Ich muss gestehen, mir ist der kleine Indie-Titel völlig entgangen. Neben den ganzen großen Spieleperlen, die in den letzten Monaten herauskamen, hatte ich keinen Blick übrig für die kleinen, unscheinbaren Titel, die veröffentlicht wurden. Against the Storm ist einer dieser Titel, die ich nun zufällig im Gamepass entdeckt habe. Als Fan von Aufbaustrategie wie Anno oder Siedler sprach mich der Einleitungstext natürlich sofort an. Ein düstere Fantasy Städtebausimulation mit Roguelike Elementen? Das klang nach einer äußerst interessanten Mischung. Zwar sind Aufbaustrategien mit einem knackigen Schwierigkeitsgrad seit dem 2014 erschienenden Banished und all seinen Kopien keine Seltenheit mehr, aber legte man da vor allen Dingen den Fokus auf eine halbwegs realistische Aufbausimulation im Mittelalter, so geht Against the Storm einen ganz eigenen Weg.
Against the Storm, vom kleinen 5-Mann starken Entwicklerstudio Eremite Games, verbindet ein äußerst düsteres Fantasy Mittelaltersetting mit einem enorm hohen Schwierigkeitsgrad, schier unerschöpflichen Produktionswegen und gleich fünf verschiedenen Rassen, die man gleichzeitig in einer Stadt verwaltet. Am ehsten würde ich Against the Storm als Mischung aus Warcraft 3, Northgard und Anno bezeichnen.
Die Geschichte
Das Spiel führt uns in ein fiktives Königreich, in dem Menschen, Biber, Eidechsen, Füchse und Harpyien mehr oder weniger in Frieden gemeinsam leben. Nach einer verheerenden Katastrophe ist jedoch das Königreich durch einen apokalyptischen Regen gezeichnet. Nur die „schwelende Stadt“, das Reich der Königin, hält noch stand. Ich verkörpere die Rolle des Vizekönigs – ein Anführer, von der sogenannten Verbrannten Königin persönlich auserkoren. Mein Auftrag: die Wildnis zurückerobern und verlorene Reichtümer für die schwelende Stadt entdecken – der letzten Bastion der Zivilisation gegen den verheerenden Feuersturm, der einst die Welt zerstörte.
Am Anfang wiegte ich mich in Sicherheit
Zu Beginn starte ich in einem kleinen Tutorial, das mir allerdings gar nicht so viel Hilfestellung gibt, wie ich erwartet habe. Ein kleiner Rabe gibt mir nur dürftig ein paar kleine Informationshappen und ich bin erst einmal auf mich allein gestellt. Meine Stadt beginnt immer mit einem Feuer, das niemals ausgehen darf, und einer Lagerhalle. Außerdem einer Handvoll Bewohner. Zu Beginn sind dies vor allem Menschen, Biber und Eidechsen. Hier kommt auch schon direkt eine Besonderheit von Against the Storm zum Tragen.
Jedes Volk hat seine eigenen Bedürfnisse, seine eigenen Wohnhäuser, Abneigungen und auch spezielle Fähigkeiten. Beispielsweise sind Menschen vor allem bei der Nahrungssuche in Wäldern besonders gut oder beim Anbau von Gemüse und Weizen auf Feldern. Biber sind, wer hätte es anders erwartetet, meisterhafte Holzfäller, wohingegen Eidechsen als Jäger agieren und sich um die fleischhaltige Nahrung kümmern. Nahrung und Baumaterial sind auch erst einmal die grundlegenden Rohstoffe, die ich benötige. Meine kleine Stadt startet auf einer kleinen Lichtung inmitten eines Waldes, der vor allem eines kann: Mich töten.
Meine Rohstoffe sind arg begrenzt und ich muss mich zu weiteren Lichtungen vorarbeiten, um nicht nur weiteren Bauplatz zu erschließen, sondern auch neue Rohstoffe. Also baue ich ein paar Holzfällerlager, weise ihnen meine Biber zu und schaue den drolligen Kreaturen dabei zu, wie sie die Wälder abholzen. Durch das Markieren von Bäumen kann ich grob einen Weg vorgeben, damit meine Biber sich zielsicher zur nächsten Lichtung durcharbeiten. Derweil beschäftige ich meine Menschen auf Feldern und lasse meine wenigen Echsen Fleisch jagen. So baue ich langsam meine erste, kleine Siedlung auf und erfülle Aufgaben, um so Reputationspunkte zu erlangen.
Die Gunst der Königin und der Schrecken des Waldes
Reputationspunkte benötige ich, um eine Partie zu gewinnen. Es gibt hier keine anderen Computergegner, die ebenfalls Siedlungen bauen, es ist vor allem der Wald und seine Schrecken, die gegen mich agieren und die Gunst der Königin. Ihre Ungeduld wächst kontinuierlich und setzt mich damit unter Druck. Sollte ich die Gunst verlieren, verliere ich auch das Spiel. Also muss ich immer wieder neue Aufgaben erledigen, immer neuere Produktionsketten aufbauen, immer mehr Güter produzieren und mich auch immer tiefer in die Wälder wagen. Nur so baue ich genügend Reputationspunkte auf, um zu gewinnen.
Gleichzeitig muss ich mich um die Bedürfnisse meiner Bewohner kümmern. Eidechsen wollen eingelegtes Fleisch. Biber wollen neue Häuser. Menschen brauchen Bier. Ich bin also ständig beschäftigt, plane immer wieder um, damit ich die vorhandene Arbeitskraft perfekt einsetze. Hinzu kommt, dass ich natürlich nicht weiß, was hinter der nächsten Lichtung lauert. Es könnte z. B. ein alter Tempel auftauchen, der, bis ich eine Expedition hingeschickt habe, alle paar Minuten einfach zufällig drei Bewohner tötet. Handel ich den Tempel nicht schnell genug ab, ist meine Bevölkerung bald so arg dezimiert, dass ich eigentlich direkt aufgeben kann. Die Gefahren des Waldes steigen übrigens, je mehr ich tue.
Produktionskettenwahn
Ihr seht also, es gibt richtig viel zu tun. Als sei das alles noch nicht genug, so muss ich mir neue Gebäude erspielen. Durch Aufgaben erhalte ich als Belohnung Baupläne für neue Gebäude. Dann kann ich mir aus ein paar zufällig gezogenen Gebäuden, ein neues auswählen. Die höchste Möglichkeit einen neuen Bauplan zu erhalten, bekomme ich erst wieder, wenn ich eine weitere Aufgabe gelöst habe. Das ist leider eine verdammt fiese Mechanik. Entscheide ich mich, beispielsweise, für ein Fleischlager, weil ich unbedingt jagen möchte, kann es gut sein, dass die nächsten Lichtungen einfach kein Wild oder Fleisch anbieten. Dafür wäre ein Hof etwa viel sinnvoller, weil ich fruchtbares Land entdeckt habe. Ich habe aber noch keinen Bauplan für einen Hof, ich hatte mich ja für etwas anderes entschieden. Also muss ich zügig die nächste Lichtung freilegen, in der Hoffnung, dass ich Fleisch finde. Derweil schwindet meine Nahrung rasch. Ich bin also ständig unter Druck und kann mich kaum ausruhen und dem wirklich tollen Herumwuseln meiner Bewohner zuzuschauen.
Also sei das alles nicht schon genug, kann gefühlt jedes Gebäude drei bis vier Produkte gleichzeitig herstellen. Eine einfache Werkstatt kann aus Holz Planken herstellen. Ein Sägewerk kann das allerdings auch nur in besserer Qualität. Eine Schenke kann nicht nur Bier brauen, sondern auch Nahrung einlegen. Das kann aber auch wiederum ein anderes Gebäude. Dann kann ich auch noch auswählen, ob ich Bier in Krügen oder Fässern einlagere oder die eingelegte Nahrung in Töpfen oder Fässern. In der Werkstatt kann ich Fässer herstellen, aber auch Keramiktöpfe. Es gibt wirklich so unglaublich viel zu tun, dass ich mich immer leicht überfordert fühle. Und ich bin immer noch im Tutorial! Bis hier hin war ich noch gar nicht im eigentlichen Spiel.
Nach dem Tutorial ist vor dem Tutorial
Irgendwann habe ich es dann endlich geschafft. Das Tutorial ist durch und ich bin wirklich glücklich eine florierende kleine Siedlung aufgebaut zu haben. Bis ich dann die Weltkarte entdecke.
Jetzt bin ich komplett auf mich allein gestellt. Ich muss Karawanen zusammenstellen und über eine Hexagon-Welt zu bestimmten Punkten reisen, um dort Leuchtfeuer aufzubauen, die am Ende die Welt retten sollen. Jedes Feld ist dann eine neue Partie, bei der ich eine neue Siedlung aufbaue. Hier geht’s dann immer von vorne los. Rohstoffe sammeln, Lichtungen finden, Siedlung aufbauen und Aufgaben erledigen. Das klingt jetzt repetitiv, ist es aber nicht. Jede Karte hat zufällig Ereignisse und ich kann nicht nach Schema F vorgehen, da ich nie weiß, was mich an Rohstoffen und Gegebenheiten erwarten.
Fazit
Hier möchte ich auf meinen größten und eigentlich einzigen Kritikpunkt eingehen: Against the Storm ist mir persönlich einfach zu „schwer“. Das Spiel setzt alles daran, stets eine Herausforderung zu bieten, die teilweise wirklich frustrierend sein kann. Jedes der Völker hat zahlreiche individuelle Bedürfnisse, die idealerweise erfüllt werden sollten, um Abwanderungen aus der Stadt zu verhindern. Doch es ist nahezu unmöglich, es allen recht zu machen. Zudem hängt vieles vom Zufall ab, was sicherlich für einige Spieler einen angenehmen Nervenkitzel bedeutet – für mich persönlich ist es jedoch eher störend. Ehrlich gesagt, ich hätte gerne mehr Unterstützung und Anleitung, insbesondere während der ersten Spielstunden, erst recht, wenn die anderen Völker hinzukommen. Diese Meinung ist jedoch rein subjektiv. Wer einen wirklich anspruchsvollen Städtebau sucht, der sowohl knifflig als auch teilweise sehr frustrierend und herausfordernd ist, sollte Against the Storm definitiv eine Chance geben. Alle anderen sollten vielleicht besser einen Bogen darum machen.
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Against the Storm [PC]
Grafik - 5
Story - 4.4
Technik - 7
Umfang - 8.8
Spielspaß - 6.5
6.3
Komplexer und bockschwerer Citybuilder mit Roguelike Elementen, der aber eine kleine Ecke zu wenig an die Hand nimmt.