Graphic Novels in der Erinnerungsarbeit – Zum Internationalen Shoah-Gedenktag am 27. Januar 2025

Am 27. Januar 2025 findet zum wiederholten Male der Internationale Gedenktag an die Opfer des Holocaust statt. Der International Holocaust Remembrance Day wurde 2005 von der UN zum 60. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz-Birkenau ins Leben gerufen – zum 80. Mal jährt sich der Sieg über das Nazi-Regime und die Befreiung von Ausschwitz, Birkenau und all den anderen Vernichtungslagern.

Spätestens seit Art Spiegelmans Mammutwerk MAUS spielen Graphic Novels eine ungemein wichtige Rolle in der Aufarbeitungs- und Erinnerungsarbeit der Shoa. Das Medium vermag emotional mitzunehmen, authentisch zu sein, ohne zwingend auf das kathartisch-verstörende Moment von Film- und Fotoaufnahmen zu setzen. Mein Kollege Thomas hatte seinerzeit seine Bachelor Thesis zum erinnerungsgeschichtlichen Potential von Graphic Novels im Geschichtsunterricht verfasst. Er hatte auch vor einer Weile eine Besprechung zum ersten Band der Unter dem Hakenkreuz-Reihe verfasst: Klick 

Filip Kolek hat über den Presseverteiler des Avant-Verlages zum Anlass des Remembrance Days eine Auswahl an Comics und Graphic Novels zusammengestellt, welche die Geschichten der Überlebenden und Zeitzeug*innen sammeln, zeichnerisch archivieren und vermitteln.

ZEIT HEILT KEINE WUNDEN – DAS LEBEN DES ERNST GRUBE
von Hannah Brinkmann (avant-verlag) (Nov. 2024)

Aus der Graphic Novel "Zeit heilt keine Wunden" © avant-verlag

Aus der Graphic Novel „Zeit heilt keine Wunden“ © avant-verlag

 

 

 

 

ZEIT HEILT KEINE WUNDEN erzählt aus dem Leben des Shoa-Überlebenden Ernst Grube, der im Kindesalter nach Theresienstadt deportiert worden ist. Später in der Bundesrepublik war er Teil der kommunistischen Jugendbewegung und ging als Aktivist gegen das strukturelle Schweigen der Nachkriegsgesellschaft vor. Sein politisches Handeln brachte ihn in den 50ern, der Adenauer-Gesellschaft, in den Knast – verurteilt wurde er von einem Richter, der schon im NS-System Karriere gemacht hat und dann mit „weißgewaschener Weste“ die Justiz der BRD vertreten hat.

Hannah Brinkmann erzählt eine Geschichte zweier Leben, vom systematisch Verfolgten und seinem Richter. Sie verdeutlicht die Kontinuitäten und moralischen Einbußen beim Übergang von NS-Diktatur in die Demokratie. Der Band entstand in Zusammenarbeit mit dem NS-Dokumentationszentrum München.

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Zeit heilt keine Wunden von Hannah Brinkmann 

von Victor Matet, Jean-David Morvan und Cesc (Splitter) (Dez. 2024)

Aus der Graphic Novel "Adieu Birkenau - Eine Überlebende erzählt" © Splitter

Aus der Graphic Novel „Adieu Birkenau – Eine Überlebende erzählt“ © Splitter

In eine ähnliche Kerbe schlägt die Graphic Novel „Adieu Birkenau – Eine Überlebende erzählt“, die sehr eindringliche Erinnerungsarbeit leistet : Der Journalist Victor Matet vermittelt hier die letzte Reise als Zeitzeugin der Überlebenden Ginette Kolinka mit einer französischen Schulklasse nach Auschwitz-Birkenau und erzählt ihre Lebensgeschichte. Die Graphic Novel dokumentiert nicht nur ihr Überleben als junge Frau, sondern auch ihren lebenslangen Kampf mit den grausamen Erinnerungen, sowie ihr Aktivismus als Zeitzeugin.

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Adieu Birkenau – Eine Überlebende erzählt von Ginette Kolinka,Victor Matet, Jean-David Morvan, Cesc und Roger

BALD SIND WIR WIEDER ZU HAUSE
von Peter Bergting und Jessica Bab Bonde (Cross Cult) (2020)

Comic-Anthologie aus Schweden © Cross Cult

Comic-Anthologie aus Schweden © Cross Cult

„Bald sind wir wieder zu Hause“ erschien 2020 im Cross Cult Verlag. Hierbei handelt es sich um eine Comic-Anthologie aus Schweden, die  auf dem Fundament intensiver Gespräche Zeugnis über die Geschichte von Menschen liefert, die als Kinder oder Jugendliche die Konzentrationslager überlebt haben. Sechs Geschichten, sechs Zeugnisse, sechs Menschen. In Schweden wird diese Graphic Novel  oft in der Bildungsarbeit und im Schulunterricht eingesetzt. Auch für den hiesigen Geschichtsunterricht dürfte die Graphic Novel gut geeignet sein.

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Bald sind wir wieder zu Hause von Peter Bergting und Jessica Bab Bonde

EMMIE ARBEL: DIE FARBE DER ERINNERUNG
von Barbara Yelin (Reprodukt) (Nov. 2023)

Die Farbe der Erinnerung

Vielschichtig © Reprodukt

„Die renommierte Erzählung von Barbara Yelin ist eine vielschichtige und visuell berauschende Kontemplation über das Wesen des Erinnerns und des Verdrängens. Über mehrere Jahre hat Barbara Yelin die resolute Seniorin Emmie Arbel, die in Ravensbrück und Bergen-Belsen ihre Eltern und Großeltern verloren hat, in ihrer Heimat Israel und auf Vortrags- und Gedenkreisen nach Deutschland begleitet. Mit ihren ausdrucksstarken Aquarellen fängt Yelin ein Leben geprägt von Trauma, Rebellion, aber auch Selbstermächtigung und Glück ein. Für EMMIE ARBEL hat Barbara Yelin jüngst den Gustav-Heinemann-Friedenspreis erhalten.“ (aus der Pressemitteilung)

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Die Farbe der Erinnerung von Barbara Yelin

DIE GESCHICHTE VON FRANCINE R.: Widerstand und Deportation
von Boris Golzio (avant-verlag) (2021)

Die Geschichte von Francine R.

© Avant-Verlag

Dieser Comic beruht auf Interviews, die der französische Künstler Boris Golzio über mehrere Jahre hinweg mit Francine R. geführt hatte. Nach ihrem Tod hat er ihre Geschichte als Graphic Novel umgesetzt. Die namensgebende Francine war während des Krieges in der Résistance aktiv, wurde 1944 schließlich festgenommen und nach Ravensbrück deportiert. Sie erzählt aus erster Hand von den inhumanen Bedingungen der Zwangsarbeit und des Überlebenskampfes im Lager. Auch hier, eindringlich!

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Die Geschichte von Francine R. – Widerstand und Deportation von Boris Golzio

NEKROPOLIS
von Jurij Devatek, nach Boris Pahor (Schaltzeit) (2023)

Nekropolis_Schaltzeit_Graphic Novel

© Schaltzeit

Auch Nekropolis ist Literaturadaption und Gedenkcomic: „Der slowenische Künstler Jurij Devatek adaptiert den Shoah-Erinnerungsroman seines Landsmanns Boris Pahor. Mit NEKROPOLIS und anderen Werken wie DER KAMPF MIT DEM FRÜHLING wurde Boris Pahor neben Primo Levi, Jean Améry oder Imre Kertész zu einem der wichtigsten Zeitzeugen-Autoren des 20. Jahrhunderts. Jurij Devetak hat sich achtvoll und trotzdem grafisch wuchtig Boris Pahors autobiografischem Text genähert und seine bildreiche Prosa um eine eigene Bildebene ergänzt.“ (aus der Pressemitteilung zitiert)

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Nekropolis von Jurij Devatek

Hierbei handelt es sich natürlich nur um eine Auswahl an Werken, die sich mit dem Sujet auseinandersetzen. Die Auswahl mutet aber recht sorgfältig kuratiert an. Wer unter die Haut gehende Zeitzeugen-Berichte im Graphic Novel-Format interessant findet, dem sei ein Blick in die genannten Werke empfohlen. Das ein oder andere der vorliegenden Werke dürftet ihr demnächst auch auf Dailygeek.de besprochen sehen.