Game Review: Apollo Justice: Ace Attorney Trilogy für PlayStation 4 – Polierte Frischzellenkur im Gerichtssaal

CAPCOMs Ace Attorney-Reihe ist einzigartig: Die ursprünglich auf dem Game Boy Advance gestartete Visual Novel-Reihe versetzte uns in die Rolle eines Strafverteidigers im japanischen Justizsystem. Der Gameloop aus episodischer Erzählstruktur, detaillierten Ermittlungsarbeiten, in denen wir Beweismittel sichern und Zeugen befragen und den Sequenzen im Gerichtssaal, in welchem wir Angeklagte und Zeugen im Kreuzverhör in die Mangel nehmen und versuchen Widersprüche in Aussagen zu entdecken, war bis dato relativ einzigartig. Doch erst vier Jahre später auf dem Nintendo DS erzielte die Reihe so richtig ihren Durchbruch. Das zweite Touchdisplay und die einzigartige Nutzung des Mikros waren ideal für ein Spiel dieser Art. Die drei GBA-Titel wurden demnach nochmal in angepasster Form auf dem NDS wiederveröffentlicht. Ace Attorney begründete zudem eine ganze Reihe ähnlich gelagerter Titel auf dem NDS, die auf dieselbe vertraute Formel setzen.

In den Episoden können nun auch konkrete Stellen direkt angewählt werden © CAPCOM

In den Episoden können nun auch konkrete Stellen direkt angewählt werden © CAPCOM

Bereits 2019 veröffentlichte CAPCOM mit Phoenix Wright: Ace Attorney Trilogy eine erste Compilation für PS4, Xbox One, Switch, PC und Mobile Devices – Die Zusammenstellung beinhaltete das Debüt Phoenix Wright: Ace Attorney, Phoenix Wright: Ace Attorney – Justice for All sowie Phoenix Wright: Ace Attorney – Trials and Tribulations. Die in 3 Spielen angelegte Geschichte um den namensgebenden Phoenix Wright und seine Verwicklungen mit wiederkehrenden Figuren wie Staatsanwalt Miles Edgeworth, seiner Mentorin Maya Fey und ihrer jüngeren Schwester und diversen weiteren Figuren funktionierte auf dem großen Bildschirm immer noch hervorragend. Das Writing konnte auch fast zwei Dekaden später immer noch mit der irrwitzigen Melange aus Klamauk, Mystery und seriösem Drama überzeugen. Auch das Rätseldesign funktionierte weiterhin, gerade wenn man die alten Spiele nicht mehr auf dem Schirm hatte. Es gab aber durchaus Anlass zu Kritik: Der hochskalierte, neugezeichnete HD-Look wirkte im Vergleich zu den charmant-pixeligen NDS-Grafiken ziemlich steril, teilweise waren relevante Objekte nicht ausreichend erkennbar. Zudem war immer eine leichte Verzögerung bei der Eingabe vernehmbar, die bei der NDS-Version nicht bemerkbar war. Obschon es schön war, dass die drei Titel in einer Zusammenstellung auf der Couch zockbar waren, fühlte sich die erste Trilogie nicht zwangsläufig nach der definitiven Edition an.

Visuell und animationstechnisch macht die neue Trilogie eine gute Figur

Nun ist kürzlich Ende Januar die zweite Trilogie veröffentlicht worden, die den jungen Protegé Apollo Justice ins Zentrum rückt. Ace Attorney: Apollo Justice Trilogy umfasst abermals drei Titel – Den Nintendo DS-Titel Apollo Justice: Ace Attorney, sowie die 3DS-Nachfolger Dual Destinies und Spirit of Justice. Zuzüglich beinhaltet die Sammlung aber auch noch die DLCs zu den jeweiligen Spielen, optionale Kostüme sowie eine umfangreiche Sammlung an Bonus-Material in Form von Konzeptzeichnungen, Skizzen, Animationen (Animationsstudio) und arrangierbaren Stücken aus dem Soundtrack (Orchestersaal). Das Besondere: Für die Neuauflage hat CAPCOM die potente RE Engine als Unterbau verwendet, die hier erstmalig für ein grafisches Adventure genutzt worden ist und laut den Entwicklern durchaus schwierig zu meistern war. Meiner Meinung hat aber gerade das ordentlich viel gebracht: Die visuelle Adaption vom kleinen auf den großen Bildschirm ist super geglückt. Die 3DS-Titel sahen optisch ja ohnehin opulenter aus, aber auch der erste Teil ist deutlich schöner vom klassischen DS auf die heimische PS5 angepasst worden. Die Sprites wirken nicht einfach nur hochskaliert, sondern detailverliebter und farbintensiver als früher. Die grundsätzlichen Modelle sind immer noch identisch designt wie in den Ur-Fassungen, viele Animationen wirken jetzt aber eine Ecke feiner und nuancierter. Die 1080p Auflösung und die butterweichen 60 FPS tun dem cartoonigen Treiben merklich gut. Hier hat CAPCOM also wunderbare Arbeit geleistet.

Zum umfangreichen Bonus Content gehört u.a. der Orchestersaal, in dem wir uns nochmal den Soundtrack zu Gemüte führen können © CAPCOM

Zum umfangreichen Bonus Content gehört u.a. der Orchestersaal, in dem wir uns nochmal den Soundtrack zu Gemüte führen können © CAPCOM

Diverse Quality of Life-Features und technische Performance verbessern das Spielgefühl

Die kleinen Framerate-Einbrüche der Vorgänger-Trilogie und eben die besagten, kleinen Verzögerungen nach jeder Eingabe wurden bei der Apollo Justice Trilogy ad acta gelegt. Es scheint, als sei die RE Engine trotz fordernder Entwicklung die dankbarere Engine. Die neue  Trilogie läuft technisch demnach absolut reibungslos. Zudem gibt es eine Reihe an Verbesserungen und Features, die ebenfalls für ein smootheres Spielgefühl sorgen: CAPCOM hat etwa den Story- und Autoplay-Modus eingeführt – Wer tatsächlich nur die Geschichte der drei Spiele erleben will, das eigentliche Rätselraten aber eher verschmäht, für den löst das Spiel in diesen Modi die Gerichtsprozesse. Klingt zwar ein wenig absurd, weil es das Kernelement des Spiels ist, macht aber im Zweifel zähe Guides unnötig. Ähnliches gab es wohl bereits bei der Spin-Off Compilation The Great Ace Attorney Chronicles, welche ich allerdings nicht selbst gespielt habe. Die Light-Version davon dürften die Hinweis-Funktionen sein, die uns auf bestimmte Objekte- oder Dialogoptionen hinweisen.

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Der Backlog wurde erst mit den 3DS-Titeln eingeführt, ist nun aber auch in Apollo Justice: Ace Attorney verfügbar © CAPCOM

Ein EXTREM willkommenes neues Feature ist der einblendbare Dialogverlauf – So können wir uns nochmal anschauen, was gesagt worden ist, wichtige Details sind hierbei farblich markiert. Zudem können wir nun auch mittels Episoden- und Kapitelanwahl an bestimmte Punkte eines Falles skippen. Das zwingende Erreichen eines Punktes, an dem man speichern kann, wurde jetzt zugunsten des Komforts also gestrichen.

Auch beim UI überlässt CAPCOM Spieler*innen nunmehr die Wahl: Man kann nun Hintergründe komplett anzeigen lassen, indem man Textboxen und UI vollständig ausblendet. Beim Komfort hat CAPCOM also keine Mühen gescheut.

Die Spiele im Einzelnen

Ich habe Dual Destinies und Spirit of Justice tatsächlich nie so richtig gespielt, letzterer dürfte sogar Digital Only im späten 3DS Zyklus gewesen sein – Apollo Justice: Ace Attorney hingegen war ursprünglich mein Einstieg ins Franchise. Ich glaube, vielen Spieler*innen dürfte es ähnlich gehen. Allein dadurch hat diese Trilogie ganz konkreten Mehrwert, denn mit dem Ende des 3DS-eshops war etwa Spirit of Justice schlicht nicht mehr verfügbar.

Ace Attorney: Apollo Justice – Gelungener Soft Reboot, der zu sehr auf Nummer sicher geht

Man muss nicht zwingend die erste Trilogie gespielt haben, um Spaß mit den Spielen zu haben. Der erste Teil, Ace Attorney: Apollo Justice, spielt zwar sieben Jahre nach Trials and Tribulations, in Form des neuen und jugendlich-ungestümen Hauptcharakters Apollo Justice markierte dieser Teil aber auch eine Zäsur, ein Soft Reboot des Franchises. Es gibt viele Cameos und Aha-Momente, wenn man die Vorgänger gespielt hat. So verteidigen wir auch just in ersten Episode von Apollo Justice einen prominenten, alten Bekannten, der aber ganz und gar nicht an sein früheres Ich erinnert. Der Einstieg in die Trilogie ist eigentlich eine solide Nummer: Ace Attorney 4 schlägt eine schöne Brücke zu den Vorgängern, geht erzählerisch aber zu sehr auf Nummer sicher. Denn obwohl man mit Apollo Justice einen nahbaren, sympathischen neuen Hauptcharakter kreiert hat, stiehlt ihm der alte Phoenix Wright im Laufe der Handlung zu oft die Show. Wrights Adoptivtochter Trucy, die fortan als Justice‘ Assistentin fungiert, ist ein liebenswerter Sidekick und auch Apollo Justice hat eine „übernatürliche“ Fähigkeit, die Wahrnehmung, mit der er Lügen gezielter auseinandernehmen kann.

Der Gameloop bleibt derselbe: Ermittlungen durchführen, Widersprüche im Gerichtssaal aufdecken. Wem das zu rätsellastig ist, der kann auf Autoplay und Storymodus zugreifen © CAPCOM

Der Gameloop bleibt derselbe: Ermittlungen durchführen, Widersprüche im Gerichtssaal aufdecken. Wem das zu rätsellastig ist, der kann auf Autoplay und Storymodus zugreifen © CAPCOM

Dual Destinies als schwächstes Glied

Der Mittelteil der Trilogie, Dual Destinies, ist leider der Schwachpunkt der gesamten Serie: Die 3D gerenderten Modelle sehen im Remaster vergleichsweise okay aus, reichen aber beileibe nicht an den Charme der handgezeichneten Sprites aus, weil sie hier noch reichlich hüftsteif wirken, das bessert sich erst beim Nachfolger.

Die Story vertieft zwar einerseits die Bindungen des bestehenden Figurenensembles, führt mit Athena Cykes zudem eine spielbare weibliche Anwältin ein, die Story wirkt aber irgendwie „hanebüchner“ und edgier als in den Vorgängern und Fortsetzungen. Abermals traut man Apollo Justice nicht zu, aus dem Schatten von Phoenix Wright zu springen. Ein Grund dafür könnte sein, dass Shu Takumi, Schöpfer der Serie, hier erstmalig abstinent war und man sich narrativ neu orientieren musste. Mit Athena Cykes kommt zudem eine neue Mechanik ins Spiel: Die Psychoanalytikerin kann auf die sogenannte Mood Matrix zugreifen, ein Widget, dass sie um den Hals trägt, das wiederum an einen KI-Computer gekoppelt ist und Emotionen farblich erfassen kann. An sich coole Idee, fehlt es ihr aber ein bisschen an Substanz, um nachhaltig genug zu wirken. Dual Destinies ist beileibe kein schlechtes Spiel, es ist weitgehend solide und macht trotzdem Spaß, es wirkt im Zusammenhang mit der Serie aber eben ein wenig orientierungslos.

Spirit of Justice wird intensiv

Was bei Dual Destinies nicht so richtig klappen will, gelingt Spirit of Justice umso eindrucksvoller: Erzählerisch ist Spirit of Justice nämlich eine wahnsinnig intensive Geschichte. Man merkt am Writing, dass Shu Takumi abermals nicht involviert war, die Geschichte ist aber spannend und führt uns in gänzlich neue Gefilde: Denn das Justizsystem der Insel Kurha’in macht es unseren beiden Protagonisten nicht gerade leicht. Die Episoden wechseln zwischen Wright und Justice – Neue Verhörmethoden, etwa die Séance-Mechanik, mit der wir die letzten Momente der Verbliebenen nachverfolgen können, wirken im Serienkontext einzigartig und innovativ.

Wir haben also summa summarum drei Spiele, die sehr gut bis solide-mittelmäßig ausfallen, die aber die DNA der Apollo Justice-Trilogie im bestmöglichen Format auf den großen Bildschirm hieven. CAPCOM hat hier richtig, richtig gute Arbeit geleistet. Gerade gegenüber dem Vorgänger wurde an allen Ecken gefeilt, sodass man, zusammen mit dem Bonus Content, richtig was fürs Geld bekommt.

Fazit:

Die Apollo Justice: Ace Attorney Trilogy zeigt, wie Heimkonsolen-Umsetzungen von Handheld-Games anno 2024 aussehen können. Gerade im direkten Vergleich mit der Phoenix Wright Trilogy von 2019 hat CAPCOM hier ein wesentlich schöneres Paket geschnürt: Die optische Frischzellenkur ist unglaublich gut gelungen, das umfangreiche Bonus-Material macht Spaß und die drei Titel der Reihe sind sehr gut bis solide, bringen aber gerade durch die damalige Release-Politik sehr konkrete Mehrwerte mit. Auch technisch und performancetechnisch wirkt die neue Trilogie bisschen responsiver als der Vorgänger. Die RE Engine scheint also eine gute Wahl gewesen zu sein. Für alle, die einen Blick auf die klamaukig-überdrehte Gerichts-Visual Novel werfen wollen, spreche ich eine weitgehend uneingeschränkte Empfehlung aus. Ich würde mich freuen, wenn auch die restlichen Titel („The Great Ace Attorney Chronicles“ und das bisher unlokalisierte „Ace Attorney Investigations 2“) noch auf die Heimkonsolen kämen. Gerne darf die Ace Attorney-Reihe aber auch regulär weitergeführt werden.

Apollo Justice: Ace Attorney kaufen: 

PlayStation Store [PlayStation 4]

Xbox Store [Xbox One/Xbox Series S|X]

Nintendo eshop [Nintendo Switch]

Steam [PC]

 

Apollo Justice: Ace Attorney Trilogy [PlayStation 5]

Grafik - 7.7
Story - 8.1
Technik - 9
Umfang - 8.5
Spielspass - 7.9

8.2

Hervorragend modernisierte Heimkonsolen-Umsetzung. Visuell schön vom Handheld übertragen, technisch einwandfrei und mit viel Bonus-Content. CAPCOM zeigt, wie ein Remaster ausschauen kann. In allen Bereichen besser als die Phoenix Wright-Trilogie.

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