Game Review: Karma – The Dark World für PC (Steam Deck) und PlayStation 5 – Mindfuck Sci-Fi Dystopie zwischen Lynch und Philip K. Dick

Ich durfte eine recht frühe Version von Karma – The Dark World bereits voriges Jahr auf der Gamescom 2024 (Bericht hier) zocken und schon da war ich recht angetan von der düsteren Dystopie, die vor engmaschig verwobenenen Referenzen nur so triefte. Und auch die erweiterte Steam Next-Demo, die irgendwann Anfang des Jahres veröffentlicht wurde, hat mir ausnehmend gut gefallen.

Nun ist Karma – The Dark World seit dem 27. März 2025 für PlayStation 5 und PC erhältlich und der Psychological Horror-Titel der chinesischen Entwickler*innen vom Pollard Studio macht keinen Hehl daraus, vor welchen Werken es sich verneigen will – ob es nun George Orwell’s vielfach rezipierter Romanevergreen „1984“ ist, die düster-paranoide Sci-Fi eines Philip K. Dick, die visuellen Set Pieces von Twin Peaks, das jüngere Oeuvre von Remedy – hier vor allem Control und Alan Wake 2 – oder aber der Genre-prägende Stil des spielbaren Teasers zu Silent Hills, der seinerzeit für Furore sorgte.  Karma zeigt sich als popkulturell eklektische Walking Sim, die erzählerisch einige Dinge richtig macht und mich positiv an das ähnlich gelagerte „Nobody Wants to Die“ erinnert. Aber der Reihe nach.

Getestet wurden im Rahmen der Berichterstattung sowohl die PlayStation 5-Version, deren Key wir dankenswerterweise von Marchsreiter Communications erhalten haben, als auch die Steam Version, die wir von Wired Productions bereitgestellt bekommen haben, und die wir auf dem Steam Deck getestet haben (das Spiel ist nicht Steam Deck-verified, läuft aber weitgehend solide, dazu aber später mehr).

Verkopftes und enigmatisches Storytelling – ganz im Sinne eines David Lynch

Karma – The Dark World spielt in einer alternativen Version Ostdeutschlands. Diese fiktionalisierte Version ist aber gefühlt noch weitaus restriktiver und finsterer als es die reale sozialistische Republik bisweilen zu sein schien (ohne hier selbstredlich die negativen Aspekte negieren zu wollen). Denn es ist nicht etwa die SED oder die Staatsicherheit, die hier über ihre Bewohner wacht, sondern ein Megakonzern namens Leviathan. Und ganz im Orwell’schen Stil verfügt auch die Leviathan Corporation analog zum „Big Brother“ über eine omnipotente, allsehende Entität namens „MUTTER“eine KI, die über alles Handeln wacht. Der Konzern Leviathan hat der Gesellschaft nach einem fürchterlichen Krieg, der im Laufe der Handlung aber nur vage angedeutet wird, Hoffnung und Stabilität gebracht. Dafür fordert der Konzern von allen Akteuren aber auch bedingungslose Unterwerfung. Ob es nun Arbeit, Politisches oder das Private ist – alles hat sich Leviathan unterzuordnen. Die Mitglieder der Gesellschaft sind Leibeigene – es gilt absurde Quoten zu erfüllen und nur eine blaue Substanz, die schwerstabhängig macht, hält die Maschinerie am Laufen. Wer nicht liefert, wird im sozialen Ranking herabgestuft.

Auf kreative Weise können wir zu Beginn unsere präferierten Einstellungen festlegen. Die KI MUTTER regelt schon alles für uns. (Screenshot auf dem Steam Deck aufgenommen)

© Wired Productions

Auf kreative Weise können wir zu Beginn unsere präferierten Einstellungen festlegen. Die KI MUTTER regelt schon alles für uns.
(Screenshot auf dem Steam Deck aufgenommen)
© Wired Productions

Wir als Spieler*innen schlüpfen in die Rolle von Daniel McGovern – oder weit weniger persönlich auch als  ID#8490 bekannt – wir sind ein sogenannter ROAM Agent für das Leviathan-eigene Gedankenbüro. Unsere Aufgabe ist es, in bester Psychonaut-Manier in die Gedanken und Erinnerungen von vermeintlich kriminellen Subjekten einzudringen, um die gewonnen Erkenntnisse für Verhöre zu nutzen. Natürlich geht es primär darum, Dissidenten und andere Widerständler ausfindig zu machen, die Leviathan schaden könnten. Im Laufe des Spiels gibt es immer wieder kleine Einblicke in Daniels kaputte Kindheit – seine Biografie hat schließlich dazu geführt, dass er schon in jungen Jahren für Leviathan rekrutiert und von MUTTER indoktriniert werden konnte. Das alles klingt zwar noch in klassischster Weise dystopisch, doch KARMA – The Dark World zeigt sich von Anfang an erzählerisch verkopft und ambitioniert.

Karma verknüpft das Bild einer zutiefst repressiven Gesellschaft mit einer depremierenden Symbolik (Screenshot auf dem Steam Deck aufgenommen)

© Wired Productions

Karma verknüpft das Bild einer zutiefst repressiven Gesellschaft mit einer depremierenden Symbolik, allerdings ist das ostdeutsche Setting insofern unnötig, weil Karma auch an einem komplett fiktionalen Ort stattfinden könnte. Der reale Bezug schmälert eher die Authentizität der Spielwelt..
(Screenshot auf dem Steam Deck aufgenommen)
© Wired Productions

Zu Beginn des Spiels – die Handlung setzt in den 1980er Jahren in Deutschland ein – wachen wir in einem Krankenhausbett auf. Der Protagonist zeigt sich anämisch und desorientiert – an unseren abgemagerten, bleichen Armen sind über eine spezielle Vorrichtung maschinell anmutende Schläuche fixiert, die nicht näher definierte Drogen in unsere Blutbahnen pumpen. Panisch reißen wir diese raus. Das weiße Bettlacken wird von dunklem Blut besudelt. Als wir in den Spiegel blicken, erscheint uns unser blutleeres Angesicht unvertraut. Eine Amnesie offenbar. Und auch ein Blick aus dem Fenster lässt an unserem gesunden Verstand zweifeln: Immer wieder flackern Artefakte wie Straßenschilder und Autos an der Straßenkreuzung auf, die vorher nicht dagewesen sind. Wie ein Fehler in der Matrix. Nehmen wir hier einen Einbruch der Unwirklichkeit, oder vielmehr der Wirklichkeit wahr? Wir beschließen instinktiv die Flucht: Der Weg führt uns durch eine verschachtelte Fabrikanlage. Der Anblick ist furchterregend: Körper werden hier in Behältnissen herangezüchtet, überall stapeln sich entmenschlicht wirkende Leichen aus scheinbar vorangegangenen Experimenten, die auf die Entsorgung warten.             Wir treffen auf einen alten Mann im Rollstuhl, der uns mitteilt, dass wir unsere „wahren Erinnerungen“ finden müssten – die Tatsache, dass wir hier stünden, würde bedeuten, dass wir eine Mission haben. Das Licht verfärbt sich rot – wir fallen in einen endlosen Schacht, und wachen in der „Dunklen Welt“ auf – eine surreale Zwischenebene, die wie ein Hub für Erinnerungen funktioniert – hier stoßen wir erstmalig auf die Fähigkeit, die Gedächtnisfragmente in Kassettenform über ein Diktiergerät-ähnliches Tool abzuspielen.

Das ostdeutsche 1984 in Karma - The Dark World ist ein grünstichiger, retrofuturistischer CRT-Alptraum (Screenshot auf dem Steam Deck aufgenommen) 

© Wired Productions

Das ostdeutsche 1984 in Karma – The Dark World ist ein grünstichiger, retrofuturistischer CRT-Alptraum
(Screenshot auf dem Steam Deck aufgenommen)
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Zeitsprung ins Jahr 1968 zu den Anfängen unserer Karriere als ROAM Agent: Auf kreative Weise veranlasst uns das Spiel hier unsere präferierten Einstellungen festzulegen, indem die KI MUTTER uns dazu auffordert, uns einem Kalibrierungsprozedere zu unterwerfen.

Immer wieder finden wir auch Dokumente, in denen auf einen verheerenden Krieg verwiesen wird. Leviathan nimmt diesen als wesentlichen Legitimationsgrund für die eigene Propaganda. (Screenshot auf dem Steam Deck aufgenommen)

© Wired Productions

Immer wieder finden wir auch Dokumente, in denen auf einen verheerenden Krieg verwiesen wird. Leviathan nimmt diesen als wesentlichen Legitimationsgrund für die eigene Propaganda.
(Screenshot auf dem Steam Deck aufgenommen)
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Danach gibt es einen abermaligen Zeitsprung ins Jahr 1976, das vierte Jahr von Daniel als ROAM Agent, wo wir mit einem frühen Fall konfrontiert werden: Unser Auftrag besteht darin, dass wir in die Gedanken eines Mannes und Wissenschaftlers namens Sean Mendez hineinschlüpfen. Dieser wird verdächtigt, vertrauliche Informationen seines Arbeitgebers, dem ebenfalls zu Leviathan zugehörigen Winston Forschungsinstitut, gestohlen zu haben. Es ist der Leiter des Winston Research Institutes höchstselbst, Frank Ebert, der uns empfängt und zu Mendez lotst. Ab dem Verhör und dem dazugehörigen „Dive“ in die Erinnerungen von Mendez nimmt das Spiel inszenatorisch ordentlich Fahrt auf: Denn hier nehmen wir buchstäblich die Perspektive eines geknechteten, in Ungnade gefallenen Leviathan-Mitarbeiters ein, welchem nicht nur der Job, sondern auch familiäre Probleme mehr und mehr zu schaffen machen. Wir laufen durch retrofuturistische Großraumbüros mit klobigen Desktoprechnern und flimmernden, grünstichigen CRT-Monitoren – unsere Kolleg*innen werden als NPCs mit aufgeschraubten Monitoren als Köpfen repräsentiert, die immer wieder ihre Loyalität zu Leviathan bekunden. Dessen Losung „Obey“ – „Gehorche“ prankt in den Hallen. Wir sind Wissenschaftler, aber wurden scheinbar wegen eines Verstoßes gegen eine Policy von Leviathan degradiert und müssen nun monoton durchgängig Dokumente abstempeln – nur die blaue Substanz lässt uns weitermachen. Richtig beklemmend wird es aber, als ein groteskes, humanoides Monster auftaucht und uns verfolgt – wir fliehen durch verwinkelte Gänge und mit Weihnachtsbeleuchtung dekorierte Belüftungsschächte. Es wird hier nicht ganz klar, ob wir es hier mit etwas Realem zutun haben, oder doch nur Seans instabiler, überlasteter Psyche.

In unserem ersten Fall werden wir auf Sean Mendez angesetzt, der verdächtigt wird, Informationen seines Arbeitgebers, des Leviathan-nahen Winston Instituts gestohlen zu haben...(Screenshot auf dem Steam Deck aufgenommen) 

© Wired Productions

In unserem ersten Fall werden wir auf Sean Mendez angesetzt, der verdächtigt wird, Informationen seines Arbeitgebers, des Leviathan-nahen Winston Instituts gestohlen zu haben…
(Screenshot auf dem Steam Deck aufgenommen)
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Überhaupt ist die „unzuverlässige Erzählerstimme“ ein Kniff, der sich permanent durch Karma hindurchzieht. Und Sean ist hier nur der Anfang. Es gibt insgesamt ein überschaubares Figurentableau, aber die einzelnen Episoden und ihre Gedankendives sind erzählerisch hervorragend miteinander vernetzt – es geht stets um ein großes Ganzes, eine groß angelegte Verschwörung und um eine merkwürdige Substanz namens „Dasein“ (die auch im Englischen die deutsche Bezeichnung hat), mit der auch Daniel selbst in irgendeiner Form infiziert zu sein scheint. Das Writing ist enigmatisch, tatsächlich in nicht unerheblichem Maße auch politisch und damit mutig angesichts der politischen Realitäten der aktuellen Weltlage – Der Vibe ist philosophisch, poetisch verdichtet und ein hervorragender Mindfuck  – ich kann nicht behaupten, dass ich am Ende alles verstanden habe – aber das Gefühl und die zentralen Story-Eckpfeiler sind dann doch irgendwie greifbar und treiben voran. Damit sind die Autoren gar nicht so weit weg von ihrem Vorbild David Lynch, der zu Lebzeiten ebenfalls mit der Ungreifbarkeit und der traumhaften Verrätselung seiner Narrative gearbeitet hat. Gerade zu Beginn wird auch gerne mit visuellen Motiven aus dem Lynch-Repertoire gearbeitet. Die familiären Probleme von Sean werden in einem surrealen Setting inszeniert, das stark an den Roten Raum in der schwarzen Hütte („Black Lodge“) der Fernsehserie Twin Peaks erinnert. Die Wände sind ebenfalls mit schweren, purpurroten Samtvorhängen gesäumt, der Boden schwarz-weiß gemustert. Der symbolische Gehalt von Karma – The Dark World wirkt zwar manchmal ein bisschen zu sehr aus popkulturellen Versatzstücken zusammengewürfelt, bewahrt sich aber soviel kantigen, literarisch anmutenden Eigencharakter, dass der Wiederspielwert von Karma – The Dark World insgesamt recht hoch ist.

Seans dysfunktionale Psyche erinnert an die Black Lodge aus David Lynch's Kultserie Twin Peaks (Screenshot auf dem Steam Deck aufgenommen) 

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Seans dysfunktionale Psyche erinnert an die Black Lodge aus David Lynch’s Kultserie Twin Peaks
(Screenshot auf dem Steam Deck aufgenommen)
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Kritik anbringen würde ich allerdings am ostdeutschen Setting generell: Bereits KONAMIs kostenloses Silent Hill – The Short Message arbeitete mit der fiktionalen deutschen „Kettenstadt“ als Location, konnte dabei aber leider kein spürbares Gefühl für deutsche Architektur, Namensgebungen oder kulturelle Eigenheiten vorweisen. Dasselbe Problem sehe ich hier: Ich bin mir bewusst, dass man im Ausland mit Ostdeutschland die Geschichte der DDR, die Ästhetik des sozialistischen Realismus, brutalistische Bauten und ein repressives Staatssystem assoziiert – quasi ideal für eine alternativhistorisierende Dystopie. Aber leider passt der ganze Erzählton, das Environmental Storytelling und die Charaktere in Karma – The Dark World nicht so ganz in eine kohärente, realsozialistische Alternativversion Ostdeutschlands. Das nagt ein bisschen an der Immersion im Sinne eines Worldbuildings mit Authentizitätsanspruch.

Cineastische Walking Sim mit haptischen Ungereimheiten

Spielerisch hat mich Karma – The Dark World vor allem an zwei Titel der jüngeren Zeit erinnert: Einerseits das ebenfalls ziemlich gute Nobody Wants to Die, andererseits an das bereits genannte Silent Hill – The Short Message.

Ähnlich wie die beiden oben genannten Genre-Vertreter ist Karma – The Dark World vor allem eine Walking Sim, die aus der First Person-Ansicht stattfindet. Die Geschichte ist durchweg cineastisch inszeniert – wir bewegen uns mitunter durch Umgebungen, die den Erinnerungen derjenigen entstammen, die wir als Agenten des Gedankenbüros verhören. Aber auch unsere eigenen Erinnerungen sind immer wieder Teil des strukturellen Aufbaus.

Das Gameplay ist genre-typisch: Wir schauen uns verschiedenste Interactibles an;  sammeln etwa Dokumente, Briefe, Schlüsselkarten, Fotos, Visitenkarten, Codewörter und andere Objekte ein, die uns entweder Aufschluss über die Handlung geben, handlungsrelevante Events triggern oder Teil kleinerer Rätseleinlagen sind. Immer wieder gibt es auch optionale Collectibles, wo wir über bildliche Logik-Aufgaben kleine Figürchen einsammeln. Karma – The Dark World nimmt hier insgesamt ein bisschen weniger an die Hand als Nobody Wants to Die, das einen immer recht zielführend zum passenden Objekt hinführte. Hier wiederum muss man ab und an rumprobieren, um vorwärts zu kommen.

Parallelen gibt es aber zur Art, wie das Spiel den Walking Sim-Part interaktiv gestaltet. Unsere Ereignisse triggern die fortlaufenden Konsequenzen in cineastischer, entgegen der Chronologie der Ereignisse relativ linearer Weise. Während sich ein Gone Home oder ein Dear Esther eine liminale, auf Erforschung setzende experimentelle Form des Environmental Storytellings zunutze machen, verfolgt Karma einen durch und durch filmischen Ansatz. Nicht umsonst ist auch ein Hideo Kojima eine wesentliche Inspirationsquelle für die Leute von Pollard Studio gewesen.

Lukas ist der Bruder einer zentralen Protagonistin - im Zuge von Experimenten wird ihm "Dasein" injiziert (Screenshot wurde auf dem Steam Deck aufgenommen) 

© Wired Productions

Lucas ist der Bruder einer zentralen Protagonistin – im Zuge von Experimenten wird ihm „Dasein“ injiziert
(Screenshot wurde auf dem Steam Deck aufgenommen)
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Der Silent Hill: Short Message- und auch Amnesia-Vibe kommt immer dann zum Tragen, wenn das ansonsten gemähliche, nicht hetzende Walking Sim-Gameplay sich zu einem temporeicheren Horror entwickelt. Es gibt immer wieder kleine Intermezzi, wo wir vor ursprünglich menschlichen Kreaturen flüchten müssen, die als Testsubjekte mit der „Dasein“-Substanz infiziert worden sind – etwa der jüngere Bruder einer relativ zentralen Figur. In diesen Momenten müssen wir die Beine in die Hand nehmen und schlicht davon laufen, in der Regel durch eine labyrinthisch aufgebaute Level Architektur.

Haptisch fühlt sich Karma an mehreren Ecken etwas merkwürdig an: Zum einen fühlt sich das Gehen und Rennen in der First Person Perspektive merkwürdig schwammig an, als seien Charaktermodell und Umgebungassets nicht richtig miteinander verbunden, und man würde über die Bodentextur schweben. Zum anderen interagiert man mit Türen und anderen bewegbaren Objekten, indem man sie via Schulter-Trigger-Taste (sofern man mit Controller spielt) wegstößt oder zu sich zieht, selbiges betrifft Hebel und andere Vorrichtungen dieser Art. Das Problem hierbei ist, dass sich auch hier die Physik der Interaktionen etwas schwammig anfühlt – das führt zu ungelenker Gamepad-Akrobatik, wenn man unnötigerweise mehrere Anläufe braucht, um eine Tür zu öffnen, und nicht konkret weiß, ob das nun beabsichtigtes Spieldesign ist oder die eigene Unbeholfenheit. Vielleicht könnte hier ein Patch Abhilfe schaffen.

Gerade auf der PlayStation 5 würde ich mir zudem intensivere Einbindung der DualSense Vibrationsmotoren wünschen. Es gibt im Spiel zahlreiche experimentelle Momente, in denen die Nutzung der Features des Controllers absolut Sinn machen würden. Auch hier würde ich bei weitergehendem Support ein entsprechendes Update empfehlen, denn das würde mit mehr inszenatorischer Wucht und Immersion in diesen dystopischen Alptraum einhergehen.

Größtenteils beeindruckende Audiovisuals für ein Debüt Werk

Dystopischer Alptraum ist nämlich ein gutes Stichwort. Karma – The Dark World punktet mit einem eklektischen, retrofuturistischen Neo Noir Sci-Fi Art Style, der sich in zeitweilig beeindruckenden Visuals niederschlägt. Der Bürokratiewahnsinn der Leviathan Corp. und die Tristesse der Großraumbüros, in denen Leviathan mit dogmatischen Motivationstranspis und Slogans seine Quasi-Leibeigenen antreibt wirkt unglaublich finster und zugleich ins Komödiantisch-Groteske überzeichnet. Die Gerätschaften in dieser Dystopie wirken anachronistisch: Alte grünstichige Röhren-Rechner, mechanisch-wuchtige Rohrpost-Systeme und klobige Speicherkarten. Das alles sieht ziemlich detailliert aus und wird in atmosphärisch schummrige Licht- und Schatteneffekte getaucht, die ganz eindeutig suggerieren: Diese Gesellschaft hier ist nicht lebenswert.

Karma - The Dark World punktet mit einer cineastischen Inszenierung... (Screenshot auf dem Steam Deck aufgenommen)

© Wired Productions

Karma – The Dark World punktet mit einer cineastischen Inszenierung…
(Screenshot auf dem Steam Deck aufgenommen)
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Ab einem gewissen Zeitpunkt dreht Karma auch auf surrealer Ebene frei: Ob es statische, unbewegliche Wachhunde sind, die nach einer bestimmten Handlung plötzlich mit ihren Köpfen wild vor sich hin glitchen, ob es ein aufgetürmter Weihnachtsbaum aus ausgemusterten CRT-Monitoren mit fahlen Testbildern ist, dessen Mitte plötzlich einen Gang offenlegt oder die schon oben angesprochenen visuellen Ausflüge mitten in eine spielbare Twin Peaks-Referenz. Karma ist visueller Mindfuck in einer zwar auch farbpalettenmäßig eher dunklen, nichtsdestotrotz facettenreichen Vision. Die Kreaturendesigns der mit Dasein infizierten Wesenheiten sind herrlich eklig und verschroben und auch die retroesken Charakterdesigns mit ihren expressiven, detailliert gestalteten Gesichtern haben mir gefallen, wenngleich die Körperanimationen ein bisschen steif anmuten. Überhaupt sind die Animationen mal wieder der Knackpunkt: Ich hatte es schon bei der Gamescom Demo bemängelt, dass die Idle Animations des Protagonisten ein bisschen steif anmuten – zudem wirkt die Perspektive merkwürdig verzerrt. Schauen wir in der Ego-Perspektive auf unsere Extremitäten, wirken die eine Spur zu langgezogen im Vergleich zu dem, wie unser Charaktermodell  etwa im Spiegel ausschaut. Wie schon in der Preview angemerkt, nagt dieser Umstand etwas an der Immersion. Das ist aber wahrlich Meckern auf hohem Niveau, denn es bleibt dabei: Karma – The Dark World ist visuell ein recht beeindruckendes Debüt – das mit voranschreitender Handlung auch immer mehr künstlerische Experimente wagt.

... die auch vor experimentelleren, abstrakten Inszenierungsformen nicht Halt macht. Hier ist Karma ganz Lynch (Screenshot auf dem Steam Deck aufgenommen)

© Wired Productions

… die auch vor experimentelleren, abstrakten Inszenierungsformen nicht Halt macht. Hier ist Karma ganz Lynch
(Screenshot auf dem Steam Deck aufgenommen)
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Auch die auditive Umsetzung des beklemmenden und immer irrwitzigeren Alptraums ist hervorragend umgesetzt und ein wesentliches Highlight: Ob der ambientlastige, zeitweise orchestrale, melancholisch-vertrackte Score, der die meiste Zeit über leicht unterkühlt wirkt, der aber in den Horror-lastigeren Passagen die Intensitätsstufen von Akira Yamaoka’s Silent Hill-Kompositionen erreicht, oder die originalen Songs des in L.A. lebenden Komponisten Geng Li,  die vernuschelte Radiohead-Vibes verströmen – Karma – The Dark World ist in Sachen Sounddesign unglaublich stilsicher und wird ganz wesentlich auch von seinen auditiven Qualitäten getragen.

Auf dem Steam Deck läuft der Titel zum Finale hin nicht so richtig rund, auf der PlayStation 5 gibt es hingegen spürbar bessere Performance und kürzere Ladezeiten

Ich habe Karma – The Dark World sowohl auf der PlayStation 5, als auch auf dem Steam Deck gespielt. Hier gab es dann doch eklatante Unterschiede, die gerade im letzten Kapitel des Spiels.

Auf der PlayStation 5 habe ich abseits minimaler Framedrops in den Fluchtsequenzen keine nennenswerten technischen Probleme wahrgenommen. Die Ladezeiten sind recht fix, und das Spiel sieht im Wesentlichen ziemlich gut aus – insbesondere das Spiel mit Licht- und Schatten und die aufwendige Gestaltung der verschiedenen „Levels“ überzeugt.

Die Rätseldesigns sind weitgehend eher basal, trotzdem nimmt Karma beim Whodunnit weniger an die Hand als etwa Nobody Wants to Die...(Screenshot auf dem Steam Deck aufgenommen)

© Wired Productions

Die Rätseldesigns sind weitgehend eher basal, trotzdem nimmt Karma beim Whodunnit weniger an die Hand als etwa Nobody Wants to Die…
(Screenshot auf dem Steam Deck aufgenommen)
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Auf dem Steam Deck merkt man, dass die PC Version technisch durchaus anspruchsvoll ist. Das Spiel hat noch nicht das „Steam Deck-verified“ Siegel bekommen, gilt aber als „spielbar“. Das heißt, das System suggeriert, dass einzelne Glyphen aus der PC-Fassung noch auftauchen können, dass Texte zu kleinformatig angezeigt werden, oder dass die die Standard-Einstellungen noch getweakt werden müssen, um einen runden Spielablauf zu gewährleisten.

Weitgehend spielte sich Karma – The Dark World auf dem Steam Deck recht gut. Es gab deutlich längere Ladezeiten und ein hin und wieder ein paar mehr Stotterer als bei der PlayStation 5-Fassung. So weit, so hinnehmbar. Auch bei der Steuerung und bei der Bild- und vor allem Textanzeige gab es keine nennenswerten Auffälligkeiten. Gespielt wird mit dem Standard-Gamepad-Layout, das sich sehr am PlayStation-Kontrollschema orientiert.

Die letzte halbe Stunde scheint hier aber leider, leider weniger sorgfältig optimiert worden zu sein – in einer Sequenz, welche die Geheimnisse von Daniel McGoverns Familie offenlegt, wird das Spiel plötzlich und unvermittelt zu einer Diashow – bringt zahlreiche grafische Artefakte auf das Display, um dann komplett abzustürzen. Auch eine Runterregelung der Settings und der Auflösung schuf hier keine Abhilfe.

Für Leute, die also vorhaben, Karma – The Dark World auf dem Steam Deck zu zocken ist das eine klare Warnung: Das Spiel benötigt dringend ein Update, bevor es sich für einen Durchlauf eignet.

Fazit:

Karma – The Dark World ist ein recht beeindruckendes Debüt des chinesischen Pollard Studios. Vor allem mit Blick auf die außergewöhnlich starke Erzählung, die zugleich politisch, poetisch und unbequem ist, und die zwar aus Popkultur-Versatzstücken bestehende, aber sehr eigene visuelle Identität ist der Titel ein Must Play für alle Spieler*innen, die nicht ganz abgeneigt vom Walking Sim-Genre sind. Aber nicht nur der künstlerische Stil, der die surreale Luft eines David Lynch, den ausufernden narrativen Scope eines Hideo Kojima und Inszenierungsformen des polnischen Bloober Teams aufgreift, ist über alle Maßen erhaben. Auch die grafische Repräsentation mit den starken Licht- und Schatteneffekten sowie das Sounddesign, die Sprecher*innenleistungen und der Soundtrack untermalen den beklemmenden Sci Fi-Horror von Karma. Abzüge in der B-Note gibt es lediglich für die schwammige Haptik bei der Interaktion mit Gegenständen, und das etwas merkwürdige Laufgefühl, das sich nicht sonderlich präzise anfühlt.

Die PlayStation 5-Fassung kann ich bedenkenlos empfehlen, wenngleich ich mir mehr Einbindungen des DualSense gewünscht hätte.

Steam Deck-Besitzer*innen müssen vorsichtig sein: Aktuell lässt sich Karma – The Dark World nicht gänzlich durchspielen, da es in der letzten halben Stunde grafische Fehler gibt, die immer wieder zum Absturz führen können. Hier müssen wir also auf ein Update warten und hoffen, dass dieses den letzten Abschnitt optimiert. (Update 04.05. – es gab zwischenzeitlich ein Shader Update, das ein bisschen weiterspielen lässt, bei einer anschließenden Fluchtsequenz kommt es aber erneut zu untragbaren Performance-Einbrüchen und Abstürzen)

Karma – The Dark World digital kaufen: 

Karma – The Dark World [PlayStation 5]

Karma – The Dark World [PC / Steam]

Karma – The Dark World [Xbox Series S|X – noch nicht erhältlich]

Karma - The Dark World [PlayStation 5 / Steam]

Grafik / Art Style - 8.9
Story / Inszenierung - 9.1
Technik - 7.4
Umfang - 8
Spielspass - 8.2

8.3

Hinweis: Die hiesige Testwertung bezieht sich nur auf die PlayStation 5 Version. Angesichts der schwächeren Test-Plattform, dem Steam Deck, wird die Wertung der PC-Fassung veröffentlicht, sobald ein Update vorliegt, welches das letzte Kapitel spielbar macht. Karma - The Dark World ist ein beeindruckendes Debüt mit einer starken Story, verschachtelter, rätselhafter Erzählweise und atmosphärischen audiovisuellen Schauwerten. Abzüge in der B-Note gibt es lediglich für ein paar holprige Animationen und das etwas schwammige Spielgefühl.

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