Game Review: House of the Dead: Remake für Nintendo Switch und PlayStation 4 im Vergleich – Splattriges Rail Shooter-Urgestein modernisiert

Urlaub im Fischerdörfchen an der polnischen Ostsee: Mein ca. 10-jähriges Ich flaniert in den frühen 00er Jahren die Hauptstrasse entlang – Es riecht nach Meer, nach den Kiefernwäldern, die vor den Dünen liegen. Die Stände an den Strassen bieten Waffeln („Gofry“), sich hoch türmendes Softeis („Świderki“), Bernstein-Schmuck und allerlei Plastik-Ramsch „Made in China“ an. Zwischen den vielen Restaurants gibt es immer wieder kleine Spielhallen, die mich schon seit jeher faszinierten: Mit Airhockey und einer illustren Auswahl an Arcade Cabs von SEGA und Namco, habe ich hier viel Zeit verbracht und viel zu jung das Lightgun-Genre zu lieben gelernt: Rail-Shooter wie Virtua Cop, Time Crisis und vor allem House of the Dead haben meine 2 Zloty-Stücke in großen Mengen gefressen. Damals flimmerte vor allem der zweite Teil der Zombie- und Dämonen-Schlachtplatte über die Bildschirme. Später habe ich den zweiten Teil auch sehr gerne in einer akkuraten Dreamcast-Umsetzung auf der heimischen Röhre gespielt. Vor allem hat es mir die hohe Bandbreite an grotesken Monstern, der Splatter und die cheesige und doch ziemlich dichte B-Movie Atmosphäre angetan. Warum die Referenz auf den Polen-Urlaub? Weil das polnische Entwicklerstudio MegaPixel Studio SA mit dem Publisher Forever Entertainment, beide beheimatet in der Hafenstadt Gdingen, den ersten Teil der House of the Dead-Reihe als Remake zunächst für die Nintendo Switch (Release: 7. April 2022) und jüngst auch für PlayStation 4, Xbox One, PC und Stadia (28. April 2022) herausgebracht hat. Der erste Teil kam ursprünglich 1996 in die Arcade-Hallen und wurde dann 1998 von Tantalus für Sega Saturn (die sich bereits am Ende ihres Lebenszyklus befand) und PC portiert. Insofern ist der ungespielte Erstling innerhalb der Serie eine kleine Obskurität für mich. Forever Entertainment hat uns die Nintendo Switch- und die PlayStation 4 Fassung des Remakes zur Verfügung gestellt, die wir folgerichtig natürlich miteinander vergleichen müssen.

Trashiger 90er Jahre B-Movie Plot

Der renommierte, aber ganz offensichtlich größenwahnsinnige Biochemiker und Genetiker Dr. Curien hegt eine ungesunde Faszination für die Natur von Leben und Tod. Zunächst unterstützt von einer Riege von Kollegen und mit finanziellen Mitteln der ominösen DBR Corporation ausgestattet, wird seine Forschung zunehmend furchteinflößender und bar jeder ethischen Vorgaben. Es kommt wie es kommen muss: In seiner Einrichtung, dem Curien Anwesen, kommt es zu einem Ausbruch. Die Toten kehren zurück.

© Forever Entertainment © SEGA

Dezember 1998: Der AMS Agent Thomas Rogan erhält einen verzweifelten Anruf von seiner Verlobten Sophie Richards. Quelle des Anrufs ist das besagte Anwesen von Dr. Curien. Zusammen mit seinem Partner „G“ fliegt Rogan nach Europa, nur um schließlich das Herrenhaus von Zombies und einer Reihe anderer Monstrositäten überrannt zu sehen. Ein dem Tode geweihter Mann überreicht uns mit letzter Kraft ein Journal, das eine Übersicht über Curien’s Kreationen und ihre Schwächen enthält sowie ein Foto von Personen, die es zu retten gilt. Als wir schließlich Sophie erreichen, wird diese im letzten Moment vom Gargoyle-artigen Hangedman gekidnappt und verschleppt. In insgesamt vier Akten müssen wir also gegen allerlei normalgroße und größere dämonische oder untote Widersacher antreten, um im großen Finale gegen Curien’s Meisterstück anzutreten. Ein psychokinetisch begabtes Monstrum, das sich in bester Frankenstein-Manier gegen seinen Schöpfer erhebt.

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Die Story ist zweckmäßiger Trash, ganz klare Sache und wurde gegenüber dem Arcade-Original auch in keinster Weise verändert. Die Lore wird nicht weitergespannt und es gibt auch keine besonderen Twists. Was hingegen bleibt sind die multiplen Wege, die wir einschlagen können und die drei Enden. Selbst inszenatorisch hält man sich sklavisch an das Original, wenn man Vergleichsvideos nebeneinander stellt. Insofern ist House of the Dead: Remake vor allem im technischen Sinne ein Remake, nicht aber inhaltlich. Das kann man kritisieren, oder aber wohlige Nostalgie hierbei empfinden. Denn selbst das neu eingesprochene Voice Acting und die cheesy Regie wirken, als hätte man hier beinahe einen merkwürdig gut ausschauenden, hochskalierten Dreamcast-Titel vorliegen.

Alles neu macht der April

Mit „merkwürdig gut“ meine ich dann aber schon, dass MegaPixel und Forever Entertainment hier tolle Arbeit geleistet haben. Grafisch und auditiv mag House of the Dead: Remake vielleicht keine Big Budget-Augenweide mit saftigem High End Sound sein, aber man hat den Artstyle des Erstlings wirklich gut in die Moderne rübergehievt. Das heißt: Sowohl die Umgebungen, als auch die Modelle der sprintenden Zombies, hünenhaften Dämonen und grotesken Tiermutationen atmen die Luft der Originale, haben aber natürlich spürbar mehr Details und Animationsphasen. Die einzelnen Gegnertypen sind schön individuell, haben ordentlich Persönlichkeit und weisen alle ihre eigenen Moves auf – vom dicken Wanst, der mit explosiven Fässern hantiert, zum messernden Trenchcoat-Zombie (aka Type E-2 aka Drake). Eine Kreaturen-Bibliothek ist natürlich mit an Bord. Die Set Pieces sind abwechslungsreich und machen Laune. Und seien wir ehrlich, selbst wenn man als Fan noch ein Sega Saturn angeschlossen hat: Die Visuals und vor allem die gnadenlos ruckelnde Framerate des Originals konnten noch nie mit dem Model 2-basierten Automaten mithalten. Insofern ist das Remake die Go-to Variante für den heimischen Genuss des Erstlings. Das haben die Jungs und Mädels von MegaPixel Studio aber auch schon bei der anderen SEGA-Neuinterpretation von Panzer Dragoon gut hingekriegt.

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Die Switch Version sieht dabei in Anbetracht des Systems recht gut aus: Natürlich gibt es hier und da ein paar Framerate-Einbrüche, aber im Großen und Ganzen läuft das Ding sowohl im Docked-Modus, als auch im Handheld-Modus ordentlich. Dafür gibt es dann nämlich auch den Quality- und Performance-Modus: Im Qualitäts-Modus sind die Schatten- und Lichteffekte natürlich expressiver und stimmungsvoller, der Performance-Modus liefert demnach eine weniger creepige Stimmung, sorgt aber bei der Highscore-Jagd für beständigere, weil präzisere Resultate. Dass die PlayStation 4 (und damit repräsentativ auch PC und Xbox One) natürlich bessere Ergebnisse erzielt, dürfte klar sein, dazu komme ich später aber explizit nochmal.

Was ist noch neu? Es gibt verschiedene zusätzliche Modi und Schwierigkeitsgrade, die das Spiel schwierigkeitstechnisch ausbalancieren: Es gibt jetzt den Classic-Modus, der eine klassische (unbarmherzige) Arcade-Erfahrung suggerieren will und es gibt einen Story-Modus, der nochmal in Einfach, Normal und Schwer gesplittet wird. Damit dürften auch schnell frustrierte Spieler*innen bei der Stange gehalten werden können. Es gibt neue Waffen freizuschalten, wenn man das Spiel mit bestimmten Bedingungen durchspielt (etwa alle Wissenschaftler im Durchgang rettet), es gibt einen lokalen Multiplayer-Modus für zwei Spieler, der sehr viel Spaß macht und moderne Essentials wie Erfolge, einen Fotomodus und Online Scoreboards. Ein vollständig neuer Spielmodus ist der Horden-Modus, der die Anzahl der Widersacher auf ein fast absurd hohes Maß bringt. Da man aber hier gleichzeitig deutlich mehr Punkte sammelt, ist es in diesem Modus einfacher, das gute Ende zu erhalten. Auch beim Scoring gibt es die Classic-Variante und eine „moderne“ Variante, bei der sich Kills zu Comboketten verbinden lassen, um die Punktzahl mit entsprechenden Multipliern zu erhöhen.

Der kompakte Arcade-Kern bleibt allerdings: 4 Kapitel mit je einem Bosskampf zum Schluss, bei dem es jeweils gilt, die vorher dokumentierte Schwachstelle zu treffen. In der Regel ist der Spaß also in ca. 40 – 60 min durch. Das ist natürlich ungemein kurz, selbst für einen Budget-Titel, der aktuell 24,99 EUR kostet. Allerdings gibt es eben doch einen gewissen Wiederspielwert – bis man alle Pfade ausgelotet hat und alle drei Enden erspielt hat, dürften doch einige Stunden vergehen. Natürlich wäre es cooler oder vielleicht auch sinnvoller gewesen, wenn man das mit dem zweiten Teil, der ebenfalls geplant ist, gebundelt hätte. Aber andererseits ist es das Spiel m.E. auch so wert. MegaPixel und Forever Entertainment sind offenbar Fans der Reihe und haben das Spiel gut und originalgetreu geremakt. Es ist ein kleines Studio und die grundsolide Arbeit verdient Anerkennung.

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Gyroskopische Sensoren der Joycons sind kein adäquater Lightgun-Ersatz

Auf die Switch-Version habe ich mich tatsächlich gefreut, weil ich dachte, der Gyroskop-Sensor der JoyCons würde ähnlich okay funktionieren wie die Wiimotes oder die PlayStation Move-Controller bei House of the Dead: Overkill. Leider gibt es da ein Manko: Die Bewegungen der Gyro-basierten JoyCons werden zwar besser umgesetzt als auf der Motion Plus Wiimote, gleichzeitig fehlt aber die Sensorbar, durch welche der Controller im Raum trackt, wo die Position des Fernsehers/Monitors ist. Der fehlende Referenzpunkt spiegelt sich allerdings in permanenten hektischen Neuausrichtungen des Fadenkreuzes wider, den man immer wieder mit dem linken Analogstick nachjustieren muss. Da ist weit entfernt vom brachialen Spaß, den man mit richtigen Lightguns haben kann.

Ansonsten gibt es auch andere Optionen: Man kann vollständig mit den Analogsticks spielen und dabei variabel die Sensitivität einstellen. Und man kann semi-cheaten, indem  man die Nachladezeit auf 0 runtersetzt und wie mit Dauerfeuer-Taste früher durchballert. Es gibt also viele Optionen, keine davon fühlt sich aber so richtig befriedigend an.

(Disclaimer: Das verlinkte Video stammt nicht von uns, sondern vom Kanal Cycu1)

Unterschiede zwischen Nintendo Switch und PS4/Xbox One/PC-Fassungen

Ich habe mir von der PlayStation 4-Fassung tatsächlich erhebliche optische Verbesserungen versprochen. Die fallen im Vergleich zur Switch-Fassung aber tatsächlich marginal aus. Die Auflösung ist höher, die Texturen knackiger, die Framerates sind höher – die Farben ein bisschen blasser, weshalb das Spiel einen weniger cartoonig anmutenden Touch hat. Tatsächlich gibt es aber auch hier Framerate-Drops auf unter 40 FPS, was bei einem Spiel dieses Kalibers auf der immer noch deutlich potenteren PlayStation 4 Hardware eher nicht passieren sollte. Ähnlich wird das vermutlich bei der Xbox Fassung ausfallen. Die PC-Fassung hat dabei die Nase vor und sieht optisch am schönsten aus. Inhaltlich bleiben die Titel gleich – Warum die PlayStation Fassung aber dennoch schwerst interessant ist: MegaPixel Studio und Forever Entertainment haben bereits angekündigt, dass mit  kommenden Updates die PlayStation Move-Unterstützung implementiert werden soll und damit klassische Bewegungssteuerung auch auf der „großen“ Konsole Einzug erfährt. Das ist für mich dann auch das zentrale Killer-Argument, warum potentielle Interessenten mit PlayStation 4 am ehesten zu dieser Fassung greifen sollten. Sobald das Update kommt, wird auch diese Passage hier entsprechend aktualisiert.

Fazit:

Ich mochte House of the Dead: Remake trotz seiner doch eklatanten Schwächen. Forever Entertainment und MegaPixel Studio zeigen Herzblut bei der Neuauflage und haben den campigen Splatter audiovisuell schön in die Moderne gehievt, gleichzeitig hat man sich aber sklavisch an die altbackene Regie und das alte Pacing gehalten – insofern liegt das Spiel eher im Dunstkreis zwischen Remaster und Remake. Klar, die Story ist Trash und das Spiel ist kurz: Trotzdem habe ich mich immer wieder rangewagt, um den Score nochmal ein bisschen in die Höhe zu treiben. Besser als die Sega Saturn-Fassung ist das Ding allemal und angesichts der Tatsache, dass mangels alter Assets ein Remaster nicht ohne weiteres realisierbar wäre, bin ich Forever Entertainment doch dankbar für ihre Arbeit. Die eklatanten Schwächen sind aber nicht zu vernachlässigen, weil doch schwerwiegend: Die Gyroskop-Steuerung der JoyCons, auf die ich mich gefreut hatte, ist recht unbrauchbar, weil mangels Sensorleiste das Tracking nicht ohne weiteres funktioniert. Für Highscore-Jäger bleibt also faktisch nur die Steuerung via Analogsticks. Hier hoffe ich ein bisschen auf die PlayStation 4-Fassung, die ein Move-Controller Update bekommen soll. Aktuell ist die PS4-Fassung audiovisuell nur marginal besser und ein eher schwacher Port, der Patch könnte aber bei der Wahl aber tatsächlich ein Game Changer sein.

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House of the Dead Remake [PlayStation 4/Nintendo Switch]

GRAFIK - 6.5
TECHNIK - 6
UMFANG - 5.5
HANDLUNG - 6.5
GAMEPLAY - 6

6.1

House of the Dead Remake ist eine aufrichtige Neuauflage, der man die Liebe zum Original anmerkt. Visuell und inszenatorisch gleichzeitig bewusst old schoolig, und dennoch schön in die Moderne gehievt. Leider funktioniert die Switch Gyro-Steuerung gar nicht gut. Der an sich faule Port für die PlayStation 4 hat durch die angekündigte Move-Unterstützung aber noch das Potential eine spaßige Sache zu werden.

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