Ich liebe rundenbasierte Taktik-Rollenspiele, aber XCOM habe ich schon x-mal durchgezockt und Marvel’s Midnight Suns lässt noch ein wenig auf sich warten, da muss es doch was geben… Also schmeiß ich die Googlemaschine an und gebe im Adlersuchverfahren „Games like XCOM“ ein und freue mich über die Vorteile, die mir ein Englischstudium so eingebracht hat. Noch mehr freue ich mich darüber, dass ich mit meiner leicht dilettantischen Suche tatsächlich zu Erfolgen komme, denn im Juni 2022 erscheint tatsächlich ein neues Spiel für die Playstation 5: Disgaea 6 Complete. Wenn es da schon vorher fünf Spiele gab, muss es ja offenbar taugen und da es mittlerweile über 30 FIFA Games gibt, weiß ich auch, dass Zahlen irgendwie doch nur Zahlen sind und wage den Einstieg in eine Serie, die offenbar auch ohne mich schon viele Fans hatte. Mal sehen, ob ich in diesen erlesenen Kreis aufgenommen werden will.
Dusseliger, „lebensüberschäumender“ Zombieklamauk
Was isn hier los? Tja, das kommt wohl davon, wenn man in Teil 6 einsteigt. Hauptcharakter Zed befindet sich nämlich direkt im Kampf mit dem obligatorischen unbesiegbaren Bösewicht und zieht nur folgerichtig den Kürzeren. Aber tot sein ist für Zed ein ziemlicher Vorteil, denn der knubbelige Typ mit dem Einhorn ist nicht bloß ein bisschen blass um die Nase, sondern ein waschechter Zombie. Und scheinbar ein Zombie, der Fan von One Punch Man ist, denn er will stark genug sein, um den Gott der Zerstörung zu Klump zu hauen. Praktisch, dass jeder Tod ihn stärker reinkarniert. Erinnert mich an Planescape Torment und das ist nicht nur ein Beleg dafür, dass ich dieses ganze Zockerding schon eine Weile mitmache, sondern auch eine bequeme Erklärung für die Gameplaymechanik. Anders als im Bioware-Rollenspiel erwacht Zed aber nicht nur nach einer Weile erneut, sondern findet sich in einer gänzlich neuen Welt wieder, wenn er sein Unleben aushaucht. So wird im Übrigen auch erklärt, wie Zed immer wieder auf neue Mitstreiter trifft, die sich an ihn und seinen Fluch binden und so ebenfalls in neue Welten hineinstolpern, zusammengehalten nur von einer Hubwelt, die ein bisschen an den Indiehit Hades erinnert. Disgaea 6 ist zwar ein Taktikspiel, dass vor allem auf vorgefertigten Spielbrettern stattfindet, das ganze wird aber tatsächlich durch eine ganze Menge an Dialogen verbunden. Die sind randvoll mit typisch japanischem Manga-Humor. Das kann man lieben, für mich persönlich sind die Autoren ein bisschen zu stolz auf ihre Kalauer. Andererseits hab gerade ich da gut reden… Ob sexistischer Humor noch zeitgemäß ist, ist dann eine weitere Frage, aber das soll lieber jeder für sich selber entscheiden. Die Sprecher legen sich dafür ganz schön ins Zeug und tragen jeden noch so dusseligen Text mit überschäumender Lebensfreude vor. Etwas weniger engagiert sind da übrigens die Kollegen von der Grafikabteilung, denn die Präsentation der zahlreichen Dialoge erfolgt in der Regel in animationsarmen Textfeldern. Erfüllt seinen Zweck, ist aber auch schon tausend Mal dagewesen.
Apropos… Gibt es eigentlich einen Grund, warum besonders japanische Spiele so eigenartige Menüs haben? Textfelder sind optisch total altbacken und haben immer ein bisschen was von Mathebuch und auch hier ist Disgaea eher klassisch eingestellt. Das bedeutet dann auch, dass man jedes mal angeben muss, dass man in einem Kampf-fokussierten Game immer erst auswählen will, dass man überhaupt angreifen will und muss das dann im Nachhinein auch erneut bestätigen. Keine Ahnung wieso man dafür drei einzelne Schritte braucht, weil sich das ohnehin schon langsame Spiel damit noch mehr entschleunigt. Für Genrefans ist das nichts neues, aber das kann man ruhig mal generell hinterfragen. Das gilt übrigens auch für die Tutorials, die wirklich katastrophal sind, denn das Spiel nimmt einem dabei einfach komplett das Gamepad aus der Hand und spielt einem einfach was vor und das muss man dann nachäffen. Ich weiß nicht, ob ich da einfach ein Holzkopf bin, aber ich schalte dabei ab und krieg gar nix mit. Vielleicht bin ich aber auch nur komisch, weil ich in meinem Videospielen halt auch gerne selbst spielen mag. Eine interessante Ausnahme zu dem Kritikpunkt bildet übrigens die Hubwelt. Die ist nämlich auch eigentlich nur ein bespielbares Menü, dafür aber umso charmanter.
Taktischer Tiefgang mit sperrigen Menüs
Hat man sich das Spielen einmal vorzeigen lassen, geht’s ans Eingemachte. Neben den Dialogen auf die man, ganz klassisch JRPG, nicht einwirken darf, findet das eigentliche Spiel in kleinen Instanzen statt. Diese sind meistens schön gestaltete Maps in isometrischer Perspektive. Neben den Gegnern trifft man hier auch gelegentlich auf Felder, die Stats beeinflussen, muss um unbetretbare Felder herumnavigieren oder Höhenunterschiede geschickt ausnutzen. Die eigenen Charaktere haben dabei in jeder Runde eine Aktivierung für Bewegung und eine für eine Angriffsaktion. Hier gibt es viele Ideen und Ansätze, wo Disgaea 6 glänzt. So wird einem beispielsweise nicht nur angezeigt, in welchem Radius sich der eigene Charakter bewegen kann, man kann gegebenenfalls auch Bewegungen nachkorrigieren und beugt so Frust vor. Wie man sich positioniert ist nämlich aus verschiedenen Gründen eine der wichtigeren Entscheidungen, die man als Spielende:r treffen muss. Angriffe haben nämlich unterschiedliche Reichweiten und Partymitglieder unterstützen sich bei Angriffen gegenseitig durch passive Boni, wenn sie Seite an Seite kämpfen. Das lässt eine gewisse Flexibilität zu, denn man kann sich auch aussuchen, ob man seine Aktion direkt ausführen will oder wartet bis man alle seine Helden in Position gebracht hat und dann zur selben Zeit mit dem gesamten Team zuschlägt. Tiefgang ist dabei also durchaus vorhanden, er verbirgt sich nur unter zu vielen Tastenkommandos. Will man beispielsweise einfach nur einen einzelnen Gegner angreifen, muss man erst auf dem Spawnpoint den passenden Charakter herbeirufen, ihm dann den Bewegungsbefehl geben, ihm dann sagen man wolle angreifen und dann auch nochmals das Ziel bestätigen. Einfach Gegner anklicken und angreifen ist nicht und nimmt so ganz schön viel Tempo aus dem Game. Schlimmer wird das noch, wenn man einen Spezialangriff anwenden will, die kommen nämlich immer mit einer eigenen Videoanimation daher. Die ist ganz cool und lässt sich auch schnell überspringen, aber auf der Karte fehlt ein saftiges Trefferfeedback. Zerstörbare Umgebung oder Interaktionmöglichkeiten außerhalb des Kampfes sucht man vergebens.
Dazu kommt die wirklich völlig unnötige Überfrachtung. Alle Zahlen sind übertrieben groß! Schon auf der ersten Stufe machen Angriffe fünfstelligen Schaden. Mathenulpen wie ich verlieren da schnell den Überblick, zumal das Vergleichen der Ausrüstung auch wieder hinter mehreren Bildschirmen versteckt ist und ich die dann erst suchen muss und dann überlegen muss, ob sich die 12000 mehr Schaden überhaupt lohnen. Und muss ich wirklich über 90 gleichzeitig aktive Quests haben? Das ist Content, aber inhaltlich total leer, das kann man ersatzlos streichen und es würd‘ keinem auffallen, zumal die Quests praktisch ausschließlich Dinge sind, die man eh nebenher macht und die kreativ selten über „Töte 3 Diebe“ hinausgehen.
Technisch gibt es auf der PS5 keinen Grund zu meckern. Der Artstyle geht in die Chibi-Richtung, ist aber charmant. Die Videos der Spezialangriffe sind bombastisch inszeniert und lassen sich bei Bedarf beschleunigen. Scheinbar ist Disgaea 6 auch der erste Teil, der 3D-Modelle benutzt und das steht dem Spiel gut zu Gesicht, denn die Modelle können locker mit den alten Sprites mithalten und wirken zeitgemäß. Etwas weird ist meiner Meinung nach der Sound. Es gibt zahlreiche Songs, aber ob jazziger Singsang unbedingt der passende Sound ist, ist vielleicht Geschmackssache. Ist aber gut umgesetzt. Und zugänglich, denn die Disgaea 6 Complete Edition gibt es für Playstation 4, Playstation 5, Nintendo Switch und Windows Rechner.
Fazit:
Disgaea 6 Complete kommt als Mischung aus JRPG und Taktikspiel daher und überzeugt mit weirdem Humor und Tonnen an Content! Humor ist bekanntlich Geschmackssache, ich denke, der klamaukige Erzählton wird auf jeden Fall seine Anhänger finden. Ansonsten hat Disgaea 6 spielerischen Tiefgang und erfordert taktische Raffinesse, verbirgt aber seine spielmechanischen Glanzmomente hinter altbackenen Menü-Strukturen, die eine ganze Ecke zu traditionsbewusst anmuten. Hier könnte Nippon Ichi Software vielleicht ansetzen und sich auch bei den westlichen Kollegen umschauen, um bei künftigen Ablegern ein etwas flowigeres und intuitiveres Handling zu liefern, das spielmechanisch in unser Jahrzehnt passt. Überzeuge ich summa summarum damit Battle Royale-Fans mal ein anderes Genre zu probieren? Nö, aber Fans der Reihe oder des Genres machen hier definitiv keinen Fehlkauf!
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Fazit
Grafik - 7
Story - 7.5
Technik - 7
Umfang - 10
Spielspaß - 7.5
7.8
Disgae 6 kommt als Mischung aus JRPG und Taktikspiel daher und überzeugt mit weirdem Humor und Tonnen an Content! Überzeug´ ich damit Battle Royale-Fans mal ein anderes Genre zu probieren? Nö, aber Fans der Reihe oder des Genres machen hier keinen Fehlkauf!