Die Ex-Bayonetta Sprecherin Hellena Taylor spricht über unmoralische Honorare bei der Produktion von Bayonetta 3 und ruft zum Boykott auf

Anfang Oktober hat der Entwickler PlatinumGames verkündet, dass man für das anstehende und heiß erwartete Switch-Exclusive Bayonetta 3 nicht mehr die bisherige Synchronsprecherin Hellena Taylor in ihrer ikonischen Rolle als sexy und schlagkräftige Umbra-Hexe Bayonetta verpflichten würde. Stattdessen habe man für die englische Stimme Jennifer Hale gewählt, die vor allem prominent für ihre grandiose Performance als weiblicher Commander Shepard in der Mass Effect-Trilogie ist.

Zum Zeitpunkt der Verlautbarung hieß es bei PlatinumGames lediglich, dass „sich verschiedene überschneidende Umstände“ („various overlapping circumstances“) ergeben hätten, die eine Rückkehr von Hellena als Bayonetta „schwierig“ machen würden.

Eine Woche später hat sich Hellena Taylor via Social Media dann selbst zu den „Umständen“ geäußert und den Vorwurf gemacht, dass PlatinumGames nicht ganz transparent ob ihrer Verpflichtung gewesen sei.

Nicht etwa eine bessere Performance von Hale oder Terminüberschneidungen seien der Grund gewesen, sondern statttdessen ginge es schlicht ergreifend um finanzielle Verhandlungen. In einer Reihe von Videos, die über Twitter online gestellt wurden, behauptete Taylor, dass für die gesamte Sprecharbeit lediglich 4000 US-Dollar angeboten wurden. Für Taylor, die Jahre in die Ausbildung ihres Handwerks investiert habe, sei dieses Angebot eine „Beleidigung“, zumal es sich dabei ohnehin um eine nach oben korrigierte Summe handeln würde, nachdem sie Hideki Kamiya persönlich kontakiert habe und der versprach, sich darum zu kümmern.

Zur Wahl von Jennifer Hale sagte Game Director Yusuke Miyata dem Game Informer (via Kotaku): „Wir hielten Vorsprechen, um eine neue Stimme von Bayonetta zu casten; Wir boten die Rolle schließlich Jennifer Hale an, bei welcher wir das Gefühl hatten, dass sie passend zur Rolle sei (…) Ich verstehe die Bedenken einiger Fans über die Stimmänderung zu diesem Zeitpuntk der Serie, aber Jennifer’s Darbietung lag weit über dem, was wir uns hätten vorstellen können. Ich bin sicher, dass ihre Darbietung von Bayonetta die Erwartungen der Fans übertreffen wird.“ Der Game Informer selbst befand Hale’s Performance wohl wenig unterscheidbar zur bisherigen Stimme von Bayonetta.

Taylor empfindet die ganze Situation als „unmoralisch“, obwohl rechtlich unanfechtbar:

„Manchmal glaube ich, dass ich nicht im geringsten wie Bayonetta bin“, doch bei dieser Sache sagt Taylor, glaube sie, „dass ich vielleicht doch ein mehr sie bin als gedacht“.

Sie ruft die Fans der Reihe zum Boykott auf: „Ich verstehe, dass das Boykottieren dieses Spiel eine persönliche Entscheidung ist, und da sind natürlich jene, die das nicht tun werden. Aber wenn du jemand bist, dem die Menschen nicht egal sind, dem auch die Welt um sich herum nicht egal ist, den es interessiert, wer mit diesen finanziellen Entscheidungen verletzt wird, dann bitte ich dich, dieses Spiel zu boykottieren.“

Taylor wurde ursprünglich für den ersten Teil von 2009 gecastet und durfte dann ihre Arbeit auch beim zweiten Teil von 2014 unter der Schirmherrschaft von Nintendo fortsetzen.

„Ich habe beschlossen, aus Solidarität mit all den Leuten weltweit, die nicht vernünftig für ihre Talente bezahlt werden, dagegen aufzubegehren.“

Weiterhin sagt sie, dass sie Angst habe, auf der Straße zu landen, weil sie mit diesen geringen Honoraren ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten könne. Das habe sie so sehr geängstigt, dass zwischenzeitlich suizidale Gedanken gehabt hätte. Es habe ein Non-Disclosure Agreement, also eine Verschwiegenheitserklärung gegeben, die es ihr verböte, darüber zu sprechen. Doch verbittert sagt sie in ihrem Video: „Ich habe keine Angst vor der Verschwiegenheitserklärung. Ich kann es mir nicht mal leisten, ein Auto zu fahren. Was wollen sie tun? Mir die Kleidung wegnehmen? Viel Glück damit.“

Nintendo und PlatinumGames haben sich nicht offiziell zum Thema geäußert. Doch Hideki Kamiya schrieb via Twitter auf japanisch (automatisch via Twitter übersetzt):

„Sad and deplorable about the attitude of untruth. That’s what all I can tell now.“

„Traurig und bedauerlich, diese Haltung zur Unwahrheit. Das ist alles was ich derzeit dazu sagen kann.“

Zuletzt schrieb er „By the way, BEWARE OF MY RULES“ – also zu Deutsch, „Nebenbei, ACHTET MEINE REGELN“.

Damit verwies er wohl auf seine berüchtigte Haltung, alle zu blockieren, die ihn via Twitter in einer Sprache konfrontieren, die nicht japanisch ist. Man kann also davon ausgehen, dass Hideki Kamiya diesbezüglich nicht zimperlich vorgehen wird.

Obwohl Hellena Taylor ihrer Nachfolgerin alles Gute wünsche, bleibt auch diese Gratulation nicht ohne Seitenhiebe. So habe Haley nicht das Recht zu sagen, sie sei die Stimme von Bayonetta. Sie (also Tayler) habe diese Stimme geschaffen. Sie habe nicht das Recht Merchandise als Bayonetta zu signieren. (…) Der Verrat sei von ihr, von ihr allein ausgegangen. Vermutlich werden sie versuchen ein Spin-Off mit Jeanne rauszubringen, kauft auch das nicht.“

Das letzte Video war an Nintendo, PlatinumGames und alle „Fat Cats“ (ihre Bezeichnung für ausbeuterische Unternehmen) im Allgemein gerichtet.

Ein nicht mehr auffindbarer Post von Hideki Kamiya suggeriert, dass ihr für ihre Arbeit nicht die genannten 4000 US-Dollar, sondern 15.000 angeboten worden seien, dass ihr diese Summe aber nicht ausreichend gewesen sei, weswegen PlatinumGames von einer Weiterverpflichtung absah.

Wie immer, scheint also jede Story zwei Seiten zu haben. Es bleibt offen, wer hier die Wahrheit und Unwahrheit sagt. Prekäre, ausbeuterische Verhältnisse sind zu kritisieren. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob der Aufruf zum Boykott in der Hinsicht gerechtfertigt ist, als dass auch an den anderen Enden Existenzen dranhängen. Und gerade angesichts der Tatsache, dass gerade der erste Bayonetta-Teil unter dem SEGA-Etikett finanziell unter den Erwartungen blieb, hängt auch die Weiterexistenz von PlatinumGames als Second/Third Party Entwickler mit festen Budgets zusammen.

Allerdings äußerte sich Samantha A. Morrison, Casting Director für Sprecherrollen in Titeln wie Vindictus oder dem Rollenspiel Wasteland 3 folgendermaßen zu dem Thema:

„Da werden vermutlich 8.000 – 10.000 Zeilen Dialog im Spiel sein. Gehen wir von einem großzügig bemessenen Durchschnitt von 55 Zeilen pro Stunde aus, dann sind das 165 Stunden an Aufnahmen. Teilen wir das Ganze bei 4000 US-Dollar, dann sind wir bei 25 US-Dollar pro Stunde als Lead Voice Actor Rolle ohne Rücklagen oder Buyout-Optionen. Das ist absolut beleidigend für ein Franchise, welches 450 Mio. + US-Dollar wert ist.“

Sollten die 4000 US-Dollar Honorar für die gesamte Sprecherarbeit also wahr sein, dann wäre das wohl in der Tat ein dreistes Angebot.

Bayonetta 3 soll voraussichtlich am 28. Oktober 2022 für die Nintendo Switch erscheinen. Werdet ihr den Titel aus Arbeitnehmersolidarität boykottieren oder ist euch das Ganze schlicht egal?

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