mich just in dem Moment an die alten Spiele zurückerinnert gefühlt, als seine Stimme das erste Mal erklang. Gefühlt ist seine Simon-Interpretation seit 1994 um keinen Tag gealtert. Toll!

Fazit:

Simon the Sorcerer Origins ist eine liebevolle Neuauflage einer Adventure-Marke, an die ich mich gerne zurückerinnere, die ich aber auch zugegebenermaßen ein wenig vergessen habe. Der deutsche Publisher ININ Games und das italienische Smallthing Studios haben hier insofern durchweg erfolgreiche Revitalisierungsarbeit geleistet – der referenzielle und mitunter ziemlich schwarze Humor sitzt und mutet immer noch „very british“ an, die bonbonbunte, cartoonige Zeichentrick-Ästhetik transportiert die alte Pixel-Optik zufriedenstellend in die Moderne und auch beim Soundtrack gibt es einige stilsichere Einfälle. Vor allem bei einer Sache bleibt Simon the Sorcerer Origins aber ziemlich Old School: Beim bockschweren, mitunter etwas unflexiblen Rätseldesign. Hier ist ein um-die-Ecke-denken Pflicht, denn die Kopfnüsse sind nicht immer zwangsläufig logisch aufgebaut. Wer klassischer Adventure-Kost nicht abgeneigt ist, der bekommt für rund 25 EUR ca. 10 Stunden Spielspaß. Ich wiederum hoffe, dass es von den Smallthing Studios einen weiteren Teil in diesem Stil geben wird, der mit den paar kleineren Kinderkrankheiten aufräumt, die derzeit noch beanstandenswert sind. Es würde mich freuen, denn Origins ist locker das beste Simon the Sorcerer seit dem 1995 erschienenen Simon the Sorcerer II.

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Simon the Sorcerer Origins [Nintendo Switch]

Grafik / Art Style - 7.9
Story / Inszenierung - 8.2
Technik - 6.9
Umfang - 7.1
Gameplay / Spielspass - 7.9

7.6

Liebevolle Neuauflage einer klassischen Adventure-Marke, welche die charmante Vorlage erfolgreich in die Moderne hievt. Nur bei einer Sache zeigt sich das Ding bemerkenswert unmodern: Beim mitunter bockschweren Rätseldesign.

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