Game Review: Warhammer 40.000: Rogue Trader für Playstation 5 und PC – Klassische Rollenspielkost in einer grimmigen Zukunft

Warhammer 40k war in meinen Zwanzigern DAS Hobby für mich. Über eine komplette Dekade konnte ich da wunderbar mein überschüssiges Geld loswerden und konnte so in die Sucht nach Plastiksoldaten und der übertrieben großen Menge an Hintergrundbüchern versinken. Das war geil, ich bereue nichts, denn heute kann ich dadurch ganz passabel mit dem Pinsel umgehen und unter dem Ganzen mittelmäßigen Scifi-Gemetzel gab es auch eine beachtenswerte Anzahl an lesenswerten Geschichten, die auch Nichtfans genießen würden. Und so ungefähr ist das bei Games Workshops Lizenzen für Videospiele auch. Eine ganze Zeit lang musste man sich praktisch körperlich davor wehren, dass die einem keine weitere Shovelware-Pflicht aufzwingen. Aber auch hier gab es einige Perlen: Dawn of War 1 und 2 waren super Strategiespiele mit Taktik- und Rollenspielanteilen und auch Space Marine war ein würdiges Actionspiel. Und in diese jetzt doch irgendwie nicht so beeindruckenden Fußstapfen möchten Owlcat Games, die Entwickler der extrem gelungenen Pathfinder-Rollenspiele, mit einem Spiel in eben diesem düsteren Universum zeigen, dass die hoffnungslose Zukunft für die Menschheit vor der Tastatur für ziemlich viel Spielspaß sorgen kann. 

In bester Warhammer 40k Manier ist die Zukunft finster, beklemmend, und ziemlich gewaltgeprägt - die Architektur entsprechend monumentalistisch © Owlcat Games

In bester Warhammer 40k Manier ist die Zukunft finster, beklemmend, und ziemlich gewaltgeprägt – die Architektur entsprechend monumentalistisch © Owlcat Games

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In einem Land nach unserer Zeit

Rund 40.000 Jahre in der Zukunft sieht es für die Menschheit gar nicht so rosig aus. Zwar gibt es Milliarden von uns und die bewohnen auch tausende Welten, der durchschnittliche Bewohner lebt allerdings in absolut schrecklichen Umständen, bei denen es offenbar auf Arbeitsschutz nicht mehr ankommt. Ständig sterben hunderte Leute bei Unfällen, Invasionen und den zahlreichen Kriegen in den verschiedensten Systemen. Und neben den verschiedenen aggressiven Aliens ist auch die militante Diktatur der Menschheit ein weiteres Problem. Aber nicht für alle ist die Lage so schlimm, die anderen leben in absoluter Dekadenz als Adelige. So auch wir, denn gleich zu Beginn wird klar, dass die Spielfigur ein Abkömmling eines Rogue Traders ist und somit Teil der so ziemlich einzigen Personengruppe, die freiheitliche Privilegien und eigene Planung in Betracht ziehen darf. Und da man nun offiziell zu den Big Playern gehört, ist es auch nicht verwunderlich, dass man gleich zu Beginn in eine Verschwörung hineingezogen wird, bei der die Namensgeberin der eigenen Rogue Trader-Linie, zu Tode kommt. Ab jetzt haben die Spielenden also Millionen von Untergebenen, eine Verschwörung an der Backe und dann sind da auch noch diese nervigen Aliens, die ihre eigene Agenda verfolgen.

Neben dem großen Plot rund um den Tod von Theodora von Valancius gibt es aber auch viele namhafte Charaktere und Planeten, die mit ihren eigenen Geschichten auftreten. Es gibt also viel zu tun!

Warhammer 40.000: Rogue Trader ist zweifellos ein textlastiges Mammutwerk

Warhammer 40.000: Rogue Trader ist zweifellos ein textlastiges Mammutwerk © Owlcat Games

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Klassisches Rollenspiel im modernen Gewand

Rogue Trader kann einen als Spieler ganz schön erschlagen. Es basiert auf dem gleichnamigen Pen & Paper-Rollenspiel und wer das Buch mal gesehen hat, der weiß, dass die Bibel im Vergleich dazu vom Umfang her eher so eine Art Pamphlet ist. Ich kenn die Regeln zumindest nicht, da sie auch mit dem Tabletop-Ursprung nur das Setting gemeinsam haben. Und das merkt man gleich zu Anfang. Einen Charakter erstellen ist nämlich gar nicht einfach, da es hunderte Möglichkeiten gibt und im Gegensatz zu modernen Rollenspielen heißt das auch, dass man sich total verskillen kann. Vermutlich geht das Neulingen bei Baldurs Gate zwar auch so, aber zumindest mir nicht, weil ich das Regelwerk auswendig kann… Aber gut, den Schock überwindet man recht schnell (und kann sich später auch wieder umskillen, falls man den Charakter komplett an die Wand gefahren hat). Ähnlich klassisch geht es dann aber auch weiter: Das Writing ist zweifellos eine Stärke des Spiels, aber gleichzeitig ist es eine Herausforderung für Spieler, die Menge an Text zu bewältigen, denn manchmal erinnert das Spiel schon fast an eine Art Visual Novel. Man schlägt sich aber die meiste Zeit über mit seiner bis zu sechs Leute umfassenden Truppe durch die verschiedenen Welten und verfolgt die Aufgaben, die man als schweinereicher Adeliger mit Freifahrtschein halt so abarbeitet. Dabei trifft man auch auf allerlei andere Bewohner, die man je nach Charakter, zum eigenen Wohl unter die Knute packt oder ihnen bei ihren Problemen unter die Arme greift. Das ist total abwechslungsreich und smart geschrieben und es klappt auch hervorragend, dass die eigene Party nicht nur laufende Statisten sind, sondern sich auch mit ihrem eigenen Charakter in Gespräche einmischen und deren Verläufe beeinflussen können. Das ist vor allem cool, weil sich viele der Protagonisten gegenseitig nicht zwangsweise mögen und so auch mal Streits entstehen, wo vorher keine waren.

Doch neben dem an Point and Click-Adventure erinnernde Teile des Gameplays gibt es, vor allem beim Erforschen von Planeten auch andere Gameplayelemente. Statt auf leeren Planeten herumzulatschen und eigentlich nur generischen Müll zu finden, zeigen die Entwickler von Owlcat Games den Leuten von Starfield und Mass Effect die lange Nase und liefern ein gutes Beispiel wie Erforschung im Weltraum auch klappen kann: Vergleichbar mit Choose Your Own Adventure-Büchern wird euch ein Problem vorgestellt und ihr dürft dann in den weitverzweigten Dialogbäumen für euch passende Reaktionen auswählen und so euren Charakter ausleben. Sollte es dabei zu Fähigkeitenproben kommen, dann darf übrigens, wie auch in der normalen, offenen Welt, der Charakter den Test antreten, der die besten Attribute für die jeweilige Aufgabe hat. Es lohnt sich also Spezialisten zu bauen!

Neben potentiellen Questbelohnungen gibt es dabei auch schöne Darstellungen, da sich diese Erzählungen häufig in Form eines illustrierten Buchs darstellen. So gibt es große und kleine Quests, bei denen man eigentlich nie weiß, wann sie auftreten, denn diese Vignetten gibt es auch in den Hauptquests. Für Lesefans ist das eine Riesenfreude, für Leute mit einem kurzen Geduldsfaden aber vermutlich ziemlich lahm. Aber die haben mit dem gesamten Spiel vermutlich ohnehin keine Freude.

Passend zum martialischen Ausrichtung zeigt sich Rogue Trader gerne von einer recht blutigen Seite - über allem liegt aber ein etwas zu cleaner Look, mehr Verwitterung und Schmutz täte dem Ganzen spürbar gut © Owlcat Games

Passend zum martialischen Ausrichtung zeigt sich Rogue Trader gerne von einer recht blutigen Seite – über allem liegt aber ein etwas zu cleaner Look, mehr Verwitterung und Schmutz täte dem Ganzen spürbar gut © Owlcat Games

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In the grim dark future there is only war

Rogue Trader wäre aber kein Warhammer-Spiel, wenn es nicht auch um den Kampf ginge. Und davon gibt es zum Glück jede Menge! Das Besondere an diesem rundenbasierten System ist die Möglichkeit, in einer Gruppe von bis zu sechs Mitgliedern zu kämpfen. Das bringt eine taktische Tiefe ins Spiel, die viele RPG-Fans zu schätzen wissen werden, zumal man genug Platz hat um fast alle seine Lieblingscharaktere mitzunehmen. Die Animationen in den Kämpfen sind brutal und tragen zur intensiven Atmosphäre des Warhammer 40k-Universums bei, allerdings muss man fairerweise sagen, dass sie ab und zu haken, was den ansonsten flüssigen Spielfluss ein wenig beeinträchtigt und man sich doch manchmal wundert, welcher Angriff eigentlich genau dafür  gesorgt hat, dass ein Feind halbiert wurde. Andererseits ist bei dem Waffenarsenal des 40K Universums eigentlich alles ein potentieller Verdächtiger. Dabei hat man auch reichlich Auswahl, vom Kettensägenschwert bis zum schweren Bolter ist alles da, was das Fanherz begehrt. Außerdem verändern die meisten Kleidungsstücke und Waffen auch tatsächlich das Aussehen der Charaktere.

Die Entwickler haben sich auch nicht gescheut, den Schwierigkeitsgrad ordentlich nach oben zu schrauben. Besonders im dritten Akt wird es knifflig, vor allem wenn man nicht optimal in seine Skills investiert hat. Das kann zuweilen als etwas unfair empfunden werden, und man merkt, dass das Spiel eine gewisse Optimierung der Charakterfähigkeiten voraussetzt.

Doch damit nicht genug, denn Rogue Trader deckt wirklich jedes Feld ab, dass man sich als Fan wünschen kann und fügt den Kämpfen nach einer Weile auch noch den Raumschiffkampf hinzu. Der ist Anfangs noch ein bisschen zäh, aber je weiter man das Schiff aufmotzt, desto intensiver und flexibler werden die Raumschiffkämpfe, die für mich ein kleines Highlight sind. Aber auch die können ziemlich knifflig sein. Nichtsdestotrotz verleiht gerade dieser hohe Schwierigkeitsgrad dem Spiel eine gewisse Würze und irgendwie zeigen die Entwickler ihren Spielenden so auch, dass sie sie ernst nehmen.

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Die Weltraumkämpfe sind anfangs recht sperrig und zäh, werden aber spürbar dynamischer, sobald man die eigenen Vehikel entsprechend aufmotzt, ©Owlcat Games

Die Weltraumkämpfe sind anfangs recht sperrig und zäh, werden aber spürbar dynamischer, sobald man die eigenen Vehikel entsprechend aufmotzt, ©Owlcat Games

Technologischer Stillstand ist der Wille des Imperators!

Neues Zeug entwickeln ist für die Menschheit in der Welt von Warhammer reinste Heresie und irgendwie färbt das auch ein wenig auf das Spiel ab. Wobei das härter klingt, als es wirklich gemeint ist, aber bei jedem Rollenspiel schielt man mittlerweile halt doch zum Genreprimus Baldurs Gate 3 hinüber und wird zwangsweise vergleichen. Und allein bei dem Budget, dass Larian Studios zur Verfügung stand, ist ein Vergleich eigentlich unfair. Aber so ist’s im Leben auch, also halten wir uns hier mal nicht zurück, denn die Technik ist im Großen und Ganzen die einzige Baustelle von Rogue Trader, das ansonsten fast das perfekte 40k Rollenspiel ist!

Zuallererst: Wir haben zwar eine Rezensionsversion für die Playstation 5 erhalten, aber das Spiel ist viel zu groß und komplex, um mit dem Gamepad gespielt zu werden. Da war für mich nach ein paar Minuten die Luft raus, denn es gibt hunderte Nebeninformationen, die mit dem Gamepad nur sehr sperrig erreicht werden können. An sich lief das Spiel auf den Konsolen aber gut, ist nur gar nicht mein Ding so ein komplexes Spiel an der Konsole zu zocken, so dass ich auf eine private PC-Version umgestiegen bin. Das an sich ist beides, ein großer Kritikpunkt und auch ein Lob, denn trotz der überladenen Steuerung konnte ich fast sofort erkennen, dass hier wohl ein überragendes Spiel steckt!

Die Grafik präsentiert sich solide, wobei die blutrünstige 40k-Stimmung sofort spürbar ist. Die Detailgenauigkeit und Sauberkeit der Grafiken könnten jedoch mehr Verwitterung und Realismus vertragen, da einige Elemente beinahe wie aus Plastik wirken, was ja strenggenommen auch der Vorlage entspricht. Als Liebhaber der Vorlage erkennt man aber alle möglichen Dinge wieder und hat große Freude an der Vielfalt des Spiel, dass sich wirklich am gesamten Bestiarium bedient. Während sich die meisten Warhammer 40k Spiele auf einige wenige Aliens spezialisieren, gibt es bei Rogue Trader super viele, auch nischige Wesen, die bisher nur in der Hintergrundgeschichte aufgetreten sind. Die bekommen hier einen etwas prominenteren Platz.

Ansonsten ist das Ding inszenatorisch sauber aufgestellt: Der Sound der Waffen ist wuchtig, es gibt von Freunden und Feinden im Kampf und unterwegs Kampfschreie oder One-Liner und obwohl es keine mit BG3 vergleichbaren Videosequenzen gibt, hilft die Mischung aus Ingame-Sequenzen, Schwarz-weißen „Wackelcomics“ und Texten die passende Atmosphäre zu generieren. Und die kann manchmal sogar ziemlich gruselig sein, denn Horrorelemente gehören zur Vorlage und werden hier auch hervorragend umgesetzt! Aber es gibt auch weite Laufwege gepaart mit Ladezeiten, die als lästig empfunden werden können, gerne in Kombination mit fehlenden Questmarkerm, die die Orientierung erschweren. Andererseits tappt man so nicht in die klassische Openworld-Falle, bei der man das Gefühl hat, dass man nur Ausrufezeichen über den Köpfen der Questgeber abarbeitet, statt wirklich in die Welt einzutauchen. Eine Minimap im UI wäre aber trotzdem ziemlich nett gewesen.

Nicht wirklich überzeugt das scheinbar endlos große Inventar, dass man zwar nach ein paar wenigen groben Parametern sortieren kann, bei dem man aber trotzdem gerne was verloren geht. Für mich war es eine Heidenarbeit meine Charaktere nach einer Sequenz in der sie ihre Ausrüstung abgelegt haben, wieder auszustatten und ich bin mir auch Stunden später nicht sicher, ob ich die Gruppe überhaupt wieder eins zu eins so ausgestattet hab, wie ich sie vorher hatte. Das kommt aber auf der anderen Seite auch nicht häufig vor, ist also eigentlich okay.

Insgesamt präsentiert sich Rogue Trader als ein vielfältiges und tiefgehendes Warhammer 40k-Spiel, das jedoch mit einigen technischen Unzulänglichkeiten zu kämpfen hat. Wer über diese Schwächen hinwegsehen kann, wird mit einer abwechslungsreichen Reise durch das 40k-Universum und einem der besten klassischen Rollenspiele belohnt.

Warhammer 40k: Rogue Trader überzeugt mit tollen Kulissen und einen umfangreichen Bestiarium ©Owlcat Games

Warhammer 40k: Rogue Trader überzeugt mit tollen Kulissen und einen umfangreichen Bestiarium ©Owlcat Games

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Fazit:

Ich sag’s mal so: Hätte es dieses Jahr nicht zufällig das kleine Rollenspielchen namens Baldurs Gate 3 gegeben, dann wäre Rogue Trader für mich ein todsicherer GOTY-Anwärter.
Leute, die mit textlastigen Rollenspielen nix anfangen können, werden von der etwas drögen Optik nicht zu eisernen Anhängern des Genres, aber für Fans ist Owlcat Games DAS Warhammer-Spiel und ganz nebenbei zeigen sie auch, dass 40k nicht immer Space Marines in den Vordergrund stellen muss, um zu funktionieren. Konsolen-Rollenspieler*innen sei vielleicht gesagt, dass die Steuerung via Gamepad ordentlich komplex und m.E. sogar etwas überladen ist. Für mich persönlich hat dies dazu geführt, dass ich nach einer ganzen Weile tatsächlich nochmal auf dem PC neu begonnen habe, um den anspruchsvollen Rollenspiel-Koloss in seiner Tiefe und seiner Komplexität vollumfänglich genießen zu können. Wer sich darauf aber einlassen kann, erlebt auch auf Konsole ein erzählerisch extrem starkes Abenteuer. Die Leute, welche die Warhammer 40k Serie für Amazon planen, dürfen sich beim Writing und Storytelling mehr als nur eine Scheibe abschneiden.

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Warhammer 40.000: Rogue Trader [PlayStation 5 und PC]

Grafik - 7.5
Story - 9.5
Technik - 7
Umfang - 10
Spielspass - 9.5

8.7

Gäbe es Baldurs Gate 3 nicht, wäre Rogue Trader mein diesjähriges GotY - das (textlastige) Writing ist hervorragend, spielmechanisch ist das Warhammer 40k ein klassisch-komplexer Rollenspielkoloss, der sich durch einen knackigen Schwierigkeitsgrad auszeichnet. Nur bei der Technik muss Rogue Trader ein bisschen Federn lassen.

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