2022 wird nicht als großes Spielejahr eingehen. Aber möglicherweise sehen wir hier den Anbeginn einer neuen Ära. Klar, große Worte, aber die nutzen die Spieleentwickler von Wizards of the Coast auch. Grund genug um dem neuen Projekt auf den Zahn zu fühlen, denn die neue Edition von Dungeons & Dragons, die mit dem Projektnamen One D&D an den Start kommt, soll nicht nur die ultimative Version des womöglich beliebtesten Pen & Paper-Rollenspiels werden, sondern auch seine Letzte. Und ich dabei habe ich doch noch mit der fünften Edition ein Hühnchen zu rupfen.
Aber fangen wir mit dem Wichtigsten an, denn noch wissen wir gar nicht sooo viel und meine später folgende Spekulation ist eben genau das: Wirres Gefasel eines Rollenspielers, der D&D liebt und es doch nicht mehr spielt.
Nehmen wir das wichtigste Vorweg: Den Ankündigungstrailer, schaut ihn euch gerne an:
„Uff“. Das war mein erster Kommentar, denn ich an meine P&P-Gruppe geschickt habe. Hier kommt einiges auf uns zu und vieles davon klingt mindestens fantastisch, aber einiges lässt mich auch etwas zögerlich aufhorchen.
One D&D soll das ultimative Rollenspielerlebnis der Wizards of the Coast werden und das nicht, weil sie sich danach das Projekt an den Hut stecken, sondern weil sie sich ein lebendiges Regelsystem wünschen, dass folgende Editionen unnötig machen soll. Dabei soll es aber stets rückwartskombatibel mit der aktuellen 5. Edition sein. Ich glaube, an dieser Stelle wäre es durchaus angebracht meine persönliche Position zu D&D offenzulegen: Ich habe mich mein Leben lang für P&P Rollenspiele interessiert, als Sechstklässler erhielt ich eine rechtlich eher fragwürdige Kopie des damals aktuellen Regelwerks von Das Schwarze Auge und habe an diesem Tag mein Herz an das Hobby verloren. Ich erstellte dabei meinen ersten Charakter, der auch 20 Jahre später noch der Namenspatron für eine meiner gängigen Emailadressen ist, die ich sogar als Heimatadresse für die Uni nutzte. Ein bisschen peinlich, aber was soll ich denn machen? Fantasiewelten sind mein Ding. Ich hab´ übrigens nicht eine einzige Runde DSA gespielt, alleine im Regelbuch zu versinken war mein Ding, denn meine Kumpels waren damals alle zu cool um mitzuspielen. Das alles änderte sich dann aber später mit der 5. Edition von Dungeons & Dragons. Vielleicht war es Fügung, vermutlich aber Zufall, aber als die frisch rauskam und ich gerade eben etwas Kohle über hatte, kaufte ich spontan das Player´s Handbook und konnte tatsächlich ein paar Kumpel dazu breitschlagen mitzuspielen. Und an dieser Stelle wurde ich zu so einer Art P&P-Messias in meinem Freundeskreis, der das Gute Wort verbreitete, denn plötzlich spiele ich nicht nur mit meinen Kumpels, sondern es entstanden um mich herum Spielgruppen mit Leuten, die auf einmal von meinen Freunden ins Hobby geführt wurden. Wir haben daraus ein regelmäßiges Hobby gemacht, dass weit über die Studienzeit hinausgeht und für dutzende Leute auf einmal ein fester Termin war. Was will ich damit sagen? Ich liebe D&D. Aber ich spiele es nicht mehr, wir haben uns als amtliche Nerds natürlich alle kopfüber ins Hobby gestürzt, ganze Bücherregale mit Regelwerken gefüllt und uns dann über kurz oder lang auf neue Systeme eingeschossen.
Das hat verschiedene Gründe, nicht zuletzt auch der simple Gedanke, dass einfach mal etwas Neues auch gut genug ist. Zwar gibt es unter Grognards den seltsam konservativen Drang dazu nicht von „seiner“ Edition abzuweichen, aber das würde ich bei meinem experimentierfreudigen Kreis ausschließen. Ebenso wie die Tatsache, dass die meisten ziemlich sicher gar nicht wissen, was ein Grognard ist. D&D 5e hat viel richtig gemacht, insbesondere der Einstieg war hier möglicherweise so leicht wie nie. Damit geht aber auch einher, dass man früher oder später auf Grenzen trifft, die Teil der Designphilosophie sind, denn es ist nunmal ein zweischneidiges Schwert, wenn man unter der Prämisse arbeitet, dass im Zweifelsfall der Spielleiter entscheiden kann, wie etwas letztendlich gespielt wird. Ein gewisses Maß an Freiheit ist befreiend, aber manchmal habe ich mich dann letztendlich auch gefragt, wieso ich für Regeln, die mir im Prinzip sagen „Mach was du glaubst“ überhaupt zahlen soll, denn das kann ich auch für lau. Gleichzeitig wurde in letzter Zeit so viel gestreamlined, dass letztendlich die Identität des Systems gelitten hat, denn wenn man alle Ecken abschleift, hat man am Ende schlicht überall die selbe Struktur. Nicht umsonst nennt meine Spielgruppe augenzwinkernd D&D das Tutorial für Pathfinder.
Aber was versprechen uns die Entwickler hier eigentlich? D&D Beyond gibt es ja nun schon eine Weile und die digitale Version der Regelbücher hat sich mittlerweile wirklich etabliert. Die Bücher sind dick, da lohnt es sich schnell, wenn man einfach digital nachschlägt und auf Anhieb findet, was man eigentlich sucht, statt mühsam(?) nachzublättern. Vielleicht bin ich da oldschool, aber ich habe alle meine Bücher auch analog, obwohl wir schon seit 2 Jahren ausschließlich online spielen. Aprospos, zwar sollte es schon zur 4. Edition von D&D eine digitale Schnittstelle geben, aber da das schon gefühlt 100 Jahre her ist, ist das an den damaligen Gegebenheiten gescheitert. Heute gibt es mit Roll20 und Foundry äußerst würdige Alternativen, die bereits funktionieren und maßgeblich am aktuellen P&P-Hype beteiligt sind, denn online findet sich bedeutet leichter ein Mitspieler. Und in die Kerbe schlagen die Wizards of the Coast und machen da keine halben Sachen, denn ihr neues virtuelles Tabletop System basiert auf der Unreal Engine 5 und sieht dementsprechend auf den bisherigen Darstellungen fantastisch aus und geht dabei weit über das hinaus, was auf den alternativen Systemen möglich wäre. Gleichzeitig sollen hier die digitalen Kampagnenbücher auch direkt mit eingepflegt werden und dem Spielleiter und den Spielleitern eine nie dagewesene Immersion bieten. Das sind starke Worte, aber hier kommt es auf die Umsetzung an. Wie sich die Preise gestalten und wieviel man als Spielende letztendlich personalisieren können ist noch nicht bekannt, für das Medium aber ungemein wichtig. Ebenso die technischen Voraussetzungen. Roll20 und Foundry laufen praktisch nicht auf Tablets, dafür können auch Leute ohne Gamingrechner mitzocken. Wie das auf der Basis der Unreal Engine 5 funktionieren soll werden wir ja sehen.
Fest steht: Ich bin gespannt und halte euch auf dem Laufenden, denn was ich bisher gesehen habe begeistert mich.