Anime Review: Seraphim of the End: Vampire Reign – Complete Edition auf Blu-Ray – Kurzweilige Vampir-Dystopie mit schwachen Charakteren

Vampire sind wahrhaftig unsterblich in der Populärkultur – egal, ob in literarischer- filmischer- oder in spielerischer Form. Die mythischen Kreaturen, deren Erbe maßgeblich von der neuzeitlichen Schauerromantik beeinflusst worden ist, sind über Jahrhunderte hinweg stets präsent gewesen: Auch im Manga- und Anime-Medium treiben sie seit spätestens den 1980ern ihr Unwesen: Egal ob Vampire Hunter D (1985), Vampire Princess Miyu von 1997 oder die Hellsing-Serien in den 00er Jahren. Immer wieder wird auf die Blutsauger als zentraler Trope zurückgegriffen – so auch bei Seraph of the End. Der Anime basiert auf der gleichnamigen Manga-Reihe von Takaya Kagami und Yamato Yamamoto (2012 – fortlaufend) und wurde 2015 von dem recht jungen Wit Studio produziert, die vor allem für ihre Attack on Titan-Adaption bekannt sein dürften. KSM-Anime/Plaion Pictures haben die Komplettbox der 24-teiligen Serie im August 2023 veröffentlicht. Wir haben uns das Ganze angeschaut und verraten euch in dieser Review, ob sich die dystopische Vampir-Action lohnt.

The Tribe meets Vampire Nation meets Persona

Erinnert sich noch jemand an die neuseeländische Young Adult-Serie The Tribe, bei der die Entwicklung eines Anti-Aging-Mittels ein Virus freisetzt, das ironischerweise global alle Erwachsenen schneller altern und sterben lässt, und so eine Welt hinterlässt, die nur noch von Kindern und Jugendlichen bevölkert wird, die sich zu den namensgebenden Stämmen zusammenschließen, um ihr Überleben zu sichern? Eine ähnliche Prämisse gibt es auch bei Seraph of the End als Ausgangslage: 2012 – Ein mysteriöses, zunächst scheinbar menschengemachtes Virus bricht aus und tötet nahezu alle Menschen, die das 12. Lebensjahr vollendet haben. Zugleich tauchen aus den Tiefen der Erde Vampire auf – mitsamt schrecklichen Kaiju-ähnlichen Kreaturen, die nun an der Erdoberfläche wüten. Die Vampire übernehmen kurzerhand die Herrschaft und erschaffen eine beinahe faschistoide Gesellschaft, in welcher die Menschen nach eigener Aussage bloß „Nutzvieh“ sind. An der Spitze der Vampir-Gesellschaft stehen die adeligen Ahnen – die „Königin von Japan“ ist die Ahnin Krul Tepes (eine Anspielung auf den rumänischen Vlad Tepes). Doch natürlich werden auch am Vampir-Hofe Intrigen gesponnen: So ist es zu Beginn vor allem der ebenso noble wie listige Ferid Bathory (auch hier eine Referenz am die ungarische Gräfin Elisabeth Bathory), der sich durch seine besonders ausgeprägte Grausamkeit auszeichnet. Die Kinder werden nämlich unter der Erdoberfläche, die architektonisch von gotischen Schlössern dominiert wird, in Obhut genommen – sie werden mit dem Nötigsten versorgt und erhalten Schutz vor den Monstern. Letztlich sind sie aber lediglich lebende Blutkonserven für ihre Peiniger.

Ferid_und_Yuu_Seraph_of_the_End_dDailygeek

Yuu und Mika tappen bei ihrem Fluchtversuch in die grausame Falle von Ferid Bathory @ KSM Anime @ Plaion Pictures

Die beiden Waisen, der hitzköpfige und unnahbare Yuichiro Hyakuya und der gutmütige Mikaela Hyakuya haben genug davon, sich den Vampiren unterzuordnen. Dem Entschluss gehen zwei Konflikte voraus, bei welchem Mika einerseits bei dem mächtigen Vampir Ferid Gnade erbittet, nachdem Yuichiro diesen ob seiner Grausamkeit gegenüber jüngeren Kindern konfrontiert, und sich andererseits bei diesem blut-prostituiert, um der „Familie“, den Mitwaisen aus dem ursprünglichen Hyakuya-Waisenhaus, ausreichend Nahrung zu verschaffen. Doch das Opfer von Mika ist kalkuliert: Bei seinem Besuch in Ferids Anwesen stiehlt er eine Schusswaffe- sowie Kartenmaterial zum Herrschaftssitz der Vampire. Das soll den beiden bei der Flucht helfen, die aber letztlich furchtbar schiefläuft. Ferid hat sich als weitsichtiger als gedacht entpuppt und hat den beiden eine Falle gestellt; als Sanktion schlachtet er Yuichis gesamte „Familie“ gnadenlos ab – und nur durch Mikaelas Opfer kann „Yuu“ im letzten Moment entkommen.

Krul Tepes_Seraph_of_the_End_Dailygeek

Die Monarchin der Vampire, Krul Tepes, wirkt zu Beginn noch reichlich undurchsichtig @ KSM Anime @ Plaion Pictures

Vier Jahre später: Yuichiro hat in der Zwischenzeit seine Rachegelüste gegenüber den Vampiren ordentlich kultiviert. An der Erdoberfläche schließt er sich der Japanischen Imperialen Reichsdämonenarmee an – und wird nach kleineren disziplinarischen Intermezzi Teil der Monddämonen-Einheit unter der Führung von Guren Ichinose. Die Reichsdämoneneinheiten nutzen dem Namen gemäß dämonische Kräfte im Krieg gegen die Vampire. Dazu gehen sie, unter expliziter Ausbildung der Charakterstärke, einen Pakt mit Dämonen ein, um „Verfluchte Waffen“ führen zu dürfen. In der ebenso rätselhaften, wie mächtigen Shinoa Hiragi, später Anführerin ihrer Einheit, und seinen beiden Mitstreitern Shihō Kimizuki und dem sensiblen Yoichi Saotome findet er zunächst so etwas wie eine „neue Familie“.

Doch im Lauf der Handlung muss er feststellen, dass der mittlerweile zum Vampir transformierte Mikaela noch am Leben, und auf der Suche nach ihm ist… und zunehmend wird auch enthüllt, was es mit den namensgebenden „Seraph“ auf sich hat.

Versatzstücke bekannter Elemente

Seraph of the End ist mit Blick auf den Plot nicht der innovativste Anime aller Zeiten. Stattdessen nutzt er Versatzstücke verschiedener Genres und bekannter Anime-Tropes, um daraus eine kurzweilige Dark Fantasy-Geschichte zu stricken. Die Virus-Prämisse, bei der vor allem Erwachsene betroffen sind, gibt es bereits in Serien wie The Tribes oder Jeremiah, ferner auch The Girl with all the Gifts. Die Monster, welche nun die Erde heimsuchen, etwa die „Apokalyptischen Reiter“, sind klar an Kaijus und den Riesenmonstern aus Anime wie Neon Genesis Evangelion, Rahxephon oder dem hauseigenen Attack On Titan entlehnt. Der militärische Ausbildungsbetrieb bei der Moon Demon Company erinnert an gängige Academy-Tropes in Anime, wie wir sie auch in My Hero Academia oder bei Videospielen á la 13 Sentinels: Aegis Rim wiederfinden und die Dämonen-Thematik und die Synergieeffekte zwischen Dämon und Mensch finden auch bei Persona Anwendung. Kurzum: Seraph of the End klaut fleißig Elemente anderer Produktionen, um daraus was Eigenes zusammenzubasteln.

Das funktioniert in bestimmten Bereichen, in anderen wiederum nicht: Ich muss gestehen, größter Schwachpunkt von Seraph of the End ist definitiv das World Building. Denn die oben genannten Elemente wirken m.E. so eklektisch und zusammengeschustert, dass ich die Welt nur bedingt als authentisch empfand. Es bleibt alles relativ oberflächlich – möglicherweise macht der Manga das anders – im Anime hatte ich trotz der gesellschaftlichen Struktur sowohl bei den Menschen als auch bei den Vampiren zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass die Welt nachvollziehbar funktioniert. Die Motivationen der Protagonisten sind eine ganze Ecke zu simpel geraten – Yuichiro ist von Rache getrieben, Yoichi wiederum findet nicht genug Wut in sich, um die Ermordung seiner Schwester zu rächen und Shihō Kimizuki versucht durch seine starke Leistung bei den Trupps der Reichsarmee eine bessere medizinische Versorgung für seine kranke Schwester zu erlangen. Allenfalls Shinoa bleibt unter den Mitstreitern für lange Zeit ambivalent genug, um bei der Stange zu bleiben.

Moon Demon Company - Seraph of the End - Dailygeek

In seiner Einheit findet Yuichiro eine „neue Familie“ @ KSM Anime @ Plaion Pictures

Dafür sind die einzelnen Folgen mit ca. 25 min recht kurzweilig inszeniert und das rasante Pacing treibt ordentlich voran. Die Puzzlestücke der Rahmenhandlung werden schnell zusammengesetzt. Es gibt permanent neue Enthüllungen und die Kämpfe sind knackig inszeniert. Dadurch ist der Anime ziemlich Bingewatch-kompatibel und es kommt insgesamt wenig Langeweile auf.

Nicht immer stimmiger Erzählton

Ich checke allerdings nicht ganz, wer Zielgruppe bei Seraph of the End ist. Der Anime hat definitiv Themenaspekte, die an ein erwachsenes Publikum gerichtet sind: Die faschistoid-feudale Struktur der Vampir-Gesellschaft ist definitiv eine interessante Spielart des Mythos. Auch die Blut-Prostitution, bei der in der Gunst der Vampire stehende Sklaven ihr Blut gegen Privilegien eintauschen und die stark ausgeprägte homoerotische Komponente zwischen Ferid und Mika auf der einen, und Mika und Yuu auf der anderen Seite, sind Handlungseckpunkte, die irgendwie „unangenehm“ wirken. Auch geizt Seraph of the End gerade zu Beginn nicht mit roter Flüssigkeit. Das ist zwar noch deutlich zahmer als bei einem Elfen Lied – aber es gibt durchaus durchlöcherte Torsos und abgetrennte Gliedmaßen. Auch hier – der Anime ist offenbar an ein tendenziell erwachsenes Publikum gerichtet.

Mika_Vampir_Seraph_of_the_End_Dailygeek

Dass Mika zum Vampir wurde ist ein relativ zentraler Konfliktpunkt @ KSM Anime @ Plaion Pictures

Gleichzeitig wirken die Protagonisten wie z.B. Yuichiro aber sehr Shonen-artig – impulsiv, naiv, oberflächlich und ein bisschen cringy. Jede Absicht und Motivation werden hier auch direkt kommuniziert, ohne dass man als Zuschauer*in zwischen den Zeilen lesen muss. Und auch der alberne Humor hat klarerweise Teenager als Zielgruppe, zumal es immer wieder Holzhammer-sexistische Momente gibt, die ein bisschen zu typisch japanisch sind. Hier hätte ich mir erwachseneres World Building, eine stärkere Akzentuierung auf die kontrovers angelegten Themen und feinfühligere Charakterzeichnung gewünscht. Keiner der Charaktere, sowohl bei den Vampiren wie auch den Menschen, taugt als rechte Identifikationsfigur. Zwar ist Freundschaft und Zusammenhalt immer ein dankbares Motiv, aber durch die verschwommenen Linien zwischen Shonen- und Seinen-Zielgruppe konnte ich hier keinen rechten Anschluss finden.

Visueller Stil

Ähnlich schizophren wirkt der künstlerische Stil von Seraph of the End: Die reglosen Hintergründe, gerade die gotische Vampir-Domäne, wirken beinahe wie schwere Öl- und Acryl-Gemälde mit dicken, finsteren Pinselstrichen und vielen Details – mitunter hat das Assoziationen zum Castlevania: Symphony of the Night-Art Style von Ayami Kojima geweckt. Leider hat man diesen Detailgrad nicht durchgängig beibehalten: So sind die Charakterdesigns ziemlich generisch – große, expressive Augen, distinktive Frisuren, knallige Farben und vermeintlich stylishen Outfits zwischen militärischen Uniformen, Loli-mäßigen Maid-Kostümen, steriler Sklaven-Kleidung oder ausschweifenden Adelstracht. Klingt gut – wirkt dann aber so detailarm, dass es mit den tollen Background Zeichnungen nicht mithalten kann. Gleichermaßen wirken die einzelnen Figuren zu statisch in ihren mimischen Gesten: Der grimmige Yuu wirkt grimmig, die verschmitzte Shinoa wirkt verschmitzt – ich sah trotz zaghafter Charakterentwicklung und Reifung bei den Protagonisten nur wenig Nuancierungen bei den Gesichtsausdrücken. Hier hätte man sich ein bisschen mehr aus dem Fenster lehnen können.

Die Animationen wirken weitgehend dynamisch und dem Produktionsjahr standesgemäß, nur in den Kampfsequenzen hätte ich mir bisschen smoothere Animationsphasen gewünscht, um die Choreografien besser zur Geltung zu bringen. Wie gesagt, die Manga Vorlage kenne ich nicht – aber ein bisschen erwachseneres Charakterdesign und Mut zur Düsternis hätte dem Ganzen besser zu Gesicht gestanden.

Hochwertiger orchestraler Score

Beim Score und Soundtrack zu Seraph of the End gehe ich hingegen ganz d’accord. Gerade in den grimmigen Momenten sorgen düstere orchestrale Arrangements häufig für mehr Intensität und tragen die Dramaturgie ganz erheblich. Aber auch sonst wirkt die Soundkulisse durchgehend hochwertig. Der pulsierend synthetische Opener gefällt mir ebenso, wie das weirde Outro, dass mich mit seinem breitbeinigen Rock irgendwie an Nickelback erinnert. Das passt!

Sprecherleistungen weitgehend solide, mit einem Totalausfall

Die deutschen Sprecher sind typisch Shonen – ein bisschen überzeichnet, aber mit sehr klarer Intonation. Hier wird jede Emotion ausschweifend zelebriert. Karim El Kammouchi, der Yuichiro spricht, dürfte vor allem für seine Sprecherrolle als Dudley in den Harry Potter-Filmen bekannt sein. In seiner Voice Acting Vita hat er auch solide Anime-Erfahrungen vorzuweisen, etwa als Claudia Hodgins in Violet Evergarden oder als Izumi Miyamura in Horimiya. Mit Dirk Meyer ist ein One Piece-Veteran dabei, der bei der langlebigen Anime-Serie Lysop sprechen durfte, und selbige Rolle auch bei der erfolgreichen Netflix Live Action-Adaption übernehmen musste. Ironischerweise hat ein weiterer One Piece-Sprecher dann aber auch einen eher schlechten Job geleistet: Felix Mayer spricht bei One Piece den Revoluzzen Sabo und bei Seraph of the End den Charakter Mikaela. Leider wirkt er stimmlich in dieser Rolle irgendwie schrill und unangenehm – In Mika’s Charakter ist definitiv queerer Subtext angelegt: Mayer spricht ihn daher vergleichsweise feminin – das mutet dann aber merkwürdig stereotypisch und überzeichnet an. Der Rest der Sprecher macht m.E. aber einen guten bis soliden Job.

Bild und Ton

Bild und Ton der Blu-Ray Gesamtbox sind qualitativ gut geraten und kommen in der Standardauflösung von 1080p im 16:9 Format. KSM hat hier gewohnt wertige Arbeit geleistet. Seraph of the End ist von 2015 und wirkt daher in den meisten Belangen modern. Vielleicht hat man hier keinen Makoto Shinkai, aber letztlich sind die Schauwerte solide. Defizite sehe ich lediglich bei den bereits benannten Kampfsequenzen, die ein bisschen smoothere Animationen vertragen könnten. Die Farben wirken satt, die Kontrast- und Schwarzwerte stimmig, insofern gibt es hier wenig bis nichts zu beanstanden.

Auch der Sound ist glasklar: Die Gesamtausgabe von Seraph in the End kommt mit Japanischer und Deutscher Sprachausgabe, sowie deutschen Untertiteln: Sowohl die deutsche Sprachausgabe wie auch Japanische Sprachausgabe kommen in DTS HD Master Audio 2.0 – großartige direktionale Spielereien konnte ich nicht vernehmen, aber sowohl die Höhen als auch Tiefen wirken gut abgemischt.

Die Gesamtausgabe kommt auf 4 Blu-Ray Disks á 4 Folgen, die eine Gesamtlänge von 568 Minuten aufweisen.

Fazit:

Seraph of the End ist eine 24-Folgen starke, kurzweilige Vampir-Dystopie, die mit Versatzstücken und Tropen bekannter Genres und Genre-Vertreter arbeitet. Ein bisschen grimmige Dark Fantasy, ein bisschen Dystopie- ein bisschen Coming-of-Age und ein bisschen Psychological Horror: Man bedient sich bei vielerlei Quellen – Das wirkt angenehm kurzweilig, bleibt aber recht oberflächlich: Das World Building wirkt wenig glaubhaft. Gleiches gilt für den Erzählton: Der Anime eckt an und bringt ein paar düstere und nachdenkliche Ideen mit, die aber selten ausformuliert werden. Stattdessen gibt es blutige Action mit albernen Humor-Einlagen, der selten so richtig ausgegoren wirkt. Kann Seraph of the End Spaß machen? Ja. Ist das Dingen gehaltvoll und bleibt nachhaltig im Kopf hängen? Eher nein.

Bei Amazon bestellen:

Seraph of the End: Die komplette Serie (Episode 1 – 24) (4 Blu-Rays)

Seraph of the End - Gesamtausgabe [4 Blu-Rays]

Regie - 6.5
Drehbuch - 6
Visuelles - 6.5
Score/Soundtrack - 8.1
Sprecherleistungen - 7
Technische Umsetzung der Blu-Ray - 8

7

Kurzweilige Vampir-Dystopie, die aber leider an diversen Oberflächlichkeiten in Sachen World Building, Charakterzeichnung und Tonalität krankt

User Rating: 4.7 ( 1 votes)