Von den in Shanghai beheimateten Entwicklern des Pollard Studio kommt der Psychological Horror-Titel „Karma: The Dark World“, welcher über die Indie-Spezialisten Wired Productions für PlayStation 5 und PC releast wird. Zwar ist noch kein Releasetermin angesetzt, auch auf ein grobes 2025er Zeitfenster wollten sich die Entwickler*innen im Gespräch partout nicht festlegen, dennoch durften wir im Rahmen der diesjährigen Gamescom in die rund 20-minütige Demo reinschnuppern. Diese wird den Spieler*innen voraussichtlich auch beim kommenden Steam Next Fest zur Verfügung stehen.
Party like it’s 1984
Das Spiel spielt in einer dystopischen alternativen Vergangenheit. Es ist 1984 (sicherlich keine Referenz an Orwell) und wir befinden uns in einer alternierenden Version der DDR. Wie in jeder guten Dystopie gibt es eine über allem thronende Organisation – hier ist es der omnipräsente Megakonzern Leviathan, der in bester Big Brother-Manier über die Gesellschaft und dessen quasi-leibeigene Angestellte wacht. Sowas wie Arbeitsrecht gibt es in dieser Welt nicht: Wochenenden und Feiertage etwa wurden komplett abgesägt. Um die monotone Arbeit durchzustehen und die Quoten zu halten, knallen sich die Angestellten mit einem mysteriösen blauen Liquid zu – Die Medizin beugt einerseits den körperlichen Zusammenbruch vor, macht ganz offenbar aber auch psychisch schwerstabhängig.
Währenddessen schlüpfen wir in die Rolle von Daniel McGovern, einem sogenannten Roam-Agent des Leviathan-Konzerns. Als solcher haben wir die Aufgabe in die Erinnerungen von Leuten einzudringen, um an Informationen zu gelangen, die dem Konzern gefährlich werden könnten. Ich könnte mir an dieser Stelle vorstellen, dass eine größere Verschwörung zentraler Aufhänger wird, und dass wir dem Konzern im Zuge der Geschichte den Rücken kehren werden.
Walking Sim zwischen Control und Silent Hill: The Short Message
In der Gamescom-Demo bekommen wir von der großen Narrative aber noch nicht viel mit: Wir befinden uns just in den Erinnerungen des Bürokraten Shawn, einer ziemlich armen Seele, die in einem kafkaesken Alptraum feststeckt. Der Auftakt der Demo beginnt damit, dass uns eine grässliche Kreatur heimsucht. Klar, dass der Fluchtinstinkt einsetzt – wir nehmen also schleunigst die kaputten Beine in die Hand und humpeln erstmal nur weg. Dabei merken wir, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmt. Die Stimmung ist merkwürdig entrückt. Das Bürogebäude wird zum Labyrinth – Die endlos langen Korridore winden sich, werden verzerrt – vor unserer Nase schließen sich die Türen, während andere Wege sich eröffnen – immer mit dem Monster im Nacken. In diesen Momenten habe ich mich einerseits an die Labyrinth-/Jagd-Sequenzen aus Silent Hill: The Short Message erinnert gefühlt, zumal letzteres ja ebenfalls ein ostdeutsches Setting mit sich brachte, die fiktive „Kettenstadt“; andererseits strahlte die Levelarchitektur ähnliche Vibes aus wie das „Federal Bureau of Control“ im gleichnamigen Remedy-Titel.
Wir werden Zeuge erster simpler Umgebungsrätsel. In einem Raum voller betagter Röhrenmonitore müssen wir eines der Geräte auf eine ausgewiesene Entsorgungsfläche bringen; an einer anderen Stelle müssen wir einem kopflosen Avatar einen solchen Monitor aufschreiben (mit leicht ekligem Begleitton). Später kehren wir nochmal in diesen Raum zurück, nur um festzustellen, dass alles kopfüber an der Decke steht – die Schilder mahnen stets „Obey!“, „Gehorche!“
Darüber hinaus gibt es immer wieder erzählerische Meta-Kniffe: An einer Stelle wird die Bürokratie-Diktatur von Leviathan gut versinnbildlicht, in dem wir in Papers, Please-Manier minutenlang sinnlos Dokumente stempeln – mit immer derselben repetitiven Bewegung: Den Stempel ins Stempelkissen tauchen, und dann ein paar Dokumente damit abstempeln. Im Hintergrund erzählt uns die firmeninterne Propaganda-Maschinerie, wie gut doch alles ist. Immer wieder wird dieser Vorgang unterbrochen, wenn unsere Erschöpfung durchbricht und wir zu halluzinieren beginnen. Doch ein Glück: Das blaue Wundermittelchen hilft uns dabei, wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Interessante Visuelle Set Pieces, noch recht viele Stotterer, allerdings noch kaum Gameplay
Trotz der Jagd-Sequenzen im Stile eines Amnesia wird Karma: The Dark World kein Survival Horror, sondern vor allem eine beklemmende Walking Sim sein. Als solche erzählt sie ihre Geschichte vor allem über die Umgebung („Environmental Storystelling“) – Das heißt, wir können immer wieder Briefe und Objekte finden, die uns Hintergründe liefern. Gameplay wird sich vor allem auf Rätsel stützen.
Die visuelle Stimmung fand ich tendeziell ganz cool: Alles wirkt irgendwie off – Während wir durch die Belüftungsschächte kriechen, um dem Monster zu entfliehen, finden sich merkwürdigerweise bunte Leuchtketten darin, die uns den Weg weisen. Die archaische Technik und die triste Großraum-Büro Atmosphäre wirken beklemmend. Der aufgestapelte Monitor-Turm, der irgendwie lebendig wirkt, und durch den sich nach Betätigung eines Mechanismus eine mysteriöse Tür öffnet. Das hat was und zeigt zugleich, dass diese Erinnerung als „Unreliable Narration“ durchaus verzerrt sein könnte: Das ist Kafka meets Silent Hill meets Control meets ein bisschen David Lynch. Alles ziemlich hervorragende Referenzen.
Gleichzeitig habe ich auch ein bisschen Kritik vorzubringen: Die Unreal Engine 5 steht dem Spiel gut zu Gesicht, gerade die surrealen Effekte sehen optisch ziemlich vielversprechend aus und ich denke, da könnte ein ähnliches grafisches Brett rauskommen wie etwa beim jüngst erschienenen „Nobody Wants to Die“. Aber gerade die Idle Animations, die schon bei NWTD ein bisschen das Manko waren, wirken hier ebenfalls arg steif und knabbern an der Immersion. Das Humpeln durch die Gänge hat sich dadurch beinahe irgendwie schwammig angefühlt.
Zugleich gab es recht viele Stotterer beim Durchgang, was ich aber verzeihen kann, weil es sich hier um recht frühen Build handelt.
Was ich am meisten kritisiere ist das Pacing: Nobody Wants to Die von Critical Hit Games ist im Walking Sim Bereich dramaturgische Messlatte für mich geworden, da das Tempo so gut gepasst hat. Und da kommt die bisherige Demo von Karma: The Dark World bedingt ran – dafür ist sie erzählerisch und auch spielerisch in der knappen halben Stunde zu sehr ein Slow Burner gewesen. Ich kann mir gut vorstellen, dass mich die Story in Gänze dann doch bei der Stange handeln könnte, aber die Erwartungshaltung liegt eher bei einem vorsichtigen Optimismus. Last but not least ein weiterer Kritikpunkt in Bezug auf die Story, den sich das Spiel ebenso wie Silent Hill: The Short Message gefallen lassen muss: Wenn man den Titel schon im Ostdeutschland der 1980er spielen lässt, warum hat man nicht wesentlich besser recherchiert? Schon bei dem Werk von HexaDrive und Konami wirkte dieses Setting hanebüchen, weil wirklich 0 (!) an Ostdeutschland erinnert hat. Hier ist es dasselbe. Ich habe wirklich keinen visuellen oder erzählerischen Referenzpunkt entdecken können, der mich an eine halbwegs realistische Abbildung Ostberlin erinnern würde. Hier sehe ich die Gefahr von verschwendetem Potential.
Fazit:
Karma: The Dark World hat erzählerisch und visuell durchaus Potential. Die Verneigung vor Werken wie 1984, vor den jüngeren Remedy-Titeln und vor Twin Peaks lässt mich aufhorchen. Ich hoffe aber, dass das Walking Sim-lastige Gameplay und die Rätseldesigns ähnlich kurzweilig ausfallen werden, wie z.B. in Nobody Wants to Die. An der Technik wird sicherlich noch ordentlich gefeilt, da mache ich mir weniger Sorgen – mein Kernwunsch sind smoothere Idle Animations, denn damit steht und fällt für mich die Immersion in einem reinen Narrative Game aus der Ego-Perspektive. Die Story könnte cool werden, aber ich hoffe, es wird nochmal am Writing gefeilt, denn das wirkte in der Demo noch ein bisschen hölzern und beim Timing unausgegoren.
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