Game Review: Silent Hill 2 (Remake) für PlayStation 5 – Gelungene Neuinterpretation des Psychological Horror-Meilensteins

KONAMI hat wieder Hunger

KONAMI hat offenbar und endlich wieder Hunger – Zur Mitte der 2010er Jahre hin verlor der japanische Traditionspublisher irgendwie das Medium „Videospiel“ aus den Augen. Trotz hochkarätiger Franchises im Portfolio wie Metal Gear (Solid), Contra, Castlevania, Pro Evolution Soccer, Silent Hill und einigen großen Ex-Hudson-IPs wie Bomberman, wusste man nicht so richtig was mit diesen großen Marken anzufangen. Stattdessen kamen hundsmiserable Titel wie Metal Gear Survive, die altehrwürdige, wachstumsstarke Pro Evolution Soccer Reihe wurde zu einem halbgaren Free-to-Play-Modell namens eFootball und auch sonst kamen seit spätestens 2019 gefühlt nur noch kleinere Titel wie Getsu Fuma Den oder Contra: Rogue Corps und Collections wie die Anniversary Sammlungen zu Contra- und Castlevania heraus. Die Schwerpunkte des einst renommierten Publishers schienen sich hingegen vor allem auf Pachinko-Maschinen und das Yu-Gi-Oh! Sammelkartenspiel zu beschränken. Ein zentraler Grund für diesen Niedergang  wird das öffentlich ausgetragene Zerwürfnis mit Metal Gear-Mastermind Hideo Kojima gewesen sein. Wir erinnern uns – Dieser sollte zusammen mit Regisseur Guillermo Del Toro (u.a. Pans Labyrinth) und US-Schauspieler Norman Reedus (bekannt als Daryl Dixon aus The Walking Dead) den großen Silent Hill-Reboot einläuten. Silent Hills hieß das geheimnisvolle Projekt, das die strauchelnde Survival Horror-Marke wieder revitalisieren sollte. Das damals als Shadow Drop erschienene und dann später von KONAMI wieder offline genommene P.T. (kurz für Playable Teaser) generierte einen Hype sondergleichen und machte enorme Vorfreude auf die Silent Hill-Zukunft. Doch hinter den Kulissen krachte es ordentlich – Der recht eklige Rosenkrieg zwischen Kojima und der Konami Führung führte zur Einstellung des Projektes und seitdem war Konami nicht mehr derselbe Publisher, Kojima entwickelte zusammen mit SONY Death Stranding und die Silent Hill Marke wurde auf Jahre sang- und klanglos begraben und musste seit dem mediokren Silent Hill Downpour immerhin ganze 12 Jahre lang ruhen, wenn man das wirklich schlimme Vita-exklusive Book of Memories erfolgreich verdrängt.

Doch mit dem Transmission-Showcase Ende 2022 gab es wieder neue Lebenszeichen, neue Signale, wenn man so will: KONAMI hat eine ganze Reihe an neuen und unterschiedlichen Titeln zu Silent Hill angekündigt. Titel unterschiedlicher Größenordnungen: Das taiwanesische NeoBards Studio arbeitet aktuell an Silent Hill f, welches im Japan der 1960er spielen soll. No Code und Annapurna Interactive entwickeln das indieske Silent Hill: Townfall, Hexadrive haben das kostenlose Silent Hill: The Short Message fertiggestellt und Genvid Entertainment haben eine (eher schlechte) narrative Streaming-Serie namens Silent Hill: Ascension auf den Markt gespült, über die man eher den Mantel des Schweigens legen sollte. Das Hauptinteresse aber galt dem vollumfänglichen PS5-exklusiven Remake von Silent Hill 2, das bis heute als absolutes Kronjuwel und Messlatte des Psychological Horror gilt. Für die Entwicklung war das polnische Bloober Team zuständig, die auf Horror-Titel wie Layers of Fear, Blairwitch Project und The Medium spezialisiert waren. Gerade letzteres atmete atmosphärisch bereits ganz erheblich den Atem der Traditionsmarke; Zugleich war die Fanbase aber skeptisch, denn Bloober Team haben zwar atmosphärisch dichte Titel geschaffen, die aber nicht gerade feinfühlig geschrieben waren. Das originäre Silent Hill 2, das 2001 für die PlayStation 2 erschien, aber dreht sich um ambivalente Emotionen wie Schuld, Verlust, Trauer und Verdrängung und geizte nicht schweren Themen wie Mobbing, sexuellem Missbrauch, Krankheit und Depression. Würden Bloober es schaffen, angemessen mit diesen Themen umzugehen? Das erste Videomaterial, sowohl der Teaser, als auch der spätere Combat Trailer, intensivierten die Argwohn– auf Twitter nahmen Gerüchte um eine mögliche Entwicklungshölle zu – die Community reagierte teils mit unverhohlenem Hohn, teils mit gezielten Anfeindungen und bekleckerte sich mit ihrem toxischen Verhalten nicht gerade mit Ruhm.

Nun ist das Silent Hill 2 Remake aber seit wenigen Tagen da, die Pressewertungen sind durchgehend positiv und auch die Kritikerstimmen sind weitgehend verstummt. Ist das Experiment geglückt? Ist unser altes Silent Hill wieder in alter Pracht zurück? Haben Bloober sich selbst übertroffen? Und was hält die Zukunft von Silent Hill für uns bereit? Das sind die wichtigen Fragen, mit denen wir uns im Rahmen dieser Besprechung auseinanderzusetzen haben.

Silent Hill, Our Special Place…

Die Handlung ist im Kern dieselbe wie schon im 2001er Original: Wir schlüpfen in die Rolle des Witwers James Sunderland, dessen Frau Mary vor drei Jahren im Zuge einer unheilbaren, tödlichen Krankheit verstorben ist. Eines Tages erreicht ihn ein Brief, der von seiner vermeintlich toten Frau zu kommen scheint. Text, Absender und Handschrift wirken authentisch und lassen vermuten, dass wirklich Mary hinter diesem Schreiben steckt. Aber wie ist das möglich? Es scheint nur natürlich, dass ein solches Ereignis James naturgemäß aus der Bahn wirft. In dem Brief heißt es, Mary würde in dem einstigen Kurort Silent Hill auf James warten, an ihrem gemeinsamen „besonderen Ort“.

Die Einführungssequenz des Remakes beginnt wie im Original am Rastplatz mit dem Aussichtspunkt über den Lake Toluca © KONAMI

Die Einführungssequenz des Remakes beginnt wie im Original am Rastplatz mit dem Aussichtspunkt über den Lake Toluca © KONAMI

Natürlich muss unser Protagonist dem Geheimnis auf den Grund gehen und macht sich, gleichsam verwirrt und hoffnungsvoll, Hals über Kopf in die US-amerikanische Kleinstadt auf, um den oder die Verfasser*in dieses Briefes ausfindig zu machen. Hier setzt das Spiel dann auch an: Das Spiel beginnt am Rast- und Parkplatz von South Vale, dem südlichen Teil der Stadt, der zugleich mit einem szenischen Aussichtspunkt über den Toluca Lake aufwartet. Über einen kleinen Waldpfad und den lokalen Friedhof mit seiner kleinen Kapelle erreichen wir den Ortseingang des Kurortes. Vorher aber treffen wir auf dem Friedhof auf die junge Angela Orosco. Das junge Mädchen im Teenager-Alter befindet sich auf der Suche nach ihrer Mutter, die sie ebenfalls in Silent Hill vermutet. Doch sie warnt uns: Irgendetwas sei mit der Stadt nicht in Ordnung, sie sei gefährlich. James lässt sich davon allerdings nicht beirren, das Geheimnis hinter diesem Brief ist zu wichtig für ihn.

Die Stadt aber ist in dichten Nebel gehüllt und wird, das erfahren wir recht schnell, von bizarren Kreaturen heimgesucht. Während James nach Hinweisen zu Marys Verbleib sucht, treffen wir auf eine Reihe von Charaktere, die allesamt ihre eigenen schweren Lasten zu schultern haben – Das Örtchen Silent Hill scheint wie eine Manifestation „dunkler Orte“ der menschlichen Psyche.

Speicherpunkte werden in Silent Hill 2 als rote Quadrate angezeigt. Der erste findet sich an selbiger Stelle wie im 2001er Original © KONAMI

Speicherpunkte werden in Silent Hill 2 als rote Quadrate angezeigt. Der erste findet sich an selbiger Stelle wie im 2001er Original © KONAMI

Sie ruft jene, die unverarbeitete Traumata mit sich herumschleppen. Das Tableau an Figuren, auf die wir treffen ist relativ kompakt: Wir treffen etwa auf den übergewichtigen Anfang Zwanziger Eddie Dombrowski, der offenbar an einer Essstörung und Körperdysmorphie leidet, und im Laufe seines Lebens das Opfer grausamen Mobbings gewesen ist. Er ist offenbar auf der Flucht vor etwas, und dabei in Silent Hill gelandet. Auch Angela, auf die wir eingangs treffen, ist ganz offenbar eine Getriebene – am rätselhaftesten erscheint uns aber Maria, die unserer Frau Mary bemerkenswert ähnlich sieht, aber mit einer ganz anderen, freimütigeren Persönlichkeit ausgestattet ist. Ist Maria echt oder bloß eine Projektion? Und was ist mit der kleinen und frechen Laura, die allein durch Silent Hill wandert, James gegenüber offene Abneigung zeigt, aber ebenfalls auf der Suche nach unserer Frau Mary ist?

Auf dem Friedhof von South Vale treffen wir auf die junge Angela Orosco, die uns vor der Stadt warnt. Doch das Geheimnis um den Brief unserer toten Frau Mary ist zu wichtig © KONAMI

Auf dem Friedhof von South Vale treffen wir auf die junge Angela Orosco, die uns vor der Stadt warnt. Doch das Geheimnis um den Brief unserer toten Frau Mary ist zu wichtig © KONAMI

Wie bereits im Original sind die Figuren in Silent Hill 2, mit Ausnahme von Laura, moralisch alle recht grau gezeichnet. Silent Hill 2 galt als Benchmark für psychologischen Horror und hat sich maßgeblich vom Werk eines David Lynch und von dem 1990er Psychological Horror-Film Jacob’s Ladder von Adrian Lyne inspirieren lassen. Die Prämisse der Geschichte klingt auf dem Papier vergleichsweise simpel, Silent Hill 2 vermengte aber die klassische Narrative mit sehr symbolträchtigem Environmental Storytelling und hatte seinerzeit eine für das Medium Videospiel-, und erst recht für das Genre Horror unerreichte Tiefe. Es ist daher gut, dass Bloober Team sich hier weitgehend am hervorragenden Original orientieren. Und das machen sie meines Erachtens sehr behutsam. Durchaus gibt es inszenatorische Abweichungen, die unter anderen Umständen für einen kleinen Aufschrei sorgen könnten – die Bloober-eigenen Versatzstücke korrespondieren aber sehr harmonisch mit den ursprünglichen Visionen von Team Silent.

Eddie Dombrowski ist ein Getriebener. Der ewig Gemobbte leidet an Körperdysmorphie und einer Essstörung. Im Vergleich zum Original ist der Charakter stärker ausformuliert © KONAMI

Eddie Dombrowski ist ein Getriebener. Der ewig Gemobbte leidet an Körperdysmorphie und einer Essstörung. Im Vergleich zum Original ist der Charakter stärker ausformuliert © KONAMI

Ich lehne mich nun weit aus dem Fenster und würde sogar behaupten, dass die Handlung in einigen Punkten sogar etwas zugänglicher und damit auch besser als im Original ausfällt. Das liegt primär daran, dass Bloober einige Handlungsstränge hier stärker akzentuiert und ausformuliert. Die Motivationen der getriebenen Charaktere wie Eddie, Angela und co. wirken wesentlich greifbarer als vor 23 Jahren auf der PlayStation 2. Silent Hill 2 war anno 2001 die Masterclass im psychologischen Horror und bis dato ist es wohl DER Titel, den man mit dem Sub Genre assoziiert – das Remake transportiert die Auseinandersetzung von James Sunderland mit seinen eigenen Dämonen recht erfolgreich in die Moderne.  Es gibt nach wie vor einige Kritiker, die dem Remake vorwerfen zu „woke“ zu sein (ein m.E. recht widerlicher Kampfbegriff von meist männlichen, fragilen Spielern, die irgendwie ein Problem damit haben, dass sich Gaming nicht mehr nur um sie zentriert). Da wurde dann vor allem bemängelt, dass Bloober die sexuelle Komponente abgeschwächt hätten – Marias Darstellung sei „weniger verführerisch“, dabei repräsentiere sie für den sexuell frustrierten James die Idealversion (s)einer Frau. Gleiches gilt für eine Sequenz, in der es so scheint, als würde sich Pyramid Head an einem sogenannten „Mannequin“, kopf- und armlose Monster, die an beiden Seiten des Torsos mit Beinen versehen sind, vergehen. Im Kopfkanon der Fangemeinde war dies ein Indiz dafür, dass Pyramid Head nicht nur eine Schuld von James verkörpere, sondern auch als rücksichtsloserer, sexuell potenter Henker seiner selbst agiere. Besagte Szene findet sich auch im Remake von Bloober wieder, wird aber „angedeuteter“ dargestellt. Den Vorwurf der „Zensur“ sehe ich nicht gegeben, eher eine behutsamere Verwertung einer ikonischen Figur. Masahiro Ito selbst zeigte sich in vergangenen Tweets regelrecht frustriert über den Umgang mit seiner Schöpfung. Er sagte sinngemäß, dass er es zeitweise bereue die Figur erschaffen zu haben. Das liegt daran, dass Pyramid Head zum Synonym eines Franchises wurde. Obwohl sich die Figur ganz konkret auf James Sunderland bezieht, wurde sie auch in Silent Hill Homecoming und dem Film Silent Hill: Revelations ausgeschlachtet. Zudem wiederholte Ito in der Vergangenheit, dass die Fans die sexuelle Konnotation der Figur überinterpretieren würden, dass Sexualität nicht der Kernaspekt des Pyramidenkopfes sei. Insofern könnte man hier beinahe sagen, dass Bloober in der Abschwächung der Szene Itos Wunsch nachkommen. Zu Marias Darstellung kann ich bloß sagen, dass ein Minirock mit Leo-Print und das dazugehörige Halsband eher eine in den 1990ern verhaftete Form von Verruchtheit repräsentieren. Bloober ist bei der Darstellung von Maria einfach mit der Zeit gegangen. Einen lasziven Charakter hat sich auch im Remake inne.

Im Original hat James noch ohne zu hinterfragen in das Loch gegriffen. Hier muss das Reingreifen sogar noch mit Button Prompt bestätigt werden. © KONAMI

Im Original hat James noch ohne zu hinterfragen in das Loch gegriffen. Hier muss das Reingreifen sogar noch mit Button Prompt bestätigt werden. © KONAMI

Halten wir aber zusammenfassend fest: Bloober Team ist bei der modernisierten Inszenierung der Handlung relativ behutsam vorgegangen, baut vollständig auf den erzählerischen Stärken des Originals auf, formuliert aber Handlungsmotivationen einzelner Charaktere mehr aus. Das teils Silhouetten-artige, verklausuliertere Storytelling des PlayStation 2-Klassikers hat definitiv auch heute noch seinen Reiz – Bloober hat das Ganze aber sehr gekonnt und subtil in die Moderne gehievt, und die Zugänglichkeit für ein modernes Publikum erhöht, ohne das Original zu relativieren. Gerade im Vergleich zu den psychologisch manchmal etwas grobschlächtigen Vorgängerwerken wie The Medium ist Silent Hill 2 Remake erzählerisch ein riesiger Schritt nach vorn. Ich hoffe, das polnische Team um Piotr Babieno bewahrt sich die Erfahrungen aus dem Writing-Prozess auch für künftige eigene Produktionen.

Klassische Survival Horror-Erfahrung mit einem My mehr Wucht

Das Silent Hill 2 Remake wurde vor allem spielmechanisch ordentlich aufgebohrt und hat hier eine ähnliche Frischzellenkur spendiert bekommen wie das Resident Evil 2 und 3 Remake von CAPCOM. Zwar hatte schon das Ur-Silent Hill 2 die Möglichkeit zwischen einem 3D-Kontrollschema mit traditioneller Panzersteuerung á la Alone in the Dark, Resident Evil und Silent Hill 1 und einem kamerazentrierten 2D-Kontrollschema zu wechseln, klobig war aber sowohl das Movement, als auch das Handling von Nah- und Fernkampf in beiden Fällen. Laut einigen Experten-Meinungen soll der Kampf damals wohl bewusst holprig gestaltet worden sein, weil James Sunderland kein kampferprobter Mann sei und es immer intendiert war, dass die Flucht in Silent Hill 2 vorzuziehen sei.

Puzzle-Elemente wie das Motten-Rätsel nehmen auch beim Remake viel Raum ein © KONAMI

Puzzle-Elemente wie das Motten-Rätsel nehmen auch beim Remake viel Raum ein © KONAMI

Im Remake hingegen haben wir eine ähnliche Über-die-Schulter Third Person-Ansicht wie in den Resident Evil Remakes. Dadurch fühlen sich Kampf und Flucht spürbar kontrollierter und fließender ein, weil es keine statischen Kamerawinkel mehr gibt, die unsere Übersicht einschränken. Via Knopfdruck kann James sich recht zügig umdrehen, und so den Bereich im Rücken in den Blick nehmen. Das „schnelle Umdrehen“ ist ein Feature, welches ich zumindest auf dem normalen Schwierigkeitsgrad eher selten genutzt habe, weil ich den Perspektivenwechsel als ein bisschen unübersichtlich empfunden habe.

Die Boden-Texturen sind für mich ein Highlight, die Pfützen und der Matsch, der im dauernebligen Moloch das fahle Licht spiegelt © KONAMI

Die Boden-Texturen sind für mich ein Highlight, die Pfützen und der Matsch, der im dauernebligen Moloch das fahle Licht spiegelt © KONAMI

Gerade die Nahkämpfe sind durch den Perspektivenwechsel immersiver und knüppeliger geworden. Relativ zu Beginn finden wir eine mit Nägeln gespickte Holzplanke, die bis zu den Woodside Apartments auch unsere Standardwaffe bleibt und danach von einer Rohrstange ersetzt wird. Wenn man auf die Kreaturen einprügelt, reagieren die Trigger des DualSense mit Widerstand, die über das haptische Feedback des Controllers umgesetzt werden. Der Widerstand vermittelt eine physikalische Wucht und Brachialität hinter den Schlägen, die es im Original gar nicht gegeben hat. Gerade dadurch, dass man die Kreaturen, vor allem die Lying Figures, oft mit einem finalen Schlag niederknüppeln muss, um sie endgültig zu erledigen, sorgt für ein paar Gewaltspitzen. Aber auch der Umstand, dass sich die Monster spürbar unterschiedlich verhalten, trägt viel zur Wuchtigkeit der Kämpfe hinzu. Während die Lying Figures eine ätzende Flüssigkeit erbrechen, und sich beim ersten Schlag in einen schnelleren, aber vulnerableren Kriechzustand begeben, hocken die Mannequins gerne in schlecht einsehbaren Ecken, und greifen aus dem Hinterhalt an. Die gesichtslosen Krankenschwestern sind selbst mit Nahkampfwaffen wie Messern ausgestattet, und können mit selbigen durchaus auch Angriffe parieren und kontern. Die Nahkampfwaffen erschließen zudem auch neue Areale – Immer wieder können wir Fenster, Barrikaden oder Wände zerstören, um in neue Räumlichkeiten oder Gebiete vorzudringen. Was es nicht gibt: Die Waffen bleiben langfristig erhalten und gehen nicht nach entsprechender Abnutzung kaputt. Das wurde, wenn mich die Erinnerung nicht täuscht, erst mit Silent Hill 4: The Room eingeführt. Die erste Schusswaffe, eine klassische 9mm Pistole, finden wir im Original ebenfalls in einem Einkaufswagen in dem o.g. Apartmentgebäude. Hier nutzt der DualSense seine Features, um den Rückstoß zu simulieren. Eine Shotgun hat naturgemäß einen deutlich höheren Rückstoß als die klassische Pistole.

Natürlich ist auch der ikonische Pyramid Head mit von der Partie - Hier unser erstes Aufeinandertreffen mit dem "lustvollen Henker" © KONAMI

Natürlich ist auch der ikonische Pyramid Head mit von der Partie – Hier unser erstes Aufeinandertreffen mit dem „lustvollen Henker“ © KONAMI

Schusswaffen müssen natürlich sparsam eingesetzt werden. Es gibt zwar selten wirklich „zu wenig“ Munition, aber definitiv gibt es einige Kämpfe, die mehr Munition erfordern. Im Remake geht der fliegende Wechsel zwischen Nah- und Fernkampf relativ leicht von der Hand. Mit einem initialen Schuss kann man die Gegner gut zu Boden bringen, und sie dann mit einer Reihe von Hieben bearbeiten. Die Gegner sind auch jeweils mit Schwachpunkten ausgestattet, die man gezielt ausnutzen kann. Die Mannequins etwa kann man mit einem Schuss in die unteren Beine zu Boden bringen, bevor sie einen anspringen, und sie dann weiter niederzuknüppeln. Eine Iteration der Lying Figures explodiert, sobald man sie angreift, sodass man im passenden Moment nach hinten dodgen sollte, um dem Explosionsradius zu entgehen. Für viele Gegner lassen sich im Verlauf des Spiels passende Strategien finden. Obwohl die Kämpfe durch die DualSense-Einbindung intensiver wirken, bleiben die ganz großen Innovationen aus: Der Nahkampf wird irgendwann Routine, das Gunplay wirkt wesentlich stimmiger und realistischer als beim etwas schwammig geratenen Alone in the Dark, aber eine kleine Ecke untighter als bei den aktuellen Resi-Remakes. Ich sehe hier keinen eklatanten Schwachpunkt, sondern eher eine Stagnation. Ganz cool finde ich aber die Einbindung des klassischen Radios und der Taschenlampe: Das Radio ist für mich ein Silent Hill-Trademark seit Tag 0. Wenn Gegner in der Nähe sind, fängt es an mit Störsignalen zu rauschen – auch durch Wände hindurch. Beim Remake werden die Radio-Störsignale über die Lautsprecher des DualSense-Controllers ausgegeben, was, vom In-Game-Sounddesign entkoppelt, nochmal unheimlicher und panik-induzierender wirkt, wenn das Signal in den eigenen Händen rauscht. Die Taschenlampe liefert spärliches Licht in den dunklen Gängen und hat einen eher kleinen, balkenförmigen Ausleuchtungsradius. Gerade im späteren Verlauf des Spiels, wenn die Otherworld immer mehr über James hereinbricht, und das Spiel zunehmend finsterer wird, trägt das enorm viel zur schaurigen Atmosphäre bei.

Das Mapping ist deutlich einfacher gestaltet - weil Ziele auf den Karten ganz konkret markiert werden © KONAMI

Das Mapping ist deutlich einfacher gestaltet – weil Ziele auf den Karten ganz konkret markiert werden © KONAMI

Auf dem Normalen Schwierigkeitsgrad muss man bereits sehr wirtschaftlich mit den medizinischen Ressourcen haushalten, denn das Verhältnis zwischen Monsteraufkommen und verfügbaren Regenerationsitems ist unausgewogen, Heilobjekte sind durchaus rar gesät, was die Erfahrung ziemlich intensiviert. Es gibt stärkere Injektionen (dass sich James rumliegende, verrostete Spritzen in die Venen haut muss man hier nicht logisch hinterfragen), und reguläre Gesundheitstränke, die man hin und wieder in den Schränken findet– und die über die Dreieckstaste eingenommen werden können. Über den DualSense wird der Gesundheitsstatus von James angezeigt: Geht es ihm gut, leuchtet die LED grün, bei kritischem Zustand wird natürlich ein alarmierendes Rot angezeigt. Auch hier ist der DualSense sinnvoll eingebunden. Auf dem „Einfachen Schwierigkeitsgrad“ gibt es deutlich mehr Gesundheitstränke zu finden. Ich würde sagen, auch Survival Horror-Neulinge kommen mit dem einfachen Schwierigkeitsgrad zurecht, aber ein einfaches Durchspazieren ist trotzdem nicht drin.

Während man den Kampf Schwierigkeitsgrad jederzeit ändern kann, man wird lediglich an den letzten Speicherpunkt zurück gebracht, kann man auch den Schwierigkeitsgrad der Rätsel wie im Original einzeln konfigurieren. Bei den Rätseln bleibt dieser fix und kann im Verlauf des Spiels nicht mehr geändert werden.

Auch bei den Speicherpunkten bleibt Silent Hill 2 der Tradition verhaftet, wartet aber mit kleineren Vereinfachungen auf. Die Speicherpunkte sind hier rote Quadrate, die in der Spielwelt verteilt sind. Die meisten Save Points sind jeweils zu Beginn und zur Mitte eines Dungeon-artig aufgebauten Areals verteilt, was meiner Meinung nach recht fair ist, weil die Maps auf Backtracking ausgelegt sind, d.h. man muss immer wieder zu bereits erschlossenen Arealen, um dort vielleicht noch die eine Tür mittels neuem Schlüssel zu öffnen und kommt daher ohnehin am Speicherpunkt vorbei. Die zentrale Neuerung ist aber, dass (zumindest im einfachen und normalen Modus) vor größeren Kämpfen oder Cut Scenes automatisch gespeichert wird.

Die bekannten Charaktere wurden m.E. sehr behutsam, meist clever modernisiert. Was hat es mit der mysteriösen Maria auf sich? © KONAMI

Die bekannten Charaktere wurden m.E. sehr behutsam, meist clever modernisiert. Was hat es mit der mysteriösen Maria auf sich? © KONAMI

Auch das Automapping ist deutlich einfacher geraten, was Puristen vielleicht bemängeln werden. So werden zwar auf der Karte zugesperrte Türen wie im Original markiert, nun bekommt man aber immer auch das Ziel eingekreist, noch offene Rätsel werden mit „?“ gekennzeichnet und zu findende Objekte werden ebenfalls markiert. Der explorative Charakter des Originals geht damit zwar ein bisschen flöten, zugleich hilft diese moderne Hilfe aber dem Pacing des Spiels.

Einen kleinen Kritikpunkt zum Abschluss: Die Tank Controls mit ihren fixen Kameraeinstellungen sorgten dafür, dass die Entwickler*innen inszenatorisch mehr Kontrolle über das Spiel hatten. Silent Hill hat immer wieder mit experimentellen, teils psychedelisch anmutenden Kamerawinkeln gearbeitet, die nicht alles offen gelegt haben. Das hat viel zur bedrohlichen Atmosphäre beigetragen. Mit der modernen Over-the-Shoulder Perspektive fallen diese visuellen Ideen weg und bleiben nur den Zwischensequenzen vorbehalten.

Angenehm knackiges Rätseldesign

Bevor das Survival Horror-Genre in den späten 00er Jahren actionlastiger wurde, waren Rätsel immer ein wichtiger Bestandteil der Spielerfahrung. Seit den Remakes von Resident Evil, aber auch Alone in the Dark sind die Puzzle-Elemente wieder prominenter ins Spieldesign gerückt. So auch bei Silent Hill 2. Die Rätsel sind signifikanter Bestandteil der Erfahrung und wie schon im Ur-Teil kann man auch hier den Schwierigkeitsgrad für die Rätsel unabhängig vom Survival-Gameplay festlegen, von „Einfach“ bis „Schwer“. Das Rätseldesign ist in den meisten Fällen schön mit den erweiterten Arealen verknüpft. Zwar sind viele Puzzle-Elemente und ihre Ausgänge Reminiszenzen an das ursprüngliche Meisterwerk, der Weg zur Lösung der jeweiligen Kopfnüsse ist aber in den meisten Fällen ein anderer, und keine simple 1:1 Übersetzung. Während ein Rätsel damals oft nur eine lokal angelegte Auflockerung war, wirken einige von ihnen nun als größeres Set Piece. Das hat Bloober m.E. sehr clever angelegt. Ich hatte in der Review des Alone in the Dark-Remakes angesprochen, dass die dortigen Schalter-Rätsel nicht ganz so hintersinnig und komplex ausfielen wie bei SH2. Das Remake geht hier nochmal einen Schritt nach vorn. Auch hier hat Bloober deutlich dazugelernt – Noch bei The Medium waren viele Puzzle-Einlagen eher simpel und selbstzweckhaft eingebettet worden, hier hat man sich merklich Gedanken gemacht.

Die Otherworld wirkt gewohnt rostig und verfallen © KONAMI

Die Otherworld wirkt gewohnt rostig und verfallen © KONAMI

Manche der Kopfnüsse, wie etwa das Motten-Rätsel, sind extrem simpel angelegt und trotzdem muss man ein bisschen überlegen, wie vorzugehen ist. Andere Rätsel wie ein Münzen-Rätsel sind mehrstufig aufgebaut und mit einer kleinen allegorischen Geschichte verknüpft. Hier muss man dann etwa schrittweise Münzen mit entsprechenden Symbolen und Bebilderungen gemäß einer Geschichte in eine Schloss-Apparatur einbringen. In allen Fällen tragen die Puzzle-Mechaniken ihr Stück zum verrätselten Vibe der Geschichte bei und entschleunigen zumindest partiell den abgründigen Horror, den Silent Hill 2 heraufbeschwört.

Spielzeit und Pacing

Das originale Silent Hill 2 hatte eine recht kompakte Spielzeit von 8 Stunden für die Hauptstory, und 15 Stunden für das Komplettieren des Titels. Das Remake ist deutlich größer: Für den Abschluss der Story benötigt man nun etwa 15-18 Stunden, für das Komplettieren kann man noch mindestens 5 Stunden dran hängen. Für einen 100 %-Abschluss mit allen Enden sind 40 Stunden vonnöten.

Realisiert wird die Größe des Spiels durch die Erweiterungen der Areale. Die ursprünglichen Gebiete wie Woodside/Bluecreek Apartments, das Brookhaven Krankenhaus mit seiner alptraumhaften Otherworld, das Toluca Gefängnis sowie das Lakeview Hotel mit der Otherworld sind layouttechnisch deutlich umfangreicher gestaltet. Das Krankenhaus erreicht man im Remake nach etwa 4-6 Stunden.

Auch die Wege über die Stadt, die quasi als Hub funktioniert, sind deutlich länger als im Original.

Pyramid Head, die zweite © KONAMI

Pyramid Head, die zweite © KONAMI

Ich habe die Besprechung nach Abschluss des Krankenhauses begonnen, hab das Spiel mittlerweile abgeschlossen, und würde sagen, dass der größere Umfang nicht wie ein Filler-Ding wirkt oder das Pacing durcheinander bringt. Alle Areale wurden meiner Meinung nach sinnvoll erweitert und fühlen sich organischer und authentischer als im Original an. Tatsächlich habe ich ca. 16 Stunden für den Abschluss der Hauptgeschichte gebraucht, und hatte bis zum Schlusspunkt keine Abnutzungserscheinungen verspürt. Insofern, auch hier: Gut gemacht, Bloober!

Wie im Original gibt es zudem mehrere Enden: Die originalen sechs finalen Sequenzen des ursprünglichen Spiels sind naturgemäß auch im Remake enthalten, dazu gehören auch die beiden albernen Comical Relief-Enden. Bloober hat zwei neue Enden entworfen, die ich selbst noch nicht freigespielt habe, die aber auf Linie mit dem bisherigen Writing zu sein scheinen und dementsprechend eine sinnvolle Ergänzung für die alten Hasen sind.

Grafisch stimmungsvolle Neuinterpretation, mit leichten Einbußen bei der Technik

Auch visuell hat Bloober Team Silent Hill 2 hervorragend ins Jahr 2024 rüber transportiert. Bereits bei The Medium hat sich das Entwicklerteam unter Verwendung der Unreal Engine 5 an Silent Hill-esquen Szenerien versucht – auch die Übergänge zwischen Realität und einer Zdzisław Beksiński-artigen Otherworld wurden bei der ambitionierten hauseigenen Marke visuell ziemlich schön umgesetzt. Das Remake von Silent Hill 2 ist aber natürlich nochmal eine andere Hausnummer als eine Indie-Eigenproduktion, an die ganz andere Erwartungen gestellt werden.

Der Vibe wird auch in erheblichem Maße über das Environmental Storytelling erzählt © KONAMI

Der Vibe wird auch in erheblichem Maße über das Environmental Storytelling erzählt © KONAMI

Und hier hat Bloober ebenfalls ordentlich dazu gelernt: Die Atmosphäre im Remake ist ähnlich bedrückend und feucht-kalt wie im Original. Die Texturen der Gebäudefassaden wirken realistisch heruntergekommen, alles wirkt wie ein großer Lost Place im Herbst, der in dichten Nebel gehüllt ist. Ein Highlight sind für mich die Boden-Texturen – die Pfützen und der Matsch, die das fahle Licht der Umgebung spiegeln, wirken gleichzeitig schön und ungemütlich. Während der Nebel im PlayStation 2-Original noch eine recht trübe Textur-Suppe war und den technischen Hintergrund hatte, dass die PlayStation 2 die Assets so erst später nachladen musste, haben wir es hier mit „echten“ voluminösen Nebelschwaden zutun.

Auch die Wechsel zwischen dem vernebelten, „normalen“ Silent Hill und der alptraumhaft verzerrten Anderswelt mit ihrer blutig-rostigen Farbgebung sind visuell gut miteinander verzahnt.

Die neu gestalteten Charaktermodelle von Bloober finde ich tatsächlich ziemlich gut: James Sutherland, Angela Orosco, Eddie Dombrowski, Maria und Laura sehen alle deutlich menschlicher aus als ihre Counterparts aus dem Original. Zwar haben die ursprünglichen, blassen Figuren mit ihren mitunter wächsernen Gesichtszügen ebenfalls viel zur surrealen Ausstrahlung des Spiels beigetragen, jetzt wird aber allein aufgrund der Darstellung mehr emotionale Bezugsfläche geschaffen. Angela sah im Original nicht aus wie ein 17-19-jähriges Mädchen im Teenager-Alter, sondern wie eine Frau in ihren 30ern – ihr Alter lässt sich im Remake deutlich besser bestimmen. Eddie wirkte optisch im Original wie ein High School-Bully und nicht wie jemand, der wegen einer Essstörung gemobbt wird. Maria ist sehr ähnlich konzipiert wie im Original und wurde nur minimalst bei der Bekleidung angepasst. James hingegen wirkt deutlich nahbarer als im Original, ohne dass man optisch zu sehr abgewichen ist. Gerade seine Mimik verrät deutlich mehr über sein Seelenleben. Er wirkt zu Eddie deutlich distanzierter als etwa zur kleinen Laura, bei welcher er eher väterlich auftritt. Das Verhältnis zu Maria ist indes von Irritation, von Neugierde, sexueller Anziehung und Schuldbewusstsein geprägt. Diese Nuancen kann man aktiv sehen. Ein cooles Detail ist zudem, dass James im Verlauf der Ereignisse immer zerzauster aussieht. Die Ereignisse von Silent Hill 2 fordern bei James auch optisch ihren Tribut.

Nahkampf nimmt eine erhebliche Rolle ein. Recht lange Zeit ist der mit Nageln versehene Knüppel unsere Standard-Waffe © KONAMI

Nahkampf nimmt eine erhebliche Rolle ein. Recht lange Zeit ist der mit Nageln versehene Knüppel unsere Standard-Waffe © KONAMI

Die Animationen sind für mich, wie so oft, der größte Schwachpunkt: Alle Charaktere, inklusive James, bewegen sich recht hüftsteif durch mitunter wunderschön modellierte Gebiete. Die Haare und der Faltenwurf von James Parka bleiben beim Laufen im Verhältnis zum Rest des Körpers relativ statisch. Auch die Tatsache, dass man die oft sperrigen Nahkampfwaffen nicht an seinem Körper sieht, und dass er beim Wechsel zwischen Lauf-/Nahkampf-/Fernkampf-Modus sowohl die Schusswaffen, als auch die oft sperrigen Objekte „aus dem Nichts“ zaubert, rüttelt in meinen Augen ein wenig an der Immersion. Wenn uns NPCs wie Maria begleiten, dann stehen sie oft etwas unbeholfen in der Gegend, statt mit sinnvollen Idle Animations ein bisschen Leben zu simulieren. Und auch im Kampf wäre mehr animatorisches Trefferfeedback bei den Kreaturen sinnvoll gewesen, um die Wucht der DualSense-Vibrationen auch visuell zu betonen. Hier wäre deutlich mehr drin gewesen: Selbiges Problem hatte ich aber auch schon bei Alone in the Dark, und bei vielen Walking Sims der jüngeren Zeit. CAPCOM hat mit der RE Engine zumindest in Sachen Animation die Nase vorn.

Extrem hervorragend finde ich teilweise die Transferwege zwischen den größeren Arealen bzw. Levels innerhalb der Stadt gestaltet. Das lässt sich erstmalig beim Übergang vom Strip Club „Heaven’s Night“ zum „Brookhaven Hospital“ beobachten. In Silent Hill kommt ein Sturm auf, das Herbstlaub und Müll wirbelt umher, die Gegnerscharen auf den Straßen der Stadt werden mehr und aggressiver. Diese Spitzen, in denen Silent Hill sich offensiver und bedrohlicher zeigt, werden von Bloober Team visuell sehr gekonnt akzentuiert.

Die Technik ist aktuell noch der größte Schwachpunkt, wobei ich denke, dass hier mit Patches langfristig definitiv nachgeholfen werden kann: Es gibt immer wieder Momente, in denen die Framerate ein ganz klein bisschen einbricht. Gerade wenn viele Partikeleffekte im Gange sind, gibt es ganz kurze Einbrüche. Das ist nicht sonderlich schlimm, trübt aber den ansonsten großartigen visuellen Eindruck des Spiels. Beim Springen über Barrikaden oder durch offene Fenster kann es zudem ab und an vorkommen, dass man am Texturrand hängenbleibt und dann die Kamera kurz vor sich hinglitcht. Das ist mir beim Spieldurchgang ca. 2-3 mal passiert.

Sehr gute Sprecherleistungen, wuchtiger Score und gewohnt atmosphärischer Soundtrack von Akira Yamaoka

Auditiv ist Silent Hill 2 ein ziemliches Highlight. Das Sounddesign ist ein wichtiger Stützpfeiler des Spiels. Während die alten Sprecher*innen im PlayStation 2-Spiel noch Laienakteur*innen waren und die Voice Acting-Performance recht roh anmutete, haben wir dieses Mal naturgemäß professionelle Synchronsprecher*innen. Auch hier würde ich zwar sagen, dass die etwas steifen Sprecherleistungen viel zur bizarr-diffusen Stimmung im Original beitrugen, die neuen Sprecher*innen machen ihre Sache aber durch die Bank weg großartig: Luke Roberts spricht James Sunderland mit der passenden Mischung aus Hoffnung, Deprimiert- und Entschlossenheit im Ton. Die von Evie Templeton gesprochene Laura wirkt jetzt deutlich kindlicher, aber auch frecher als im Original. Die isländische Schauspielerin Salome R. Gunnarsdottir hat zuletzt in der Serie The Lazarus Project Greta gespielt, hat aber auch schon Sprecher*innen-Credits bei Final Fantasy XIV zu verbuchen. Hier vertont sie Mary und ihr optisches Äquivalent Maria und leiht ihnen eine ätherisch-verführerisches Stimme. Und Scott Haining, der Eddie spricht, hat auch schon David beim Supermassive Games-Titel The Dark Pictures Anthology: Little Hope gesprochen. Als Eddie performt er zugleich zornig, instabil und zerbrechlich.

Die Soundeffekte sind nochmal deutlich stärker als im Original und extrem creepy. Hier lohnt es sich, mit einer guten Anlage oder Kopfhörern zu spielen. Denn die kreischenden Monster, die knarzenden Schritte, die unbehagliche, noisige Geräuschkulisse in den Otherworld-Passagen, die eher nebulösen Ambient-Sounds, welche die Liminalität des Ortes betonen, beim Durchstreifen der Stadt. Das alles klingt im Remake nochmal wuchtiger und omnipräsenter als im PlayStation 2-Spiel.

Der Soundtrack von Mastermind Akira Yamaoka, einer meiner persönlichen All-Time-Faves, den ich auch auf Platte besitze, wurde hier nochmal neu arrangiert und neu aufgenommen und umfasst dabei alle wichtigen Klassiker in aktualisierten Versionen wie „Theme of Laura II“ oder ein aufgefrischtes „Promise“. Aber auch zahlreiche neue Stücke sind hinzugekommen. Zwischen luftigen Trip Hop-Passagen, rockigen Klängen, sperrigen Ambient-Sounds und industrieller Kakophonie ist der OST des Remakes die passend sinistre und gleichsam melancholische Untermalung für diesen spielgewordenen Abyss. Wenn KONAMI den OST des Remakes als Schallplatte in den Webshop aufnimmt, schlage ich hier gerne zu.

Fazit:

Ich bin verdammt erleichtert, dass Bloober Team und KONAMI über sich selbst hinausgewachsen sind, und den verdammt hohen Erwartungen an ein Remake des wohl großartigsten Psychological Horror-Titels gerecht wurden. Das Spiel ist eine Liebeserklärung an das von Team Silent konzipierte Magnum Opus und erschließt das Ur-Spiel einem neuen Publikum. Die von Symbolismen triefende Handlung über Trauer, Verlust und Schuld wurde nur behutsam angerührt. Das Figurentableau des Originals ist weitgehend gleich geblieben, die Handlungsmotivationen sind aber stärker ausformuliert worden. Die erzählerische Komponente war häufig ein kleiner Schwachpunkt bei Bloober Team-Spielen, wenn man von Observer absieht. Hier aber hat das polnische Studio spürbar Zeit investiert. Spielmechanisch geht man den Resident Evil 2-Remake Weg: Die fixen Kamerawinkel des Originals mussten einer modernen Über-die-Schulter Perspektive weichen. Der Kampf gegen die bizarren Manifestationen von James kaputter Psyche ist wesentlich dynamischer und wuchtiger als im sperrigen Original, reißt aber keine Bäume aus, wenn man den Innovationsgehalt in den Blick nimmt. Die audiovisuelle Präsentation hingegen ist weitgehend superb: Die diffuse, und später alptraumverzerrte Stimmung des vernebelten Kurörtchens wird unter Einsatz der Unreal Engine 5 und mit stimmungsvollen Sounddesign, an dem erneut Akira Yamaoka beteiligt war, gekonnt ins Jahr 2024 transportiert. Auch die Einbindung des DualSense Controllers ist gut gelungen. Lediglich mit Blick auf die Animationen und eine konstantere Framerate hätte ich mir noch ein bisschen mehr Polishing gewünscht. Nichtsdestotrotz: Silent Hill 2 ist m.E. ein sehr starker Titel in einem ohnehin recht starken Spielejahr, locker das beste Silent Hill seit The Room und ich hoffe, dass Bloober Team auch die potentiellen Remakes von Silent Hill 1, 3 und The Room betreuen dürfen. Die Zusammenarbeit von KONAMI und dem polnischen Studio hat gefruchtet. SILENT HILL lebt wieder. Wenn jetzt noch Metal Gear Solid Delta gut wird, ist der japanische Publisher wieder im Geschäft denke ich.

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Grafik / Art Style - 8.9
Story / Inszenierung - 9.1
Technik - 7.9
Umfang - 9
Gameplay / Spielspass - 9.1

8.8

Silent Hill lebt wieder. Bloober Team und KONAMI ist mit dem Remake die Revitalisierung der Psychological Horror-Reihe geglückt. Der zweite Teil galt immer als Benchmark für psychologischen Horror. Bloober haben das Ganze gleichsam behutsam und clever in die Moderne gehievt, und sind im Entwicklungsprozess über sich selbst hinaus gewachsen. Man kann beinahe hoffen, dass Bloober auch die anderen klassischen SH-Einträge modernisieren dürfen. Die Essenz der Reihe haben sie offenbar verstanden.

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