Game Review: Tempest Rising für PC – Ist Command & Conquer zurück?

Echtzeitstrategie hat es nicht leicht. Während Shooter, Battle Royals und Open Worlds boomen, dümpeln klassische RTS-Spiele vor sich hin. Warum? Vielleicht, weil moderne Gamer nicht mehr stundenlang Basen bauen und Mikromanagement betreiben wollen – oder weil die Genre-Formel einfach in die Jahre gekommen ist.

Tempest Rising vom umtriebigen dänischen Studio Slipgate Ironworks will das ändern – oder besser gesagt: zurückdrehen. Ganz im Stil von Command & Conquer inszeniert es eine retro-lastige Schlachtplatte mit Basisbau, Ressourcenmanagement und knackigen 90er-Vibes. Und das funktioniert… so halb.

Tempest Rising – Ein RTS für Nostalgiker mit Schönheitsfehlern

Ein Genre kämpft ums Überleben

Wer heute mit einem neuen Echtzeitstrategiespiel um die Ecke kommt, gehört entweder zu den ganz Mutigen – oder zu den ganz Nostalgischen. Denn mal ehrlich: RTS ist längst nicht mehr das, was es einmal war. Während in den 90ern und frühen 2000ern Titel wie Command & Conquer, Warcraft 3 oder Age of Empires die Charts anführten, ist das Genre heute fast komplett in der Nische verschwunden.

Warum? Vielleicht, weil die Spielergewohnheiten sich verändert haben. Kurze Runden, schnelle Action und lineares Storytelling sind oft gefragt und das spielt natürlich den, mittlerweile auch sterbenden, MOBAs in die Hände. Strategie mit Basenbau, Ressourcensammelei und Mikromanagement? Für viele klingt das eher nach Arbeit als nach Spaß. Patterns runterspielen, wie in Starcraft 2, hat es möglicherweise nicht zu Unrecht so ziemlich zuletzt in der Form gegeben. Genau hier setzt Tempest Rising an – und macht keinen Hehl daraus, für wen es gemacht wurde: Für Veteranen. Für Fans klassischer RTS-Formeln. Für Menschen, die bei dem Wort „Tiberium“ immer noch nostalgisch seufzen und denen statt kompetitiver Riesenschlacht zuerst Command & Conquer in den Sinn kommt!

Und das ist zugleich Stärke und Schwäche dieses Spiels.

Gameplay: Wie früher – im Guten wie im Schlechten

Tempest Rising will keine neue RTS-Zukunft erfinden, sondern die Vergangenheit feiern. Und das gelingt dem Titel erstaunlich konsequent: Zwei Fraktionen (plus eine dritte, aber dazu gleich mehr), klassischer Basenbau mit Platzierung auf offenem Terrain, ein Rohstoff (nein, ich schwöre das ist kein Tiberium, aber fühlt sich so an), Tech-Trees, und natürlich das gute, alte „Armee aufbauen und auswählen, alles auf einmal angreifen und hoffen, dass man gewinnt“-Prinzip.

Tempest Rising ist durchaus fordernd und hat klare Strukturen. Auch das beinahe nostalgische "Baue mir eine Armee auf, schicke sie alle parallel los, in der Hoffnung den Sieg zu erringen"-Spielgefühl ist wieder voll da ©Slipgate Ironworks  ©3D Realms

Tempest Rising ist durchaus fordernd und hat klare Strukturen. Auch das beinahe nostalgische „Baue mir eine Armee auf, schicke sie alle parallel los, in der Hoffnung den Sieg zu erringen“-Spielgefühl ist wieder voll da © Slipgate Ironworks © 3D Realms

Für Kenner der alten Schule fühlt sich das sofort vertraut an. Die Struktur ist logisch, der Aufbau motivierend, das Missionsdesign abwechslungsreich genug, um bei der Stange zu halten. Dabei macht das Spiel auch keine halben Sachen – es ist angenehm flott, strategisch fordernd und besitzt sogar rudimentäre Heldeneinheiten mit Spezialfähigkeiten und verzichtet auf das, zumindest für mich, zumeist saunervige Einnehmen von Stationen, um an Währung zu kommen. Die Fähigkeiten sind dann aber so eine Sache.

Und hier zeigt sich auch das Problem: Die Steuerung wirkt an vielen Stellen nicht mehr zeitgemäß. Die Wegfindung kann gerne hakelig werden, das Aktivieren von Fähigkeiten ist unnötig umständlich und könnte auch einfach durch eine passive Fähigkeit ersetzt werden und das gesamte Interface schreit mehr nach 2003 als nach 2025.

Auch Komfortfunktionen wie das Gruppieren von Gebäuden, intelligentes Pathfinding oder ein vernünftiges Formationssystem fehlen entweder komplett oder sind so rudimentär, dass man sich fragt, ob da irgendwann noch was nachgereicht wird. Klar, das ist der Preis für Oldschool – aber muss Retro wirklich immer auch bedeuten, moderne Standards zu ignorieren?

Die Fraktionen: Zwei sind zu wenig – drei wären besser

In der Solo-Kampagne steuert man entweder die Global Defense Forces (GDF) oder die Tempest Dynasty – zwei Fraktionen, die sich spielerisch angenehm unterscheiden, ohne zu übertreiben. Die GDF setzen auf klassische Militärtechnik und defensive Optionen, während die Dynasty eher auf aggressive Taktiken, mobile Einheiten und Guerilla-Strategien setzt. Da wird sich extrem großzügig bei Command & Conquer bedient, erreicht aber nie den weirden B-Movie Trash Faktor und bleibt in der Story dann wegen seiner hölzernen Art weit hinter dem Vorbild zurück. Echtes schlechtes Schauspiel lässt sich scheinbar nicht programmieren und so bleibt uns Tempest Rising einen würdigen Kane-Nachfolger schuldig.

CGI hat nicht denselben Charme wie der weirde B-Movie Live Action-Ansatz der alten C&Cs. An sich ist Story und Ästhetik ganz cool, leider sind die Sprecher*innen unter aller Kanone  ©Slipgate Ironworks  ©3D Realms

CGI hat nicht denselben Charme wie der weirde B-Movie Live Action-Ansatz der alten C&Cs. An sich ist Story und Ästhetik ganz cool, leider sind die Sprecher*innen unter aller Kanone © Slipgate Ironworks © 3D Realms

Beide Fraktionen haben ihre Stärken, und in der Kampagne gibt’s genug Gelegenheit, sie auszuloten. Was allerdings seltsam bleibt: Es existiert eine dritte Fraktion, die Veti, die in Zwischensequenzen und Missionen prominent auftauchen– aber nicht spielbar ist.

Das wirkt nicht nur unvollständig, sondern fast ein bisschen wie ein Versprechen, das man vergessen hat einzulösen. Dabei wäre genau hier die Chance gewesen, sich stärker von Command & Conquer abzugrenzen. Eine Alien-Fraktion, eine komplett andere Spielweise, asymmetrische Kriegsführung – nichts davon ist da. Vielleicht wird das noch nachgeliefert, aber zum Release ist es einfach schade.

Grafik & Technik: Unreal Engine trifft Einheitsbrei

Technisch gesehen macht Tempest Rising erstmal vieles richtig: Die Unreal Engine sorgt für klare Strukturen, hübsche Explosionen und insgesamt solide Performance. Besonders im Zoom sehen die Einheiten und Gebäude überraschend detailliert aus, und die Lichtstimmung ist stellenweise atmosphärisch gelungen.

Lichtstimmung und Detailgrad sind tatsächlich ganz hübsch geraten, gleichzeitig hat Tempest Rising trotz Unreal Engine so einen merkwürdig generischen Unity-Look ©Slipgate Ironworks
©3D Realms

Lichtstimmung und Detailgrad sind tatsächlich ganz hübsch geraten, gleichzeitig hat Tempest Rising trotz Unreal Engine so einen merkwürdig generischen Unity-Look © Slipgate Ironworks © 3D Realms

Aber: So richtig vom Hocker haut einen der Look nicht. Die Umgebungen wirken oft generisch – eine Wüste ist eine Wüste, ein Wald ist ein Wald. Es fehlt der visuelle Stil, der das Spiel sofort wiedererkennbar macht. Command & Conquer hatte seinen cleanen Sci-Fi-Chemiewelt-Look in Kombination mit seinem B-Moviecharme, StarCraft seinen splatterigen Comic-Stil. Tempest Rising hingegen sieht aus wie ein modernes Fan-Projekt mit Unity-Anstrich – solide, aber eben nicht markant. Abgesehen von den unterschiedlichen Farben sind die Fraktionen designtechnisch so generisch, dass man sie eigentlich auch direkt miteinander austauschen könnte.

Dazu kommt, dass manche Effekte – wie Explosionen oder Partikeleffekte – arg überladen wirken, während andere Animationen fast schon billig daherkommen. Kein Gamebreaker, aber es verstärkt den Eindruck: Schön gemacht, aber mit wenig Seele.

Sound & Vertonung: Wenn Sprecher einschlafen

Ein echtes Ärgernis ist die Synchronisation. Gerade in einem Spiel, das sich Mühe bei seinen Cutscenes und Mission Briefings gibt, wirkt die Sprachausgabe teilweise wie ein Fremdkörper. Charaktere sprechen mit der emotionalen Bandbreite eines Anrufbeantworters, Betonungen sitzen selten, und dramatische Szenen wirken dadurch unfreiwillig komisch.

Natürlich sind auch die Tech-Trees und die UI in eine Form gebracht, die straight aus den End-90ern stammen könnte  ©Slipgate Ironworks  ©3D Realms

Natürlich sind auch die Tech-Trees und die UI in eine Form gebracht, die straight aus den End-90ern stammen könnte © Slipgate Ironworks © 3D Realms

Das ist besonders schade, weil die Kampagne nicht schlecht geschrieben ist. Klar, es ist kein Shakespeare – aber die Geschichte rund um Macht, Ressourcen, alte Technologien und politische Konflikte hat Potenzial. Leider wird sie durch die lieblose Sprecherleistung und das langsame Tempo immer wieder ausgebremst.

Soundeffekte und Musik sind dagegen weitestgehend solide – etwas generisch, aber passend. Nur die Sprecher: Bitte beim nächsten Mal Leute engagieren, die auch Bock haben.

Multiplayer & Langzeitmotivation: Klassisch mit Fragezeichen

Der Multiplayer-Modus ist da – und funktioniert. Man kann gegen Freunde oder Fremde antreten, Ränge erklimmen, Maps lernen und Taktiken optimieren. Aber auch hier stellt sich die Frage: Reicht das heute noch?

Es gibt keine besonderen Modi, keine Seasons, keine kosmetischen Belohnungen, keine Meta-Ziele. Es ist, wie alles in Tempest Rising, klassisch gehalten. Für Puristen okay, aber für eine breitere Zielgruppe? Fraglich.

Man merkt dem Spiel an, dass es viel Herzblut von Entwicklern enthält, die selbst mit RTS großgeworden sind. Aber man wünscht sich, sie hätten sich getraut, einen Schritt weiterzugehen – dem Genre vielleicht ein paar frische Impulse zu geben, anstatt es nur zu konservieren. So stellt sich die Frage, ob das Genre der RTS-Games nicht tatsächlich aus der Zeit gefallen ist.

Fazit: Mehr Mut hätte gutgetan

Tempest Rising ist ein Liebesbrief an ein Genre, das fast vergessen scheint – und dieser Brief ist handgeschrieben, ein bisschen verknittert, aber mit ehrlichem Gefühl. Das Spiel bietet eine solide RTS-Erfahrung mit vertrautem Gameplay, kompetenter Technik und netten Ideen.

Aber genau da liegt das Problem: Es ist zu sehr das, was wir schon kennen. Es fehlt an Innovation, an Überraschungen, an modernen Komfortfunktionen. Dinge wie die hakelige Steuerung, die miese Synchro und das verschenkte Potenzial der dritten Fraktion wirken wie Fehler aus einer anderen Zeit.

Wer Command & Conquer vermisst, wird sich trotzdem freuen. Wer aber auf den großen RTS-Neustart gehofft hat, wird enttäuscht sein.

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Tempest Rising [PC / Steam]

Tempest Rising [PC]

Grafik & Artstyle - 7
Story / Inszenierung - 7
Technik - 7.5
Umfang / Abwechslung - 7
Gameplay / Spielspass - 7

7.1

Unter'm Strich bleibt Tempest Rising ein solides RTS mit Herz für Nostalgiker, aber ohne echte Vision. Für Genre-Fans ein netter Ausflug, für alle anderen ein Relikt.

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