Videospiele mit Meta-Mechaniken, die die vierte Wand durchbrechen, gibt es mittlerweile einige auf dem Markt: Ein prominenter früher Vertreter ist zum Beispiel das Lovecraft-inspirierte Gamecube-Survival-Horror Eternal Darkness: Sanity’s Requiem – Bei niedrigem Sanity-Pegel erlaubte sich das Spiel zum Beispiel eine Fehlermeldung, die einen Löschbalken aller Speicherstände auf der Memory Card aufzeigte, beim Kampf gegen Scarecrow in Batman Arkham Asylum gibt es einen vermeintlichen Absturz, der zuvor mit Fake-Glitches angedeutet wird. Die Metal Gear Solid Reihe hatte mehrere derartige Spielereien: Beim ikonischen Bosskampf gegen Psycho Mantis musste man zum Beispiel den Controller umstöpseln, damit dieser nicht mehr die „Gedanken“ des Spielers antizipieren konnte. Bei Metal Gear Solid 3 Snake Eater konnte man als Easter Egg einen Antagonisten erledigen, indem man die Systemzeit der PlayStation2-Konsole um eine Woche nach hinten umstellte, und den Boss schlicht an Altersschwäche sterben zu lassen. Während sich mittlerweile nur wenige große Titel noch solche Experimente zutrauen, darf man immer wieder gespannt auf den Indie-Bereich schielen: Hier haben wir in jüngerer Zeit so Vertreter wie Pony Island, ein Spiel, das sich um einen verfluchten Arcade-Automaten dreht und den Spieler mit gefakten Steam-Notifications und Fehlermeldungen glauben lässt, der PC würde verrückt spielen. Triple Take vom 2-Kopf-starken britischen FlyAway Game Studio, bestehend aus Spielentwickler Robert Turner und Komponist Tobias Roberts, mutet auf den ersten Blick wie ein reduziertes reinrassiges Indie-Hüpfspiel mit indiesk minimalistischem Look. Doch schon recht schnell offenbart der Titel noch ganz andere clevere, mitunter geheimnisvolle Qualitäten, die eben doch viel mehr die Kerbe eines Pony Island einschlagen.
Der Geist in der Maschine
Mit unserem simpel aussehenden blockigen Figürchen schließen wir zu Beginn noch ein paar eher einfache Hüpfpassagen ab – Wir springen von Plattform zu Plattform, überwinden stachelige Hindernisse, führen Wandsprünge aus – Jede Passage endet mit einem Zielfähnchen. Der erste Twist ist die namensgebende Mechanik der drei Takes: Jede (sich entwickelnde) Level umfasst 3 Runs – Dabei verändern sich die Stage immer wieder leicht, indem gestrichelte Blöcke mit zunehmenden Durchgängen verschwinden und teilweise neue Hindernisse freilegen oder neue Passagen eröffnen; in der Regel geht die Veränderung mit einem erhöhten Anspruch einher. Die Leveldesigns sind knackig-kompakt und das 3-Run-Prinzip verleitet daher zu einem selbstfordernden „Ah komm, eine Runde geht noch“-Gefühl. Zudem gibt es in einer von drei Stages jeweils eine Schriftrolle, die Zugang zu Boni gewährt.
Dass das aber nur die erste Ebene des Spiels ist, wird nach den ersten paar Runden klar. Ab dann wird es nämlich kompliziert … und meta. Wir bekommen nämlich Nachrichten von einer körperlosen Instanz, die uns dazu anleitet, weiter zu spielen und ihre Anweisungen zu befolgen. Der „Geist in der Maschine“ und auch wir selbst sind offenbar Fremdkörper im Spiel und es scheint, als würde uns die Programmroutine mit aller Macht versuchen wollen, uns aus der Anwendung zu werfen. Das Spiel experimentiert mit kleinen Alternate Reality-Mechaniken: Die Nachrichten, welche uns dieses Etwas sendet, erscheinen über Windows Nachrichten-/Fehler-Fenster. Wir werden teilweise mit dem Namen unseres Rechners angesprochen, manchmal auch mit dem Steam-Username. Das Spiel hüpft in diesen Momenten aus dem Vollbildmodus heraus. An einer anderen Stelle will die Entität hinter dem „Spiel“ uns behindern und löscht die Spielerfigur aus dem Level heraus – Unsere abstrakte Bekanntschaft liefert uns Hinweise, wie wir das wieder beheben können: Nämlich indem wir innerhalb der Windows-Umgebung Ordner passend verschieben, und die Datei mit der Spielerfigur in den ROOM-Ordner verschieben. Etwas später im Spiel will das Programm unsere Eingriffe verhindern und lässt das Spiel im Windows-Modus auf dem Bildschirm umherhüpfen, sodass die Hüpfpassagen zu einer lästigen Angelegenheit werden. Die Art und Weise, wie das Spiel mit diesen Meta-Mechaniken umgeht, kennt man partiell aus den in der Einleitung genannten Titeln, Triple Take setzt das Ganze aber hervorragend um, wenngleich einem manchmal mulmig wird, welche Programmrechte man dem Titel übergeben hat.
Zu guter Letzt gibt es zwischen den Leveln, die über eine Art Oberwelt angewählt werden, immer wieder dauerverregnete Zwischenpassagen, die eine Geschichte erzählen. In diesen Momenten weicht die Plattformer-gängige treibend-fröhliche Chiptune-Musik einem düsteren, melancholischen Ambient-Sound. Wir begegnen merkwürdigen Gestalten wie einem leidenschaftlichen Bürokraten, einem verfressenen Etwas und einer Vogel-ähnlichen Kreatur, mit denen wir interagieren können. Doch nach und nach scheint die Entität, die hinter uns her ist, die wiederkehrenden Bewohner dieser digitalen Ödnis zu korrumpieren. Die Dialoge, die wir mit den Figuren führen, sind quirky und erstaunlich unterhaltsam für ein Spiel dieser Art. Doch während die Stimmung zu Beginn noch entrückt-surreal, aber gleichermaßen witzig anmutet, driftet sie im Laufe des Spiels in dunklere Tiefen.
Die gelungene Balance aus hochwertigem Plattformer (zu diesem Aspekt komme ich gleich nochmal separat), Meta-Alternate Reality-/Hacking-Game in Kombination mit einer melancholisch-alptraumhaften Erzählweise macht Triple Take zu einer befriedigend enigmatischen Sache, die man dem Spiel auf den ersten Blick so nicht zutraut.
Easy to learn, hard to master
Triple Take wird als “2D Precision Platformer” bezeichnet und teilt sich damit ein Genre mit bockschweren Titeln wie Super Meat Boy oder VHS. Folgerichtig geht es auch artstyle-mäßig in diese Richtung, d.h. stilisierte, basale aber charmante 2D-Optik ist hier Thema. Im Gegensatz zu den genannten Vertretern empfand ich Triple Take aber als deutlich zugänglicher, gerade weil die Lernkurve nicht direkt zu Beginn exponentiell ansteigt, sondern einen behutsam mit den Mechaniken vertraut macht. Auch die drei Abfolgen pro Level sorgen dafür, dass man sich schrittweise an die vertrackter werdenden Levelvariationen „gewöhnt“. Durch die erste Welt rusht man noch recht schnell durch, doch spätestens ab der dritten Welt wird es dann doch vergleichsweise fordernd. Jede Welt führt naturgemäß neue Mechaniken und Themes ein – Mit der zweiten Welt etwa werden Feuerelemente hinzugefügt, die dritte Welt fügt dem noch Unterwasserpassagen hinzu, weitere Elemente folgen in den letzten beiden Welten. Es gibt zudem Zwischen- und Endbosse, die ebenfalls nach dem 3-Run-Prinzip bewältigt werden müssen und mitunter ziemlich intensiv werden.
Die Steuerung ist dabei ziemlich präzise geraten und in keinster Weise überfrachtet – Man benötigt nur die Pfeiltasten bzw. D-Pad und Leertaste bzw. Sprungtaste – die Übersetzung der Eingaben erfolgt direkt und auch die Sprungintensität kann mit dem Dauer des Leertastendrucks sehr genau definiert werden. Durch die steile, aber recht lineare Lernkurve wird das Spieltempo auch zunehmend schnell.
Umfangstechnisch wird viel für einen kleinpreisigen Indie-Titel geboten. Jede der insgesamt 5 Welten umfasst 10 Levels á drei Runs, das umfasst m.E. 3 – 5 Stunden Spielzeit. Für die derzeitigen 6,99 EUR die bei Steam verlangt werden, ist das ein ziemlich gutes Preis/Leistungsverhältnis.
Karge Optik, wunderbar treibender Soundtrack
Triple Take setzt weitgehend auf einen kargen Look – Alle Levels sind maximal zweifarbig – Ganz viel schwarz und je nach Welt-Theme wahlweise weiß-, orange-, blau-, grün-, lila. Die zweckmäßigen Schauwerte passen aber zum Retro-Hacking-Vibe des Spiels und vermitteln trotzdem Atmosphäre. Die verregneten Zwischenlevels mit den NPCs und die glitchigen Auseinandersetzungen mit dem Programm setzten dann nochmal eigene Impulse und sorgen für eine surreale Grundstimmung trotz sehr basaler Optik.
Damit geht ein toller Chiptune-Soundtrack aus der Feder von Tobias Roberts, der passend zwischen treibend, bedrohlich und melancholisch oszilliert.
Technisch läuft Triple Take auch auf einfacher Hardware ohne Probleme. Während der gesamten Spielzeit ist mir kein nennenswerter Bug aufgefallen.
Fazit:
Für 6,99 EUR ist Triple Take einfach fantastischer Deal. Die Vermengung von präzisionsbasiertem, fordernden Plattformer-Gameplay, dem 4. Wand durchbrechenden Alternate Reality-/Hacking-Part, bei dem wir tatsächlich innerhalb von Windows Ordner-Strukturen wurschteln und dem merkwürdig surrealen Vibe der Erzählung ist absolut gelungen. Mit den 50 Levels ist man für einen schmalen Taler einige Stunden lang gut beschäftigt, dabei ist die Lernkurve, gemessen am sonstigen Genre-Standard, angenehm zugänglich. Daher, gebt dem Spiel eine Chance. Es ist innovativ und wunderbar spielbar – was kann man mehr wollen?
Bei Steam kaufen:
Triple Take [PC]
Grafik - 6.5
Story - 7
Technik - 8
Umfang - 8
Spielspass - 8.5
7.6
Eine gelungene Mischung aus forderndem Precision Platformer und creepiger Alternate Reality-Meta-Geschichte. Für 6,99 EUR eine empfehlenswerte Erfahrung.