Das ganze Projekt rund um die Retrokonsole Intellivision Amico scheint ein einziger Fehlschlag zu sein. Ein weiterer Sargnagel: Laut Reddit wurden die Markenrechte beim US-amerikanischen Patent- und Markenamt weder verlängert, noch anderweitig geschützt. Selbst ein mit Shopify betriebener Webstore wurde laut demselben Thread offenbar aufgrund einer Nichtzahlung für einige Stunden gesperrt. Die Marke ist demnach wohl als “tot” zu bezeichnen.
Quelle: Reddit
Das ganze Ding mutet mittlerweile nur noch dubios an: Nach diversen Verschiebungen, ursprünglich sollte das Videospielsystem im Oktober 2020 erscheinen, kamen Anfang März 2022 die ersten Berichte, dass der Launch auf ganz wackeligen Beinen stehe. Intellivision Entertainment schien schon weit früher massive finanzielle Probleme zu haben. Ein Statement vonseiten des Unternehmens blieb aus, stattdessen veröffentlichte man ganz trotzig ein Unboxing-Video, das in 8 Minuten einen Blick auf die Nutzeroberfläche, die Controller und das System im Allgemeinen offenbarte – Dass die Kommentare deaktiviert wurden, liegt in der Natur der Dinge. Das Ganze sollte offenbar als Beweis herhalten, dass die Konsole nach wie vor veröffentlicht werden solle, um die Investoren und Vorbesteller der Konsole zu beruhigen.
Tatsächlich hat die US-Börsenaufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission in einem herausgegebenen Memorandum eine Warnung ausgesprochen, dass potentielle Investoren von einem Investment in die Intellivision Entertainment Inc. absehen sollten. Das Unternehmen soll seit der Gründung im Jahr 2018 keine nennenswerten Einnahmen generiert haben, dafür aber Langzeitschulden von ca. 7,2 Mio. US-Dollar und kurzfristige Rückstände in Höhe von 1,2 Mio. US-Dollar aufweisen.
Das Intellivision Amico – Eine Geschichte der Red Flags
Die Historie des Intellivision Amico ist eine Geschichte der Red Flags: Der Name Intellivision dürfte Retro-Zocker*innen zumindest grob bekannt sein. Das Intellivision ist eine klassische Videospielkonsole, die 1979 von Spielwarenhersteller Mattel auf den Markt gebracht worden ist und damals mit dem ATARI VCS (später Atari 2600) konkurrierte. Das Intellivision war vor dem berühmt-berüchtigten Videospielcrash von 1983 ein recht erfolgreiches System mit innovativer Technik (u.a. ist das Intellivision die erste 16-Bit Konsole überhaupt) und Peripherie (Erstes System mit Breitbandsupport). Nach dem Crash und den damit einhergehenden Verlusten verabschiedete man sich bei Mattel von der Marke, die dann in den nachfolgenden Jahren von Ex-Mitarbeiter*innen unter dem Namen INTV Corp. bis 1991 betreut wurde. 2018 erwarb der US-Amerikaner Tommy Tallarico schließlich die Rechte am Namen und allen veröffentlichten Spielen. Der war in den 90ern Teil der Fernseh-Videospielmagazine Electric Playground und Judgment Day, hat sich aber ansonsten mit Musikkompositionen zu Videospielen, und der Konzertreihe Video Games Live verdingt. Kurioser Eintrag seiner Vita dürfte wohl der meme-gewordene “Oof”-Sound von Roblox sein, der ursprünglich nicht für Roblox gedacht war. Jedenfalls – Tommy Tallarico versprach in seinem Pitch, dass die neue Intellivision Amico Konsole eine Casual-Konsole für die ganze Familie sei. Das Gerät sollte ca. 180 US-Dollar kosten, die Spiele dafür würden nicht mehr als 8 US-Dollar kosten und sollten exklusiv für das Amico produziert werden. Einige Jahre und Verschiebungen und Gerüchte später, sah die Kostenfrage schon ganz anders aus: 250 – 300 US-Dollar sollte das Gerät nun als Pre-Order kosten, Spiele, nun nicht mehr exklusiv, würden mit 20 US-Dollar zu Buche schlagen.
So just a heads up for anyone this might be relevant to.
Tommy Tallarico (the Video Games Live guy) has been calling anyone who criticizes his badly designed new Intellivision console „communists“ and „gaming racists.“ He also follows white supremacists on Twitter. pic.twitter.com/fvg5wBELOy
— Dan Conlin (@ConVito) June 30, 2021
…und wahrheitsliebend dazu. In einem Investorenmeeting von März 2021 brüstete er sich damit, dass der ehemalige Microsoft-Executive und Mitbegründer der Xbox-Marke J.Allard mit an Bord von Intellivision Entertainment Inc. sei. Eine Falschbehauptung, denn zu diesem Zeitpunkt hatte J Allard das Unternehmen nach kurzer Zeit längst wieder verlassen. Zudem ist die Falschbehauptung tatsächlich illegal, weshalb die oben genannte Aufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission dem Unternehmen eine Aufforderung zur Stellungnahme zukommen ließ. Im Anschluss verschwand J. Allard von der Investorenliste.
Zu “guter” Letzt haben diejenigen Vorbesteller, die beim Intellivision Amico in Vorkasse gezahlt haben bis heute keine Rückerstattungen bekommen. In der Zwischenzeit wurde der Hauptsitz des Unternehmens geschlossen, und die letzte bekannte Finanzierungsrunde ist gescheitert. Das alles sind Indikatoren, dass die Geschichte um das Intellivision-Revival bald vollständig beendet sein wird und Intellivision Entertainment Inc. vor dem Aus steht. Ganz so eine harte Crime Story wie bei Tiger Telematics’ Gizmondo Handheld aus dem Jahr 2005/2006 (eigentlich eine gute Idee für ein Special) ist das zwar nicht, ein sketchy Beigeschmack bleibt aber haften.
