Game Review: Tormented Souls II für Xbox Series S|X – Old Schooliger Survival Horror, der den Vorgänger in allen Belangen verfeinert

Obwohl historisch natürlich Alone in the Dark als Begründer des moderneren 3D-Survival Horrors gilt, ist vor allem CAPCOMs Resident Evil in den 1990ern stilprägend für das Genre gewesen und konnte sich einen festen Platz in der Popkultur sichern. Zugleich forcierten die ersten drei Resis einige Nachahmer wie das hauseigene Dino Crisis oder Fear Effect. Die elementaren Zutaten?

Fixe Kameraperspektiven vor vorgerenderten Hintergrundgrafiken und die damit einhergehende berühmt-berüchtigte Panzersteuerung; ein auf zwei Säulen fußender Gameplay-Loop, der sich auf den von Ressourcenmangel geprägten Überlebenskampf gegen allerlei Kreaturen auf der einen Seite stützt, und das Bewältigen von durchaus kniffligen Rätseln auf der anderen; sowie den hohen Explorationsfokus bei vergleichsweise stark ausgeprägtem Gewaltgrad, der in Summe mit den anderen Trademarks zu einer intensiv-angespannten Stimmung führen soll.

Für Caroline Walker beginnt der alptraumhafte Parforceritt relativ unmittelbar - Nachdem unsere Schwester Anna verschwindet, werden wir von einer hühnenhaften Gestalt ausgeknockt und erwachen mit seltsamen Nadeln im Leib aus unserer Ohnmacht © PQube © Dual Effect

Für Caroline Walker beginnt der alptraumhafte Parforceritt relativ unmittelbar – Nachdem unsere Schwester Anna verschwindet, werden wir von einer hühnenhaften Gestalt ausgeknockt und erwachen mit seltsamen Nadeln im Leib aus unserer Ohnmacht © PQube © Dual Effect

Die Resident Evil-Reihe ist natürlich mittlerweile ein Blockbuster-Franchise, das mit Resident Evil Requiem in Kürze seinen 9. Hauptteil spendiert bekommt. Spätestens mit dem 2005 erschienenen Resident Evil 4 schlug die Reihe einen tempo- und actionlastigeren Weg ein, der auch spielmechanische Auswirkungen hatte. Die Resident Evil-Titel der jüngeren Vergangenheit setzen seitdem entweder auf eine First Person-Ansicht (Resident Evil VII sowie Village) oder auf eine dynamischere Third Person-Ansicht.

Und hier kommt der Indie-Horror ins Spiel: Denn natürlich gibt es zahlreiche Nostalgiker, die sich wehmütig an die goldene Zeit des Genres und die oben beschriebenen spielmechanischen Elemente zurück erinnern. Und hier gibt es anno 2025 eine ganze Reihe von Vertretern, die genau dieses Bedürfnis befriedigen wollen: Ob die Remothered-Reihe, Signalis, Songs of Horror oder eben Tormented Souls, sie alle versprechen das alte wohlige Gefühl der 1990er Jahre wieder aufleben zu lassen.

Das erste größere Areal von Tormented Souls II ist das ominöse Konvent des chilenischen Städtchens Villa Hess - wir sehen: Isometrische Perspektive und fixe Kamerawinkel, wie in den goldenen Jahres des Survival Horrors © PQube © Dual Effect

Das erste größere Areal von Tormented Souls II ist das ominöse Konvent des chilenischen Städtchens Villa Hess – wir sehen: Isometrische Perspektive und fixe Kamerawinkel, wie in den goldenen Jahres des Survival Horrors © PQube © Dual Effect

Und um letzteren Titel dreht sich auch die heutige Besprechung. Denn das 2019 in Chile gegründete Studio Dual Effect hat mit dem Erstling 2021 eine lupenreine Hommage an die alten Resident Evil Spiele geschaffen, die tatsächlich als kleiner Achtungserfolg verbucht werden kann. Auch wenn keine offiziellen Verkaufszahlen verfügbar sind, gehen einschlägige Seiten davon aus, dass sich das Spiel zwischen 207.000 und 225.000 mal verkauft hat. In jedem Fall hat es aber gereicht, um einen Nachfolger auf den Weg zu bringen.

Tormented Souls II ist am 23. Oktober via PQube für PlayStation 5, Xbox Series S|X und PC erschienen. Wir haben uns die Xbox Series-Fassung angeschaut und klären, ob die Formel des Vorgängers konsequent fortentwickelt wird oder ob es bei dem Achtungserfolg geblieben ist.

Kultistischer B-Movie Horror – Geisterbahn ohne tieferen Gehalt

Tormented Souls II knüpft relativ nahtlos an das erste Spiel an: Nach den zuweilen irrwitzigen Geschehnissen aus dem ersten Teil, der Mitte der 1990er Jahre spielt, reisen die Kanadierin Caroline Walker und ihre mittlerweile adoptierte Schwester Anna nach Chile, in das entlegene Städtchen Villa Hess. Ziel ist ein Klosterkonvent, in dem Anna nach den traumatisierenden Erfahrungen des ersten Teils therapiert werden soll. Dies soll ihr dabei helfen, ihre Visionen und ihre beunruhigenden Zeichnungen einzudämmen, das Erlebte zu verarbeiten und ein normales Leben zu ermöglichen. Denn nicht nur ist das psychische Trauma ein signifikantes Problem, sondern auch die Tatsache, dass Anna aus einer anderen Zeitlinie stammt und die Zeichnungen dazu neigen, sich in realem Horror zu manifestieren. Am Bahnhof von Villa Hess angekommen, heißt sie eine der Nonnen des Konvents, Schwester Angelica, willkommen.

Gegenstände müssen wir uns in Tormented Souls II sehr genau ansehen - Auf der Rückseite eines alten Polaroids befindet sich die Farbkodierung zur Öffnung eines Minikühlschranks. © PQube © Dual Effect

Gegenstände müssen wir uns in Tormented Souls II sehr genau ansehen – Auf der Rückseite eines alten Polaroids befindet sich die Farbkodierung zur Öffnung eines Minikühlschranks. © PQube © Dual Effect

Doch dieser vermeintlich freundliche Empfang ist nur von kurzer Dauer: Nach einem gemeinsamen Nickerchen in den Gästezimmern des Konvents wacht Caroline auf und die Schwester scheint abermals verschwunden. Als sie einen Schrei vernimmt, eilt sie hinterher und wird Zeugin, wie Anna von zwei maskierten Nonnen in einer Kapelle gewaltsam festgehalten wird. Während die Mutteroberin des Klosters, Lucia, spricht, dass man im Konvent wisse, dass es sich bei Caroline und Anna um die beiden Wildberger Zwillinge handele, und dass die Fähigkeiten von Anna aufgrund eines alten Schwures dem Kloster gehören und den Weg zu ihrem Schicksal ebneten, wird Caroline hinterrücks von einer hünenhaften, vermummten Gestalt zur Besinnungslosigkeit gewürgt.

Als sie aus der Ohnmacht erwacht, ist ihr entkleideter Körper übersät mit spritzenähnlichem Gerät – hier beginnt die Tour de Force – denn für Caroline gibt es nur ein Ziel: Ihre Schwester zu finden und dem Kult des Konvents zu entfliehen. Dabei muss sie sich nicht nur von fanatischen Anhänger:innen in Acht nehmen, sondern auch von den Schatten, die Einfluss auf ihren Verstand haben, und bizarren Kreaturen, die offenbar das Ergebnis ritueller Experimente sind.

Ich empfand sowohl die Handlung des ersten Teils, als auch die von Tormented Souls II nie als tragende Säule des Spiels. Die Grundhandlung ist zwar in ihrer dramaturgischen Struktur durchaus komplex, aber auch ordentlich cheesy. Sie bildet den Rahmen für einen düsteren Parforceritt und unterstützt die Atmosphäre in ausreichendem Maße, gewinnt aber beileibe keinen Preis für psychologisch tiefgreifendes oder innovatives Writing. Es ist ein bisschen Geisterbahn, ein bisschen Direct-to-DVD-Videotheken-Horror, wenn man eine Analogien finden müsste.  Jedes Element – ob nun die religiöse oder okkulte Symbolik – wirkt wie selbstzweckhafte Dekoration, und hat nicht zwangsläufig tieferen Gehalt. Auch die Dialoge, sofern es sie gibt, wirken wie aus 90er Jahre VHS-Horror-Flicks entnommen – man versucht gar nicht erst, einen natürlichen Gesprächston zu treffen.

Die Erzählweise erfolgt auch genre-typisch über Notizen, Briefe und Tagebucheinträge © PQube © Dual Effect

Die Erzählweise erfolgt auch genre-typisch über Notizen, Briefe und Tagebucheinträge © PQube © Dual Effect

Das kann man dem Spiel letztlich nicht vorwerfen, immerhin war schon das erste Resident Evil eine eher trashig-campige Angelegenheit – man erinnere sich an das berühmt-berüchtigte Tagebuch des Wärters („21. Mai 1998: Juckt juckt, Scott kam, hässlich, hab ich ihn gefressen. Lecker.“). Ich komme aber nicht darum umhin, dass Tormented Souls mit einem guten Autorenteam noch mehr aus sich machen könnte, zumal die psychologische und zuweilen lovecraftige Prämisse ja durchaus in Ansätzen da ist.

Aber vielleicht bin ich hier auch zu anspruchsvoll. Vielleicht will Tormented Souls II genau DAS sein: Campige B-Horror Hommage – innen wie außen.

Ein Horror Setting Best Of – Vielfältig, aber nicht immer authentisch

Die Stadt Villa Hess bringt eine Reihe von verschiedenen Locations mit, die in ihrer Struktur ein bisschen wie ein „Best of“ aus der Resident Evil-Reihe angelegt sind.

Wir beginnen im Konvent, das ästhetisch ein bisschen an Schloss Dimitrescu aus Resident Evil Village und die Burg aus Resident Evil 4 erinnert – sehr viel Prunk, der vom Verfall heimgesucht wird. Vom Konvent geht es über einen innerstädtischen Hub, der an die Straßen aus Raccoon City erinnert, in eine kaputte Einkaufsmall, von dort zu einer Aufbereitungsanlage, hin zu einem Friedhof, einer Schule, einer Kirche sowie einer Bunkeranlage.

Wir haben also insgesamt sieben größere Areale, die optisch für viel Abwechslung sorgen. Kenner*innen der Vorbilder Resident Evil und Silent Hill werden sich hier sofort heimisch fühlen, denn im Grunde ist Tormented Souls II eine Anthologie bekannter Versatzstücke.

Tormented Souls II ist ein Update wie es seinerzeit Resident Evil 2 zu 1 war: Alles wirkt bisschen größer und offener. Hier können wir uns auch zeitweilig durch das Städtchen bewegen, um zwischen den größeren Zonen zu wechseln © PQube © Dual Effect

Tormented Souls II ist ein Update wie es seinerzeit Resident Evil 2 zu 1 war: Alles wirkt bisschen größer und offener. Hier können wir uns auch zeitweilig durch das Städtchen bewegen, um zwischen den größeren Zonen zu wechseln © PQube © Dual Effect

Im Vergleich zu Tormented Souls 1, das eher in einem Kammerspiel-artigen Setting gespielt hat, ist die Spielwelt hier wesentlich geöffneter. Auch hier lässt sich der Vergleich von Resident Evil 1 zu 2 ziehen – während ersterer hauptsächlich in der Spencer-Villa spielte, erweiterte Resident Evil 2 die Locationdichte.

Nun aber zum größten Kritikpunkt: Die Levelarchitektur wirkt für mich komplett zusammengewürfelt und nicht immer stimmig. Das Konvent zu Beginn etwa wirkt weitläufig, verwinkelt und ausufernd – nach einem ersten Bosskampf landen wir auf den Straßen von Villa Hess – das Konvent aber bettet sich in ein relativ modernes Gebäudeensemble ein und wirkt in der Hinsicht komplett unscheinbar.

Die Einkaufsmall als zweite große Zone passt hier schon wesentlich besser – aber auch sie wirkt architektonisch undurchsichtig. Warum sind die Keller-Passagen für eine relativ moderne Mall so verdammt vertrackt?

Das zieht sich bis zum Ende durch. Areale sind innen wesentlich größer als es ihr Außenbild suggeriert. Während aber ein Silent Hill derartige Ungereimtheiten über seinen psychologischen Unterbau erklären kann (Beispiel: James greift in Wandlöcher, ohne die Gefahr dahinter zu hinterfragen, was auf einen Selbstzerstörtungswillen hindeutet), unternimmt Tormented Souls II wenige bis keine Anstrengungen dahingehend. Für mich ist das ein kleiner Immersionsbrecher, obwohl ich die Einzelsettings für sich genommen atmosphärisch sehr dicht empfinde.

Bockharter Survival Horror mit etlichen Verfeinerungen gegenüber dem Erstling

Im Kern spielt sich Tormented Souls II wie der Vorgänger und damit wie klassischer Survival Horror aus der PlayStation 1 und 2-Ära.

Das heißt im Kern: Es gibt limitierte Ressourcen an Heilobjekten und Munition für die Waffen – ein fixes Speichersystem, das an Resident Evil erinnert. So gibt es Aufnahmegeräte, für welche wir analog zu den Schreibmaschinen-Farbbändern aus Resident Evil zusätzlich Magnetbänder benötigen – und oft ist auch abzuwägen, ob Flucht nicht eventuell die bessere Option sei.

Dual Effect aber verfeinert die Kernelemente des Vorgängers in nahezu allen Belangen und macht Tormented Souls II damit ein stückweit zugänglicher, ohne die bockschwere DNA merklich abzumildern.

Das fixe Speichersystem orientiert sich an Resident Evil 1 - für die Aufnahmegeräte benötigen wir Magnetbänder © PQube © Dual Effect

Das fixe Speichersystem orientiert sich an Resident Evil 1 – für die Aufnahmegeräte benötigen wir Magnetbänder © PQube © Dual Effect

Zum einen können wir zwischen verschiedenen Kontrollschemata wählen: Die klassischen „Tank Controls“ sind klar an Veteranen gerichtet, bei der modernen Variante steuern wir Caroline ebenfalls aus der Iso-Perspektive durch fixe Kameraperspektiven, es fühlt sich aber deutlich direkter an.

Auch das Schnellzugriffs-Menü ist ein Novum: Wir können vier Slots mit Waffen/Items zu belegen, die über den rechten Stick angewählt werden können. Dadurch ist der Wechsel zwischen dem Feuerzug in finsteren Passagen und der automatischen Nagelpistole beispielsweise deutlich smoother.  Zugleich findet der Nachlade-Prozess aber nicht mehr im schützenden Inventar statt, sondern muss in Echtzeit im Kampf vollzogen werden, was wiederum für mehr Dynamik sorgt.

Was den Schwierigkeitsgrad angeht, gilt Folgendes als Referenz für Genre-Fans – Nehmen wir zwei jüngere Horror-Titel der jüngeren Zeit als Grundlage, die sich ebenfalls durch ihren Schwierigkeitsgrad auszeichneten: Tormented Souls II ist ein stückweit leichter als Cronos: The New Dawn, aber auch eine kleine Ecke schwieriger als Silent Hill f. Gewissermaßen ist das steifere Movement und die undurchsichtige Level-Architektur ein wesentlicher Faktor für den Difficulty Spike.

Der Kampf gegen die Kreaturen aus den Schatten ist demnach deutlich behäbiger als bei aktuellen Survival Horror-Titeln. Während man in modernen Spielen Gegner oft dodgen kann auch das Gunplay deutlich dynamischer ausfällt, findet die Umgehung der zuweilen äußerst zähen Widersacher hier rein über die schwerfällig-klobige Positionierung im Raum statt – im Dunkeln kann Caroline nicht auf ihr Waffenportfolio zugreifen. Direkte Angriffe sind oft verheerend, mehrere Gegner bedeuten im Zweifel den sicheren Tod, wenn man nicht klug agiert. Tormented Souls II ist spätestens ab dem normalen Schwierigkeitsgrad relativ unbarmherzig und fordert beständige Aufmerksamkeit.

Neben dem anfänglich verfügbaren „normalen“ Schwierigkeitsgrad, gibt es auch einen „assistierten“ Schwierigkeitsgrad. Bei diesem fällt zumindest die Herausforderung der fixen Speicherpunkte weg. Hier wird immer wieder, und das durchaus fair, automatisch gespeichert. Daneben gibt es noch den freischaltbaren „Albtraum“-Schwierigkeitsgrad, den ich aber zugegebenermaßen nicht ausprobiert habe.

Die automatische Speicherung sowie die höhere Munitionsdichte im assistierten Schwierigkeitsgrad machen die Spielerfahrung signifikant leichter. Ansonsten würde ich aber behaupten, dass die Gegner ungefähr dieselbe Menge an Schaden aushalten.

Ich bin mir aber nicht sicher, ob es ein Bug ist, oder ob ich etwas falsch verstanden habe: Ich habe im Subreddit zu Tormented Souls II gelesen, dass es im assistierten Modus eine weitere Vereinfachung gibt: Nämlich die automatische Heilungs-Funktion. Demnach soll bei niedriger Gesundheit Caroline automatisch genesen – und zwar vom roten „Gefahr“-Status zum gelben „Achtung!“-Status. Diese Vereinfachung konnte ich bei meinen Durchgängen allerdings nicht beobachten. Ich musste immer manuell heilen.

Backtracking-lastiges Erforschen und (fast zu) anspruchsvolle Kopfnüsse

Die Schwierigkeit des Spiels ergibt sich aber nicht nur aus dem zähen Überlebenskampf, sondern auch aus den durchaus anspruchsvollen Rätseln in Kombination mit weitläufig-verwinkelter Exploration. Das Survival Horror Genre nutzt oft einen Designansatz, der sich auch in Metroidvania-Spielen finden lässt: Rekursives Entsperren. Das heißt: Die Karte eines Areals ist ein offenes Tableau aus Rätseln, deren Lösungsinstrumente über die Map verstreut sind. Mit spezifischen Objekten erhalten wir Zugang zu Arealen, die wir möglicherweise bereits vorab sichten, aber noch nicht betreten konnten. Backtracking ist also auch bei Tormented Souls II Key.

Hier nimmt das Spiel die Spieler:innen komplett gar nicht an die Hand. Das Spiel fordert auch hier volle Aufmerksamkeit – das liegt zum Teil auch an der Art und Weise, wie das Spiel mit Haptik umgeht. In modernen Spielen sind viele Rätsel als Fetch-Quest angelegt – finde Objekt X, bringe es an Ort Y und triggere damit eine Sequenz. Bei Tormented Souls II  ist beinahe jede Entdeckung mehrstufig aufgebaut.

Das Spiel geizt nicht mit blutigen Momenten - Ich find es bemerkenswert, dass Tormented Souls II mit einem USK 16 Siegel davon gekommen ist  © PQube © Dual Effect

Das Spiel geizt nicht mit blutigen Momenten – Ich find es bemerkenswert, dass Tormented Souls II mit einem USK 16 Siegel davon gekommen ist © PQube © Dual Effect

Wir müssen uns aufgesammelte Objekte sehr genau anschauen und möglicherweise rotieren, um weitere Hinweise auf die Lösung von Rätseln zu bekommen.

Um einen angeketteten, verfluchten Mann namens Zacharias im Untergeschoss der Mall von seinem Fluch zu erlösen, müssen wir ihm einen goldenen Ring an die Hand anlegen – das erfahren wir aus einem Brief – dazu benötigen wir Zugang zum Mall-eigenen Dojo. Relativ zu Beginn dieses Kapitels erhalten wir ein Polaroid-Foto, das erst wesentlich später relevant wird, weil es auf der Rückseite die Farbkodierung für einen Mini-Kühlschrank enthält, in welchem sich, warum auch immer, die Schlüssel für das Kampfsport-Studio befinden. Für den Kühlschrank benötigen wir natürlich zwangsläufig Strom. Sobald wir den eingeschaltet haben, können wir im Dojo ein Cutter-Messer finden, mit dem wir außerhalb der Mall eine verklebte Telefonzelle entwirren müssen, um an Münzen zu kommen. Diese können wir dann im Greifautomaten der verlassenen Spielhalle nutzen, um einen einäugigen Teddybär rauszufischen. Auch das finden wir über eine Notiz heraus. Den so erhaltenen Teddybär müssen wir dann mit dem Cuttermesser aufschneiden, um an den goldenen Ring zu kommen. Das geschieht hier nicht über bloße Kombinationen der Items, stattdessen muss man per Cursor die passenden Stellen manuell markieren.

In den meisten Spielen sind die Rätsel relativ lokal angesiedelt. Das heißt, die Lösung eines Rätsels befindet sich mehr oder minder im näheren Radius des Mechanismus oder der versperrten Tür. Hier aber sind die Lösungselemente mitunter extrem weit voneinander entfernt und die Hinweise auf die Lösung extrem vage. Ich empfand die Rätsel als wesentlich härter als beim Silent Hill 2 Remake, Alone in the Dark oder meinetwegen Resident Evil Village.

Es fühlt sich natürlich extrem befriedigend an, wenn man die Tormented Souls II-Rätseleinlagen endlich gelöst hat. Mitunter sind die Rätseldesigns aber auch eine ziemlich frustrierende Erfahrung, bei der ich auf einen Guide zurückgreifen musste, um die grausige Odyssee endlich fortzusetzen. Ich würde mir teils kohärentere Hinweisverteilungen wünschen, damit man nicht stundenlang im Dunklen stochert.

Fans der alten Schule werden aber sicherlich zu schätzen wissen, dass Tormented Souls II nichts für verweichlichte Gemüter ist.

Schön-schaurige Schauwerte…

Vor allem visuell haben Dual Effects ordentlich aufpoliert – beim ersten Tormented Souls empfand ich die Audiovisuals, zumindest auf der Nintendo Switch, noch als irgendwie billig. Sie sahen schlicht nach niedrigbudgetiertem Indie-Horror aus. Bei Tormented Souls II arbeitet das chilenische Studio hingegen mit äußerst liebevollen Set Pieces, detaillierten Umgebungsgrafiken und beeindruckenden Licht- und Schatteneffekten.

Ob Kloster, Einkaufszentrum, Fabrikanlage oder Friedhof – die gut gewählten Texturen vermitteln Verfall, Tod und Gefahr. Überall gibt es kleine Feinheiten zu entdecken, die den Ort trotz der Statik mit Leben oder vielmehr dem Tod füllen. Ob popkulturelle Anspielungen auf Street Fighter in der Arcade-Halle, die prunkvoll-sakrale Inneneinrichtung im Kloster oder Kühlkammer-artige Settings, in denen fauliges Fleisch dicht an dicht von der Decke baumelt. Durch die Ausleuchtung können auch viele schwächer texturierte oder niedriger aufgelöste Objekte gekonnt kaschiert werden.

Die Ästhetik von Tormented Souls II ist herrlich eklig und orientiert sich nicht selten am Torture Porn  © PQube © Dual Effect

Die Ästhetik von Tormented Souls II ist herrlich eklig und orientiert sich nicht selten am Torture Porn © PQube © Dual Effect

Beim Gewaltgrad macht Tormented Souls II keine Gefangenen. Hier bin ich ehrlich gesagt verwundert, dass PQube mit einem USK 16-Siegel davongekommen sind. Enthauptete Leichname, rituelle Hinrichtungen, Body Horror-Elemente wirken zwar zum Teil ins Komödiantische überzeichnet, trotzdem suhlt sich der Titel ästhetisch ganz klar im Torture Porn-Genre.

In Summe wirken der Art Style und die grafische Präsentation also ziemlich ordentlich, orientieren sich klar an der PlayStation 2-Ära, und stellen eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Erstling dar…

mit Schwächen beim Kreaturendesign und den Animationen…

Nichtsdestotrotz ist natürlich auch Tormented Souls II trotz höherem Budget ein AA-Titel, der schauwertetechnisch nicht mit den Werken von CAPCOM und Konami mithalten kann. Das äußert sich vor allem bei den eher einfach gehaltenen Charaktermodellen und den hölzernen Animationen. Klar, auch das trägt zum old schooligen Charme bei, wirkt aber eben beileibe nicht intentional.

Die Karten der Areale beinhalten die Rätselpunkte - soweit klassisch - die sind aber anspruchsvoll, weil sie nicht zwangsläufig lokal angesiedelt sind.  © PQube © Dual Effect

Die Karten der Areale beinhalten die Rätselpunkte – soweit klassisch – die sind aber anspruchsvoll, weil sie nicht zwangsläufig lokal angesiedelt sind. © PQube © Dual Effect

Schade finde ich, dass die Kreaturen dieses Mal ein bisschen uninspiriert daherkommen. Sie wirken weniger überdreht als im ersten Teil. Generische Zombie-Designs sind hier nicht das Problem – aber im ersten Teil gab es etwa noch Kreaturen, die mit ihrer Haut an einem Bettgestell befestigt zu sein schienen, oder Monster, die an einen Rollstuhl gekettet schienen. Die Designs hatten eine starke Krankenhaus-/Santoriums-Konnotation. Bei Tormented Souls II sind die anfänglichen Standardgegner lediglich Ghoul-artige Kreaturen, später kommen spinnenartige Wall Climber, die Säure speien können und animalische Gegner wie schweinische Widersacher mit dazu. Auch diese kommen natürlich mit verzerrten Gliedmaßen und surrealen Proportionen daher. Am ehesten erinnern die Kreaturendesigns an die The Suffering-Reihe, aber ich hätte mir hier mehr Mut zu Extravaganzen gewünscht.

Während mir die regulären Kreaturendesigns ein stückweit zu generisch ausschauen, kommen die Bossfights mit ganz coolen Ideen daher - hier etwa die maskierte eiserne Jungfrau mit dem schweren Kruzifix. Die Bosse erfordern zudem in der Regel kreative Herangehensweisen © PQube © Dual Effect

Die Bossgegner-Designs sind hingegen ganz cool – ob die anfängliche maskierte hünenhafte Nonne („Eiserne Jungfrau“) mit ihrem gewaltigen Kruzifix, der mit einem Kreissägen-Arm ausgestattete, maritim wirkende Mutant Dr. Hertz oder ein zombieskes Wesen, das wirkt, als werde es in seinem eigenen Sarg festgehalten: Sie wirken nicht zwangsläufig gruselig, aber einzigartig – und kommen darüber hinaus mit sehr eigenständigen Lösungsansätzen daher. Super!

Stimmiger Soundtrack, fieser Score, solide Voice Acting-Leistungen

Für den Soundtrack und Score ist der chilenische Komponist NyxTheShield zuständig und der macht wirklich gute Arbeit.

Das Sound Design von Tormented Souls II wirkt vor allem über den Kopf: Es wird in der Regel das vertont, was wir NICHT sehen: Das schwerfällige Kratzen an der Tür, der Schrei in der Ferne, das schmerzvolle Stöhnen einer verdammten Kreatur – das setzt puren Horror frei.

Der Soundtrack selbst ist weniger prominent platziert als z.B. in den jüngeren Silent Hill-Spielen. Er setzt aber auf melancholisch-düstere Töne, mit intensiveren Spitzen. NyxTheShield hat sich hier vermutlich dann doch eher an Akira Yamaoka angelehnt.  

Zuletzt: Die englischen Sprecherleistungen wirken durchweg solide, es gibt m.E. keine Meisterleistungen, aber auch keine Fehlbesetzungen.

Fazit:

Das chilenische Studio Dual Effects hat mit Tormented Souls II einen Nachfolger rausgebraucht, der die Stärken des Vorgängers konsequent ausbaut und vor allem für jene gedacht ist, die das klassische Survival Horror-Spielgefühl der 1990er in einer modernen Iteration haben wollen. Vor allem audiovisuell wurde ordentlich aufgebohrt: Die mitunter beeindruckenden Licht- und Schatteneffekte und die schaurig-schönen Set Pieces können einige altbackene Elemente gut kaschieren und sorgen für stimmige Retro Stimmung. Das Spiel bleibt bockschwer und unbarmherzig, sowohl im Kampf, als auch bei den knackigen Rätseln, bietet aber Neueinsteiger:innen kleinere Quality-of-Life Zugeständnisse wie eine Schnellwahl-Funktion oder einen optionalen assistierten Schwierigkeitsgrad. Die Story macht Laune und setzt auf oberflächliche Spielereien mit Okkultismus und Religion, bleibt aber letztlich eher flach. Inszenatorisch lässt sich das Spiel mit einem Direct-to-DVD Horrorfilm aus der Videothek vergleichen. Aber Tormented Souls II will auch genau DAS: Eine spielmechanisch souveräne Hommage sein – und das klappt! Wer die ganzen Horror-Schinken auf der PlayStation 1 und 2 gezockt hat, und den Nostalgie-Flash erneut aufleben lassen möchte, dem sei Tormented Souls II ans Herz gelegt.

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Grafik / Art Style - 7.9
Story / Inszenierung - 6.9
Technik - 7.7
Umfang - 9.1
Gameplay / Spielspass - 8.7

8.1

Mit Tormented Souls II hat das chilenische Studio Dual Effect eine konsequente Weitentwicklung ihrer Retro Survival Horror-Reihe veröffentlicht. Sowohl spielmechanisch als auch audiovisuell wurde konsequent verfeinert. Wer das klassische 90er Survival Horror Spielgefühl wieder spüren möchte, dem sei der Titel ans Herz gelegt.

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