Game Review: Banishers – Ghosts of New Eden für Xbox Series S|X – Mit dem Witcher nach Nordamerika

Normalerweise wird ja jedes funktionierende Spielkonzept geklaut und ausgesaugt, bis keiner mehr Bock drauf hat. Komischerweise war das polnische Meisterwerk Witcher 3 bisher weitgehend verschont geblieben, doch mit Banishers – Ghosts of New Eden tritt nun der erste glaubwürdige Vertreter des von mir neu erfundenen Genres des Witcherlikes aufs Parkett. Ob wir es hier mit einer geistreichen Alternative oder einem gruseligen Trittbrettfahrer zu tun haben, erfahrt ihr in unserer Rezension!

♫In der Geisterdetektei gibt’s so manche Spukerei♫

Antea Duarte ist ein Banisher, eine Art übernatürlicher Detektiv, der sich mit übernatürlichen Phänomenen auseinandersetzt und diese dann in der Folge auch austreibt. Bei der Geisterjagd nutzen Banisher ihr okkultes Wissen und sorgen mit einer Mischung aus klassischer Spürnase und magischen Ritualen dafür, dass böse Geister wieder dorthin zurückkehren, wo sie hingehören. Und weil es davon jede Menge gibt und die Arbeit saugefährlich ist, wird sie von ihrem Lehrling Red Mac Raith begleitet. Der Lehrling ist dabei kein unbescholtener Jüngling, stattdessen hat er eine scheinbar ziemlich traumatische Vergangenheit als schottischer Soldat im Krieg gegen die Engländer und wird durch seine sympathische Art nicht nur ein Partner im Umgang mit dem Okkulten, sondern auch nach dem Prolog zum Spielercharakter, sobald das Duo einer Einladung in das noch ziemlich unerschlossene Nordamerika folgt, um einem gemeinsamen Freund bei einem Fall zu helfen. Dieser Fall stellt sich dabei als größter (oder in Anteas Fall) letzter Fall der beiden Banisher heraus, denn das Liebespaar verliert nicht nur den Kampf gegen eine besondere Form von Spuk, sondern im Fall der erfahreneren Okkultistin auch ihr Leben. Red erhält die einmalige Chance die Liebe seines Lebens nicht zu verlieren, sollte er bereit sein, den Preis dafür zu zahlen und in Kauf zu nehmen, dass auch völlig Unschuldige unter seinen Entscheidungen getötet und möglicherweise aus dem Leben nach dem Tod verbannt werden.  Anteas Tod und der darauf folgende Untod werden somit zum Dreh- und Angelpunkt aller moralischer Entscheidungen, die von den Spielenden getroffen werden und ohne zu viel vorwegzunehmen: Das gelingt den Entwicklern hervorragend und so wird der Geisterjäger mehr oder weniger freiwillig selbst besessen und forscht nun mit der Unterstützung des Geistes seiner toten Partnerin nach Möglichkeiten, ihren Tod zu rächen.

@ Dontnod  @ Astragon Die Artworks in den Ladebildschirmen sind echte Meisterwerke!

Geistreich! – Handlung und Charaktere

Ich bleibe bei der Beschreibung der eigentlichen Handlung absichtlich vage, denn sobald man in die Spielwelt abtaucht, bemerkt man ziemlich schnell die Handschrift von Dontnod Entertainment, den Entwicklern der Life is Strange-Reihe und wenn die etwas können, dann ist das Storytelling und so ist es auch nach kurzer Zeit klar, dass es sich hier gar nicht um einen Abklatsch von The Witcher handelt, auch wenn es gewisse Parallelen gibt – aber dazu später mehr…

In der Welt von Banishers ist ziemlich viel wie bei uns, aber halt nicht alles. Red und Antea sind Banishers, im weitesten Sinne Witcher mit Fachgebiet Geisterjagd. Da die Arbeit mit Untoten ziemlich offensichtlich ein gefährlicher Job ist, werden angehende Banisher von einem Mentor angelernt, welcher den jeweils Neuen passende Ausrüstung und Rituale näher bringt, so dass diese sich, ausgestattet mit allerlei Ringen und Tattoos, um die Sorgen der Bevölkerung kümmern können. Viel mehr geht das Spiel auf die Institution noch nicht ein, zumindest nicht sehr offensichtlich – es ist aber sofort jedem klar, dass man es hier mit Profis zu tun hat. Und das findet man als Ottonormalo eigentlich auch völlig in Ordnung, zumal die Kirche einem nicht immer helfen kann. Die gibt es nämlich in der Welt von Banishers auch und, ebenso wie bei uns, stellen die religiösen Hardliner eine der Hauptfraktionen, die sich für eine Besiedlung des neu entdeckten, amerikanischen Kontinents, vor allem das heutige New England, einsetzt. Der Einladung folgte ein Freund der Spielercharaktere und so gibt es auch gleich einen passenden Aufhänger dafür, wieso man sich überhaupt in die Neue Welt aufmacht. Und dort trifft man auch ziemlich bald auf einen außergewöhnlichen Geist, der schnell zum Antagonisten für Red wird.

@ Astragon @ Dontnod Entertainment Man wird zwar nicht wirklich von den Gegnern überrascht, aber die Eingangsanimationen können sich sehen lassen!

@ Astragon @ Dontnod Entertainment Man wird zwar nicht wirklich von den Gegnern überrascht, aber die Eingangsanimationen können sich sehen lassen!

Gut geklaut ist besser als schlecht selbst gemacht – Spielmechanik

Dontnod Entertainment  haben definitiv gerne Witcher 3 gespielt, denn der Gameplayloop ist tatsächlich ziemlich ähnlich. Praktisch, ist ja eines meiner Lieblingsspiele. Also mischt man eifrig Detektivarbeit mit Kämpfen und hat so in der Theorie ein hervorragendes Spiel. In der Praxis geht das Rezept eigentlich auch auf. In der Regel trifft man mit seinem Ein-Mann-Duo in jedem neuen Bereich auf Anzeichen für Spuck und beginnt dann auch direkt mit Spielsäule 1: Detektivarbeit. Das funktioniert dann wie in einem Adventurespiel, wie auch der Life is Strange Reihe, indem man sich die Spürnasenstiefel zuschnürt und den verschiedenen Spuren nachrennt. Dabei ist man nicht nur auf Reds scharfe Augen angewiesen, sondern kann auch mit Anteas Geistersicht zusätzliche Spuren entdecken. Hat man alle Hinweise gefunden, läuft man in der Regel potentielle Verdächtige ab und verhört sie. Dabei kann man sich meistens zurücklehnen und die hervorragende Synchronisation genießen. Zumindest in der Originalsprache, ich habe nicht geprüft, ob es überhaupt eine deutsche Version gibt. Hat man den Fall gelöst, dann muss man meistens auch eine Entscheidung treffen und muss Schuldige benennen und entscheiden, ob Täter bestraft werden oder ob es nicht vielleicht doch sinnvoller wäre, jemand Unschuldigen als Sündenbock zweckzuentfremden. Das klingt erstmal eigenartig, macht in der Spielwelt aber tatsächlich auch Sinn und wirkt potentiell auch auf das Ende aus! Die Entscheidungsfreiheit ist an dieser Stelle aber häufig auch eine Fassade. Zwar unterhalten sich die beiden Protagonisten beim Finden der Hinweise fast durchgehend und es macht auch Spaß ihnen bei der Arbeit zuzusehen, aber eigentlich läuft man als Spielender auch nur die Trigger ab, denn Hinweise übersehen oder versehentlich falsche Anschuldigen sind in der Spielmechanik nicht vorgesehen. Hält man die Reihenfolge nicht ein, wird die Quest auch nicht weitergetriggert. Anfangs stört das überhaupt nicht, Banishers ist aber auch deutlich länger, als ich erwartet habe und ehrlich gesagt auch länger, als dem Spiel guttut, denn so entstehen um die eigentlichen Highlight doch plötzlich Längen.

Das wiegt umso schwerer, wenn es an die zweite Säule im Gameplayloop geht: Den Kampf. Auf dem Papier liest sich das ganze ziemlich gut, denn es gibt alles, was man im Handbuch für moderne Überdieschulter-Action-Adventure vermutet: Red hat schwere und leichte Angriffe, die er beliebig kombinieren kann, er kann aber auch blocken und zur Seite rollen und ganz theoretisch gibt es sogar eine Paradefunktion, später auch noch ein Gewehr. Doch damit nicht genug, denn Antea kann nahtlos die Rolle des Kämpfenden übernehmen und boxt auch noch auf verschiedene Arten mit, bis sie später weitere Fähigkeiten freischaltet und zum stärkeren Part werden kann. Denn natürlich gibt es auch ein extrem rudimentäres Levelsystem, bei dem man sich für neue Spielereien entscheiden kann, die sich aber spielerisch kaum auswirken. Womit wir auch schon mitten im Thema sind, denn die Kämpfe… sind lame. Anfangs überzeugt die Gruselstimmung noch, Gegner kommen aus den Wänden und mittels seines Banisher-Rings kann Red sie auch eindrucksvoll wieder ins Jenseits zurückkloppen. Aber die Luft ist halt nach drei Gegnern raus. Das liegt zum einen am fehlenden Trefferfeedback, denn man haut auf den Gegnern rum, aber ob man jetzt tatsächlich getroffen hat oder nicht, sieht man eigentlich nur am Lebensbalken. Das ist bei den einfachen Geistern bestimmt irgendwie über das Worldbuilding zu erklären, durch Geister haut man scheinbar einfach durch, aber das gilt halt auch für die Gegner mit Körpern und dann wirkt es eben auch bei den einfachen Gegnern schwach. Das wird auch dadurch verstärkt, dass es wirklich kaum unterschiedliche Gegner gibt; der Geisterjäger jagt Geister und sonst fast nix. Dadurch, dass fast ausnahmslos jeder Gegner ein absoluter Damagesponge ist, auf dem man dutzende Hiebe abgeben muss, wird das Kampfsystem dann vollends gebremst. Die Fights sind mechanisch überhaupt nicht fordernd, dafür aber viel zu lang. Ich habe mich immer wieder dabei ertappt, wie ich bei den langen Backtracking-Wegen gehofft habe, bloß nicht auf Gegner zu stoßen, denn hat man die Kampfsequenz einmal ausgelöst, gibt es keinen Weg sich wieder aus dem Kampf zu lösen.

@ Astragon @ Dontnod Entertainment Bossdesigns in Banishers können sich sehen lassen und bringen die nötige Abwechslung ins etwas dröge Gegnerdesign!

@ Astragon @ Dontnod Entertainment Bossdesigns in Banishers können sich sehen lassen und bringen die nötige Abwechslung ins etwas dröge Gegnerdesign!

New Eden – Himmel auf Erden? – Grafik und Design

Das Abenteuer der beiden Geisterjäger überrascht grafisch direkt positiv, denn für ein Spiel, das es zum Budgetpreis von rund 50€ gibt, kommt Banishers ziemlich schick daher. Zumindest auf den ersten Blick, denn speziell die Designs der Charaktere und der Umgebung wirken in ihrem an die Realität des 17. Jahrhunderts angelehnten Fantasystil ziemlich überzeugend. Allen voran, die total überzeugenden Hauptcharaktere, die mit markanten Eigenarten, wie Anteas Narben oder den Tattoos und Ringen der beiden, total plastisch wirken  und die beiden Protagonisten glaubwürdig und überzeugend machen. Ebenso lädt die Umgebung zum Forschen ein, denn die kleinen Dörfer des aufkeimenden amerikanischen Kontinents bilden wunderbare Kulissen voller Geheimnisse. Ebenso sind die Gegner auf den ersten Blick angenehm schaurig, die schemenhaften Geister sind kaum erkennbar und spawnen gelegentlich sogar mit einer ziemlich coolen Animation, bei der sie direkt aus Wänden heraussteigen. Manche der Vorschusslorbeeren verlieren im Laufe des Spiels allerdings reichlich an Geschmack, aber nie sieht Banishers schlecht aus.

Das Hauptproblem liegt aber weniger am Design an sich, als an der eigentlichen Umsetzung. Menschen sehen alle authentisch und einzigartig aus, dasselbe lässt sich leider nicht über die Gegner sagen, denn es gibt nicht mal ein halbes Dutzend an unterschiedlichen Gegnerarten und so hat man nach gut drei Stunden auch schon alles gesehen, was die Geisterwelt so für einen bereithält. Ganz selten ist einer der Geister dann vielleicht sogar mal in einer anderen Farbe am Start, mechanisch macht er aber nichts anders. Das gilt aber ausdrücklich nicht für die Bossfights, die zwar sehr selten sind, aber dafür immer mit eigenen Designs und Animationen daherkommen.

Ähnlich zweischneidig sind auch die Umgebungen. Die verschiedenen Biotope sehen unterschiedlich aus und die kleinen Dörfer sehen auch aus, als würde dort wirklich jemand leben. Egal ob im Wald, in Höhlen, Dörfern oder vergessenen Minen, es gibt viel zu entdecken. Hier entpuppt sich aber auch einiges schnell als Fassade, denn es gibt zwar vom Spiel aus den Ansporn, Ressourcen zu sammeln, allerdings sind in den Kisten eigentlich nur Sammelgegenstände ohne echte Funktion, so dass das Öffnen irgendwann zur reinen Fleißarbeit wird. Dabei läuft man immer zu Fuß und das auch über wirklich weite Distanzen und das leider auch häufig hin- und her. Backtracking ist ein großes Problem in  Banishers, dass umso nerviger wird, je häufiger man mal wieder nicht über Hindernisse hinwegsteigen kann, die eigentlich so aussehen, als würd das gehen. Die eigentlich feinen Animationen, um sich etwa ähnlich wie bei God of War, durch enge Hindernisse durchzudrücken oder Mauern zu erklimmen, werden irgendwann ganz schön langatmig, da sie einfach nur kopiert werden. Ich vermute, dass da häufig eine versteckte Ladeanimation dahintersteckt, aber ob es wirklich geschickt ist, die Animation wirklich immer gleich abzuspulen, lass ich mal so dahingestellt.

Ein unangefochtenes Highlight ist die allgemeine Vertonung. Egal, ob die Sounds, die in Kämpfen für ein bisschen Dynamik sorgen oder die Melodien, die eure Reise durch einen schaurigen Märchenwald begleiten, beim Soundtrack greift Banishers niemals ins Leere. Und all das verblasst im Vergleich mit der absolut fantastischen Leistung der einzelnen Sprecher. Dabei ist es völlig egal, ob es um die anfangs sehr zarte Liebesbeziehung zwischen Antea und Red geht oder um die Vorwürfe, die ein Geist seinem Peiniger gegenüber vorträgt: Durch die Leistung der Sprecher wird grafisch eher Halbgares, wie die hölzernen Gesichtsanimationen, mehr als kompensiert. Dontnod Entertainment zeigen auf imposante Art, dass sie mit den Beschränkungen eines Entwicklers ohne AAA-Publisherbacking umgehen können und die Kohle da reinstecken, wo sie am meisten Wirkung erzielt!

@ Astragon @Dontnod Entertainment Red muss nicht unbedingt so ein friedlicher Geselle sein. Die Story ist ganz klar Banishers' bestes Feature!

@ Astragon @Dontnod Entertainment Red muss nicht unbedingt so ein friedlicher Geselle sein. Die Story ist ganz klar Banishers‘ bestes Feature!

Fazit:

Für Fans von hervorragend erzählten Geschichten, die bei einem Action-Adventure mehr Wert auf den Adventure- als auf den Action-Part legen, wird Banishers ein echter Geheimtipp sein! Dontnod verstehen es eine fein nuancierte, gefühlige Story in einer angenehm anderen Fantasy-Welt zu präsentieren, die sich von anderen Genre-Vertretern positiv abhebt. Das grundsätzlich tolle Artdesign und die schönen Figurendesigns werden ein bisschen durch Copy & Paste Assets geschmälert. Schwächen gibt es bei dem etwas lahmen Kampfsystem und den extrem limitierten Gegnervariationen, wo die seltenen Bosskämpfe aber definitiv Highlight sind. Schade, dass man Banishers den AA-Hintergrund anmerkt, denn künstlerische Vision und Geschichte haben definitiv Blockbuster-Potential.

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Fazit

Grafik & Design - 7.5
Story - 10
Technik & Sound - 7.5
Umfang - 9
Spielspass - 7.5

8.3

Für Fans von hervorragend erzählten Geschichten, die bei einem Action-Adventure mehr wert auf den Adventure- als auf den Action-Part legen, wird Banishers ein echter Geheimtipp sein!

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