Ein neues Call of Duty, Fifa unter neuem Namen und schon wieder ein weiteres Open World Spiel… Kreativität ist nicht unbedingt das Steckenpferd der Mainstreamvideospiele und mit einem Blick auf einen einzelnen Screenshot weiß man in der Regel auch direkt was einen erwartet. Aber Capcom spielt als Publisher nicht bei diesem Spiel mit und liefert mit Kunitsu-Gami: Path of the Goddess nicht nur einen sperrigen Namen, sondern auch ein ziemlich ungewöhnliches Spiel. Aber ob neu auch automatisch gut ist, erfahrt ihr in dieser Rezension!
Spirituelle Kammerjäger auf dem Berg
Auf dem Kafuku-Berg ist der Teufel los und das im wortwörtlichen Sinne! Dämonen strömen nachts durch die charakteristischen roten Torii-Tore und überziehen den Berg mit schwarzem Schleim. Doch endet die Entweihung an dieser Stelle noch nicht, denn zusätzlich haben sich die Ungeheuer zwölf Masken unter den Nagel gerissen und machen so den Dorfbewohnern auf dem Berg das Leben zum Albtraum. Damit das so nicht weitergeht entscheidet sich eine Göttin, die nur als Maid bezeichnet wird, mit ihrem geisterhafen Katanaschwinger Soh loszutanzen und so wieder für Ruhe zu sorgen.
Die Story von Kunitsu-Gami ist nett in die japanische Mythologie eingebettet und bietet im Prinzip einfach nur eine stabile Ausrede für das Gameplay. Die Handlung gerät dabei schnell in den Hintergrund, stört aber auch kein bisschen und trägt zur geheimnisvollen und angenehm märchenhaften Atmosphäre bei.
Arbeit rund um die Uhr – Ist der Gameplayloop nur Arbeit oder ist Dämonenjagen mehr Berufung als Beruf?
Die meisten Level in Kunitsu-Gami haben ein vermeintlich simples Ziel: In der Form des Samurai-Geists Soh begleitet man die als Maid bezeichnete Göttin und hält ihr den Rücken frei während sie sich langsam auf den Weg macht um an einem Torii-Tor einen Exorzismus durchzuführen. Die Aufgabe wird aber mit jedem Level deutlich komplexer, man wird aber vom Spiel ein wenig an der Hand genommen und in jedes neue Element eingeführt ohne eisern durch ellenlange Tutorials gezwungen zu werden.
Die Maid selber steuert sich nämlich weitgehend selbst, hält sich aber an gewisse Vorgaben. Tagsüber läuft Soh nämlich durch die Gegend und kann die Gegend erkunden. Es gibt immer ein paar Sachen zu entdecken und einzusammeln, dabei kann es sich um die Währung handeln mit der man verschiedene Aktionen durchführen kann oder um Dorfbewohner, denen man im Laufe des Spiel verschiedene Aufträge geben kann oder auch Ausrüstungsgegenstände mit denen man sich in Form von leichten Rollenspielelementen austoben kann. Hat man die verhältnismäßig überschaubaren Level ausgekundschaftet und im Idealfall auch schon etwas Kohle gesammelt kann man die für eine von zwei Dingen ausgeben, die beide wichtig sind und so schon sofort eine Abwägung von den Spielenden verlangt. Man kann zum einen der Maid den verseuchten Weg freiräumen, den sie dann langsam wieder weiht und so in Richtung des Ziels tanzt. Das ist nötig um die Runde zu gewinnen, kann aber auch dazu führen, dass man die Götting zu weit vorschickt und sie so nicht ideal Verteidigen kann. Manchmal gibt es Spots, die eindeutig besser sind als irgendwo in der Pampa zu stehen; Will man aber so schnell wie Möglich dorthin, muss man die Dorfbewohner eventuell vernachlässigen. Diese sind in ihrer normalen Form fast nutzlos und stehen nachts nur im Weg herum, aber mit dem nötigen Kleingeld kann Soh den Dorfbewohnern Masken aufsetzen, die ihnen verschiedene Rollen zukommen lassen. So kann man Axtschwinger, Bogenschützen und auch skurrilere Gestalten aus den Einwohnern machen. Welche Klasse die Richtige ist, hängt von der Situation und dem Level ab, denn nicht jeder Bürger kann jede Maske tragen, außerdem kann man die Klassen auch verbessern und muss sie auch alle erstmal in Bossfights freischalten. Es gibt also viel zu tun und noch mehr zu beachten, aber da wir es bei Kunitsu-Gami mit einem guten Spiel zu tun haben, lassen sich die Klassen natürlich wieder austauschen, auch mitten im Kampf! Gleichzeitig muss man die Einheiten auch mit einigen rudimentären Befehlen positionieren und kann schon vor Einbruch der Nacht für den optimalen Schutz der Göttin sorgen. Stirbt sie oder Soh ist der Level nämlich verloren. Und das kann durchaus auch vorkommen, denn das Spiel erwartet von den Spielenden durchaus ein wenig Aufmerksamkeit.
Speziell, wenn nahtlos die Sonne untergeht, denn dann geht das eigentliche Spiel los. Soh kann sich frei bewegen und hat eine leichte und eine harte Attacke, die sich zu einer Handvoll Combos erweitern lässt und muss sich so anfangs alleine durch die Gegnerhorden schnetzeln. Und Horden ist hier nicht untertrieben, denn man hackt sich durch dutzende von Feinden, die meistens auch nicht viel einstecken und sorgt so dafür, dass sich die Maid in Sicherheit wiegen kann. Außerdem muss man schon früh seine Dorfbewohner mit einbeziehen und kann ihnen auch im Kampf neue Positionen zuweisen oder sie gleichzeitig alle auf dasselbe Ziel fokussieren oder einen schnellen Rückzug zur Maid durchführen lassen. Die Bewohner sind dabei mehr als nur schmückendes Beiwerk, sie tragen eindeutig zum Sieg bei und müssen daher sorgfältig positioniert werden um der Maid und einem selbst den Rücken freizuhalten, so dass man die Bewohner beispielsweise das Gros der Gegner aufhalten lässt und sich persönlich nur um besondere Gefahren oder Nachzügler kümmert, die sich durch den menschlichen Schutzwall gewuselt haben. Die Nacht ist definitiv der spannendste Teil des Gameplays und lässt auch einiges an Abwechslung zu, denn es gibt manchmal auch Level, wo man Soh nachts gar nicht nutzen kann und so nur auf die maskierten Dorfbewohner fokussiert bleibt oder sich mit verschiedenen Bossen auseinandersetzen muss, die unterschiedliche Herangehensweisen verlangen.
Aber ganz ohne Kritik kommt das Spiel auch nicht aus, den neben dem Kampfsystem, das meiner Meinung nach noch etwas mehr Tiefe vertragen könnte, gibt es noch einen dritten Part im Gameplay, der eher in Arbeit, als in Spaß ausartet: Befreit man ein Dörfchen, dann kann man es im nächsten Schritt aufbauen. Das ist sehr linear, man muss persönlich wieder zurücklatschen und dann den Dorfbewohnern befehlen mit welchem Gebäude sie anfangen und nach vollendeter Arbeit muss man auch per pedes wieder zurück und die Belohnung einsammeln. Die Bearbeitungszeit beträgt in der Regel das vollenden von einem oder mehreren Levels, so dass man teilweise gezwungen wird Level mehrfach zu spielen und auf jeden Fall dann auch wieder zurücklaufen muss um seine Verbesserungen abzuholen. Das wäre problemlos in einem Menulü statt in mehreren Leveln hinter diversen Ladebildschirmen abgehandelt zu werden.
In Bewegung sieht das überraschend dynamisch aus! © Capcom
Okami und Pikmin – Der Look in zwei Worten
Ich habe das Anfangs schon erwähnt, aber man muss Kunitsu-Gami unbedingt selber anspielen, sonst wird die Leistung des Studios gar nicht deutlich. Da haben Kunitsu-Gami und ich nämlich eine echte Gemeinsamkeit: Auf Fotos sehen wir kacke aus und man hat schnell einen falschen Ersteindruck. Gibt man dem Game aber eine Chance, dann wird man schnell in seinen Bann gezogen, denn der Look ist total einzigartig und erinnert, zumindest Laien wie mich, an das japanische Theater. Das kenn ich zwar auch nur aus Darstellungen in Manga und Anime, aber das kommt für mich schon hin. Es gibt also einiges an Getanze, Masken und Makeup sowie herumhampelnde Statisten auf der guten Seite und auf der bösen Seite hierzulande mal mehr, mal weniger bekannte Mythenwesen mit teilweise echt kreativen Designs. Es kommt vermutlich keiner auf die Idee, dass wir es hier mit einem Grafikbrett in der aktuellsten Unreal Engine zu tun haben, aber die Modelle sind immer liebevoll ausgestaltet, egal ob es ein einfacher Dorfbewohner oder der eigene coole Samuraininjatyp ist und in Verbindung mit den ganzen Licht und Soundeffekten mischt man überraschend hübsch ganze Monsterherden vom Berg.
Ähnlich gestaltet sich das auch mit dem Sound, der Spielende direkt ins mythologische Feudaljapan hineinzieht und nicht laufen lässt, bis nicht noch ein Level geschafft wurde. Dabei passen die Tänze der Götting und Bewohner genau so gut ins Gesamtbild, wie die Schlitzgeräusche, die der Spielercharakter durch die Gegner zieht. Ich finde ehrlich gesagt, dass viele japanische Spiele einen Hang zu Fahrstuhlmusik haben, die vielleicht technisch aufwendig, aber für meine vom Rap zerschundenen Lauscher eine echte Pein sind. Bei Kunitsu-Gami kann man den Soundtrack aber getrost weiterlaufen lassen!
Abzug gibt’s übrigens für das Voiceacting. Überhaupt wird in dem Spiel wenig gesprochen, aber in den paar Videosequenzen erzählt die Maid auf japanisch vom Schicksal des Berges. Ingame sprechen aber zumindest die Bauern englisch. Der Mix macht für mich keinen Sinn, aber da die nur ab und zu etwas kommentieren, was sich auf das Gameplay gar nicht auswirkt, ist das leicht verschmerzbar.
Ich habe das Spiel auf dem PC getestet und bin mit der Performance durchgehend zufrieden. Die Framerate war immer da, wo sie sein sollte und abgeschmiert ist mir das Spiel in mehreren Stunden kein einziges Mal. Ebenso hatte ich keinerlei Probleme mit Bugs oder Glitches, einzig die Kamera ärgerte mich manchmal. Spielt man mit dem Gamepad ist das relativ leicht lösbar, Keyboard-Krieger erleben aber ein deutlich hakeligeres Spiel, als mir lieb ist. Dazu gibt es in Kunitsu-Gami meine liebste Form von Multiplayer: Gar keinen. Finde ich super, statt dem Spiel einen unnötigen Mehrspielermodus überzustülpen, haben die Entwickler es goldrichtig gemacht und sich absolut auf ihr Wunschspiel fokussiert. Bravo!
Fazit:
Kunitsu-Gami ist für mich ein echter Überraschungshit. Die Mischung aus Action-Slasher und Tower Defense funktioniert hervorragend und macht noch viel mehr Spaß, als die Beschreibung es vermuten lässt. Im Gamepass ist das Spiel ein Pflichttitel, aber ich wär auch gar nicht traurig gewesen, hätte ich für das Spiel gezahlt!
Kunitsu-Gami kaufen:
PlayStation Store [PlayStation 4/5]
Microsoft Store [Xbox One/Xbox Series S|X/PC]
Kunitsu-Gami: Path of the Goddess [PC]
Grafik / Art Style - 7.9
Story / Inszenierung - 6.8
Technik - 7.7
Umfang - 8.3
Spielspaß - 8.5
7.8
Kunitsu-Gami ist für mich ein echter Überraschungshit. Die Mischung aus Action-Slasher und Tower Defense funktioniert hervorragend und macht noch viel mehr Spaß, als die Beschreibung vermuten lässt. Im Gamepass ist das Spiel ein Pflichttitel, aber ich wär auch gar nicht traurig gewesen, hätte ich für das Spiel gezahlt!