Game Review: Silent Hill F für PlayStation 5 – Das Grauen des Patriarchats

Der Publisher Konami hat nach endlos langer Durststrecke endlich wieder einen Lauf, der sich vor allem auf zwei Säulen zu stützen scheint. Sie geben den ausgehungerten Fans alte Glanzstücke in neuem Gewand, zeigen sich aber auch gewillt, neue Wege zu gehen.  Und auch wenn die Metal Gear Solid-Reihe mit dem Snake Eater-Remake eine ordentliche Revitalisierung bekommen hat, ist es vor allem die Silent Hill-Serie, deren Wiederbelebung nach anfänglicher Skepsis vollends geglückt ist.

Eine gute Qualitätssicherung und eine vernünftige kreative Vision der beteiligten Entwicklerstudios dürften hier ganz maßgeblich sein. Das polnische Bloober Team (u.a. Cronos: The New Dawn) machte es letztes Jahr vor – Silent Hill 2 war ein Parade-Remake, das genau die richtige Balance zwischen Verneigung vor dem Original und dezenter Neuerung wahren konnte. Folgerichtig konnte sich der Titel bislang 2.5 Mio. mal verkaufen und Bloober Team haben in logischer Konsequenz mittlerweile mit der Produktion eines Remakes des Silent Hill-Erstlings begonnen, welches aber nicht vor 2027 erscheinen soll.

Neben den Remake-Süppchen, die aktuell kochen, zeigt sich Konami aber auch experimentierfreudiger mit der Marke. Zuletzt gab es Gerüchte um die Veröffentlichung von Silent Hill: Townfall, das in Kooperation mit Indie-Publisher Annapourna Interactive bei Screenburn Interactive (vorher No Code) entsteht, einen episodischen Anthologie-Ansatz verfolgt und mutmaßlich kommendes Jahr erscheinen soll.

Bei der heutigen Review geht es aber um Silent Hill f vom jungen, taiwanesischen Entwicklerstudio NeoBards Entertainment. Silent Hill F ist am 25. September 2025 erschienen und macht einige Dinge grundlegend anders, als man es vom Franchise gewohnt ist. Trägt es dennoch den Silent Hill-Franchisenamen zurecht oder hätte sich der Horror-Titel unter einem anderen Namen besser gemacht? Das gilt es in dieser Besprechung herauszufinden.

Die Grausamkeit, Frau zu sein

Die erste grundlegende Neuerung bei Silent Hill f ist das Setting. Die Handlung vollzieht sich nicht mehr in dem dauernebeligen US-amerikanischen Kurort am Toluca-See. Stattdessen verschlägt es uns in die abgelegene Kleinstadt Ebisugaoka im Japan der 1960er Jahre, mitten in der Shōwa-Ära.

Ausgangspunkt für die Tour de Force in Silent Hill f ist das konfliktbelastete Verhältnis von Hinako zu ihrem Elternhaus und der repressiven Gesellschaft der Showa-Ära © Konami

Ausgangspunkt für die Tour de Force in Silent Hill f ist das konfliktbelastete Verhältnis von Hinako zu ihrem Elternhaus und der repressiven Gesellschaft der Showa-Ära © Konami

Wir schlüpfen in die Rolle von Hinako Shimizu, einer typischen Junior High School-Schülerin –  früher war sie ein lebhaftes Kind, doch das Leben ist mit der Adoleszenz trist geworden. Nicht zuletzt liegt das auch daran, weil Hinako sich nicht so recht mit den Geschlechterrollenbildern und den Erwartungshaltungen an ein junges Mädchen in einer restriktiven Gesellschaft wie dieser arrangieren mag.

Zu Beginn sehen wir die trotzige Hinako im Kindesalter, wie sie mit einer Zelluloid-Kinderpuppe spielt und sich offenbar verärgert über ihre Freundinnen zeigt. Diese haben ihr wohl zum Vorwurf gemacht, dass sie zu oft mit den Jungs rumhänge und haben sie in Folge vom gemeinsamen Spielen ausgeschlossen. Ihre ältere Schwester Junko tröstet sie und bietet ihr an, stattdessen mit ihr zu spielen. Es ist die Erinnerung einer jugendlichen Hinako – denn ihrer Schwester heiratet an jenem Tag und verlässt die dysfunktionale Shimizu Familie. Für Hinako bleibt ein Gefühl des Zurückgelassen-werdens. Ihren Trotz bewahrt sie sich aber.

Die Level-Strukturen sind Silent Hill-typisch: Das japanische Dorf Ebisugaoka fungiert als semioffener Hub und verbindet die zentralen Schauplätze © Konami

Die Level-Strukturen sind Silent Hill-typisch: Das japanische Dorf Ebisugaoka fungiert als semioffener Hub und verbindet die zentralen Schauplätze © Konami

Die Dysfunktionalität zeigt sich dann auch in der nachfolgenden Sequenz. Ihr Vater ist ein jähzorniger Trinker, ihre Mutter unterwürfige Hausfrau ohne jegliches Ego. Ohne Junko bleibt sie mit ihnen allein. Doch sie ist nicht ihre Schwester, welche die Obhut eines (Ehe)mannes braucht, um der Tyrannei eines Mannes zu entkommen. Sie gibt Widerworte, sie schreit, sie ballt die Fäuste und sie konfrontiert ihren Vater mit seiner männlich-toxischen Jämmerlichkeit. Etwas, das ihm natürlich gar nicht gefällt und etwas, dass er dann natürlich an seiner Frau entlädt.

Während ältere Silent Hill-Teile eher auf Rost und Schmutz setzen, um den Verfall zu illustrieren, setzt Silent Hill f eher auf florale Motive - Das Dorf zeichnet sich durch enge Gassen und die traditionellen Holzhäuser in japanischer Bauweise aus © Konami

Während ältere Silent Hill-Teile eher auf Rost und Schmutz setzen, um den Verfall zu illustrieren, setzt Silent Hill f eher auf florale Motive – Das Dorf zeichnet sich durch enge Gassen und die traditionellen Holzhäuser in japanischer Bauweise aus © Konami

Nach einem Streit flüchtet Hinako zu ihren Freund*innen Shu, Rinko und Sakuko. Auch im Freundeskreis existiert aber ein gewisser patriarchaler Druck, hier in Form einer gewissen „Stutenbissigkeit“ unter den Freundinnen. Sakuko und Rinko mögen es kaum verstehen, dass Hinako  eine derart intensive, dezidiert platonische Freundschaft zu einem Jungen wie Shu pflegt, und von diesem ganz selbstverständlich als gleichwertiger „Partner“ wahrgenommen wird. Shu ist es aber auch, der ihr rote Pillen gibt, als sie ob der ganzen Situation migräneartige, stressinduzierte Kopfschmerzen entwickelt. Dass diese ein enormes Suchtpotential mitbringen, erfahren wir erst wesentlich später.

Silent Hill f thematisiert das Frau Sein im Patriarchat - mitunter ziemlich in your face, wie dieser Werbeartikel zeigt © Konami

Silent Hill f thematisiert das Frau Sein im Patriarchat – mitunter ziemlich in your face, wie dieser Werbeartikel zeigt © Konami

Doch mit der Einnahme der Pillen erscheint eine monströse Kreatur, die einen Shiromuku trägt – einen traditionellen Hochzeitskimono. Das Monster hüllt das Städtchen in dichten Nebel – überall wuchern rosarote Spinnenlinien – Blumen, die in der japanischen Mythologie oft mit dem Tod und Abschied verbunden werden. Die wuchernden Pflanzen töten Sakuko auf grausame Weise – der Rest der Truppe hingegen kann fliehen. Doch ab diesem Zeitpunkt wird Ebisugaoka von Monstern überrannt.

Eine zweite (spirituellere) Handlungsebene wird eröffnet, als Hinako das Bewusstsein verliert und in einem dunklen Tempelareal aufwacht. Hier trifft sie auf einen maskierten Mann, der bloß als „Fuchsmaske“ bezeichnet wird. Auf den ersten Blick wirkt dieser sanftmütig und scheint Hinako mit Wohlwollen durch diese enigmatische Welt zu führen. Doch eine offenbar von einem Geist heimgesuchte Zelluloidpuppe, die der in unserer Kindheitserinnerung nicht unähnlich ist, warnt wiederholt davor, ihm zu vertrauen. Immer wieder findet sich Hinako im Laufe des Spiels am „Dunklen Schrein“ ein und wird im Zuge der Handlung rätselhafte Rituale über sich ergehen lassen.

Der "Dunkle Schrein" funktioniert als Otherworld in Silent Hill f und findet primär in shintoistischen Tempelanlagen statt © Konami

Der „Dunkle Schrein“ funktioniert als Otherworld in Silent Hill f und findet primär in shintoistischen Tempelanlagen statt © Konami

Wie die Geschehnisse in Ebisugaoka und am dunklen Schrein zusammenhängen, wird erst im späteren Verlauf klar. Im direkten Vergleich zu Silent Hill 2, welches bereits viel mit Symbolismen und einer „unzuverlässigen“ Erklärung arbeitet, ist der Plot von Silent Hill f aber noch ein stückweit verrätselter und erschließt sich nicht vollständig. Insgesamt bietet der Titel 5 Enden – der erste Playthrough endet zwangsläufig mit dem rätselhaften und etwas abrupten „Es rächt sich“-Finale. Nach Beendigung des ersten Durchgangs werden die Kriterien für die weiteren Enden offengelegt. Die Schlusssequenzen liefern nie sonderlich klare Antworten – und lassen sich auch schwer in gute oder schlechte Enden kategorisieren – stattdessen fordert das Spiel von seinen Spieler*innen, dass man sich die Notizen, Briefe, Tagebucheinträge und eingesammelten Objekte sehr genau anschaut, um sich einen Reim auf die Geschehnisse auf den verschiedenen Zeitebenen zu machen. Mitunter gibt es auch unmittelbare Nuancen in den Dialogsequenzen, die auf eine unzuverlässige Erzählstimme hindeuten. Rinko etwa spricht Shu mehrfach darauf an, dass er loslassen solle, dass Hinako bereits tot sei – obwohl wir unmittelbar neben ihr stehen.

Können wir dem vermeintlich sanftmütigen Fuchsmann in den Räumen des Dunklen Schreines trauen? © Konami

Können wir dem vermeintlich sanftmütigen Fuchsmann in den Räumen des Dunklen Schreines trauen? © Konami

Teilweise beeinflussen die Enden auch, wie man vorher tendenziell positiv oder negativ gezeichnete Charaktere in neuem Licht betrachtet. Auch hier sind Silent Hill-typisch alle Charaktere aber höchst ambivalent und grau gezeichnet.

Wie auch Silent Hill 2 ist Silent Hill f reinrassiger psychologischer Horror – für die Geschichte ist dieses Mal Ryukishi07 verantwortlich. Das ist das Pseudonym eines Autors, der vor allem für die Visual Novel Reihe „Higurashi: When They Cry“ bekannt ist. Tatsächlich teilen sich Silent Hill f und die Visual Novels einige Motive: Die ruralen Settings, Elemente der japanischen und shintōistishen  Folklore, das Gefühl der Paranoia und des Wahns und ein jugendliches Figurentableau. Vor allem das Inari-Motiv – als fuchsähnliches göttliches Kami für den Ackerbau und Getreide, insbesondere den Reisanbau – sowie die komplementären zinnoberroten Torii, also die Eingangstore zum Schrein sind wiederkehrende shintoistische Elemente.

... er scheint uns zugewandt, doch eine besessene Puppe scheint immer wieder vor ihm zu warnen... © Konami

… er scheint uns zugewandt, doch eine besessene Puppe scheint immer wieder vor ihm zu warnen… © Konami

Es wird möglicherweise einige Spieler*innen geben, welche Silent Hill f als bloßes Teenage Angst-Küchenpsychologie-Ding abstempeln. Dem aber ist nicht so: Silent Hill f ist eine feministische Geschichte, eine Geschichte über das Frau Sein. Es geht hier viel um gesellschaftlichen Druck – um die Rolle als Tochter, als Ehefrau und als Mutter – immer betrachtet durch den männlichen Blick. Es ist beinahe erstaunlich, dass Silent Hill f nicht zum Kulturkampf-Thema geworden ist. Die antiwoken Internet Krieger sind hier bislang erstaunlich ruhig geblieben.

In Relation zu anderen Silent Hill-Teilen wirkt das Shinto-Element der Otherworld neuartig und frisch und wird gut mit der Coming-of-Age-Erzählung verwoben © Konami

In Relation zu anderen Silent Hill-Teilen wirkt das Shinto-Element der Otherworld neuartig und frisch und wird gut mit der Coming-of-Age-Erzählung verwoben © Konami

Teilweise ist die Kritik an patriarchalen Strukturen subtil ausformuliert, oft aber ziemlich in your face. Gerade zu Beginn liegen überall Zeitschriften und Werbeblättchen als Collectibles herum, die so hochgradig misogyne Slogans beinhalten wie „Eine Frau ist erst vollständig, wenn sie geliebt wird“ oder „Zurück Mädels! Das erfordert einen ECHTEN Showa-Mann!“ – die Mitglieder der Gesellschaft unterwerfen sich diesen anachronistischen Rollenbildern, welche Freizeitaktivitäten, Freundschaften, Sexualität und gesellschaftliche Hierarchien zu bestimmen scheinen. Hinako hingegen scheint keinen Platz in diesem repressiven System zu finden. Die präsenten Themen wie Mutterschaft, Weiblichkeit und Ehe spiegeln sich in grotesken Kreaturen Designs wieder. So gleicht etwa eine Kreatur einem monströs deformierten, gebärender Frauenkörper, der aus dessen Wulst puppenartige Monster zu speien scheint. Doch auch die freundschaftliche Dynamik zwischen Hinako und ihren Freundinnen, die ihr mitunter feindlich gesonnen zu sein scheinen, weil sie sich als Tom Boy-Archetypus nicht für deren romantisch-feminine Tagträumereien begeistert, wirkt beinahe wie eine Kritik am japanischen Kawaii-Lebensgefühl und der damit verbundenen Auto-Infantilisierung der Frau.

Ich habe mich bei Silent Hill f häufig auch an die Geschichtensammlung „Lovesickness“ von Horror-Mangaka Junji Ito erinnert gefühlt. Auch weil sich hier junge High School Schüler*innen mit scheinbar verspielten Liebesritualen in gefährliche Obsessionen steigern, weil auch hier japanische Folklore eine Rolle spielt und weil auch in der Ito-Geschichte permanent ein dichter Nebel über einer beengten und abgelegenen japanischen Kleinstadt liegt. Aber ganz ehrlich, Junji Ito ist wahrlich nicht die schlechteste Inspirationsquelle für Horror nach japanischer Art.

Kritik würde ich daran üben, dass es Silent Hill f nicht ganz schafft, die wichtigen feministischen Botschaften in unsere gegenwärtige Zeit rüberzuhieven. Ich war von der Geschichte extrem mitgenommen und emotional involviert – aber ich habe sie eben klar in der japanischen Nachkriegszeit und dem entsprechenden Zeitgeist verortet. Die spirituelle Metaphorik ist für mich als westlichen Spieler weniger greifbar. Es gab demnach keine inhaltlichen Elemente, die mich zur tiefergehenden Reflexion über die genannten Themen bewegt haben. Das ist schade, denn das Potential dazu wäre da gewesen. Da wirkt ein Silent Hill 2 zeitloser, greifbarer und gewissermaßen auch kontroverser – weil es eine griffige ethische Frage formuliert. Der Kritikpunkt klingt auf dem Papier schwerwiegender, als er real ist – Silent Hill f ist erzählerisch stark und stimmig, nur die Tragweite erschließt sich mir persönlich nicht ganz so sehr.

Spürbar frische Variation des Silent Hill-Gameplays

Während Silent Hill 2 Remake von Bloober Team sich klar an den Resident Evil-Remakes von Capcom orientiert hat und fixe Kameraperspektiven gegen eine dynamische Über-die-Schulter Ansicht eintauschte, geht Silent Hill f nochmal einen anderen Weg.

Auch Silent Hill f ist Survival Horror – und dazu ein ziemlich knackiges. Wie üblich, lässt Silent Hill f uns die Schwierigkeitsgrade für Kampf und Rätsel separat einstellen. Wir können hier zwischen „Story“ und „Schwer“ wählen. Im New Game+ wird dann zudem der Schwierigkeitsgrad „Verloren im Nebel“ freigeschaltet.

Hier sollte man nicht den Fehler zu begehen, den „Story Modus“ zu unterschätzen. Auch dieser ist recht fordernd und sollte beim ersten Durchgang gewählt werden, um sich mit den grundlegenden Mechaniken vertraut zu machen. Im schweren Schwierigkeitsgrad können die Kreaturen Hinako mit ein bis zwei Zügen kaputt machen, der Waffenschwund ist durch das Haltbarkeits-System deutlich größer, Ressourcenmanagement und Fokus-System  – zudem spielt die Verstand-Leiste eine signifikant größere Rolle. Auf die einzelnen Aspekte gehe ich nachfolgend einzeln ein.

Das Silent Hill f-Kampfsystem ist aber deutlich actionlastiger als in allen Vorgängern und erinnert mit seinem Nahkampf-Schwerpunkt beinahe an ein Hack and Slay.

Hinako kann demnach zu verschiedenen Nahkampf-Waffen greifen – wie etwa Eisenrohre, Sensen, Küchenmesser, Baseball-Schläger, aber auch schwere Waffen wie Langstiel-Äxte- und Hammer. Die Waffen haben eine Haltbarkeitsleiste in Form einer Mondsichel – nach einer Weile gehen sie zu Bruch und sind nicht mehr nutzbar. Mit recht rar gesäten Werkzeugsets kann man diese allerdings reparieren.

Unterschieden wird zwischen leichten und schweren Angriffen, zudem gibt es eine Ausweichtaste – hier lehnt man sich nicht allzu weit aus dem Fenster. Durch den komplett fehlenden Fernkampf – Schusswaffen gibt es folglich keine – spielt sich Silent Hill f aber signifikant anders als das Silent Hill 2 Remake oder die Resi-Remakes. Dafür spielt das Dodgen von Angriffen hier eine wesentlich größere Rolle. Wenn die Kreaturen zum Angriff setzen, markiert ein rot-blaues Aufblinken ein Zeitfenster, in welchem man einen Konterangriff starten kann. Die Ausweichrollen sowie die verschiedenen Angriffsmodi verbrauchen jeweils unterschiedlich Ausdauer, die man im Auge behalten sollte. Zudem gibt es den sogenannten Fokusmodus – der Bildschirm wird dann rot umrandet – und man kann im Fokus besonders viel Schaden austeilen. Der Fokusmodus verbraucht aber wiederum „geistige Gesundheit“ – ein dritter Wert, auf den man Acht geben muss. Geistige Gesundheit wird aber nicht nur durch den Fokusmodus verbraucht, sondern  auch durch spezifische Aufeinandertreffen mit Gegnern. Sobald die Leiste aufgebraucht ist, beginnt auch der physische Gesundheitsbalken zu schwinden. Es gibt Heil-Objekte, die sich nur auf die Vitalität auswirken, Heil-Objekte, die vor allem die psychische Gesundheit stärken und welche, die beides abdecken. Im Story Modus spielt die „geistige Gesundheit“ keine allzu große Rolle, im schweren hingegen einen sehr zentralen. Bei diesem Punkt kommen wir zu einem weiteren zentralen Feature.

Ausrüstbare Perks und upgradebare Werte

In Silent Hill f finden wir überall kleine Hokora, die einerseits fixe Speicherpunkte sind, andererseits Miniatur Shinto-Schreine, an denen wir Opfer darbringen können. Das können Süßspeisen wie Yokan oder Schokolade sein oder getrocknete Tierpfoten. Im Austausch erhalten wir „Glauben“ als In-Game Währung.

Hier gilt es zum Teil abzuwägen, ob wir die Ressourcen an den Hokora gegen Glauben eintauschen, oder für uns selbst als Heil-Objekte nutzen, denn viele der Opfergaben erhöhen unsere geistige Gesundheit ganz erheblich.

An den Hokora-Schreinen können wir nicht nur abspeichern, sondern auch Objekte gegen Glauben eintauschen. Diese können wir gegen Omamori für zusätzliche Buffs eintauschen, oder mit Ema Anhängern unsere Werte erhöhen © Konami

An den Hokora-Schreinen können wir nicht nur abspeichern, sondern auch Objekte gegen Glauben eintauschen. Diese können wir gegen Omamori für zusätzliche Buffs eintauschen, oder mit Ema Anhängern unsere Werte erhöhen © Konami

Wozu aber ist der Glauben von Nutzen? Wir können ihn einerseits gegen sogenannte Omamori eintauschen, kleine Anhänger, die uns mit zusätzlichen Buffs ausstatten. Von denen gibt es insgesamt 40 in Silent Hill f – 17 davon lassen sich in der Stadt finden, die restlichen kann man im Hokora tauschen. Anfangs besitzen wir zwei Slots für die Omamori, später können wir Hinako mit drei Omamori ausstatten. Doch nicht nur die Slots lassen sich erweitern, auch unsere Vitalitäts-, Ausdauer- und Geist-Werte lassen sich stufenweise gegen Glauben und sogenannte Ema-Tafeln steigern, die überall verstreut, aber eher selten aufzufinden sind. Durch die Upgrade-Mechaniken verstärkt sich der Eindruck eines actionfokussierten Action-Adventures.

Spaßiges und intensives Kampfsystem, dem es aber ein bisschen an Wucht fehlt

Beim Silent Hill 2 Remake empfand ich es als absolut gelungen, wie wuchtig sich die Kämpfe anfühlten. Sowohl das Gunplay- als auch der Nahkampf fühlten sich extrem physisch an. Das lag mitunter auch an der sehr guten Einbindung des Dual Sense-Controllers der PlayStation 5, dessen Vibrationsmotoren den verzweifelten Überlebenskampf von James Sutherland und die Treffer der Kreaturen kongenial zu vermitteln vermochten, aber auch wie die Trigger bei Nahkampf-Hieben mit haptischem Widerstand arbeiteten, um die Schwere des Angriffs zu unterstreichen.

Das nahkampf-orientierte Gameplay von Silent Hill f ist hingegen zwar sehr reaktiv und Timing-basiert, aber das Trefferfeedback fühlt sich weit weniger befriedigend an. Das ist schade, weil das Kampfsystem grundlegend gut funktioniert und auch sehr intensiv ist, aber im Vergleich zu SH2R hat NeoBards Entertainment hier deutlich Federn gelassen. Auch animatorisch ist dieses Phänomen beobachtbar: Während die weiblichen Puppenkreaturen  zu Beginn, die sogenannten Kashimashi, noch zusammenstauchen, wenn man ihnen einen Hieb versetzt, reagieren viele spätere Kreaturen wie eben das gebärende „Spawning Monster“ oder die mehrgesichtigen „Vomiting Monster“ kaum auf unsere Angriffe.

Im späteren Verlauf können wir in den Passagen des Dunklen Schreines in den Biest-Modus wechseln - die Gesundheitsanzeige wird dann durch einen Zeitbalken ersetzt. Man teilt mehr Schaden aus und die Gegner verschwinden permanent und hinterlassen keine Seelenpartikel © Konami

Im späteren Verlauf können wir in den Passagen des Dunklen Schreines in den Biest-Modus wechseln – die Gesundheitsanzeige wird dann durch einen Zeitbalken ersetzt. Man teilt mehr Schaden aus und die Gegner verschwinden permanent und hinterlassen keine Seelenpartikel © Konami

Im späteren Verlauf des Spiels gibt es zudem einige mechanische Novitäten in den Passagen des „Dunklen Schreines“ – mit entsprechenden Ritualen erhält die Traum-Hinako einen Wolfsarm spendiert. Hier kann sie temporär auch in den besonders verheerenden Biest-Modus wechseln. Der zeichnet sich nebst temporär ausgesetzter Gesundheitsleiste und höherem Schaden vor allem dadurch aus, dass sich die Widersacher des Schreines direkt auflösen – denn oft es ist in den Schrein-Passagen der Fall, dass die Gegner nach dem vermeintlichen Ableben schwarze Partikel hinterlassen und sich nach einer gewissen Zeit regenerieren. Später gibt es einerseits die Möglichkeit, die Partikel mit dem Seelensog manuell aufzusaugen und das Regenerieren so zu verhindern oder sie mit dem Wolfsarm niederzustrecken, was auf dasselbe hinausläuft – aber mit Automatismus.

Obwohl ich die Idee grundsätzlich ganz cool fand und sie metaphorisch gut mit dem shintoistischen Element des Spiels in Einklang gebracht werden kann, habe ich mir hier zeitweilig gedacht, ob das Ganze für Silent Hill-Verhältnisse nicht zu abgehoben wirkt – die Reihe zeichnete sich ja trotz aller surrealer und manchmal auch alberner Momente vor allem durch eine gewisse (psychologisch konnotierte) Erdung aus. Ich könnte mir vorstellen, dass das auf einige Silent Hill-Fans etwas befremdlich wirkten könnte, für mich hat es final im Kontext des Narratives aber gut gepasst.

Insofern ist der manchmal etwas ungelenk und schwammig wirkende Kampf, der vor allem durch das ausbaubare Trefferfeedback resultiert, der mit Abstand größte Kritikpunkt. Nicht viel falsch verstehen: Das Kampfsystem ist ausreichend reaktiv und präzise, es fehlt aber ein bisschen die Wucht eines Silent Hill 2 Remake.

… und doch bleibt es im Kern ein Silent Hill

Und trotz der Neuerungen und eklatanten Unterschiede in Gameplay und Ästhetik, hat es sich durchgehend angefühlt wie ein Silent Hill – das Environmental Storytelling, die Rätseldesigns, das Pacing, das Zusammenspiel von Visuals und der gewohnt starken Audiokomponente – das alles war dann einem klassischen Silent Hill nie ganz unähnlich. Wir erschließen uns Areale, sammeln Hinweise, um an bestimmten Punkten kleinere und größere Kopfnüsse zu knacken. Wir müssen immer auch Inventarmanagement betreiben und die Stimmung bleibt immer melancholisch-diffus. Insofern ist Silent Hill f ein würdiger Titel der Reihe und gehört abseits der originären OG-Titel von Team Silent, und dem 2er Remake mit zum Besten der Reihe. NeoBards haben die Essenz von Silent Hill jedenfalls wesentlich besser verstanden als seinerzeit Double Helix Games (SH Homecoming und Shattered Memories) und Vatra Games (Silent Hill Downpour) und einen absolut hochwertigen Eintrag geliefert.

Blutige Schönheit: Wunderbar stimmiges und eigenständiges Art Design

Wofür das f in Silent Hill f steht ist gar nicht mal so klar – die Google KI spuckt aus, dass es für Flower stehen könnte. Und selbst wenn es ein bisschen plump klingt, es passt zumindest insoweit, weil der Horror, den Silent Hill f inszeniert, von floraler und shintoistischer Motivik durchzogen ist.

Der Nebel liegt schwer über den Reisfeldern und über der hügeligen Stadt, in deren engen Straßen dicht an dicht die japanischen Holzhäuser, auch Kominka genannt, aneinander gereiht sind. Im Vergleich zu anderen Silent Hill-Teilen, deren Verfall sich vor allem in Bildern von Rost, Schlamm und Schmutz niederschlägt, wuchern hier die rosa-roten Spinnenlinien einem fleischigen Organismus gleich und bilden einen grellen Kontrast zu der grau-blauen-trüben Lichtstimmung. Auch die Kirschblüten spielen eine mitunter wichtige Rolle.

Die Ayakashi sind Vogelscheuchen-artige Kreaturen mit Puppengesichtern, die mit Messern angreifen © Konami

Die Ayakashi sind Vogelscheuchen-artige Kreaturen mit Puppengesichtern, die mit Messern angreifen © Konami

Das Gegner-Design stammt dieses Mal nicht von Masahiro Ito, sondern vom relativ anonymen japanischen Künstler Kera (vorher bekannt für Kreaturen Designs aus dem Horror-Titel Spirit Hunter: NG) – die Figuren sind im Vergleich zu vorangegangenen Silent Hill-Titeln angenehm andersartig, passen aber gleichzeitig stimmungsmäßig perfekt ins Franchise: Benannt sind sie nach den japanischen Bezeichnungen spezifischer „Geräusche“ – meist aber mit einem sexistischen Background: Die Kashimashi zum Beispiel sehen aus wie deformierte Hexen-artige Puppen, mit Messern ausgestattet, die gerne mal aus dem Hinterhalt angreifen. Kashimashi steht hier für „Lärm“ und „Lautstärke“ und wird oft im Kontext des Sinnspruchs:  “Onna sannin yoreba kashimashii” – „Wenn drei Frauen aufeinandertreffen, wird es laut“ verwendet. Die Ayakashi sind Vogelscheuchen-artige Wesen, die aber extrem humanoid wirken, oft mit Masken-artigen Grinsegesichtern. Die Oi-Omoi erinnern an die berüchtigten Twin Victims aus Silent Hill 4, mit ihren mehrgesichtigen Kindergesichtern am aufgetürmten, chaotischen Körperbau.

Viele der Charakterdesigns haben eine geschlechterspezifische, mitunter sexuelle Symbolik – und stehen demnach in bester SH-Tradition. Es gab Kritikpunkte von der Presse, dass die Gegnervielfalt sich in Grenzen hält. Das war aber im Endeffekt schon immer so.

Auch die Kreaturen in Silent Hill f sind natürlich mit geschlechterspezifischer und sexueller Symbolik aufgeladen © Konami

Auch die Kreaturen in Silent Hill f sind natürlich mit geschlechterspezifischer und sexueller Symbolik aufgeladen © Konami

Zu guter Letzt haben wir die Passagen des „Dunklen Schreins“ – hier bekommt man mitunter den Eindruck, man würde kein Silent Hill spielen, sondern ein Project Zero oder Kuon spielen – weil der Spiritualismus hier dominiert. Es sind dunkle, schwach ausgeleuchtete Passagen, dominiert von Tempeln, Schreinen, Toren und den Statuen japanischer Kami – vor allem den fuchsartigen Inari.

Der Gore-Faktor ist ordentlich, wenngleich Silent Hill f durch den Action-Fokus ein bisschen Jumpscare-lastiger und weniger dauerbeklemmend als z.B. Silent Hill 2 ist.  Auch die Tatsache, dass sich die toten Widersacher nach kurzer Zeit in Luft auflösen, sorgt für ein bisschen weniger Dringlichkeit.

Die Charaktere sind wiederum gut geschrieben und vor allem gespielt – es ist ein anderes Writing und Schauspiel als in den anderen Silent Hill-Titeln, da wir es hier gewissermaßen mit einer feministischen Coming-of-Age Story zutun haben, aber die Charaktere sind weitgehend nahbar, wenn man sich mit naiven, zornigen, traurigen und traumatisierten Jugendlichen nicht allzu schwer tut. Die Animationen, mimisch und gestisch, sind dabei weitgehend gut gelungen. Die Lauf- und Angriffs-Animationen von Hinako fand ich ein bisschen dynamischer als jene von James, gleichzeitig bleibe ich bei den nur gerade so ausreichend animierten Angriffs- und Reaktionsphasen der Widersacher. Hier wäre mehr drin gewesen.

Insgesamt hat mir Silent Hill f aber durch einen konsistenten, uniquen und mitunter wunderschönen Art Style optisch extrem gut gefallen. Auch die Inszenierung von Grusel und unbehaglichen Momenten hat Timing mäßig und visuell durchgehend gut funktioniert.

Auditiv wieder ein absoluter Knaller: Grandioser kollaborativer Soundtrack

Ich bin ja großer Fan vom Oeuvre von Akira Yamaoka – auch bei Silent Hill f war das Mastermind düsterer, liminaler Ambient Sounds wieder mit an Bord. Allerdings in kollaborativer Form mit Kensuke Inage sowie den zwei freien Komponisten dai und xaki – Letztere haben schon öfter mit dem Autor Ryukishi07 bei seinen Projekten zusammengearbeitet.

Hier gab es wohl eine klar definierte Aufteilung: Akira Yamaoka hat den Soundtrack zur „Fog World“ in Ebisugaoka komponiert, Kensuke Inage als Komponist, der sonst vor allem traditionell japanische Stoffe mit Samurai- und Sengoku-Bezügen (u.a. diverse Dynasty Warrior-Spiele) musikalisch unterlegt, für die „Otherworld“ im dunklen Schrein.

Heraus kommt ein herausragender Soundtrack und Score, der gleichermaßen kraftvoll, folkloristisch, gespenstisch aber auch panikinduzierend wirkt. Hier wird der mal zerstörerische, mal ätherische Drone-artige Ambient, und die Silent Hill-typischen melancholischen Gitarren mit traditionell japanischer, eher archaischer Instrumentierung kombiniert – das wirkt mitunter wie eine Horror-Version des Shenmue-Soundtracks und es passt verdammt gut.

Das gespenstische, gefühlt heimsuchende Titelstück „Mayoi Uta“ mit seinen Kinderchören und der dissonanten Stimmung steht sinnbildlich für den gesamten Soundtrack – Ausfälle oder mediokre Tracks gibt es hier aber ohnehin nicht.

Doch nicht nur Soundtrack/Score tragen zur Stimmung bei: Ich habe Silent Hill f in japanischer Sprachausgabe gespielt – die Sprecher*innen haben hier wirklich ganze Arbeit geleistet, um die Emotionen der Protagonist*innen angemessen zu vertonen. Wirken die Sprecher*innen bei Silent Hill 2 und dessen Remake noch passenderweise merkwürdig entrückt, werden hier mit der ganzen gefühlstechnischen Bandbreite zwischen Trotz, Zorn und Trauer konfrontiert.

Generell trägt das ganze Sounddesign Silent Hill f atmosphärisch in ganz erheblichem Maße. Es ist übrigens zutiefst schade, dass Konami aus vagen Gründen den Soundtrack Release auf CD und Schallplatte gecancelt hat. Die Veröffentlichung sollte im Dezember über den Konami Shop erfolgen. Ich hoffe, etwaige lizenzrechtliche Geschichten können gelöst werden, sodass hier der geneigte Fan doch noch zu seinem physischen Exemplar kommt.

Fazit:

Silent Hill f ist ein absolut starker Serieneintrag und zementiert Konamis Bestrebungen, wieder in alter Stärke auf den Videospielmarkt zurückzukehren und die namhaften Serien positiv zu besetzen. NeoBards haben ein Experiment geliefert, das weitgehend gut funktioniert, weil es die Silent Hill-Formel auf gelungene Weise eigenständig variiert: Das Kampfsystem mag wesentlich schnetzeliger und schneller sein und das japanische Showa-Setting ist nicht mehr im namensgebenden Städtchen angesiedelt sein, das Core Gameplay mit seiner Mischung aus durchaus komplexen Rätseln, verrätseltem Environmental Storytelling mit stark psychologischem Einschlag und die ebenso verkopft-surrealen Kreaturen Schöpfungen, gegen die man sich in unbarmherzigen Survival Horror stellen muss, sind so Silent Hill-ig, wie es nur geht. Auch die feministische Coming-of-Age Story, die sich mit dem Frausein in patriarchalen Strukturen auseinandersetzt, zugleich aber stark shintoistische Motive verarbeitet, ist facettenreich und lässt Raum für Interpretation offen. Kritisieren würde ich, dass die feministische Komponente sich zu sehr im Setting dieses Spiels positioniert, und nicht darüber hinaus greift. Darüber hinaus dürfte das action-betonte Kampfsystem sich gerne etwas wuchtiger und mit mehr Schmackes präsentieren. Das Trefferfeedback fällt hier leicht unbefriedigend aus. Dennoch hat Konami mit dem Spiel Mut bewiesen – Mut, der belohnt wird und der Lust auf das kommende Silent Hill: Townfall macht, das wieder einen anderen Weg einschlagen wird.

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Grafik / Art Style - 8.1
Story / Inszenierung - 8
Technik - 7.9
Umfang - 9
Gameplay / Spielspass - 8.8

8.4

Starker Eintrag von NeoBards, der inhaltliche und spielmechanische Experimente im Silent Hill-Kosmos wagt, die Formel der altehrwürdigen Psychological Horror-Marke aber clever mit einer eigenständigen Geschichte und Ästhetik verzahnt. Klasse!

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