Game Review: Pioneers of Pagonia für PC – Ein Hoffnungsschimmer für Siedler Fans

Wenn ich an wuselige Aufbaustrategie denke, wenn ich an unzählige Waren-Lieferketten denke, wenn ich an die größtmögliche Freiheit beim Aufbau einer florierenden Siedlung denke, muss ich unweigerlich an den Urvater der Aufbaustrategie denken. Die Siedler.

Als 1998 Die Siedler III erschien, prägte der Wusel-Klassiker bis heute meine Liebe zu Aufbau- und Städtebausimulationen wie kein anderer Titel. Obwohl ich damals als Kind kaum die tiefen Mechaniken eines Siedlers verstanden habe, so war ab dem Zeitpunkt dieses Genre tief in meinem Herzen verankert. Umso enttäuschter war ich mit jedem weiteren Siedler Teil und hatte eigentlich den Genrevater mit Siedler 7 und 8 längst abgeschrieben. Als dann plötzlich die Nachricht vom einstigen Schöpfer der Reihe, Volker Wertich, aufkam, dass er zusammen mit seinem Studio Envision Entertainment an einem geistigen Nachfolger der einst so erfolgreichen Siedler-Reihe arbeitet, tat sich Licht am Ende des Horizonts auf.

Mit Pioneers of Pagonia ist diese Hoffnung eines neuen „Siedler-Teils“ endlich da. Die Parallele zu den klassischen Siedler Spielen ist natürlich klar erkennbar, aber dennoch bringt Pioneers of Pagonia viele nette eigene Ideen mit. Eins vorweg, Pioneers of Pagonia ist mitnichten ein fertiges Spiel. Es befindet sich nach wie vor noch in einem frühen Status und ist seit Mitte Dezember 2023 als Early Access-Titel erhältlich . Dennoch kann man sich durch einige Karten durchspielen und auch ein Szenario mit einer gegnerischen KI ist spielbar. Ein Koop Modus wird noch nachgereicht.

Der Wuselfaktor

Eins muss ich direkt zu Beginn feststellen: Pioneers of Pagonia ist im Großen und Ganzen genau das, was ich mir als Fan von einem Siedler-Titel wünsche – und das ohne überhaupt der Reihe anzugehören. Am Start einer jeden Partie stehe ich an der Küste Pagonias und muss meine Pioniere losschicken, um eine Siedlung zu errichten, Land zu bestellen, Rohstoffe zu ergattern und meine Grenzen zu erweitern. Volker Wertich hat sich bei Pioneers von Pagonia auf die Stärken seines früheren Werkes konzentriert und diese weiter ausgebaut. So simpel das Spielprinzip im Grundkonzept auch sein mag, es kann im späteren Spielverlauf durchaus herausfordernd werden. Was mir nach einigen Stunden auch auffällt, Pioneers of Pagonia fühlt sich irgendwann an wie eine gemütliche Runde durch den Park spazieren. Es entschleunigt wunderbar, den kleinen Pionieren beim Wuseln und Bauen zuschauen – das ist einfach herrlich.

Unser Schiff ist der Mittelpunkt zu Beginn unserer Reise. Hier lagern alle wichtigen Startrohstoffe. © Envision Entertainment

Unser Schiff ist der Mittelpunkt zu Beginn unserer Reise. Hier lagern alle wichtigen Startrohstoffe. © Envision Entertainment

Die Liebe zum Detail

In Pagonia angekommen gilt es zunächst, eine klare Infrastruktur aufzubauen. Entsprechend anderen klassischen Genrevertretern, starte ich mit einem Holzfäller, einem Forsthaus und einem Sägewerk. Alles muss noch flott mit ein paar Straßen verbunden werden. Ist dies geschafft, wuseln meine Pioniere, mit den notwendigen Baumaterialien bepackt vom Schiff und errichten meine ersten Gebäude. Dabei spielt der Detailgrad, wie man es auch schon von den älteren Siedler-Teilen kennt, eine große Rolle. Der Holzfäller geht in den nächsten Wald und fällt die Bäume, diese werden ins nächste Sägewerk gebracht, wo diese zu Brettern weiterverarbeitet werden und der Förster sorgt für Nachschub, indem er Setzlinge verpflanzt. Jeder Bewohner trägt den gewünschten Rohstoff tatsächlich mit sich herum. Zwar immer nur genau einen, was gerade später zu unnötig langen Wartezeiten führen kann, aber es ist einfach richtig schön den kleinen Menschen dabei zuzuschauen, wie sie die Rohstoffe vom Schiff oder aus dem Lager hin zum Zielort transportieren.

Doch das ist nicht alles – selbst die kleinsten Handlungen wurden liebevoll mit Animationen versehen. Man kann den kleinen Pionieren dabei zusehen, wie sie Brot backen, Waffen herstellen und eine Vielzahl anderer Aktivitäten unternehmen. Gerade diese liebevolle Gestaltung hebt Pioneers of Pagonia von anderen Aufbau-Simulationen ab und verleiht ihr einen besonderen Charme.

Das war jedoch nur ein kleiner Einblick in die umfangreichen Produktionsschritte, die mit etwa 50 verschiedenen Gebäudetypen einhergehen. Diese reichen von militärischen Anlagen über Bergbauanlagen bis hin zur Lebensmittelproduktion mit Jägern, Bauernhöfen, Mühlen und anderen Gebäuden.

Liebevoll animiert, wuseln unseren kleinen Siedler tatsächlich mit den jeweiligen Rohstoffen umher. © Envision Entertainment

Liebevoll animiert, wuseln unseren kleinen Siedler tatsächlich mit den jeweiligen Rohstoffen umher. © Envision Entertainment

Interessant ist, dass Pioneers of Pagonia zwar ein relativ einfaches Grundkonzept hat, aber es doch einige Zeit braucht, bis man alle Produktionsprozesse versteht und automatisch handhabt, um eine effiziente Siedlung zu errichten. Wenn man beispielsweise einen Förster baut, jedoch versäumt, einen Brunnen in der Nähe zu errichten, kann der Förster seine Bäume nicht bewässern, was dazu geführt hat, das ich irgendwann kein Holz mehr hatte, da mein Förster seiner Arbeit nicht nachgehen konnte. Erschwerend hinzu kommt das fehlende Tutorial. Ich bekomme zwar immer ein paar Aufgaben, die mich langsam an das Spielprinzip heranführen, aber ein richtiges Tutorial fehlt gänzlich. Das wird sicherlich in der fertigen Version dann mitgeliefert.

Nach und nach entsteht so eine, im besten Fall, florierende Wirtschaft und ich breite mich über große Teile der Insel aus.

Die Werkzeugschmiede ist ein wundervolles Beispiel für die komplexen Arbeitsschritte © Envision Entertainment

Die Werkzeugschmiede ist ein wundervolles Beispiel für die komplexen Arbeitsschritte © Envision Entertainment

Weil’s auch kompliziert geht…

Wie bereits erwähnt, werden die Produktionsabläufe immer komplexer und teils auch etwas unübersichtlich. Eventuell hätte man hier auch ein paar Abläufe vereinfachen können.

Hier ein Beispiel anhand einer exemplarischen Forstwirtschaft.

Der Förster bewaldet die Gegend wieder, die zuvor durch meine Holzfäller leergeräumt wurde. Ich baue also einen Förster und bekomme plötzlich die Nachricht, dass es an Arbeitskraft mangelt, dabei habe ich genug Bewohner. Ich benötige jetzt aber ein Gildenhaus, das für mich Förster ausbildet, die dann wiederum in der Forstwirtschaft für mich arbeiten können. Also baue ich ein Gildenhaus nur, um dann festzustellen, dass für die Ausbildung eines Försters, Schaufeln benötigt werden. Woher bekomme ich jetzt eine Schaufel? Na klar, von der Werkzeugschmiede. Nachdem die dann gebaut ist, muss ich mich um die Rohstoffe für eine Schaufel kümmern. Meine Entdecker haben zum Glück bereits ein Eisenvorkommen ganz in der Nähe ausfindig gemacht, sodass ich dort eine Mine platzieren kann. Meine Werkzeugschmiede braucht aber auch Kohle, um zu arbeiten. Also schicke ich meine Entdecker los, um nach Kohle zu suchen. Ist auch diese gefunden, wird auch dort flott eine Mine gebaut. Derweil schaue ich zu, wie die ersten Minenarbeiter Eisen ins Lager bringen. Mein Schmied läuft dann ebenfalls los und besorgt sich Eisen und Kohle aus dem Lager. Dann kann die Produktion der Schaufeln endlich starten. Ist diese abgeschlossen, holen sich meine Gildemeister die Schaufeln und beginnen mit der Ausbildung der Förster.

Ich hoffe, anhand dieser „kleinen“ Produktionskette kann ich euch gut veranschaulichen, wie komplex und ja auch zum Teil kompliziert die Herstellung bestimmter Rohstoffe sein kann. Ich möchte aber ganz klar betonen, dass dies dem Spielspaß keinen Abbruch tut.

Das Militär

Militär spielte zu Anfangs nie eine große Rolle bei den Siedler-Teilen. In Pioneers of Pagonia dagegen spielt das Militär sehr wohl eine wichtige Rolle. Einerseits können wir unsere Wachen und Soldaten entsenden, um mit Grenzsteinen unser Gebiet auszubauen. Ausgerüstet mit diesen Grenzsteinen machen sie sich auf den Weg und erweitern unsere Grenzen, indem sie die Steine am Rand unseres Territoriums in den Boden klopfen.

Andererseits dient unser Militär hauptsächlich dem Schutz unseres Volkes. Denn in der Spielwelt lauern nicht nur feindliche Völker, sondern auch andere Gefahren. Dazu gehören Diebe und Banditen, aber auch fiese Geister und sogar Werwölfe. Jede dieser Einheiten stellt ganz unterschiedliche Herausforderungen dar.

Die Diebe schleichen sich heimlich und getarnt in unser Dorf, um Ressourcen zu stehlen, während Banditen weniger subtil vorgehen. Sie rauben nicht nur Materialien, sondern verbreiten auch Angst und Schrecken unter unserer Bevölkerung, was unsere Produktionsketten unterbricht. Geister lassen unsere Pioniere ihre Ausrüstung verlieren, während Werwölfe unsere Dorfbewohner beißen und sie selbst zu Werwölfen werden lassen.

Grafisch detailverliebt, aber ausbaufähig

Obwohl sich Pioneers of Pagonia spielerisch als auch inhaltlich bereits äußerst ausgereift präsentiert, und während meines Testes auch keinerlei nennenswerte Bugs oder Abstürze aufgetreten sind, ist die Grafik bisher eher mittelmäßig. Das Spiel hat einen enorm hohen Detailgrad und es ist, wie gesagt, wirklich toll seiner Siedlung beim Wachsen zuzusehen, allerdings ist die Grafik noch ausbaufähig. Teils verwaschene Texturen, ein Meer, das eher an den Plastiktüten Ozean der Augsburger Puppenkiste erinnert und der etwas sehr einfache Comiclook trüben die gesamte Atmosphäre des Spiels dann doch ein wenig.

Fazit: Mehr Siedler als je zuvor

Volker Wertich, der Schöpfer der beliebten Siedler-Reihe, beweist mit Pioneers of Pagonia, dass das bewährte Konzept aus den 90er-Jahren auch heute noch bestens funktioniert. Sein Studio Envision Entertainment liefert sowohl langjährigen Fans als auch neuen Spielern einen Titel, der insgesamt rundum gelungen ist und sich sogar stärker nach den alten „Die Siedler“-Spielen anfühlt als die letzten Ableger der Reihe. Der Titel punktet mit einer gelungenen Kombination aus anfangs einfachen, aber durchdachten Produktionsabläufen, einer liebevoll gestalteten Präsentation und einem herrlich belebten Spielgeschehen.

Besonders erwähnenswert ist die entschleunigende Natur von Pioneers of Pagonia, die zu keinem Zeitpunkt Langeweile aufkommen lässt. Ich kann ganz klar sagen, Fans und Liebhaber des Genres werden mit Pioneers of Pagonia glücklich werden.

Update zum neue Co-Op Modus

Jetzt gab es das nächste große Update und Pioneers of Pagonia wurde ein ein Co-Op-Modus spendiert.

Um ein Co-Op Spiel zu starten, reicht es einfach einen Freund einzuladen! © Envision Entertainment

Um ein neues Co-Op Spiel zu starten, reicht es einfach ein neues Spiel zu beginnen (oder auch ein bestehendes auszuwählen) und dort im Menü auf „Zum Co-Op Spiel einladen“ zu klicken. Das hab ich in anderen Genrevertretern schon komplizierter erlebt.

Dann kann es auch schon losgehen und tatsächlich bauen wir hier einfach gemeinsam mit einem Freund an einer Siedlung. Wir haben beide dieselben Rechte und können uns austoben. Sinnvoll ist hier sicherlich eine gute Absprache. Wer übernimmt welche Aufgaben? Wer kümmert sich um welchen Prozess? Auf der Minimap sehen wir dabei immer die Kamerawinkel aller Spieler. Das heißt, ich kann jederzeit nachvollziehen, wohin mein Spielkollege schaut und auch, was er gerade tut. Großes Lob an dieser Stelle an die Entwickler!

Der Co-Op Modus ist wirklich gelungen. So macht Pioneers of Pagonia gleich doppelt soviel Spaß!

Pioneers of Pagonia kaufen:

Early Access Version bei Steam (PC) 

Pioneers of Pagonia [PC]

Grafik - 5.9
Technik - 8.5
Umfang - 9.5
Herrausforderung - 8.5
Spielspaß - 9

8.3

Pioneers of Pagonia besinnt sich auf die Stärken der alten Siedler-Spiele. Der Titel punktet mit einer gelungenen Kombination aus anfangs einfachen, aber durchdachten Produktionsabläufen, einer liebevoll gestalteten Präsentation und einem herrlich belebten Spielgeschehen. Empfehlenswert!

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