Ich glaube, um Umzüge spaßig zu finden, muss man Masochist sein. Jeder, wirklich jeder wird bestätigen können, dass ein Umzug eine maximal stressige Angelegenheit ist. Da müssen Abbau, Platzfindung im PKW oder Anhänger, Transport, Lagerung des Hausrates und Aufbau wohlkoordiniert sein. Zeug geht kaputt, Tränen fließen, irgendein sperriges Sofa will nicht durchs Treppenhaus passen, und die olle Lieferdienst Pizza am Ende des Tages ist geringes Trostpflaster für diese Tour de Force. Man kennt es. Gerade die anfängliche Phase des ewigen Möbel-Schleppens nahm schon der erste Teil von Moving Out als Prämisse, um gleichsam quirlige wie nervenaufreibendes kooperatives Gewusel zu inszenieren und der Hektik eines Umzugs eine gewisse Slapstick-Attitüde abzuringen. Und der jüngst erschienene Nachfolger (Release: 15. August 2023) von Devm Games und SMG Studio macht nahtlos da weiter, wo der Vorgänger aufhörte, ergänzt das Treiben aber um skurrilere Szenarios und Level Designs fernab der Realität und mehr Interaktivität in den Stages. Kann Moving Out 2 mit seiner chaotischen Mehrspieler-Komponente begeistern? Das beantworten wir euch mit dieser Review.
Back to Packmore… and beyond
Wir beginnen an dem Ort, wo auch Moving Out primär stattgefunden hat: Im guten, alten Packmore. Nachdem unser Unternehmen Smooth Move mit dem letzten (schiefgegangenen) Umzug das sogenannte F.A.R.T. Zertifikat verloren hat, müssen wir uns dieses erneut verdienen. In dem fiktiven Städtchen, das als Hubwelt funktioniert, wird es daher nach einem kurzen Einführungsmodul direkt ans Umziehen gehen – Uns steht unser altbekannter Umzugswagen zur Verfügung. Wir bearbeiten ein paar einfachere Aufträge und sammeln Sternchen, um das Rating unseres F.A.R.T.S. (Furniture Arrangement Relocation Technician) zu verbessern. Ganz basal heißt das: Es gibt ein Zeitlimit, wir müssen den Kram, der natürlich in allen Formen und Größen daherkommt, in den Umzugswagen packen und diesen an den passenden Stellen in den Häusern abladen. Ganz basal haben wir die Optionen, die Objekte zu tragen, zu ziehen und zu werfen. Hauptziel ist es natürlich, den ganzen Umzug überhaupt irgendwie zu schaffen. An die Sternchen sind aber immer bestimmte Konditionen und Nebenaufgaben gekoppelt, die mal mehr, mal weniger einfach zu erreichen sind. Alles in allem erinnert der Game Loop von Moving Out (2) stark an das ebenfalls von Publisher Team17 stammende Koop-Game Overcooked. Das Stress- und Chaoslevel ist ähnlich angesetzt.
Bei Moving Out 2 wird es aber schnell fantastischer und irrwitziger: In Packmore werden nach den anfänglichen Standard-Umzügen direkt drei Portale geöffnet, die uns in Alternativrealitäten verschlagen und die wir in individueller Reihenfolge angehen können: Zur Wahl stehen die Süßigkeitenwelt „Snackmore“, in der gefühlt alles irgendwie mit Lebkuchen zutun hat, die Mittelalter-Fantasy-Dimension „Middle Folkmore“ oder die futuristische Wolkenstadt „Pactropolis City“ mit ihren Robotern und Drohnen.
Die Story von Moving Out 2 ist naturgemäß eher zweckmäßig, aber wartet mit einem klamaukigen Humor auf, der schön zur cartoonigen Ästhetik passt und zwischen Dad Jokes und cleveren Referenzen pendelt.
Clevere und herrlich kreative Gameplay Mechaniken
Der überzeichnete Ansatz erlaubt Moving Out 2 kreative und clevere Designideen zu verwirklichen, die manchmal hervorragend, manchmal semigut funktionieren, aber vor allem enorm facettenreich sind. Bereits die anfänglichen drei Welten warten mit komplett uniquen Spielmechaniken auf: In Snackmore können wir mit einer Abrissbirne Lebkuchenwände einreißen und Collectibles aus Süßigkeitenpötten herausbrechen, in der folkloristischen Mittelalter-Dimension dreht sich alles um Bewegung und Rotation und in Pactropolis können wir mitunter die Winde manipulieren. Das kann man beliebig so fortsetzen: Vertrackte und verschlungene Gänge eines verwinkelten Hostels mit Einweg-Türen, rotierende Bibliotheken und eine Stage, die rund um einen riesigen Kaugummi Automaten gestrickt ist. Ein ähnliches Maß an Kreativität und Verspieltheit habe ich zuletzt bei It Takes Two gesehen.
Der klassischste Modus besteht darin, innerhalb eines Zeitlimits alle Möbelstücke von A nach B zu bringen. Die „Moving In“ Herausforderungen wurden bei Moving Out offenbar erst mit dem DLC eingeführt, sind hier von Haus aus mit an Bord. Hierbei muss im Voraus geplant werden, wie man ein Möbelstück oder ein Objekt möglichst effizient an seinen Platz bringt – beispielsweise muss man bei sperrigen, großen Möbelstücken schauen, dass man auf dem Weg durch die engen Flure nicht etwa die Lampen zerdeppert. Wie im echten Leben eben. Nun ist Moving Out 2 aber nicht das echte Leben, weshalb man das ganze Gerümpel bar jeder Physik auch gerne mit Katapulten und ähnlichen Gerätschaften in die Heime befördern muss.
Darüber hinaus gibt es die Score-Attack-Levels, die als kleine Minispiele angelegt sind. Beispielsweise muss man in Snackmore in einer Art Schießbuden-Herausforderung Lollipops abschießen bzw. abwerfen. Es gibt noch eine Arcade, in der ähnliche Aufgaben Stage-basiert bewältigt werden müssen. Moving Out 2 hat verdammt viele Ideen – nicht alle zünden – aber langweilig wird es selten. Die Schwierigkeitsgrade sind aber nicht immer ganz fair: Einen Umzug grundsätzlich zu bewältigen ist vielleicht kein Problem, die Nebenaufgaben sind aber oftmals ein ganz anderes Kaliber. Alle Sterne zu sammeln ist eine regelrecht nervenzerrende Aufgabe. Die aber benötigt man oft, um das F.A.R.T. Zertifikat höher zu leveln und neue Areale und Levels freizuschalten, kurzum, um Fortschritt zu ermöglichen. Moving Out 2 ist der Inbegriff von Easy to learn, hard to master und je nach Ambition muss man ordentlich frustresistent sein.
Für Solisten weniger geeignet
Kern des Spiels ist zudem ganz klar die Mehrspieler/Koop-Kampagne. Als Einzelspieler kann man Moving Out 2 zwar auch spielen, aber das wird letztlich schnell öde bis belanglos, weil es konkretes Spieldesign ad absurdum führt. Als Solist kann man nämlich wirklich jedes Objekt, egal wie groß und schwer, selbstständig tragen, ziehen und werfen. Hier ist also vor allem der Zeitfaktor der entscheidende Motivator. Aber erst im Koop erhalten sperrigere Objekte auch konkretes Gewicht, sodass man den Support zusätzlicher Helfer benötigt, die wiederum unter Zeitdruck eine gemeinsame Strategie erdenken müssen. Der fordernde Reiz und Spaß ergeben sich also vor allem aus dem gemeinsamen Koordinieren und Ausprobieren von Arbeitsteilungsprozessen.
Da man nicht immer eine*n Mitstreiter*in zur Seite hat, der oder die Bock auf lokale Coop-Action hat, gibt es zum Glück einen Online-Modus, bei dem man mit bis zu drei Zeitgenossen die Levels bewältigen darf.
Hier würde ich mir für ein mögliches Moving Out 3 mehr Ideen für eine vollwertige Einzelspielerkampagne wünschen. An Ideen scheint es nämlich offenbar nicht zu mangeln.
Verbesserte Optik und Physik, vorbildliche inklusive Optionen
Moving Out 2 sieht absolut knuffig aus. Grafisch kann das Spiel mit seinem Stil durchweg punkten – Die Farbgebung ist schön bunt, überall gibt es kleine Details, die Levels sind extrem divers gestaltet. Zudem gibt es signifikante Verbesserungen bei Physik und Interaktivität. Das Ziehen, Werfen und Schleppen der Möbelstücke fühlt sich sehr griffig an, die Nutzung der Spielmechaniken in den einzelnen Levels geht trotz zahlreicher Designideen in der Regel leicht von der Hand und alles ist technisch sehr sauber programmiert. Ein Plus gibt es zudem für die zahlreichen barrierefreien Einstellungsmöglichkeiten: Skalierbares User Interface, Nutzung von Schriftarten speziell für Personen mit Dyslexie, Untertitel und ein einstellbarer Unterstützungsmodus für jede Stage. Hier wird niemand außen vor gelassen.
Fazit:
Moving Out 2 ist ein toller Indie Mehrspieler Titel, der nahezu alle Aspekte des Vorgängers bedeutend verbessert. Das Spiel bietet kreativ überbordende Stages in knuffiger Optik und mit extrem vielfältigen, sich selten wiederholenden Spielmechaniken. Das ganze garniert mit gut austariertem Gameplay, das seine Reize vor allem aus dem kooperativen, stressigen Zusammenspiel mit den Mitspieler*innen bezieht. Vorbildlich sind zudem die zahlreichen inklusiven Einstellmöglichkeiten. Für Solisten hingegen ist Moving Out 2 nichts, da es den Kern der Spielmechanik ad absurdum führt. Hier würde ich mir gegebenenfalls eine dezidierte Solo-Kampagne für einen dritten Teil wünschen. Außerdem sind manche der Nebenaufgaben derart fordernd, dass man da schon arg frustresistent sein muss. Trotzdem: Ich empfehle weiter!
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Grafik - 8
Story - 6.5
Technik - 8.5
Umfang - 8
Spielspass - 8.5
7.9
Tolles und forderndes Koop Indie-Game, das nahezu alle Aspekte des Vorgängers verbessert.