Die eisige Stille umgibt mich, während ich den ersten Schritt in diese neue, unwirtliche Welt setze. Frostpunk 2 versetzt mich in die Rolle eines Stewards, der die zerbrechliche Hoffnung der Menschheit inmitten einer unaufhörlich gefrierenden Erde bewahren muss. Dreißig Jahre nach dem katastrophalen Sturm, der den Planeten in einen frostigen Albtraum verwandelte, liegt das Überleben meiner Stadt in meinen Händen. Doch dieses Mal reicht es nicht mehr, nur die Kälte zu bekämpfen – die wachsenden sozialen Spannungen und politischen Intrigen drohen die letzten Überlebenden zu spalten. In dieser trostlosen Welt der ewigen Dunkelheit muss ich schwierige Entscheidungen treffen, um den Fortbestand unserer Zivilisation zu sichern. Der Kampf gegen die Natur ist hart, doch der wahre Feind lauert in den Herzen der Menschen selbst.
Das Gefühl der ständigen Bedrohung wird durch die erdrückende Atmosphäre des Spiels perfekt eingefangen: Jeder Schneefall, jede Entscheidung könnte die letzte sein. Der unaufhaltsame Frost ist nicht das Einzige, was uns auseinanderreißen könnte – es sind die unterschiedlichen Visionen für die Zukunft, die unsere Gemeinschaft zu zerbrechen drohen. „Die Stadt darf nicht fallen,“ hallt es in meinem Kopf wider, und ich spüre das Gewicht jeder Entscheidung auf meinen Schultern. Die Herausforderung, in dieser erbarmungslosen Welt nicht nur zu überleben, sondern auch die moralischen Abgründe unserer Spezies zu navigieren, ist allgegenwärtig.
Willkommen in einer Zukunft, in der der Frost niemals endet
Nach 6 langen Jahren hat 11 bit studios den Nachfolger ihres gefeierten City-Build-Survival Spiels Frostpunk herausgebracht und sich diesmal selbst übertroffen. Frostpunk 2 strotzt nur so vor Atmosphäre. Die Designelemente, die Musik, die Geräuschkulisse. Alles harmonisiert so gut miteinander, dass man nach nur wenigen Klicks komplett im eisigen Bann von Frostpunk 2 gefangen ist.
Die Formel ist die gleiche wie schon im ersten Teil. Im Zentrum meiner Stadt steht der Generator, der niemals erlöschen darf. Die einige Quelle gegen den ewigen Schnee drumherum. Mein Ziel ist es, die Stadt am Leben zu erhalten, Rohstoffe abzubauen, Brennstoff für den Generator zu finden und teils schwerwiegende Entscheidungen zu fällen.
Der Prolog dient als kleines Tutorial und führt mich in die wichtigsten Elemente von Frostpunk 2 ein. Als Erstes muss ich für eine Quelle an Brennstoff für meinen Generator (hier ein abgestürztes Luftschiff) sorgen. Wo ich im Vorgänger Arbeitskräfte noch als Suchtrupps losgeschickt habe, baue ich nun Bezirke, die für mich die Arbeit erledigen.
Um Rohstoffe abzubauen, brauche ich Förderungbezirke. Für Nahrung baue ich Bezirke, die diese abbauen und aufbereiten. Für den notwendigen Wohnraum errichte ich Wohnbezirke. Jeder Bezirk benötige dabei Rohstoffe zum Bau und Rohstoffe zum Unterhalt. Wie ich Bezirke platziere, hat einmal Auswirkungen auf die Bezirke selbst, aber auch auf meine Umwelt. Zum einen spenden sie sich gegenseitig Wärme, zum anderen können aber gerade Industriebezirke Wohngebiete negativ beeinflussen. Das wiederum stärkt das Elend in den Bezirken. Elend führt wiederum dazu, dass Gebiete schneller verschleißen, aber auch dass sich Krankheiten leichter ausbreiten. Hinzu kommt, dass ich in der Gunst der unterschiedlichen Fraktionen falle oder steige. Somit merke ich relativ schnell, dass jegliche Entscheidung Konsequenzen hat.
Die Entscheidungen und der Rat
Neben der Art wie ich meine Stadt ausbaue, kommen noch kleine Ereignisse hinzu, die mich immer wieder zu Entscheidungen zwingen.
Ein Schneesturm naht und ich muss mich um die Nahrungsversorgung meiner kleinen Siedlung kümmern. Zum Glück habe ich im Eis eine Robbenkolonie entdeckt. Nun werde ich aber vor die Entscheidung gestellt, ob ich diese Robben „nachhaltig“ jage oder eben nicht. Rotte ich sie aus, bekomme ich direkt auf Anhieb enorm viel Nahrung, dafür versiegt diese Quelle aber in Zukunft. Weise ich aber meine Arbeitskräfte dazu an, die Kolonie nur soweit zu jagen, dass sie sich selbstständig erholen kann, habe ich zwar jetzt weniger Nahrung, aber in Zukunft eine quasi unendliche Nahrungsquelle.
Doch überlebe ich den Schneesturm? Wie sieht die Zukunft aus? Diese und andere Entscheidungen muss ich immer wieder treffen. Oft werde ich nicht sofort mit den Konsequenzen konfrontiert. Manchmal spüre ich die Konsequenzen erst nach einigen Stunden und dann ist es oftmals zu spät, um noch etwas zu korrigieren.
Diese Entscheidungen waren schon im Vorgänger ein Herzstück von Frostpunk. In Frostpunk 2 kommt aber nun noch ein weiterer Aspekt hinzu: Der Rat.
In der Stadt leben verschiedene Fraktionen, die verschiedene Interessen vertreten. Im Rat kommen diese Fraktionen dann zusammen und entscheiden gemeinsam über Gesetzgebungen, die maßgeblich den Spielverlauf beeinflussen. Als Oberhaupt der Stadt kann ich Gesetze vorschlagen und muss dann eventuell mit den anderen Fraktionen verhandeln, um meine Gesetze durchzubekommen. Doch es reicht nicht einfach Geldgeschenke zu machen. Nein, ich verhandele tatsächlich. Wenn ich also beispielsweise möchte, dass die Fraktion der Pilger einem meiner Gesetze zustimmen, biete ich ihnen im Gegenzug an, eines ihrer Vorhaben zu unterstützen. Sei es ein Gesetz, eine bestimmte Forschung oder ein Gebäude, das ich dann baue.
Was zu Beginn noch relativ reibungslos funktioniert, wird mit Fortschreiten der Geschichte immer schwieriger. Die Stadt entwickelt sich unter meinem Einfluss in bestimmte Richtungen, die nicht allen Fraktionen gefallen. Die Rohstoffe werden knapper, das Elend größer. Krankheiten breiten sich aus. Die Kälte wird härter. All das führt immer schneller dazu, dass ich Vertrauen einbüße und Fraktionen sich von mir abwenden.
In meinem ersten Durchlauf hatte ich irgendwann die Gunst der Pilger verloren. Diese haben dann relativ schnell dafür gesorgt, dass in einigen Bezirken gestreikt wurde. Auch hier habe ich mehrere Möglichkeiten, den Protest niederzuschlagen. Entweder gehe ich auf die Forderungen der Pilger ein, verliere dadurch aber eventuell wieder das Vertrauen anderer Fraktionen oder ich schicke Wachen los, um den Protest brutal zu zerschlagen. Ich hatte mich für den zweiten Weg entschieden, mit der Konsequenz, dass es eine große Abspaltung anderer Fraktionen gab, die sich mit den Pilgern zusammen getan hatten.
Neben dem Rohstoffmanagement muss ich also auch immer wieder abwägen, was ich tue und wie ich etwas tue. Das macht jede Partei in Frostpunk 2 ziemlich unique im Hinblick auf den Wertekatalog.
Expeditionen ins Eis
Irgendwann sind aber alle Rohstoffe aufgebraucht. Daher werde ich gezwungen, Expeditionen auszusenden, um weitere Rohstoffquellen auszumachen. Hier erstreckt sich dann die gesamte Karte des Spiels. Ich kann Späher losschicken, um angrenzende Gebiete zu erkunden. Dies erfordert meist eine gewisse Anzahl an Expeditionenteams. Hinzu kommt, dass jede Regierung auch ein bestimmtes Gefahrenlevel hat. Sind diese zu Beginn noch sehr moderat, so entdecke ich alsbald Regionen, die sogar tödlich verlaufen können. Erst durch weitere Forschungen kann ich meine Teams so ausstatten, dass Regionen weniger gefährlich sind.
War es im Vorgänger noch so, dass ich lediglich Texttafeln abgearbeitet habe, kann ich nun ein breites Netz aus Handelswegen und Außenposten aufbauen, um meine Stadt weiter auszubauen und zu versorgen. Das macht alles deutlich spannender und abwechslungsreicher. So muss ich beispielsweise auch Versorgungspfade errichten. Erst wenn alles mit Außenposten und meiner Stadt verknüpft ist, funktionieren die Handelswege auch. Habe ich im ersten Teil die Expeditionen noch als lästig empfunden, sind sie inzwischen ein spannender Aspekt des Spiels.
Atmosphäre und Grafik
Am Ende noch ein paar Punkte zu wunderbaren Präsentation von Frostpunk 2. Die Grafik beeindruckt durch ihre liebevoll gestalteten Details, die die eisige, eigentlich tote Welt zum Leben erwecken. Jedes Element, von dem Dieselpunk anmutenden Gebäuden bis hin zu den rauen, verschneiten Landschaften, ist mit großer Sorgfalt gestaltet. Selbst der Wuselfaktor kommt nicht zu kurz, trotz dass ich meine Stadt aus größerer Distanz als noch im Vorgänger betrachte. Die Entwickler haben darauf geachtet, dass jede visuelle Komponente zur düsteren, bedrückenden Atmosphäre beiträgt, die das Spiel ausmacht. Besonders bemerkenswert sind die dynamischen Wettereffekte, die die eisige Kälte spürbar machen und den Spieler mitten in die raue Realität der post-apokalyptischen Welt ziehen.
Fazit
Grafik / Art Style - 9
Story / Inszenierung - 9.5
Technik - 9
Umfang - 8
Spielspass - 9
8.9
Frostpunk 2 überzeugt durch eine dichte Atmosphäre, schwere Entscheidungen und eine perfekte Mischung aus Survival Game und Citybuilder.