Erst Ende März kam eine Pressemitteilung reingeflattert, dass das von den polnischen Techland Studios entwickelte Dying Light 2: Stay Human nun Steam Deck-verified sei. Da ich den ersten Teil der Dying Light-Serie erst Jahre später nachgeholt hatte und von dem Seriendebüt angetan war, den zweiten Teil aber trotz verstärktem Interesse, insbesondere nach der Gamescom 2018 Präsentation, bislang noch nicht spielen konnte, war das für mich der passende Zeitpunkt um einzusteigen. Dying Light 2: Stay Human ist seit etwas mehr als einem Jahr am Markt und wurde nach der schwierigen Entwicklungsphase durchaus wohlwollend bei der Presse und etwas kritischer bei der Spielerschaft aufgenommen. Insofern wird die Besprechung hier zwar auch den Blick auf die mitunter uniquen Spielmechaniken und inhaltliche Aspekte eingehen, interessant ist aber vor allem der technische Blick auf die Steam Deck-Kompatibilität. Kann der brutale Überlebenskampf des mutierten Pilgers Aiden, der in der von internen Grabenkämpfen zerrissenen Bastion Villedor nach seiner Schwester Mia sucht, auf dem portablen Valve-Gerät überzeugen oder ist die Steam Deck Verifizierung lediglich eine Farce? Unter dieser Prämisse schauen wir uns Dying Light 2: Stay Human ein Jahr nach Release noch mal genauer an.
Eine Stadt voller Geschichten
Vor der Veröffentlichung von Dying Light 2 betonten Techland damals immer wieder, wie wichtig ihnen die Geschichte beim zweiten Teil ist. Mit dem langjährigen Black Isle-Entwickler und Obsidian Entertainment-Mitbegründer Chris Avellone holte man auch einen versierten Rollenspiel-Veteranen an Bord, der als Story-Designer engagiert wurde. Und tatsächlich geht damit auch ein klarer Fokuswechsel einher: Der DL-Erstling war ein Gameplay-getrieber Actioner, der sich vor allem durch die drei Aspekte Parcour, brachialen Nahkampf und Survival Horror auszeichnete und gerade mit ersterer Mechanik eine modrige Duftmarke im Zombie-Genre setzen konnte. Bei Dying Light 2 sind diese Aspekte immer noch sehr prominent vorhanden – aber es gibt auch klar narrative Ambitionen, die Dying Light 2 zum sandboxigen Action-RPG machen. Leider war der erzählerische Ansatz aber offenbar auch einer der Gründe für die schwierige Entwicklung. Denn im Zuge der Entwicklung verlor man Chris Avellone, den man wegen angeblicher sexueller Fehltritte entließ (fälschlicherweise, wie sich mittlerweile rausgestellt hat). Fraglich ist natürlich, wie groß Avellones Einfluss auf das Script dann tatsächlich gewesen ist.
Dying Light 2 spielt 22 Jahre nach dem ersten Teil, im Jahre 2036: Nachdem das sogenannte Harran-Virus aus der gleichnamigen fiktiven türkischen Stadt eine apokalyptische Szenerie und Menschen in gewalttätige Zombies verwandelte, gelang es im Verlauf des ersten DL die Infektionsrate einzudämmen und einen wirksamen Impfstoff herzustellen. Die Situation schien sich zu normalisieren, doch die Hoffnung war trügerisch: Im Hintergrund werkelte die vermeintliche Hilfsorganisation GRE an einer biologisch-militärischen Waffe auf Basis des Ursprungsvirus, infolgedessen mutierte das originäre Virus, wurde freigesetzt und verbreitete sich rasend schnell; Die Pandemie führte zum Untergang der Zivilisation. In Dying Light 2 gibt es nur noch wenige Siedlungen, die bewohnbar sind und die vollständig von der Außenwelt isoliert sind. Die Menschheit wurde in ein moderneres Mittelalter zurückversetzt.
Wir schlüpfen in die Rolle des sogenannten Pilgers Aiden Caldwell, einem jungen Mann, der auf der Suche nach seiner Schwester Mia weit gereist ist. In Dying Light 2 ist die Gruppierung der Pilger das einzige Bindeglied zwischen den Siedlungen, es handelt sich hierbei um Menschen, die entweder mutig oder verzweifelt genug sind auf Reise zu gehen – Als Neuankömmling in Villedor, einer fiktiven, vermutlich osteuropäisch nachempfundenen Stadt in Europa werden wir kritisch von den lokalen Gruppen beäugt. Die Stadt ist in verschiedene Lager zerrissen, die um Macht und Deutungshoheit ringen: Auf der einen Seite gibt es die PKs, die sogenannten Peacer Keeper, die militaristisch organisiert sind und eine Welt anstreben, die der alten Zivilisation nachempfunden ist: In der es Recht und Gesetz gibt. Die Überlebenden hingegen, die ihre Homebase auf dem Basar des alten Villedors haben, sind hingegen spirituelle, libertäre Freigeister, welche die Post-Apokalypse zu Teilen als Chance für gesellschaftliche Umwälzungen sehen. Dazwischen gibt es noch die Abtrünnigen, die weitgehend als unorganisierte Gruppierungen keine Relevanz für die Geschichte haben. In diesem explosiven Gemenge ist Aiden jemand, der an den Schwellen schreitet.
Dass Aiden von einem düsteren Geheimnis umweht ist, wissen zu Beginn die wenigsten: Denn als Kind wurden an ihm und Mia von dem Ex-GRE Mediziner Waltz grausame Experimente durchgeführt. Waltz‘ letzter Aufenthaltsort ist Villedor, „Die Stadt“, wo Aiden auch seine Schwester vermutet, die er seit 15 Jahren nicht mehr gesehen hat. Erschwerend kommt hinzu, dass Aiden infiziert ist, und sich nicht über einen längeren Zeitraum im Dunklen aufhalten kann, ohne Schaden zu nehmen und letztlich zu sterben. Abhilfe schaffen da lediglich diverse Aufputschmittel und UV-Zauberpilze. Die Tag/Nacht Strukturen von Villedor sind durch die Infizierten bestimmt. Tagsüber halten sich die meisten Menschen auf den Dächern auf, des Nachts ziehen sie sich in ihre UV-bestrahlten Behausungen zurück. Umgekehrt verweilen die meisten Infizierten bei Tage in den dunklen Winkeln der leerstehenden Häuser, sogenannten Dark Zones, während sie nachts die Straßen Villedors unsicher machen.
Die Open World von Dying Light 2 ist hierbei ein Tableau für verschiedenste Geschichten, die unterschiedliche dramatische Ausgänge nehmen können. // SPOILER // Eine recht tragische Geschichte zu Beginn etwa führt uns in die Arme des jungen Gauners Damien, der beim Basar auf uns aufmerksam wird, da wir ein unbekanntes Gesicht in der Stadt sind. Er engagiert uns für einen Job, der sich als Falle entpuppt. Eine Gruppe von Banditen versucht Aiden zu töten – Es stellt sich raus, dass Damien regelmäßig junge Menschen auf diese Weise in den Tod schickt. Damien ist aber kein gewissenloses Arschloch, sondern wird von den Banditen erpresst. Sie halten seinen Zwillingsbruder gefangen und drohen ihn zu töten, falls er nicht kooperiere. Die Sache eskaliert und beinhaltet einige unerwartete Twists – Damien kann mit der Schuld nicht leben und verschanzt sich auf dem höchsten Turm des Basars, um sich das Leben zu nehmen, sofern wir ihn nicht vorher schon verpfiffen haben, was ebenso seinen Tod besiegeln würde. Nun können wir in Aiden’s Rolle Damien durchaus von seinem Vorhaben abbringen, es gibt hier also multiple Wege diese Quest mit unterschiedlich tragischen Ausgängen anzugehen. // SPOILER ENDE // Andere Quests sind eher ziemlich klamaukig – So dürfen wir einer eitlen Grand Madame ihren Nerzschal besorgen, den sie verloren hat und ohne den sie nicht mehr auftreten könne, weil ihr Gesang dann nicht mehr zur Geltung käme. Nachdem wir ihr ihren Schal organisiert haben, beglückt sie uns mit einem herrlich schiefen Ständchen. Solche goofy Momente lockern dann immer wieder den eher ernsten Tonfall des Spiels auf. Für die Hauptstory gilt im Prinzip dasselbe wie für die Nebengeschichten: Wir können immer wieder eine Wahl treffen, die mitunter erhebliche Konsequenzen für den weiteren Verlauf hat, und die sich dann auch optisch im Stadtbild wiederspiegelt. Ich empfand das meinem Spieldurchgang in der Tat als ziemlich cooles Feature, obwohl ich bei der Auswahl der Fraktionen doch immer zu den mir eigentlich unsympathischen Peacekeepern tendierte. Die hippiesken Überlebenden wirkten mir langfristig nämlich einfach zu dumm, sodass ich wider meiner politischen Überzeugungen doch zu der militaristischen, aber auch rationaleren Gruppierung neigte.
Durchwachsenes Writing
Und damit können wir den Bogen nämlich zum Aspekt „Writing“ spannen – Das Drehbuch von Dying Light 2 ist in den ersten Spielstunden ziemlich gut. Gerade die Prämissen der Geschichten sind recht spannend geworden – und man merkt Techland die Ambition, mit Dying Light 2 ein narrativ starkes Abenteuer schaffen zu wollen, deutlich an. Gleichzeitig war das Writing aber mit Ausnahme des wirklich gut geschriebenen „Call of Juarez: Bound in Blood“ schon immer eine Schwäche von Techland – Wie eingangs erwähnt: Ich weiß nicht, wie viel Einfluss ein Avellone faktisch auf das Produkt hätte, wenn er denn geblieben wäre. Im Subreddit zu Dying Light 2 schrieb jemand, dass die Sequenzen aus den frühen Vorab-Präsentationen stärker geschrieben schienen, als es im späteren Endprodukt der Fall war. Das Problem ist, dass extrem viele Charaktere dann doch wirklich fremdschämige Dialogteile in den Mund geschoben bekommen haben und mit dem leider profillosen Aiden hat man nicht gerade eine charismatische Identifikationsfigur als Konterpart geschaffen. In seinen allerbesten Momenten kann Dying Light 2 zwar eine ähnliche melancholische Stimmung der Vergänglichkeit heraufbeschwören wie The Last of Us, in den schlimmsten Momenten wirkt es hingegen, als hätte mein edgy 15-jähriges Realschüler-Ich den Handlungsstrang geschrieben. „Ein kleiner Junge, der so tun will, als sei er erwachsen, aber er ist nicht erwachsen, sondern doch nur ein kleiner Junge“, an irgendeiner Stelle lässt der Hauptantagonist Waltz sinngemäß diesen Spruch vom Stapel, und man weiß bei diesem Geschwafel einfach nicht, ob man lachen oder weinen will. Auch die intensive Beziehung zwischen Aiden und Mia, die immer wieder in Flashbacks angerissen wird, will nicht so richtig zünden, denn Mia wirkt mit ihrem nervig-schrillen „Aideybobaidey“-Getröte nicht gerade wie ein emotionaler Ankerpunkt für Aiden. Ich empfinde die Lore der Welt als spannend und die Stories gerade in den ersten Stunden, wo es um die Einzelschicksale von Villedor geht, als durchaus packend. Nur werden sie häufig auf B-Movie Niveau inszeniert, obwohl man so offensichtlich mehr will. Lange Zeit bleibt Hakkon, der anfängliche Mentor, der einzige NPC, den man einigermaßen mögen kann. Gerade mit fortschreitender Spieldauer merkt man dem Spiel leider auch an, dass der Titel eine schwierige Entwicklung hinter sich hat, und dass auch die Haupthandlung zunehmend auseinander fällt. Das alles kulminiert in einem unfassbar öden Finale, das vermutlich mit allen Enden recht unbefriedigend ausfällt. Das ist auch eine typische Techland-Krankheit und irgendwo unfassbar schade. Ich wünsche mir inständig, dass Techland nicht aufhört, an seinen erzählerischen Gehschritten zu arbeiten. Denn ich denke, theoretisch könnte man langfristig auf CD Projekt RED-Niveau arbeiten.
Befriedigender Gameloop mit vielen Verbesserungen…
Dying Light 2 baut im Wesentlichen auf dem Gameloop des Vorgängers auf: Wir dürfen Villedor im DL-typischen Freerunner-Style erkunden – und nutzen die desolate, aber zuweilen wunderschöne Umgebung der Stadt für Parcour-artige Erkundungen über die zahlreichen Dächer, Kräne und Windmühlen – Villedor hat etwa zwölf Bezirke, von denen anfangs überschaubare vier zur Verfügung stehen. Die Map ist unwesentlich größer als jene von Dying Light 1, hat aber durch die mitunter wesentlich höheren Gebäude eine imposantere Vertikalität als der Vorgänger – Überall befinden sich Überhänge an denen wir uns entlanghangeln können. Die sind auch bitter nötig, denn die Straßen werden von unzähligen Zombies bevölkert. Anfangs sind Aidens Kletterfähigkeiten bescheiden – der Ausdauerbalken wird zügig leer und Aiden verliert dann direkt den Halt, doch mit dem Skillen unserer beiden Fähigkeitenbäume Parcour und Kampf können wir Aidens Fähigkeiten recht bald ausbauen. Gerade zu Beginn sollte man relativ schnell auf „Aktive Landung“ und „Sichere Landung“ skillen, damit man sich bei höheren Sprüngen unbeschadet und elegant abrollen kann. Damit entsteht erstmalig ein richtiger Flow – Nach einer gewissen Zeit werden die zahlreichen Parcour-Mechaniken zu einer richtig befriedigenden Spielmechanik, die gleichzeitig komplex und intuitiv anmutet und sich mit Doppelsprüngen, Slide-Manövern und Wallruns wunderbar rasant spielt. Das hat schon bei Dying Light 1 gut funktioniert, wurde hier aber nochmal merklich verfeinert. Selbiges gilt für die intensiven Nahkampf-Kämpfe, die sich zunächst holprig, später aber wunderbar wuchtig präsentieren. Hier können wir mit Seitenschritten ausweichen, blocken und natürlich auch Angriffe parieren. Mit bestimmten Manövern bringen wir unsere Widersacher ins Wanken. Ich bin damals großer Fan der Condemned-Reihe gewesen und habe den brachialen, ultragewalttätigen Melee Combat-Aspekt geliebt. Dying Light 2 bietet hier etwas Vergleichbares an – brachial-blutige Kämpfe, die sich zunehmend dynamisch spielen und experimentelle Gameplay-Ansätze offerieren, und ein sich sehr physisch anfühlendes Trefferfeedback. Rein spielmechanisch ist Dying Light 2 also ziemlich erhaben. Die Nahkampf-Waffen können wir zudem modifizieren – so sind einige besonders wertvolle Waffen mit Slots versehen, wo wir diverse Extras anbringen können: Mit diesen können wir die Zombiehorden etwa mit Stromschlägen schocken oder gezielt in Brand setzen, was extrem spaßig, tatsächlich aber etwas overpowered ist. Die Haltbarkeit der Waffen ist da ein mitunter nerviges, aber diesen Umstand ausbalancierende Mechanik.
Weiterhin ist die Tag-/Nacht-Struktur von Dying Light 2 recht wesentlich für den Spielablauf: Ab 19:30 Uhr In-Game Zeit beginnt die Dämmerung und dann wird es recht schnell zappenduster in Villedor. Die Nachtphase ist einerseits ziemlich ungemütlich, da sich nunmehr alle Infizierten, die tagsüber in der Dunkelheit der Häuser lauern, nun auf den Straßen Villedors befinden, andererseits birgt sie auch einige Vorteile für mutige Spieler*innen: Denn die sogenannten Dark Zones, in denen die Zombies am Tage ruhen, bergen einiges an wertvollem Loot und lassen sich nachts bequemer plündern. Zudem erhält man nachts mehr Erfahrungspunkte für Parcour- und Kampf, die sich sinnvoll in den Fähigkeitenbaum investieren lassen. In der Dunkelheit sind oftmals verschiedene Zombietypen unterwegs, die am Tage nicht anzutreffen sind, und die einige Besonderheiten aufweisen: Die Heuler etwa lassen sich recht gut an ihrem glühenden Körper erkennen. Schon recht zu Beginn sind nachts einige von ihnen unterwegs; sobald sie den Runner entdeckt haben, stoßen sie einen markerschütternden Schrei aus, der andere Infizierte anlockt. Dann beginnen die sogenannten Jagden, die unterschiedlich intensiv ausfallen können. In der Regel bleibt einem als Spieler dann nur die Möglichkeit, zu einem Safe Space zu flüchten, der mit UV-Strahlung ausgestattet ist und die Infizierten abhält. Gelingt die Flucht, wird man auch hier mit ordentlich Erfahrungspunkten belohnt. Es gibt aber auch darüber hinaus Infizierte, die sich durch spezielle Fähigkeiten, Verhaltensmuster oder eine durch imposante Physis auszeichnen: Flüchter sind, wie es der Name suggeriert, beispielsweise gar nicht gefährlich – denn sie hauen schlicht ab. Erwischt man sie, tragen sie häufig selteneren Loot bei sich. Banshees sind extrem nervige Vieher, denn sie sind flink, demnach schwer zu erwischen, und greifen oft aus der Höhe an. Die Goliaths und Demolisher sind schwer mutierte Kolosse, die zwar recht träge sind, dafür aber verdammt viel austeilen können. Spitter spucken mit einer ätzenden Flüssigkeit, Drowner ziehen einen in die Tiefe des Wassers und führen zum Tod durch Ertrinken und Bomber explodieren gerne und richten verheerenden Schaden an, wenn man ihnen zu nahe ist. An der Spitze der Nahrungskette stehen die Schattenjäger und Wiedergänger (bzw. Revenants), die jeweils meist nachts im Rahmen von GRE-Anomalien auftreten und die man am besten schleichend umgeht, weil man vermutlich sonst eher das Zeitliche segnen wird. Der Facettenreichtum der Zombies ist tatsächlich eine große Stärke, wenngleich wir nachher noch zu einem „Aber…“ kommen müssen. Abseits der Zombies gibt es diverse Variationen an fraktionslosen Banditen, die KI-mäßig natürlich cleverer agieren als ihre infizierten Mitbürger – und je nachdem für welche Seite wir uns entscheiden, geraten wir mit den Peacekeepern oder Survivors aneinander.
… aber auch ein paar Downgrades gegenüber dem Vorgänger
Dying Light 2 wirkt trotz des Finetunings aber in manchen Punkten wie ein Downgrade gegenüber dem Erstling: Dying Light 1 wie auch das umfangreiche Add-On The Following fühlten sich damals manchmal ein klein wenig nach Immersive Sim an: Techland hatte wirklich viele Mechaniken eingebaut, die zum hemmungslosen Experimentieren einluden. Einen Zombie packen, sich gemeinsam mit ihm von einem Hochhaus stürzen, und dann den modrigen Körper als Kissen für eine weichere Landung nutzen? Kein Problem – Bei Dying Light 2 hingegen fehlen für dieses Manöver schlicht die Animationsphasen. Versucht man hier dasselbe, clippt der Zombiekörper zeitweise weg. Bei Dying Light 1 waren die Zombies an die Physik der Welt gebunden. Entdeckten sie den Spieler, jagten sie ihm hinterher und konnten dabei auch über Hindernisse stolpern oder über Klippen laufen. Das animalische Verhalten der Infizierten wirkte beim ersten DL deutlich authentischer und versierte Spieler*innen konnten allerlei Schabernack mit den Infizierten treiben, zumal es in Harran viel mehr von ihnen gab als in den Strassen Villedors. Es gab überall kleine Easter Eggs zu entdecken: Wenn die In-Game Uhr um 20:30 Uhr die Abenddämmerung markierte, wendeten sich die Zombies apathisch zur untergehenden Sonne hin. Derlei Gimmicks gab es an etlichen Stellen. Die Zombies selbst wirkten in DL1 zudem noch deutlich individueller und ließen Rückschlüsse auf die vergangenen Leben zu. Je nach Mutationsstand kreisten zudem auch mehr oder weniger Fliegen um die toten Leiber. Bei Dying Light 2 findet trotz der vielen unterschiedlichen Infizierten-Typen mit den entsprechenden Charakteristika viel Copy & Paste statt. Und auch die Abnutzung der Waffen wurde damals nicht nur über Zahlenwerte definiert, sondern konnte optisch und physisch korrekt nachvollzogen werden. Bei Äxten konnte man nach mehreren Schlägen gegen Metall etwa sehen, wie die Klinge zunehmend stumpfer wird, ein Metallschlagstock etwa wies dann Verbiegungen auf. Das findet sich bei DL2 so nicht mehr. Hier könnte man diverse weitere Beispiele nennen, aber man kann es letztlich so zusammenfassen: Zugunsten der größeren Spielwelt und der ambitionierteren, wenngleich manchmal durchwachsenen Erzählung hat man auf viele technische und spielmechanische und Gimmicks und eine akribische Liebe zum Detail verzichtet, die einen großen Reiz vom DL-Debüt ausgemacht haben.
Was ist in der deutschen Fassung zensiert?
Das ist vermutlich vor allem ein Aspekt, der für Gorehounds und Prinzipienverfechter relevant sein dürfte, aber auch für Leute, die internationale Mitspieler*innen anstreben. Die deutsche Version von Dying Light 2: Stay Human ist geschnitten. Sie ist immer noch ultragewalttätig – Es gibt immer noch rollende Köpfe, abgetrennte Gliedmaßen, viel Blut und brachialen Nahkampf, aber es gibt ein paar Unterschiede: Neutrale NPCs, die keine expliziten Widersacher von Aiden sind, dürfen in der dt. Fassung nicht getötet werden. Bei den Zombies lassen sich Gliedmaßen abtrennen, Banditen und andere menschliche Gegner bleiben allerdings ganz. Das hat Auswirkungen auf den Netcode: Dying Light 2: Stay Human kann in der deutschen Fassung nur von Spieler*innen aus Deutschland gezockt werden. Plant ihr also eine Session mit euren US-Kumpels, bleibt ihr mit der geschnittenen Fassung außen vor.
Grafische Präsentation, Soundkulisse und abgemilderter Horror
Visuell sieht Dying Light 2 eigentlich ziemlich schick aus – Villedor bietet als Stadt teilweise prächtige Kulissen. Wenn sich die Sonne dann über die Dächer senkt, wirkt das mitunter sehr stimmungsvoll. Auch die nächtlichen Szenerien sind solide in Szene gesetzt, mit sicheren Zufluchtshäfen, die in grelles UV-Licht getaucht sind. Nicht so gut haben mir hingegen die etwas statischen Animationen der NPCs gefallen. Die Gesichtsmodelle, von Hakkon zum Beispiel mal abgesehen, wirken oft irgendwie leblos (und das bei einem Zombie-Spiel höhö) und die Bewegungen der Körpermodelle recht hölzern. Das steht konträr zum Eindruck unseres Spieler-Movements, welches ja sehr agil daherkommt und mit netten Idle Animations aufwartet. Für mich persönlich misst sich grafische Qualität ja auch immer ein bisschen an der Darstellung von Wasser. Und ich weiß nicht warum, aber irgendwie hat mir das Wasser in Dying Light 1 besser gefallen, das wirkte fluider und hat sich physikalisch richtiger verhalten. Den Sound von Dying Light 2 find ich hingegen nach wie vor sehr atmosphärisch. Musikalisch setzt man auf eine Mischung aus Orchester- und synthetischen Klängen, die gut zum Wasteland-Klima des Spiels passen, abseits davon aber nicht unbedingt hängen bleiben. Wenn man dann aber die Schreie der Infizierten nachts durch die Stadt hallen, oder wenn man beim Kampf brachial die Knochen krachen hört, dann zollt man dem dystopischen Sounddesign durchaus seinen Respekt. Die Schreie sind hier aber auch gutes Stichwort: Man hat den Horror von Dying Light 1 deutlich abgemildert, obwohl es immer noch wahnsinnig intensive Passagen gibt. Das liegt dann aber tatsächlich daran, dass die Nacht in Dying Light nicht nur visuell deutlich finsterer gewesen ist, sodass man tatsächlich die Taschenlampe anhaben musste, um überhaupt was zu erkennen, sondern auch der Schwierigkeitsgrad war deutlich in die Höhe geschraubt. Bei Nacht war die Chance, in DL1 direkt getötet zu werden, recht hoch. Die komplette Nacht bestand aus Flucht, und das von einem bedrohlich wummernden, stressigen Soundtrack, der puren Terror vermittelte. Bei Dying Light 2 kann man sich an die Dächer halten und ist weitgehend sicher. Der Survival Horror Aspekt ist also zugunsten des Rollenspiels und des Parcourings deutlich zurückgeschraubt worden, und das eben auch optisch und auditiv.
Performance auf dem Steam Deck
Mit dem März-Update ist Dying Light 2: Stay Human offiziell Steam Deck-verified und damit kompatibel. Vorher ließ sich der Titel zwar auch schon spielen, bei den Einstellungen und beim Gamepad Layout musste man aber ein bisschen fummeln, zudem ließen sich Bildschirmtexte schlecht lesen. Aber Techland ist ja dankenswerterweise bekannt dafür, seine Titel lange und auch intensiv zu supporten und zu optimieren. So auch hier: Mit dem Update und der Verifizierung, sind die Bildschirmtexte mittlerweile gut auf dem 1280×800 Display lesbar und das Spiel läuft auf den Standard Einstellungen bei soliden 30 – 40 FPS und sieht dabei ziemlich ordentlich aus.
Gerade weil Dying Light 2 ein technisch recht anspruchsvoller Titel ist, gleicht die Performance auf dem Valve Handheld einem technischen Glanzstück. Möglich macht es die Kombi aus neuen Proton Updates, also Valve’s Windows zu Linux Emulations-Tool, unter dessen Haube z.B. der Emulator Wine und DXVK werkeln, und welches in Steam Play integriert ist, neue Treiberupdates und das besagte März-Update von DL2.
Das offizielle Gamepad Layout ist intuitiv, fühlt sich gut an und entspricht im Wesentlichen dem Xbox Controller Layout. Wenn man das Spiel auf 30 FPS lockt, kann man tatsächlich ein wenig den Akku des Steam Decks schonen und länger zocken. In allen Fällen ist die Steam Deck-Kompatibilität technisch wirklich beeindruckend, sodass man den Dying Light 2 zocken, ohne dass man da Federn lassen muss.
Fazit:
Mit Dying Light 2: Stay Human ist Techland jetzt zwar nicht der ganz, ganz große Wurf gelungen, den sich das Studio mit Blick auf den polnischen Mitbewerber CD Projekt RED vermutlich erhofft hatte, dennoch macht das post-apokalyptische Zombieschnetzel-RPG nach wie vor ziemlich Laune. Das liegt natürlich im Wesentlichen immer noch an dem Unique Selling Point der Reihe: Sobald man den Dreh beim Parcour-Element raus hat, entfaltet das Spiel einen ziemlich befriedigenden Gameloop aus Klettern, wuchtigem Infizierte schlachten und Craften. Schade ist aber, dass es zahlreiche detailverliebte Immersive Sim-Elemente aus dem Vorgänger nicht in den zweiten Teil rüber geschafft haben. Schade ist zudem auch, dass der beklemmende und wirklich furchterregende Survival Horror des ersten Teils deutlich geschmälert wurde. Mit dem zweiten Teil wollte man die Geschichte stattdessen komplexer gestalten und hat mit Villedor einen weitläufigen Spielplatz geschaffen, in dem man als sogenannter Pilger zwischen die Fronten der Peacekeeper und der Überlebenden kommt, gleichzeitig aber noch ein Hühnchen mit einem sadistischen Ex-GRE Arzt zu rupfen hat. Entscheidungen sind eine wichtige Gameplay-Säule und Aushängeschild des neuen, größeren Ansatzes. Im Zuge dieser Haupthandlung will Techland noch viele kleine Geschichten erzählen, mal tragisch, mal albern, mal düster und beklemmend und meist auch erzählerisch verzweigt.Das Problem ist hier aber, dass man die kleine Entwicklungshölle, in der sich Dying Light 2 befand, gerade bei der Geschichte am meisten merkt. Trotz zeitweiliger Beteiligung von Chris Avellone ist das Writing nicht ganz stimmig, zum Ende hin zerfällt der Plot ärgerlicherweise fast komplett. Richtig positiv und in bester Techland-Tradition hingegen ist die Technik: War der Titel ursprünglich noch ein bisschen buggy, merkt man davon nun nach zahlreichen Updates wenig. Gerade die Steam Deck-Kompatibilität ist ziemlich beeindruckend – Das Spiel sieht auf dem Valve Handheld gut aus, lässt sich prima steuern und läuft dafür ziemlich flüssig. Im AAA-Bereich ist DL2 auf dem Steam Deck beinahe Messlatte, wie es gehen soll. Insofern ist Dying Light 2, wenngleich kein Meisterwerk, immer noch eine gute Empfehlung wert.
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Grafik - 7.5
Story - 6
Technik - 8.5
Umfang - 8
Spielspass - 7.5
7.5
Dying Light 2 ist nicht der ganz, ganz große Wurf, den Techland da angestrebt hat. Man spürt überall die Ambition. Letztlich stehen dem wirklich guten Gameplay vor allem die narrativen Schwächen im Weg.